Retro Tripreport Good bye Lufthansa

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concordeuser

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01.11.2011
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In vier Wochen ist Weihnachten (ja wirklich), es ist an der Zeit, wieder einmal eine längere Weihnachtsgeschichte zu erzählen, einen Tripreport der ungewöhnlichen Art, über meine Freundschaft mit der Lufthansa, die nun zu ende gegangen ist.

Bis Weihnachten werde ich die Teile der Erzählung hier einstellen und freue mich auf alle Foristen, die Lust haben mitzulesen. Wenn ich es schaffe , werde ich alle paar Tage eine Fortsetzung einstellen. Für die bessere Lesbarkeit werde ich alle Teile hier am Anfang unterbringen und reserviere erst einmal die Platzhalter.

Die Debatte ob man nun LH hasst oder sie vergöttert und die Geschäftspolitik nun richtig oder falsch findet, möchte ich hier eigentlich nicht führen. Ich werde mich daran (hier) nicht beteiligen, sondern erzähle einfach meinen point of view

Spätestens am 2. Weihnachtstag soll die ganze Geschichte erzählt sein. Mal gucken wohin die Reise geht.

Gute Unterhaltung:)
 
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01.11.2011
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Teil 1

Retro Tripreport Good bye Lufthansa



Ich habe einen Freund verloren. Lange war die Lufthansa in meinem Leben wie ein guter Freund. Wir mochten uns und unsere Beziehung war mehr als nur Business. Es war wie wirkliche Freundschaft, eine Bereicherung und gegenseitiger Nutzen. Das was Freundschaft eben ausmacht so wie im richtigen Leben. Doch die letzten Jahre waren schwierig und die Zeiten haben sich geändert. Die Lufthansa ist aus Hamburg weggezogen und wir haben uns kaum noch gesehen. Auch hatte sie in den letzten Jahren kaum noch Interesse an mir. Gemeinsame Erlebnisse gab es immer weniger. Zwar hat sie mehrfach gesagt, ich könne mich ja auch öfter mal mit German Wings treffen, aber „Nein Danke“, das hat sich nicht so entwickelt. So zerfiel unsere Freundschaft, nun gucke ich in den Spiegel und stelle fest, es ist vorbei. Es ist wirklich wie im richtigen Leben, man spürt ja schon, wenn das Gegenüber das Interesse verloren hat. Wenn eine Freundschaft nicht gepflegt wird, zerbricht sie. So ist es eben. Aber ich werde der Reihe nach erzählen. Alles hat ein Anfang und ein Ende.

Vielleicht fange ich mit meinem ersten Flug an, auch wenn es noch nicht unser Kennenlernen war. In den fünfziger Jahren war meine Familie bitterarm. Erst mit großer Verspätung traf bei uns ein klein wenig vom deutschen Wirtschaftswunder ein. Im Sommer 1962 schenkte mein Vater meiner Mutter und mir eine Reise nach Berlin. Mit einer Vickers Viscount der British European Airways, einem kleinen Flugzeug mit vier Propellern und fünfundsechzig Sitzen, flogen wir nach Tempelhof. Die Sieger brachten uns in Hitlers Reichshauptstadt. Nur die Alliierten durften die Luftkorridore nach Berlin benutzen. In einer langen Stadtrundfahrt besuchten wir die geschichtsträchtigen Bauten deutscher Vergangenheit, die Siegessäule, das Brandenburger Tor, die Gedächtniskirche und das Kaufhaus des Westens. Auch die ein Jahr zuvor gebaute Mauer und das sowjetische Kriegsdenkmal sahen wir, dazu die Stacheldrahtgrenze und das allgegenwärtige Militär. Hitlers Hauptstadt blieb mir fremd. Für einen Zwölfjährigen war es eine unverständliche Welt. Aber ich fand das Fliegen spannend und mein lebenslanges Interesse für Luftfahrt war geweckt.

Unser Kennenlernen

1978 sollte ich dann Lufthansa kennenlernen. Ich hatte mein erstes Studium hinter mich gebracht und hing mit meiner Doktorarbeit an der Uni rum. Ich hatte einige gut bezahlte Jobs erbeutet, die wenig Zeit erforderten, aber relativ viel Geld und Entertainment einbrachten. Ich lebte komfortabel in meiner Nische. Eines Tages klingelte das Telefon und mein Professor fragte, ob ich für ihn nach Nepal zu einem Workshop nach Nepal fliegen könnte. Er sei verhindert. Wow. Sofort sagte ich ja. Für einen Jungen aus einem Hamburger Armutsstadtteil, der bisher nur einige Länder Europas mit Interrail gesehen hatte, eine gigantische Reise, wie ein Lottogewinn. Es folgte ein Anruf aus einer Behörde in der Hauptstadt Bonn und ich durfte im Stadtbüro der Lufthansa am Dammtor das hinterlegte Flugticket abholen. Es war wie das Betreten von heiligen Hallen, wie ein heiliger Akt. Fliegen war damals 1978 etwas ganz besonderes und es war teuer. Von dem Geld, dass das Ticket kostete hätte ich drei Monate leben können. Hamburg – Frankfurt – Delhi – Kathmandu und zurück war mein Routing.

Einige Tage vor der Abreise ging ich zu einer Fete, die in einer Wohngemeinschaft über dem Abaton Kino an der Hamburger Uni stattfand. Dort lernte ich ein Mädchen kennen, die in einem Reisebüro arbeitete. Sie erzählte mir davon, dass in jedem Ticket ein Potential von Extrameilen für Umwege eingebaut sei und von Imaginary Fair Construction Points. Vor allem sagte sie mir, dass ich mit dem Ticket eine großartige Reise mit vielen Umwegen machen könnte. Das Mädchen interessierte mich weniger (später hat sie bei KLM gearbeitet) aber mit dem Umschreiben und Optimieren von Tickets sollte ich mich lange beschäftigen.


Imaginary Fair Construction Point bedeutete, dass jedes Ticket Extrameilen enthält, die man für Umweg benutzen konnte oder man konnte gar ein Ticket zu fiktiven Orten kaufen, mit viel Meilenpotential und dann zu den Orten fliegen, wo man wirklich hin wollte. Dieser Weg war sehr viel günstiger, als Tickets zu den Orten zu kaufen, zu denen man eigentlich hin wollte. Und es war legal wie Schachspielen. Am Montag drauf ging ich wieder ins das Lufthansa Stadtbüro.

Fortsetzung folgt
 
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01.11.2011
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Teil 2

Im Stadtbüro guckten mich die braunen Rehaugen einer freundlichen Lady in LH Unform an und waren sehr wohlwollend gegenüber meinen Wünschen. Wahrscheinlich wirkte ich noch wie ein unerfahrenes großes studentisches Kind, das ich wohl auch war. So wurde aus dem Ticket das Routing KTM DEL BOM ZRH LHR HAM, und es gab nicht nur Flüge mit Lufthansa, sondern auch mit Indian Airlines (die es damals noch gab) und Swissair, lange vor der großen Pleite, als sie als SR noch einen legendären Ruf hatte. Am liebsten wäre ich jeden Tag ins Stadtbüro gegangen um mein Ticket um weitere Städte zu ändern, was wohl auch von der inkludierten Mileage her noch gegangen wäre.

