Concorde: "Boucle Supersonique" am letzten Tag der Air France Ops; 31.5.2003

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Airsicknessbag

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11.01.2010
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[bleibt frei]

Edit: Es geht natürlich um den 31.5.2003 - wer nur im Glauben geklickt hat, einen Concorde-Flug 2013 dokumentiert zu sehen, wird leider enttäuscht ;)

*Datum im Titel geändert//dreschen

2. Airsicknessbagsche Edit: Danke, dreschen.
 
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Airsicknessbag

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11.01.2010
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Ich war schon immer fasziniert von der Concorde. Seitdem mich in den Achtzigern der Luftfahrtbazillus gebissen hatte, war dieses schnellste und schönste Flugzeug für mich der Inbegriff des eleganten Fliegens. Spätestens seit einem Familienurlaub in London 1994, während dessen ich für jede Concorde-Flugbewegung an das Fenster unseres Hotelzimmers mit Aussicht auf die Landebahn stürzte, war ich dem "schönen weißen Vogel" unrettbar verfallen. Aber noch gab ich mich bescheiden damit zufrieden, von außen zuzusehen, wenn sie sich majestätisch in die Lüfte schwang. Und natürlich meine Devotionaliensammlung weiter auszubauen.

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Noch...

Gehen wir ins Jahr 2000. Ich hatte mich zwar noch nicht zu dem Hardcore-Typensammler entwickelt, der ich heute bin, mein Flugzähler stand bei 67, und Fliegen war teuer. Schon normales. Von Überschall ganz zu schweigen. Und trotzdem, obwohl ich als Student weit davon entfernt war, mir einen Concorde-Flug leisten zu können, bildete sich irgendwo im Hinterkopf der Wunsch heraus, nicht immer nur staunend vor meinem Objekt der Begierde zu stehen, sondern auch einmal mitzufliegen.

Da kam mir das Internet, das damals wirklich noch Neuland war, zu Hilfe, denn ich las von einer britischen Reiseagentur namens Goodwood, die 40-minütige Unterschall-Rundflüge von Manston aus für nur 400 Pfund, also 1200 Mark, veranstaltete. Ich ließ mir einen Prospekt schicken, fing an zu sparen und nahm mir das für den Sommer 2000 vor.

Der 25. Juli machte mir allerdings einen Strich durch die Rechnung - ich war am Boden zerstört. Nicht nur, daß mein für unverletzbar gehaltenes Lieblingsflugzeug abgestürzt war und 113 Menschen in den Tod gerissen hatte, nein, Concorde als solche war am Boden und ihre Zukunft zweifelhaft. Ich rechnete ehrlich gesagt nicht mit einer Rückkehr, und wenn überhaupt, dann sicher nicht mehr mit billigen Rundflügen. Ich hatte offenbar das Ende einer Ära miterlebt und hatte es verpaßt, persönlich daran teilzunehmen.

Zum Glück hatte ich teilweise unrecht: Die "billigen" Goodwood-Flüge wurden tatsächlich nicht wieder aufgenommen, es gab aber auch ein Äquivalent auf französischer Seite: Air Loisirs Services. Dieses Unternehmen charterte ungefähr sechsmal jährlich eine Air-France-Concorde und flog diese einmal auf die Biskaya heraus, wo dann natürlich auch Überschallgeschwindigkeit möglich war. Das ganze nannte sich "Boucle supersonique", dauerte 100 Minuten und kostet 1500 Euro. Nunja. Müßte zu stemmen sein.

War es dann auch, ich buchte am 9. April 2003 für den 7. Juni 2003. Zum Glück noch keinen Zubringer, denn am 10. April gab Air France die Ausflottung der Concorde am 31. Mai bekannt. Die zuvor über das ganze Jahr verteilten sechs Rundflüge wurden mit einer beeindruckend dichten Taktung wurden auf den 3., 10, 13.,17., 20. und 31. Mai verlegt, und ich schaffte es, den 31. zu buchen. Später wurde mir gesagt, daß man diesen letzten Flug jeweils zur Hälfte mit französischen und britischen Passagieren besetzen wollte, und daß man mich als Deutschen deshalb mitnahm, weil bei dem Absturz fast nur Deutsche ums Leben gekommen waren.
 

Airsicknessbag

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11.01.2010
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Der große, aber auch traurige Tag des Fluges kam, und ich fuhr nach Köln, um von dort mit Germanwings nach Roissy zu fliegen.