Dann ging es endlich los, obwohl mein Vater misstrauisch war, für wen ich denn da unterwegs war. Wahrscheinlich rechnete er damit, dass ich nicht lebend zurückkommen würde. Mit der Lufthansa und dem damals erst kurze Zeit vorher eingeführten A 300 ging es von HAM nach FRA und abends spät weiter in der DC 10. Ich saß in der Y, daneben gab es nur einige Sitze in der F. Business Class war noch nicht erfunden. Auch nur von der F zu träumen, wäre jenseits von Gut und Böse gewesen.

Der Job, ein Workshop der Vereinten Nationen im Rahmen von Entwicklungshilfe, bei dem ich als Mitglied der deutschen Delegation dabei sein durfte, entwickelte sich zur Katastrophe - meinetwegen. Ich hatte keine Ahnung von der 3. Welt und mein Englisch war - sehr wohlwollend gesagt - begrenzt. Ich hatte nur als erster „hier“ geschrien und durfte dabei sein. Aber ich habe es überstanden und bekam nach einiger Zeit sogar die vereinbarten 2000 DM Honorar.

Die Reise habe ich als aufregend und schön in Erinnerung. Von DEL nach KTM ging es mit der Royal Nepalese Airlines, die zwei schon damals uralt wirkende und mittlerweile längst verschrottete 727 betrieb, aus der Serie 100, also noch mit offenen Gepäckablagen. Kleine gelbe Männer in Fantasieuniformen betraten das Cockpit, offenbar die Piloten. Bei den Abstechern auf der Rückreise entdeckte ich, wie viel Spaß es bringen kann unterwegs on the road zu sein. Schließlich lagen für mich als Nachkriegskind die Erfahrungen der tristen Nachkriegsjahre noch nicht so zurück. Und als Deutscher im Ausland zu sein war immer noch etwas komisches und befangenes, zumindest für mich.

Schon einige Jahre vorher, mit sechzehn, auf meiner ersten Reise mit einem Schulfreund nach Schweden, wurde mir klar, dass Auslandsreisen für uns Nachkriegskinder auch immer Momente der Befangenheit mit sich brachten. Gerne habe ich nie gesagt, aus welchem Land ich komme. Deutschland eben. Was für ein beschissenes Vaterland, ich gehörte zu den Verbrechern. Tief saß diese Konditionierung in mir. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich im Ausland fast ebenso selbstverständlich aussprechen konnte „Ich bin Deutscher“, wie andere sagen konnten „Ich bin Franzose“. Völlig unbefangen bin ich bis heute nicht. Automatisch spreche ich lieber Englisch als Deutsch. Meine Jugendfreundin Christine bevorzugt im Ausland Spanisch, wenn sie mit ihrem Mann unterwegs ist. Erst nach Jahrzehnten habe ich begriffen, dass viele meiner Generation ähnlich befangen waren wie ich. Auch sie konnten nicht sagen, ich bin Deutscher, ohne sich seltsam oder mies zu fühlen. Nie war auszuschließen, dass ein Gegenüber abweisend und feindselig reagiert oder aggressiv „Heil Hitler“ schreit und der rechte Arm zum deutschen Gruß herausschießt. Lange Zeit dachte ich wie selbstverständlich, dies sei mein persönliches Problem, mit mir stimme etwas nicht. Obwohl sechs Jahre nach Kriegsende geboren, habe ich lange Zeit für Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg ein diffuses Schuldgefühl mit mir herumgetragen. Scham und Last unserer Eltern hatten mich infiziert, diese Melange aus unbestimmbarer Befangenheit und Minderwertigkeit hatte mich geprägt. Wenn jemand „deutsch“ sagte, ging es mir schlecht.

Aber ich schweife beim erzählen ab. Mit dieser ersten und dann gleich großen Reise begann meine Freundschaft mit der Lufthansa. Sie war die Verbindung zur Heimat in der großen weiten Welt, wie ein Freund der mich begleitete und unterstützte.

FORTSETZUNG folgt
 
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Teil 3

Einige Monate später, im November, bewerbe ich mich an einem Forschungsinstitut in München. An sich will ich weiterhin mit meinem Zweitstudium eine angenehme Zeit an der Uni verbringen, aber ich bin auch neugierig. Mit dem Liegewagen der Bahn fahre ich an die Isar und gehe zum Vorstellungstermin, ohne Sakko, weißes Hemd und Schlips. Ich habe einen alten Anorak und einen Pulli an. Dazu war ich unrasiert. Zu meiner Entschuldigung muss ich noch einmal darauf hinweisen, es war 1978, also andere Zeiten, wie dem Leser aus den Folgen mit Ekel Alfred bekannt sein wird. Ich treffe zunächst den Abteilungsleiter, dann den Big Boss, einen Adeligen. Ich erzähle unbefangen wer ich bin und wie ich die Welt sehe. Mittags geht ein Mitglied des Vorstands mit mir essen. Wahrscheinlich wollte er den Kohl-Merkel Test mit mir machen, also gucken, ob ich mit Messer und Gabel essen kann. Wenn ich die Presse über Kohls Memoiren richtig verstanden habe, ist Mutti anfangs dabei durchgefallen. Am Nachmittag soll ich noch einen anderen Häuptling treffen. In der Wartepause spreche ich mit einem Freak, der in Frankfurt studiert hatte und auch erst vor einigen Monaten hier angefangen hat. Er verrät, mir, dass hier alle Dienstreisen die weiter weiter als Augsburg sind, mit dem Flugzeug gemacht werden. Also gehe ich zu der scharfen Sekretärin, und frage nach einem Heimflug. Erfolgreich. Nach dem letzten Gespräch wird mir mitgeteilt, in München Riem sei ein Ticket für den Abendflug nach Hamburg für mich hinterlegt. Die Erfindung von Internet und Smartphone sollte noch einige Jahrzehnte in der Zukunft liegen. Auf dem Papierticket lese ich den Preis von 297 DM, das Doppelte meiner Monatsmiete. Abends fing es an zu schneien und eine halbleere 727 brachte mich nach Hamburg. Ein nettes Mädchen in LH Uniform überreicht mir ein großes Tablett mit dem Abendessen und eine Cola. Ohne der Diskriminierung verdächtigt zu werden, darf ich sie Stewardess nennen. Damals noch nicht von Wohlmeinenden verboten. Und ja, es gab einmal ein richtiges Essen auf einem Inlandsflug, es waren wirklich noch andere Zeiten. Ich hänge meinen Gedanken nach. In der Welt der Erwachsenen könnte es mir gefallen.

Eine Woche später habe ich einen Arbeitsvertrag zum nächsten Ersten in München unterschrieben. Von nun an sollten Reisen mit dem Flugzeug zu meinem Alltag gehören. Nun sollte meine wahre Freundschaft mit der Lufthansa beginnen. Bis heute habe ich vielleicht 3000 legs im Flugzeug zurückgelegt. Da ich über die Jahre meine Aufzeichnungen nicht immer sorgfältig geführt habe, kann ich nur schätzen. Etwa 2400 Flüge werden mit der Lufthansa gewesen sein. Bevor der Leser fragt, ich habe vor kurzem meinen 60. Geburtstag gefeiert.

Fortsetzung folgt
 
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01.11.2011
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Teil 4

Fortsetzung 4 / Neuanfang

Als Student hatte ich im Sommer 1973 in den Semesterferien in einer Spedition am Flughafen Hamburg in der Abfertigung von Luftfracht gearbeitet. Schnell weckten der Geruch des Kerosins und die Flughafen-Atmosphäre mein Interesse an Luftfahrt und am Fliegen. Am Flughafen zu arbeiten war aufregend. Mit einem geschenkten Ticket konnte ich sogar einen kurzen Wochenendtrip mit KLM nach Amsterdam machen, denn ich als aufregend und spannend erinnere, doch auf dem Beginn meiner Vielfliegerkarriere sollte ich bis zu der großen geschilderten Reise 1978 nach Kathmandu warten noch müssen.

Als dann 1979 mein Job in München begann sollte ich für die nächsten Jahrzehnte Flugzeuge benutzen wie andere Menschen die U Bahn. Fast ausschließlich flog ich mit Lufthansa, weil Flüge innerdeutsch oder „Europa im Nahbereich“ waren. Ich wäre auch gar nicht auf die Idee gekommen, nicht mit dem Kranich zu fliegen. Nur auf den Strecken nach Berlin, wo LH nicht fliegen durfte, saß ich in PanAm Clippern, wie diese Gesellschaft euphorisch ihre Flugzeuge nannte. Tatsächlich waren es fürchterlich abgewarzte 727, die auf den Transitstrecken hin- und herflogen. Später nutzte ich auch die gemeinsame Tochter von LH und AF mit dem schönen Namen Euroberlin. Sonst war ich meinem Freund Lufthansa treu. Die allermeisten Reisen ergaben sich aus dem Job. Später lebte ich wieder in Hamburg und hatte zeitweise meinen Arbeitsplatz in anderen Städten. Das Gehalt war so, dass ich es mir leisten konnte, mehr oder weniger zu pendeln.

Ich mochte es, unterwegs zu sein, und immer stärker wurden Flughäfen, Flugzeuge und das Gefühl „on the road zu sein“ wichtig in meinem Leben. „Wichtig“ ist eigentlich nicht wirklich das zutreffende Wort, ich war „gerne“ unterwegs. Eine Stunde am einem Flughafen herumzusitzen fand ich inspirierend, nicht lästig. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht an ein Haus oder Kinder gebunden war. Besonders wichtig war mein Job nicht, aber ich hatte „zu koordinieren und zu leiten“ und da war es immer gut, „seine Leute“ und Projekte persönlich zu sehen. Willy Wichtig oder ein kapitalistischer Bonze war ich nicht. Es waren ja auch andere Zeiten. Zur Kommunikation gab es damals nur Briefe mit der Post, dazu das Telefon (außerhalb der Ortgespräche und ins Ausland ziemlich teuer) und im Notfall das Telegramm. Selbst das Telefax-Gerät, diese heute so altmodisch wirkenden Kisten mit Thermopapier, gab es in den ersten Jahren meiner Berufslaufbahn noch nicht.

Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger war das Fliegen längst dabei, sich zu einem Massenverkehrsmittel zu werden. Zugegebenermaßen war es schon lange nicht mehr so exklusiv wie in den 1950er und 1960er Jahren, doch es weckte immer noch Anerkennung wenn ich Sonnabendmittags aus München einflog, um nachmittags mit meinen Kumpeln auf einer Wiese im Stadtpark Fußball zu spielen.

Auch gehört zu meinem Rückblick, dass der Luftverkehr im vergangenen Jahrhundert sehr (!) viel angenehmer war als heute. Zum Einchecken gab es immer ausreichend offene Schalter, ohne die heutigen, so kundenverachtend wirkenden langen Schlangen in Viehgattern. Die so zweifelhaften körperlichen Durchsuchungen und Schikanen waren noch nicht eingeführt. Selbst wenn man nur wenige Minuten vor Abflug ankam, hatte man eine gute Chance seinen Flug noch zu bekommen. Im Flugzeug konnte man bequem sitzen, ohne die gegenwärtigen menschenunwürdigen Sitzabstandsverdichtungen. In der Regel blieb meist auch der Platz neben einem leer. Abgesehen von den ganz kurzen 30 Minuten-Legs wie Stuttgart-Frankfurt wurde ein Tablett mit einem richtigen Essen serviert, das in der Regel einer Mahlzeit entsprach, nicht die heutigen Müllsäcke, aus denen ein süßer oder saurer Snack hervorgekramt wird. Mir hat es meist geschmeckt, vor allem nach dem ich entdeckt hatte, dass ich für viele meiner Strecken „vegetarisch“ als Special Meal bestellen konnte.

Ich genoß es, viel unterwegs zu sein. Auch die Stewardessen interessierten mich. Sie galten zwar nicht mehr als die Schönheiten des Landes, die in der Super Constellation oder Convair auf einen Ehemann warteten, weil es für das Gymnasium oder den Beruf der Krankenschwester nicht reichte, sondern freundliche Mädels wie diejenigen, die ich an anderen Orten kennenlernte. Manchmal haben sie mich interessiert und es kam sogar zu einigen Dates wie man heute sagen würde. Vielleicht auch, weil einige sehr nette Ladies dabei waren, die sich mit dem Geist der großen weiten Welt gut eingerichtet hatten.

Auf einem meiner Rückflüge von MUC nach HAM musste ich nebelbedingt lange warten, da KAT 3 noch nicht erfunden war. So kaufte mir am Kiosk in Riem ein Buch mit dem Titel „Honkong“ von Rudolf Braunburg, einem Lufthansa Jumbokapitän. Tatsächlich flog er die DC 10, doch damals wurden umgangssprachlich alle großen Maschinen als „Jumbo“ bezeichnet. „Hongkong“ war eine seiner vielen Erzählungen aus dem Milieu der Luftfahrt, die ich alle interessiert gelesen habe. Später hat Braunburg das Magazin der Zivilluftfahrt Aero gegründet. Als ich seine Bücher entdeckte, brach mein Interesse an der Luftfahrt endgültig aus.

Anfangs waren Tickets immer flexibel und konnten leicht umgeschrieben werden. Der heutige unsagbare Beschiss aus Steuern, Gebühren und anderer Abzocke war noch nicht eingeführt. Mehrfach habe ich meine Tickets von MUC nach HAM auf MUC-DUS-HAM umgeschrieben, weil auf dem ersten Leg immer eine DC 10 flog, und ich noch einmal in dem Riesenvogel sitzen wollte. Auch auf das Routing HAM-FRA-MUC habe ich einmal umgebucht, um die letzte 707 kennenzulernen, die morgens immer den 7 Uhr Flug nach Frankfurt durchführte.