Der Tag begann mit einer partiellen Sonnenfinsternis

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und einer Verspätung, da die D-AKNI einen kleinen technischen Defekt hatte. Ich saß auf heißen Kohlen, da das Rahmenprogramm nur eine knappe Stunde nach unserer Landung (planmäßige Flugzeit von 4U 402: 0700-0805) im Hilton beginnen sollte. Da dieses aber nicht allzu weit von Terminal 3 entfernt ist, kam ich letztlich doch pünktlich an und konnte meinen Ausweis für den Tag

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in Empfang nehmen.

Im Hilton war ein nettes Frühstücksbuffet für uns aufgebaut:

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Nach ein wenig "Socialising" mit den Mitreisenden begrüßte uns der Chef von Air Loisirs Services und hielt eine kurze emotionale Ansprache zur Geschichte der Concorde und die anstehende Ausflottung sowie die Verbindung und Verbundenheit seiner Firma und seiner selbst mit dem "bel oiseau blanc". Er informierte uns, daß unser Abflug etwas nach vorne verlegt worden war, damit wir uns über dem Atlantik mit dem aus New York kommenden Schwesterschiff F-BTSD treffen und einen parallelen niedrigen Überflug über CDG durchführen könnten. AF 1 solle dann kurz nach uns landen, damit nicht unserem popeligen Charterflug AF 4332 die Ehre zuteil würde, der letzte kommerzielle Flug einer Air-France-Concorde zu sein.

Gegen zehn fuhren wir per Bus

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zum Musée de l'air et de l'espace

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in Le Bourget.

Highlight dort war der erste französische Concorde-Prototyp,

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der natürlich direktemang von uns geentert wurde:

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Schließlich hat man nicht jeden Tag Gelegenheit, gleich zwei Concordes zu boarden...

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Interessant war ja, gerade nach der Sonnenfinsternis jenes Morgens, daß eben diese F-WTSS 1973 dem Kernschatten der damaligen Sonnenfinsternis von Las Palmas nach N‘Djamena nachgeflogen war, was so auch auf dem Flugzeug gewürdigt wird:

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Der Verfasser dieser Zeilen ließ es sich natürlich nicht nehmen, ans linke Hauptfahrwerk gelehnt seinen Sonntagsstaat in stilechtem bleu-blanc-rouge zu verewigen.

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Auf der anschließenden Busfahrt zurück nach Roissy passierten wir Gonesse, wo keine drei Jahre zuvor die F-BTSC abgestürzt war. Das Hôtelissimo lag dem Verfall preisgegeben, die eigentliche Absturzstelle hinter einem hohen Metallzaun. Wir fuhren einfach vorbei, ohne einen kurzen Hinweis oder einen Moment des Innehaltens, was ich angemessen gefunden hätte.

Wieder in CDG angekommen machten wir eine kurze Flughafenrundfahrt, die ausnahmsweise landside blieb, da an dem Tag erhöhte Sicherheitsvorkehrungen ein luftseitiges Vordringen unmöglich machten.

Nach dem anschließenden recht opulenten Mittagessen im Hilton

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und weiteren verdrückten Tränchen

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wurden uns noch einige Verhaltensregeln für den Flug an die Hand gegeben: Es würde einen kurzen Besuch des Cockpits während des Fluges geben, während dessen aber keine Fotos erlaubt seien. Außerdem dürften keine Safety Cards mitgenommen werden. Haha, der war gut... Außerdem sollten wir auf dem Scheitelpunkt unserer Acht, also auf halbem Wege, den Sitz mit unserem Nachbarn tauschen, damit jeder einmal den Fensterplatz genießen könnte.
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
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Unser Flug sollte um 1535 beginnen, so daß wir das Hotel gegen 1430 Richtung Check-In

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verließen, wo wir schon von diversen Journalisten erwartet wurden.

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Die Bordkarten (ja, Klasse R, "Classe supersonique") waren bereits fertig vorbereitet; ich hatte 16 B, die dritte Reihe der hinteren Kabine:

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Ein guter Platz, da man zwar genug vom Flügel sah, um die besondere Flügelform bewußt zu erleben, aber die Sicht nach unten nicht eingeschränkt war. Siehe hier (bei BA wäre es Reihe 14):

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Durch die Passkontrolle ging es zur Concorde-Lounge,

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wo uns wieder diverse Journalisten erwarteten. Später gesellte sich noch unsere Kabinenbesatzung dazu, unterhielt sich mit uns und posierte, wo gewünscht, für Erinnerungsfotos.