Manchmal habe ich mir auch kleine Wochenendtrips aus der inkludierten Extra Mileage oder den Tricksereien mit den schon erwähnten „Imaginary fare construction points“ zusammengebastelt. Warum sollte ich von Paris nach Hamburg fliegen, wenn ich ohne oder mit nur geringen Extrakosten auch über London, Brüssel oder Amsterdam fliegen konnte. Und sei es nur um einen Kaffee zu trinken, den Menschen nachzugucken und ein wenig das dortige Lebensgefühl aufzusaugen.

Bevor ich die LeserInnen nun irritiere und mich morgen die Gutmenschen-Polizei mit einem Hausbesuch beehrt und ich gar in ein Umerziehungslager nach Bautzen oder Guantanamo zugeführt werde, möchte ich schnell darauf hinweisen, dass dies ein „historischer“ Tripreport ist. Sprache und Inhalt entsprechen dem vergangenen Jahrhundert und werden nur aus schriftstellerischen Gründen verwendet.

Selbstverständlich weiß ich, dass ich eine Frau Professor mit „ProfessorX“ anzureden habe, dass der Angriff mit Zivilflugzeugen am 11.9. 2001 Nichts mit einer unterdrückenden Religion zu tun hatte (ein wirklich widerliches Gerücht), Frauen freiwillig ihre Burka anziehen und Claude Juncker nun seine segensreiche Arbeit zur Steuerfreiheit amerikanischer Konzerne an der Spitze der EU fortsetzen kann. Auch Negerküsse habe ich schon lange nicht gegessen. Aus meiner Bibel habe ich die Weihnachtsgeschichte herausgerissen, weil sie politisch nicht ganz korrekt ist. Das musste ich einfach sagen. Jetzt kann ich unbelastet weiter von meiner jahrelangen Freundschaft mit der Lufthansa erzählen, denn mein Kopf ist voller Erinnerungen aus unserer gemeinsamen Zeit. Wer viel fliegt, kann viel erleben.

Meine wohl gefährlichste Situation unterwegs sollte ich schon 1979 erleben. Auf einem meiner Abendflüge von MUC nach HAM war die 727 gerade aus Riem herausgeklettert und wohl gut 20 Minuten unterwegs, als der Pilot (er war wirklich männlich, Pilotinnen sollten bei der LH erst Jahre später eingeführt werden), dass er ein Triebwerk abgeschaltet habe und wir umgehend in Frankfurt landen würden. Worte wie Notlandung oder Emergency vermied er. Das Triebwerk sei überhitzt gewesen. Nach dem Aussteigen, als wir an den Treppen auf den Bustransfer warten mussten, sahen wir deutliche Rauch- und Schmauchspuren. Es muss ganz schön gekokelt haben, aber der eingebaute Feuerlöscher hatte offenbar funktioniert. Einige Paxe waren ziemlich aufgeregt und riefen nach Alkohol. It’s a Man’s world. Ich fand es eher interessant, Angst erinnere ich nicht. Eine Ersatzmaschine brachte uns dann weiter nach Hamburg. Den Avherald gab es damals noch nicht, sonst hätte ich nachlesen können, was ich genau erlebt habe.

Einmal erlebte ich in HAM ein heftiges Durchstarten, wohl 50 Meter über der Langenhorner Chaussee, da wo Helmut Schmidt wohnt, weil die Maschine vor uns nicht schnell genug abgerollt war. Nichts passiert, aber es war fast ein richtiger „touch and go“.

Ein anderes Mal war ich an einem sonnigen Herbsttag unterwegs nach London. Als wir genau über Amsterdam passierten, bekam ein Pax einen Herzinfarkt. Alle Passagiere wurden in den hinteren Flugzeugbereich geschickt und unsere Maschine bekam Priority. Wie vom Lineal gezogen rauschten wir in knapp 20 Minuten durch den Luftraum auf der Ideallinie nach LHR, während man sonst ab Amsterdam meistens noch eine Stunde unterwegs ist und durch Südost-England kurvt. Hat leider nichts genützt, der Pax ist noch an Bord verstorben. RIP.

Heftige Turbulenzen gab es natürlich häufiger, doch einmal waren sie so stark, dass sich eine Stewardess und ein Reisender den Arm bzw. die Schulter gebrochen hatten. Seitdem bin ich höllisch vorsichtig geworden und schnalle mich grundsätzlich an, schon lange bevor es zur Regel wurde.

Ein anderes Mal, es muss Anfang dieses Jahrhunderts gewesen sein, war ich an einem trüben Winterabend unterwegs von HAM über MUC nach BEG um Freunde zu besuchen und Medikamente hinzubringen. Es war kurz nach Ende der Balkan-Kriege. Wir hatten gerade den Steigflug verlassen, als uns der Pilot mitteilte, wir würden umgehend aus „operationellen Gründen“ in Berlin-Tegel landen. Dort stände es eine Ersatzmaschine. Mehr Erklärungen hörten wir nicht. Nicht einmal meine Insider bei Lufthansa kannten diesen Ausdruck „operationelle Gründe“. Möglicherweise war ein Gepäckstück an Bord, das da nicht hingehörte. Da in München der letzte Anschluss nach BEG nicht mehr zu erreichen war und habe ich die Reise in Berlin abgebrochen werden musste. Ohne Probleme gab mir LH einen Übernachtungsgutschein, die Bahnrückfahrt nach Hamburg und das Geld für mein Ticket zurück.

In den achtziger Jahren hatte sich mein Wissen über Flugtickets schnell ausgeweitet. Ein Forschungsprojekt, in das ich neben meinem Hauptjob involviert war, führte mich mehrmals in die Stadtverwaltung Londons. Dazu habe ich häufiger auch an Workshops in England teilgenommen und bin mit meiner damaligen Freundin oft in London gewesen. Wir liebten das englische Lebensgefühl und haben uns gerne dort aufgehalten, zum Shopping von Büchern, Schallplatten und Jeans sowie für Theater und Kultur. Zwar war und ist Hamburg eine großartige Stadt, aber mit der Größe, der Geschichte und dem Lebensgefühl in London konnte sie nicht mithalten. Schnell hatte ich herausgefunden, dass man in einigen Reisebüros Hamburgs Tickets für Dan Air, einer britische Charterfluggesellschaft, die zwischen Hamburg und Gatwick flog als auch für die Lufthansa nach Heathrow kaufen konnte. Solche Tickets hießen damals Graumarkttickets. Sie waren nicht umbuchbar und man erhielt vom Reisebüro zu jedem Ticket einen fiktiven Voucher für eine Hotelübernachtung. Man sollte ihn vorzeigen, falls man kontrolliert werden würde. Allerdings wurde ich nie kontrolliert. Auch konnte man in Hamburg Tickets zu einem sogenannten Reederei-Tarif kaufen, die eigentlich nur für Mitarbeiter von Schifffahrtsgesellschaften gedacht waren.

Schnell lernte ich auch, dass Flugtickets in unterschiedlichen Ländern höchst unterschiedliche Preise haben. London - Hamburg kostete in England zeitweise nur 50% dessen, was ich in Deutschland dafür zahlen sollte. Besonders ab Athen und Lissabon lohne es sich, dort Tickets zu erwerben und heftige Umwege einzubauen. In das Ticket Athen-Hamburg-Athen habe ich mehrfach den Abstecher von Hamburg nach Dublin und zurück eingebaut, die kostenfrei waren, wen man bei der Lufthansa jemand fand, der wohlwollend am Ticket herumrechnete. Dazu bin ich immer in Zeiten, wo nichts los war zum Flughafen gefahren und zu einem Schalter gegangen, an dem das Lufthansa Mädel ein gutes Karma ausstrahlte, also freundlich und entspannt wirkte. Mit einigen charmanten Bemerkungen habe ich mein Gegenüber eigentlich immer anstiften können, ein wenig zu rechnen. So bin ich unter anderem zu meinen zwei schönen Wochenendausflügen nach Dublin gekommen und konnte alle Länder Europas kennenlernen. Ob man ein Ticket in der Reihenfolge der Coupons abflog, wurde damals nicht kontrolliert, zumindest ist es mir nie passiert. Es waren ja Papiertickets und man konnte die Coupons, die man verwenden wollte, auch herausreißen und beim Check-In abgeben.

Besonders ab Athen und Lissabon habe ich häufiger auch Tickets der ersten Klasse erworben. Auf Inland- und Europastrecken hatte die Lufthansa bis in die Neunziger Jahre nur zwei Klassen. Vorne gab es die First, meist zwei Reihen mit vier fetten First sitzen. Hinter einer Trennwand saßen dann die anderen, egal wie viel sie für das Ticket gezahlt hatten. In der First Class gab es auf allen Strecken ein warmes Essen, sogar morgens um sieben von Hamburg nach Frankfurt.

Gut erinnere ich mich an die Flüge mit der für eine Europastrecke riesigen A 300 von Athen nach Frankfurt. Hier bekamen die Paxe in der First Class als Vorspeise immer Kaviar, der aus einem großen silbernen Eimer vom Wagen serviert wurde. Dann kam das eigentliche Essen. Diese A 300 Flüge fand ich großartig, allein schon in so einem Riesenvogel unterwegs zu sein war erhebend.

Das Wissen um Tickets mag in meiner Kurzdarstellung sehr nach Maximierung klingen, aber ich sage schon einmal vorab und zwischendurch, dass ich in meinem bisherigen Lebens viel Geld als treuer Kunde in die Lufthansakasse gespült habe, auch zu Zeiten, als ich viele Reisen günstiger mit anderen Gesellschaften hätte machen können. Insofern habe ich kein schlechtes Gewissen für die kleinen Tricks und vielen späteren Vergünstigen als FTL und Senator.

Einige Reisen sind mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Wenige Tage vor Heiligabend 1989 musste ich zu meinem wohl kürzesten Besuch nach London. Ich arbeitete damals in einer Fernsehproduktion. Am Vormittag erfuhren wir, dass ein dringend benötigtes Ersatzteil für den Textgenerator der Schnittanlage noch nicht unterwegs war, sondern noch beim Hersteller in der Nähe Londons herumlag. Da kostspielige Produktionsverzögerungen drohten und es so aussah, als ob der Lieferant wenig Lust hatte, das Teil noch vor Weihnachten zu verschicken, tobte einer der Inhaber in mein Zimmer und forderte mich auf, umgehen „den Scheiß aus England“ zu holen. Minuten später war ich unterwegs nach Fuhlsbüttel zum Flughafen. In London nahm ich eines der schwarzen Taxis und fuhr die gut 80 km zum Hersteller. Unser Teil lag in der Ecke und die Mitarbeiter dort hatten angefangen sich zu besaufen, wegen Feierabend oder Weihnachten oder beidem. Wahrscheinlich hätten wir das Teil wirklich erst im neuen Jahr erhalten. Mit dem Taxi ging es zurück nach Heathrow. Für den Fahrer war meine Fahrt wohl die Hälfte seines Xmas-Umsatzes.

Der Karton war ziemlich groß, etwa 120 x 40 x 40, aber nicht schwer. Von einer wohlwollenden Lufthansa-Lady bekam ich die Zusage, dass ich nebst Karton mitgenommen werde, wenn ich ein First Ticket kaufen würde. Gesagt getan. Dann ging ich in die Senator Lounge, in die ich mit meinem Föörst Ticket durfte. Sie war zu jener Zeit ein kleiner verschwiegener Raum, mit vielleicht 20 fetten Ledersitzen und einem Kühlschrank voller Champagnerflaschen. An das Happy happy erinnere ich mich nicht mehr genau, wahrscheinlich ein Tablett mit Lachsbrötchen. Als ich gerade mit der Betankung anfing, wurde mitgeteilt, dass unser Flug 2 Stunden Verspätung hatte. Das konnte ja eine lustige Nacht werden, auch wegen des Nachtflugverbots in Hamburg.

In der Lounge lernte ich Tucumba und Uwe kennen. Auch sie saßen herum und wollten nach Hamburg. Tumcumba war ein freundliches Mädchen, so alt wie ich, die ihr Geld als Kunst-Beraterin verdiente und im vornehmen Rotherbaum wohnte. Der seltsame Name war ihr Spitzname, den sie bekommen hatte, als sie sich zwei Jahre in Schwarzafrika aufhielt. Uwe war ein Geschäftsmann mit seltsamen Einstellungen und Manieren, aber nicht unsympathisch. Er war so alt wie Bob Dylan, also zehn Jahre älter als ich. Um die Zeit totzuschlagen redeten wir viel und betranken wir uns. Später haben wir uns einige Male zu dritt getroffen und jeder hat einmal für die anderen gekocht. Der Kontakt zu Tucumba ist dann irgendwann abgerissen, auch weil Uwe ein Auge auf sie geworfen hatte. Uwe dagegen sollte bis zu seinem Tod im Jahr 2006 zu einem meiner allerengsten Freunde werden.

Dann kam endlich das verspätete Aeroplan nach Hamburg. Tucumba, Uwe und ich bevölkerten die Erste Klasse, auf einem leeren Sitz war mein Riesenkarton festgeschnallt. Gegen halb zwei nachts landeten wir in HAM. Offenbar hatte Lufthansa eine der seltenen Ausnahmegenehmigungen für eine Landung in der verbotenen Zeit erhalten. Ich war so betrunken, dass ich den Karton auf einen Gepäckwagen legte, meinen Mantel darüber ausbreitete und freundlich grüßend am müden Zöllner vorbei zum Taxi ging.