Das Boarding startete um 1530, also fünf Minuten vor dem planmäßigen Abflug. Endlich bekamen wir unseren Vogel, die F-BVFB, erstmals zu Gesicht:

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Beeindruckend. Ich konnte kaum fassen, daß ich damit gleich fliegen würde.

Nun ging es also an Bord,

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ich übrigens als letzter. Da ich davon ausging, daß ich während des Fluges anderes zu tun haben würde als die Toilette aufzusuchen, machte ich das obligatorische Foto gleich en passant,

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bevor ich mich zu meinem Sitz vorarbeitete

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und die Safety Card, die ich selbstverständlich nicht mitnahm (ahem), in Augenschein nahm:

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Ich hatte zwar schon davon gehört, daß die Concorde eng sein sollte, hatte aber nicht erwartet, daß das so wahr wäre. Die Sitze waren natürlich sehr bequem, aber Breite, Sitzabstand und Rückenlehnenneigung erinnerten eher an eine Economy. Auch der Stauraum, sowohl in den Gepäckfächern als auch unter dem Vordersitz, ließ zu wünschen übrig.

Aber das war natürlich völlig egal, zumal an einem Tag wie diesem. Einzig schade fand ich, daß die Fenster nur handtellergroß waren und somit die Aussicht ziemlich eingeschränkt war, fast wie durch Schießscharten. Aber was sollte es, ich lehnte mich zurück, genoß und versuchte, so viel wie möglich von der Atmosphäre aufzusagen und in meine Erinnerung einzubrennen, während die Triebwerke 3 und 2 angelassen wurden und ein sehr prononcierter Kerosingeruch die Kabine erfüllte.

Kurz nach 1600 war Push-back. Und das war es dann auch erst einmal. Wir standen. Und standen. Und blieben stehen. Währenddessen machten die Stewardessen unbeirrt die Sicherheitsvorführung:

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Im Anschluß daran wurden wir wieder ans Gate zurückgeschoben. Na prima. Ich fing an, daran zu zweifeln, daß der Flug stattfinden würde.

Schließlich machte der Kapitän eine Durchsage, daß nur ein Lämpchen am Anlasser von Triebwerk 4 defekt war, und daß dieses binnen 40 Minuten ausgetauscht sein würde, woraufhin ein kollektiver Erleichterungsseufzer durch die Kabine ging. Ich dagegen fing an zu rechnen: Wir würden nicht vor 1700 abheben, um 1840 landen und wahrscheinlich recht lange rollen. Mein Germanwings-Rückflug nach Köln war um 2050, einzuchecken war morgens nicht möglich gewesen, die Annahmeschlußzeit betrug eine Stunde. Und ich mußte noch rüber ins Terminal 3. Das würde nicht nur knapp werden, sondern auch dazu führen, daß ich den Cocktail-Empfang mit der Crew nach dem Flug im Hilton verpassen würde, auf den ich mich sehr gefreut hatte. (Der dort zu übergebende Silberteller mit Namensgravur

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wurde mir später zugeschickt.) Außerdem war es sehr heiß, aber mittlerweile machte die Kabinenbesatzung mit Champagner und Wasser die Runde.

Immerhin stand auf der Habenseite, daß wir durch unsere Verspätung lange nach der New-York-Maschine landen und somit in jeglicher Hinsicht (also nicht nur beim Start) der letzte kommerzielle Flug einer Air-France-Concorde sein würden - ich empfand und empfinde es als große Ehre, auf diese Weise Teil der Luftfahrtgeschichte zu werden bzw. geworden zu sein.

Außerdem gab mir die Verspätung Gelegenheit, mir das Paket anzusehen, das wir zusammen mit der Bordkarte und einem Kofferanhänger,

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der mir noch heute gute Dienste tut und eine wunderbare pièce de conversation darstellt, überreicht bekommen hatten:

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Es enthielt

eine Landkarte mit unserer Flugroute, weiteren technischen Details und der namentlichen Auflistung aller Besatzungsmitglieder (Kapitän, Erste Offizierin, Flugingenieur, Purser, drei "Hostessen" und zwei Stewards),

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eine sehr detaillierte Concorde-Broschüre,

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eine Mappe mit Briefpapier, Umschlägen, Postkarten und "Briefmarken" sowie einen Kugelschreiber

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und eine Bescheinigung über das Durchbrechen der Schallmauer mit Faksimile-Unterschrift des Air-France-Vorstandsvorsitzenden und Concorde-Killers und echter des Kapitäns:

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Airsicknessbag

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Um 1700 war das Problem behoben, um 1705 hoben wir ab.