Durch meine Freundschaft mit Uwe erhielt ich Zugang zu Information über die „Welt der Lufthansa“ und zu den mit einem Status verbundenen Vorteilen. Er hatte eine Senator-Karte und war ein HON, was in Ende der 1980er wohl identisch war (anders als heute). Da ich die Tickets meiner vielen Reisen mit LH im wahrsten Sinne des Wortes in aller Welt zusammengekauft gekauft hatte, auch für die vielen beruflichen Flüge, schickte ich einen großen Schuhkarton Tickets und Boardingpass-Schnippseln an das Lufthansa Stadtbüro in die Dammtorstraße. Kurze Zeit später war ich stolzer Besitzer einer FTL Karte.

Auf einer meiner Reisen, es war ein privater Trip nach Lulea (mit dem schönen Routing Köln-Berlin-Stockholm-Lulea- Göteborg- Düsseldorf) lieh mir Uwe seine Senator-Karte und auf den LH Legs konnte ich die Annehmlichkeiten des Upgradings auf Lufthansa Strecken selbst ausprobieren. Damals war ein upgrade in die First selbstverständlich.

Es war eine schöne Reise: im Sommer 1992, verstrickt in Geld und Karriere, verbissen in die Sanierung eines maroden Unternehmens, bin ich mit meinem Schulfreund Bernd für drei Tage in Richtung Polarkreis geflogen, in die nordschwedische Stadt Luleå. Dort spielte Bob Dylan zur Mittsommernacht auf dem Volksfest Sjöslaget. Es blieb hell, die meisten Menschen waren mehr oder weniger betrunken. Eine schöne Sommernacht, es war warm, die Stimmung freundlich und entspannt. Nach dem achten Song, passenderweise Love Minus Zero / No Limit, stand ein Mädchen vor mir. Blond und lächelnd. Sie sagte, meine Brille sei witzig und küsste mich lange. Ich war der Reiz des Fremden. Sie lebte in Umeå und stammte aus Gällivare oder umgekehrt. Ihren Namen habe ich vergessen, mit Schweden war ich versöhnt. Auf dem Rückweg flogen wir dann mit Lynjeflug (oder so ähnlich) bei einem Zwischenstopp in Sundsvall nach Göteborg zu einem 2. Konzert. Dienstag morgen saß ich wieder am Schreibtisch und drehte das Hamsterrad.

Wenige Wochen später bekam ich meine eigene Senator-Karte, die ich bis 2011 behalten sollte. 1992 führt Lufthansa auch das Miles & More Programm ein und begann mit dem Aufbau der Star Alliance. Mir kam das zu Gute, denn ich war damals nicht viel, sondern extrem viel mit der Lufthansa unterwegs.


danke fürs Interesse - Fortsetzung folgt
 
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Teil 5 NEU NEU NEU



Hinter der Zonengrenze gab es noch einen anderen deutschen Staat, das Land „Drüben“. Je nach politischer Sichtweise wurde es im Westen mit unterschiedlichen Namen belegt: Deutsche Demokratische Republik, DDR, Gebilde, Drüben, Ostzone, Sowjetisch besetzte Zone oder SBZ. Immer wieder wurde uns erzählt, drüben werde nur behauptet, das Land sei demokratisch, wir aber seien die wahre Demokratie. Heino und der Wahre Heino.

Ich kannte die DDR von den regelmäßigen Besuchen bei unseren Verwandten. Da mein Vater sich beharrlich weigerte, die Ostzone zu betreten, fuhr meine Mutter immer nur mit meiner Schwester und mir dorthin. Jeden Sommer verbrachten wir mehrere Wochen in Sachsen. Die endlos langen Fahrten mit der Bahn in den Interzonenzügen waren anstrengend. Manchmal mussten wir stundenlang in überfüllten Waggons stehen. Besonders deprimierend war die Fahrt über die Zonengrenze. Der Zug rollte immer extrem langsam durch die Grenzanlagen aus Stacheldraht, Gräben und Todesstreifen, bis er endlich an den Bahnsteigen der Grenzübergänge hielt. Hier gab es jedes Mal schikanöse Kontrollen, von den DDR-Grenzorganen auf deutsche Art und Weise zelebriert. Alle Reisenden mussten aus dem Zug steigen, wurden herumgeschubst und standen endlos auf dem Bahnsteig herum. Nach langwierigen Inspektionen von Pässen, Aufenthaltsgenehmigungen und Gepäck mussten wir dann meist aussteigen. Nun wurden noch die Waggons durchsucht, auch unter dem Zug mit Hunden und großen Spiegeln. Dann durften wir wieder einsteigen. Einer schien dem anderen nicht zu trauen, deswegen wurden alle Kontrollen doppelt gemacht. Nach gefühlt stundenlanger Warterei ging die Fahrt weiter.

Eigentlich war der Traum des Kommunismus schon gescheitert, als Stalin an die Macht gelangte und seinen bestialischen Terror aus Massenmorden und Unfreiheit begann. Ein politisches System, das nicht auf Zustimmung und Identifizierung seiner Bürger beruht, kann nicht dauerhaft Bestand haben. Auch wir werden eines Tages in diesen Kelch gucken müssen. Der Untergang der DDR brachte ihren Bürgern die langersehnten Freiheiten. Westmark und Bananen kamen, doch die versprochenen blühenden Landschaften waren die üblichen Politikerlügen. Heute ist das Land Drüben im Nebel der Geschichte verschwunden.

Am 9. November 1989 fällt die Mauer. Es folgt die Wiedervereinigung. Mit diesen Ereignissen endete der Zweite Weltkrieg endgültig. Deutschland wurde wieder ein freies und souveränes Land, soweit das in den Strukturen unseres Wirtschaftssystems möglich ist. Aus DDR-Bürgern wurden „Ossis“ und „Zonis“. Wehe den Besiegten. Schnell waren sie ein beliebtes Ziel für Übertölpelung und wirtschaftlichen Beschiss, bevorzugt von Versicherungsvertretern, Gebrauchtwagenhändlern und Politikern. Nicht selten verloren diejenigen, die am lautesten nach Helmut Kohl, dem Kanzler der Einheit, geschrien hatten, als erste ihren Arbeitsplatz. An einigen Wohnhäusern klingelte der Wessi und sagte den Bewohnern, „Dieses Haus ist meins.“ Vierundvierzig Jahre nach 1945.

Gleich von zwei Headhuntern wurden mir Jobs bei der Treuhand angeboten, um die Betriebe der DDR „abzuwickeln“, wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß. Dankend habe ich abgelehnt. Doch ganz sollte ich der DDR nicht entkommen. Für ein anderes Unternehmen gehörte ich einige Male zu denjenigen, die morgens im dunklen Anzug mit der Lufthansa nach Leipzig und Dresden flogen, dort in einen schwarzen Mercedes von Sixt stiegen und das Ostland nach Projekten und Beute durchkämmten. Glücklicherweise war ich nur ein kleines Licht und muss mich für nichts schämen. Abends ging es wieder zurück. Über Nacht wollte keiner bleiben. In der Senator-Lounge in Leipzig, anfangs noch betrieben von der DDR-Fluggesellschaft Interflug, lag ein dickes Gästebuch aus, in das sich auch der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker mit einem langen Gruß eingetragen hatte. Ich hätte es als zeitgeschichtliches Dokument an mich nehmen sollen.

Auf einer dieser Reisen im Herbst 1992 wurde ich Teil einer „Flugzeugbesetzung“. Mit einer 737 war ich morgens gegen 6:30 in Düsseldorf nach Leipzig gestartet. In der Regel würde sich der Nebel bald verziehen. Unterwegs war die übliche Bande in schwarzen Anzügen mit Aktenkoffern. Über Leipzig ertönte die Stimme unseres Piloten, unten sei Nebel, aber er hätte vorsichtshalber genug Fuel mitgenommen. So fingen wir dann an zu kreisen. Von Zeit zu Zeit stieg die Maschine ab und der große Kommandant im Cockpit guckte nach, ob er etwas sehen konnte. Landung ging aber nicht. Nada, niente, nothing. So kreisten wir weiter über Leipzig und das Ganze entwickelte sich zur Fete. Die Crew machte mit und stellte alle Drinks und Brötchen zur Verfügung, die an Bord waren. Nach 2 Stunden kreisten wir immer noch. Der Pilot meldete sich erneut und murmelte etwas von „der Nebel sei heute doch sehr ungewöhnlich und der Fuel, den er gebunkert habe, ginge nun zu ende“. Wir wurden nach Dresden diverted. Mittlerweile muss es fast 11 Uhr gewesen sein. Der Tag war ohnehin gestorben. Nach der Landung folgte die Ansage, wir sollten das Flugzeug verlassen, am Boden würde man sich um uns kümmern. Großes Gelächter. Die meisten Paxe waren erfahrene Vielflieger mit Senator Karte und fielen auf den Trick nicht rein. Wären wir ausgestiegen, so hätten wir sicherlich bis ins Wochenende in der Zone festgegessen. In Dresden hatte es auch Nebel gegeben und kaum eine Maschine war gestartet. Dazu waren sicherlich 10-12 Maschinen nach Dresden umgeleitet, die teilweise sogar auf der runway standen. Damals, 1992, gab es auch keine gute Möglichkeiten, aus Dresden auf dem Landweg zurück in Westen zu kommen: eine Bahnfahrt nach Berlin dauerte ca 5 Stunden, zu anderen Städten im Westen hätte es noch mehr Zeit erfordert. Das Soli-Geld war ja noch nicht verbaut. Auch einen Mietwagen hätte man sicherlich nur schwer bekommen, jede Rückreise hätte sich zum zeitrauben Albtraum entwickelt.

Also teilte eine größere Gruppe mit, sie würde an Bord bleiben, egal wohin es ginge. Wir weigerten uns hartnäckig, das Flugzeug zu verlassen. Punkt Aus Ende. Jede Stadt im Westen war besser als in Dresden festzusitzen. Es wurde lange hin- und her palavert, mit Lockungen und Drohungen, dann kam der Stationsleiter mit seiner Hiwi und gab jedem eine Bordkarte zu seinem Wunschziel, wenn wir nur die Maschine verlassen würden. 90 Minuten später flog ich über Frankfurt nach Berlin, wo ich abends sein musste.


Fortsetzung folgt
 
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Fortsetzung 6

Was in der letzten Folge passierte:

Jahrzehnte später, im Sommer 1992, verstrickt in Geld und Karriere, verbissen in die Sanierung eines maroden Unternehmens, bin ich mit meinem Schulfreund Bernd für drei Tage in Richtung Polarkreis geflogen, in die nordschwedische Stadt Luleå. Dort spielte Bob Dylan zur Mittsommernacht auf dem Volksfest Sjöslaget. Es blieb hell, die meisten Menschen waren mehr oder weniger betrunken. Eine schöne Sommernacht, es war warm, die Stimmung freundlich und entspannt. Nach dem achten Song, passenderweise Love Minus Zero / No Limit, stand ein Mädchen vor mir. Blond und lächelnd. Sie sagte, meine Brille sei witzig und küsste mich lange. Ich war der Reiz des Fremden. Sie lebte in Umeå und stammte aus Gällivare oder umgekehrt. Ihren Namen habe ich vergessen, mit Schweden war ich versöhnt. Auf dem Rückweg flogen wir dann mit Lynjeflug (oder so ähnlich) bei einem Zwischenstopp in Sundsvall nach Göteborg zu einem 2. Konzert. Am Dienstagmorgen saß ich wieder am Schreibtisch und drehte erneut das Hamsterrad.

Und so geht es weiter:

Wie versprochen eine weitere Fortsetzung, entstanden heute unterwegs in der Swiss Lounge in ZRH:

Mein mobiles Leben war nun in den frühen Neunzigern angekommen. Ich lebte in HAM, hatte einen Job in Aachen und flog via DUS und CGN viel umher. Beruflich und privat. Nach einigen Monaten war ich nicht mehr nur FTL, sondern auch Senator, ein Status, den ich bis auf eine Unterbrechung bis 2011 behalten sollte. Ich war beruflich nicht sonderlich wichtig, ich sanierte nur eine kleine Firma. Aber ich spülte wohl jährlich – und ich finde es extrem schwer, dies rückwirkend für die damaligen Tickets und Preise zu schätzen –zwischen 40 000 und vielleicht 60 000 DM mit meinen Reisen in die Kasse der Lufthansa, vielleicht auch weniger oder mehr. Sicherlich war ich einer der recht unwichtigen SENs, nicht vergleichbar den Obermohren von Siemens oder Mercedes etc. Die große Mehrheit meiner Flüge entstand innerdeutsch und innereuropäisch. Also richtige Knochenarbeit. Als SEN durfte ich die Lounges benutzen, schneller einchecken, an den Schlangen vorbei, wurde häufiger einmal upgegradet und, mir besonders wichtig, bei meinen regelmäßigen Heimflügen am Freitag wurde höchst wohlwollend mit den Ticket-Restriktionen in DUS umgegangen, wenn ich da war, durfte ich fast immer sofort nach Hause fliegen. Es war "friendly business" zum gegenseitigen Nutzen. Lufthansa hatte etwas von mir und ich bekam etwas zurück. Und auch wenn es später einem „Franz“ schwerfallen sollte, derartiges zu verstehen, ein Kunde der 50 Riesen bringt ist halt wichtiger als einer, der im Jahr einen halben bringt.