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB

Wobei "hoben wir ab" nur in sehr unzureichendem Maße beschreibt, was uns geschah: Die Beschleunigung war wie ein Tritt in den Rücken von einem auskeilenden Pferd. Eine solch brutale Beschleunigung, die bis weit nach dem Abheben anhielt und sich in eine unglaubliche Steigleistung übersetzte, ist mit nichts vergleichbar, das ich vorher und nachher erlebt habe - ein wirklich extrem eindrucksvolles Erlebnis.

Nach dem Start wurden die Nachbrenner ausgeschaltet, was sich wie eine Vollbremsung im Auto anfühlte, und die Kabine wurde für den Service vorbereitet. Der Tisch wurde mit Leinentüchern gedeckt, der Champagner floß erneut in Strömen. Wir flogen mit Mach 0,95 bis zur Küste, anschließend wurden die Nachbrenner erneut betätigt (was kaum merklich war), um die Schallmauer zu durchbrechen:

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Ein sehr schmackhaftes kaltes Hummergericht wurde gereicht,

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bevor die Nachbrenner bei Mach 1,7 wieder ausgeschaltet wurden und wir Mach 2 erreichten:

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Die kurzzeitig erzielte Spitzengeschwindigkeit betrug Mach 2,04, was laut Auskunft des Pursers extrem selten vorkam - so selten, daß sogar er diesen denkwürdigen Moment festhalten ließ:

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Natürlich ließ sich auch der Autor zu einem solchen leicht peinlich puerilen Angeber-, nein, Erinnerungsfoto hinreißen:

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Und nun, das Essen war abgeräumt, der zehnsekündige Cockpitbesuch im Akkord absolviert, hatte ich endlich meinen Fensterplatz und etwas Ruhe und konnte mich – finalement! - ein bißchen entspannen und philosophieren:

Ich saß in einer kleinen Metallröhre und wurde mit 500 Metern pro Sekunde schneller als eine Gewehrkugel durch die Luft geschleudert. Diese Metallröhre war derart schnell, daß die Reibungswärme die Außenhaut so erhitzte, daß man die Innenseite des Fensters nicht lange anfassen konnte. Ich befand mich 18 Kilometer über der Erdoberfläche, konnte die Erdkrümmung sehen, und der Himmel war nicht mehr blau, sondern schwarz.

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Es war ein merkwürdiges Gefühl, zwischen Erhabenheit, Demut und Angekommen-Sein.

Lange allein mit meinen Gedanken war ich aber nicht, denn die Atmosphäre war ausgelassen, ein Jubelsturm nach dem anderen jagte durch die Kabine - erstmals beim Abheben (bzw. kurz danach, als man seinen Atem wiedergefunden hatte nach der enormen Beschleunigung), dann beim Durchbrechen der Schallmauer, und schließlich als das Machmeter auf 2 sprang; man kann sich vorstellen, wie laut der Jubel war, als über die Bordlautsprecher eine Verlobung bekanntgegeben wurde. Hurra - noch mehr Champagner! Im Endanflug schwappte schließlich sogar La Ola durch die Kabine. Es war schon lustig...

Aber zuvor gab es noch ein weiteres Schmankerl für uns, einen Low Pass in 600 Metern Höhe über CDG,

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB

bevor wir schließlich doch noch landeten, um 1835.

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB

Wow. Die Bremsung war die heftigste und lauteste, die ich jemals erlebt habe. Wieder eine dieser Erfahrungen, die ich erst- und letztmalig machte. Ich verstand nun mit einem Mal, warum die Kabinenbesatzung den festen (!) Sitz jedes Gurtes sehr sorgfältig geprüft hatte.
 

Airsicknessbag

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Wie erwartet zog sich unser Rollvorgang "etwas" hin. Jedes Service-, Feuerwehr und Polizeifahrzeug, das in der Nähe war, stand Spalier

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und bildete dann einen Corso. Wir müssen praktisch einmal um den Flughafen gerollt sein, hielten alle paar Minuten an, unter anderem am Sitz von Air France

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senkten und hoben die Nase an und grüßten die ekstatischen Massen,

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die winkten, Fähnchen schwenkten, fotografierten was das Zeug hielt und einfach aus dem Häuschen waren. Die Zufahrtsstraßen waren verstopft, weil die Leute einfach anhielten, um uns zu begrüßen. 10.000 sollen es gewesen sein.

Photos: Aerospatiale-BAC Concorde 101 Aircraft Pictures | Airliners.net

Photos: Aerospatiale-BAC Concorde 101 Aircraft Pictures | Airliners.net

Selbst unsere Piloten konnten sich der ansteckenden Stimmung nicht entziehen:

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB


Nach 45 Minuten Rollzeit erreichten wir das Gate und parkten direkt neben F-BTSD, die zuvor als letzte AF 1 aus JFK gekommen war. Ich war fast vier Stunden an Bord gewesen.

Klatschende Air-France-Mitarbeiter

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und ein paar Meter weiter erneut die Presse

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erwarteten uns.

Aber nun war das Vergnügen vorbei, ich war mit einem Schlag kein concordefliegender Jetsetter mehr, sondern ein Billigfliegerkunde im falschen Terminal, 30 Minuten vor Check-In-Schluß. Ein Niemand, Teil der ungewaschenen Massen, Riffraff.

Ich schaffte es in der Rekordzeit von 25 Minuten zum Germanwings-Schalter in Terminal 3, wo die Damen schon fast am Zusammenpacken waren und mir ein leicht vorwurfsvolles "Vous êtes tard, Monsieur, dépêchez-vous, s’il vous plaît!" mit auf den Weg gaben. Jaja, scho recht, aber ich hatte zum einen eine gute Entschuldigung und war zum anderen noch so euphorisiert, daß ich mich über so etwas garantiert nicht ärgern konnte.

Vom Bus zur D-AKNH aus konnte ich sehen, wie die beiden aktiven Maschinen des Tages weggeschleppt wurden,

Foto Air France Aerospatiale/BAC Concorde F-BVFB

während einige Mitpassagiere diskutierten, ob die heute wohl noch einen Flug hätten, und wie gerne sie einmal mitgeflogen wären. Ich mußte in mich reingrinsen.

Der Germanwings-Flug 4U 407 nach Köln war pünktlich, ereignislos und brachte mich wieder in die Realität zurück.

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Einen Sonnenuntergang später

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landeten wir um 2200 - ich war 13 Stunden älter und um eine einmalige Erfahrung reicher, die mir niemand mehr nehmen kann, und die mich immer begleiten wird.
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
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Epilog:

Meine Fox Bravo machte noch einen letzten Transatlantikflug am 2. Juni mit VIP-Gästen um den damaligen französischen Präsidenten Chirac, bevor sie am 24. Juni nach Karlsruhe flog und mit einem spektakulären Transport über den Rhein und die Landstraße ins Auto & Technik Museum nach Sinsheim gelangte.

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Ich war bei der Landung in FKB und beim Umladen von Schiff auf Lkw in Altlußheim zugegen, vielleicht poste ich zu einem späteren Zeitpunkt noch ein paar eigene Fotos, bis dahin gebt Euch bitte mit diesen hier

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zufrieden; klickt Euch mal durch die Bilder Nummer 313 bis 326, es lohnt sich.


Heute steht "meine" Fox Bravo einträchtig neben der Tupolew 144 in Sinsheim auf dem Museumsdach

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und erinnert an eine vergangene Ära, in welcher sich der Fortschritt noch rein quantitativ in den Kategorien "höher, schneller, weiter" ermessen ließ, alles machbar schien, und alles, was machbar war, gemacht wurde. Diese Einstellung, dieses ungebrochene Verhältnis zum technischen Fortschritt und dieser Glaube daran, daß er die Menschheit voranbringt, scheinen unwiederbringlich verloren.

Es bleibt die Erinnerung an den - luftfahrerisch - besten Tag meines Lebens.
 

foxyankee

Pilotendompteur
20.04.2009
3.667
736
Großherzogtum
Ganz toll zusammengefasst!

Vielen herzlichen Dank dafür, man kann das Herzblut rauslesen und ich bin abermals voller Respekt gegenüber deiner Zeitplanung und den knappen Flügen. Zumindest bei der Anreise würde ich sowas niemals machen - zuviel kann passieren und wegen einer Lapalie dann SO EINEN Flug verpassen - der Ärger wäre dann nicht in Worte zu fassen.

Ich habe die erste Concorde damals bei einem Presseflug am EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg das erste mal live in operation gesehen und war erschüttert ob des Lärms der das gesamte Flughafengebäude hat erzittern lassen. Später war ich auch bei der Landung in Karlsruhe zugegen und seither habe ich nur eben durch Museumsbesuche die Flieger besichtigen können. Zu schade - ich einfach "zu jung" :)
 

Worldwide

Erfahrenes Mitglied
08.07.2013
801
0
Vielen lieben Dank für diesen ganz wundervollen Bericht. Toll, dass du dir das damals erfüllt hast!
 

Tough_Viking

Aktives Mitglied
18.07.2014
125
0
BMA
Von mir auch ein großes Lob und Danke für diesen tollen Bericht. - Ich freue mich sehr für Dich, dass Du dies erleben konntest! (y)

Mir war es leider nicht gelungen, mit der Concorde zu fliegen und daher hoffe ich umso mehr, dass bald ein paar mutige und fähige Ingenieure es hinbekommen, wieder ein Überschall-Flugzeug für die zivile Luftfahrt zu entwickeln. Natürlich in einer modernen Interpretation mit besser Effizienz!
 

MacSmith

Erfahrenes Mitglied
22.09.2010
264
0
CGN/FRA
Auch von meiner Seite "Vielen Dank" für die interessante und unterhaltsame Hommage an eine - leider - vergangene "Grand Dame" der Luftfahrtgeschichte. Leider hat sich für mich damals nie die Gelegenheit ergeben einmal mir der Concorde zu fliegen und dann war es auf einmal zu spät ... Schade :(
 

concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
5.755
1.804
Hamburg
Als auch "concorde-flieger" hat mich deinen Bericht sehr berührt. HERZLICHEN DANK

PS den Cocktail Empfang zum Schluss hätte ich nie und nimmer verpasst- und wenn ich die nacht hätte auf einer Parkbank verbringen müssen. Jede Sekunde hätte ich ausgekostet.

" Ein Niemand, Teil der ungewaschenen Massen, Riffraff." Ja, fliegerisch war es danach immer wie postkoital.
 
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Petz

Erfahrenes Mitglied
08.11.2009
5.072
3.916
Danke für den schönen Bericht.
Ich bedauere es nie mit der Lady geflogen zu sein. :(
 

xx15

Neues Mitglied
08.05.2014
23
2
Lieber AirsicknessBag,

vielen Dank für diesen Bericht!
Er weckt besondere Erinnerungen bei mir.
Es war damals ein schöner warmer Tag in Paris und ein besonderer Nachmittag.

Wie Du hatte ich von diesem Flug gelesen aber sehr schnell entschieden nicht mit zu fliegen.

Ich fuhr an diesem Wochenende trotzdem nach Paris um diese letzten Concorde Flüge von Air France zu sehen.
Der Start ein Highlight: Eine Mischung aus unbändigem Krach und diesen braunen Kerosin Abgasen
Einfach TOLL

Dieses Highlight wurde dann noch einmal durch Euren Überflug übertroffen.
Die vielen Menschen waren mehr als begeistert.

Im Nachhinein sei Dir gesagt, wenn Du den 4U Rückflug verpasst hättest, hätte ich Dich
mit zurück nach Köln genommen. Bin auch in diese Richtung gefahren.
 

mainz2013

Erfahrenes Mitglied
18.09.2013
3.638
598
Heute erst gelesen! Vielen Dank für deinen Bericht. Ich denke in meiner Generation (56 Jahre jung) wird es keine kommerziellen Überschallflüge mehr geben. Leider!
 

Travel_Lurch

Erfahrenes Mitglied
15.09.2009
2.407
749
Heute erst gelesen! Vielen Dank für deinen Bericht. Ich denke in meiner Generation (56 Jahre jung) wird es keine kommerziellen Überschallflüge mehr geben. Leider!
Das glaube ich nicht. Ich habe zwar den Firmennamen gerade nicht parat, aber aufgrund der Pläne wurden bereits 20 (?) Kisten verkauft. Mach1.5 und EIS in weniger als 10 Jahren (also durchhalten). Maschine allerdings deutlich kleiner als Concorde. Eher auf PJ-Niveau.
Link wird nachgeliefert.

Edit:
http://www.digitaltrends.com/cool-tech/flexjet-orders-20-aerion-as2-supersonic-private-jets/
und Branson mischt auch mit, allerdings mit M3: www.boom.aero
 
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concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
5.755
1.804
Hamburg
@ Mainz 2013
Vielleicht doch - wenn du in 20 Jahren so vermögend sein solltest, dass du dir den Trip auf dem Kostenniveau eines Privatjets leisten kannst.
 
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