1992 führt Lufthansa das Miles & More Programm ein und begann mit dem Aufbau der Star Alliance. Mir kam das zu Gute, denn ich war damals nicht viel, sondern extrem viel mit der Lufthansa unterwegs. Einige Foristen werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass M&M anfangs löcherig wie ein Stück Schweizer Käse war. Auch ich habe einmal ein wenig Meilen auf mein Konto geschaufelt - Asche auf mein Haupt. In jedem von uns steckt ja ein kleiner Hacker. Und es war so gotteserbärmlich lächerlich einfach. Die Mißbrauchsmöglichkeit endete meines Wissens nach erst, als ein mittlerer Manager von Siemens aus MUC dabei erwischt wurde, dass er an einem Tag angeblich gleichzeitig auf drei Flügen in der Föörst unterwegs war, auf drei Kontinenten und dafür auch dreimal dafür Meilen begehrte. Idiot. Damals im Spiegel geradezu lyrisch beschrieben in einem längeren Artikel. Nachdem der Spiegel groß berichtete, hat LH die Lücken wohl verschlossen oder auch nicht. I don’t know. Der erwischte Manager von Siemens soll wegen Betrugs zulasten der Lufthansa übrigens vor Gericht gestanden haben, aber ich habe keine Erinnerungen mehr, wie das ausgegangen ist.

Die Freundschaft mit Lufthansa bedeute auch so etwas wie „gesellschaftlicher Status“. Ich erinnere mich, einige Male zu Events eingeladen worden zu sein. Besonders gut war eine LH Veranstaltung im Rahmen des SH Musikfestivals, wo etwa 250 Leute zu Kultur mit Justus Franz und Essen und Trinken zusammenkamen. Bei 250 Alpha-Tieren mit SEN Karte ist spannend zu beobachten, wer sich bei Happi-happi und Schampus vordrängelt. Es war ein schöner Tag. Ein anderes Mal wurde ich in die Lufthansa Werft in HAM eingeladen, zur Taufe des ersten A 321 (auf den Namen Finkenwerder). Über eine halbe Stunde ließ ich mir das Cockpit erklären. Auch gab es in Hamburg in den Neunzigern einmal einen Kundenbeirat, bei dem auch ich eingeladen war. Es wurde ernsthaft diskutiert und hatte etwa zur Folge, dass der morgentliche A300 aus HAM in FRA nicht mehr auf einer möglichst weit entfernten Außenposition ankam, sondern an einem der Finger. So dass weniger Leute ihren Anschlussflug verpassten. Fast hätte ich ironisch gesagt, "ja, Kinder, die LH hatte auch mal gute Zeiten". Ein oder zweimal bekam ich sogar ein kleines Präsent, weiß aber nicht mehr, ob zu Weihnachten oder zum Geburtstag.

Einmal schaffte ich es auch in den Simulator und durfte eine A320 landen, genauer gesagt, ich versuchte sie zu landen. Nun ja, ich hätte überlebt, aber wegen zu großer sink-rate hätte ich dem Vogel vermutlich einige heftige Schäden verpasst. So ein Simulator wirkt schon verdammt echt. Als ich unten war, trug ich ein schlitschnasses, durchgeschwitztes Oberhemd. Ich fing an, mich auch für die Technik zu interessieren, die hinter meinen vielen Flügen steckte.

1992 wollte ich auch unbedingt nach NY, um an einem Event mit Bob Dylan teilzunehmen. Ein Künstler, der mir und vielen meiner Generation große Bedeutung hatte. Vielleicht ein kleiner Exkurs in die Kultur: Nichts sollte in den späten Sechzigern so bleiben wie es war. Sam Cooke sang A change is gonna come. In Greenwich Village hing der zwanzigjährige Bob Dylan herum und verkündete, The times they are a-changing. In einem anderen Song, A hard rain’s a-gonna fall, malte er das düstere Bild der Gegenwart, die Klage über den nuklearen Winter, über das Sterben im atomaren Untergang, der uns erwartete. „Where black is the color and none is the number.” Sein Bild vom „Hard Rain“ prägte das Bewusstsein vieler Heranwachsender in der westlichen Welt. Dylans Song Like a rolling stone explodiert in meinem Kopf und in den Köpfen vieler Jugendlicher, so tief und so perfekt fing er den Schmerz des Erwachsenwerdens ein.

Bob Dylan galt als die Stimme unserer Generation, ob er es sein wollte oder nicht, so als ob er unser kollektives Unterbewusstsein besser kannte als wir selber. Er war so viel mehr als nur ein Musiker oder Songwriter. Seine Worte erweckten unsere Gefühle zum Leben und brachten unsere Erfahrungen ans Tageslicht. Dylan war unser Poet Laureate, eine herausragende rätselhafte Figur, die unsere Rebellion gegen die bestehende verrottete Nachkriegsgesellschaft genau so in Worte verpacken konnte, wie unsere Ängste und die Unsicherheit unseren Platz in der Welt zu finden. Er sang über die Freude und den Schmerz unserer intimsten Beziehungen.

Dylan sprach für die Underdogs, die Empfindsamen, die Unglücklichen, die Behinderten, die Krüppel, die Verletzten und die seelisch Hungernden, zu denen viele von uns Nachkriegskindern gehörten. "I'll let you be in my dreams if I can be in yours".

Mir bedeutete er etwas und ich wollte zu seinem 30 jährigen Bühnenjubiläum im Madison Square Garden unbedingt nach NY, aber dafür nicht viel Geld auf den Kopf hauen. Allein das Erbeuten der Eintrittskarte hatte schon ein halbes Vermögen erfordert. Also schrieb ich meinem Freund Lufthansa und fragte, warum mir andere Carrier Tickets für 800 DM anbieten würden, nicht aber der Kranich. Am nächsten Tag kam ein Anruf, ich könne mein Ticket für 800 DM im Stadtbüro abholen. Es wurden drei unvergessliche Tage in New York.

Aus Wikipedia: The 30th Anniversary Concert Celebration is a live double-album release in recognition of Bob Dylan's 30 years as a recording artist. Recorded on October 16, 1992, at Madison Square Garden in New York City, it captures most of the concert, which featured many artists performing classic Dylan songs, before ending with three songs from Dylan himself.




Fortsetzung folgt.
 
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Teil 7


Retro Tripreport: Good bye Lufthansa.
Was in der letzten Folge passierte:

Am nächsten Tag kam der Anruf, ich könne mein Ticket für 800 DM im Stadtbüro abholen. Es wurden unvergessliche Tage in New York.
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Ich glaube fast, es waren sogar vier Tage, die ich im Big Apple verbrachte. Zwischendrin schleppten mich meine Freunde zur 69. oder 169. Straße oder wohin auch immer, wo es damals einen Heli-Landeplatz gab und wir machten in einem Helikopter, in der Form einer gebogenen Banane, wie auf dem Plattencover von Andy Warhol oder so ähnlich wie in den Vietnam-Filmen, in der Luft die große Ehrenrunde über Manhattan und zur Freiheitsstatue. Auch wurde ich zu einer Künstler-Fete mitgenommen, auf ich ziemlich lange brauchte um in der bleiernen Müdigkeit meines Jetlag zu begreifen, das die kleine Schüssel mit weißen Pulver nicht mit Sand gefüllt war.

Auf dem Hinflug hatte ich das Glück in die C gesetzt zu werden, zurück saß in einem vollen A 310 in der Y irgendwo eingezwängt. Upgrades erhielt ich in den Neunzigern innerhalb Europas häufiger, auf den Interkontinentalstrecken holperte es manchmal. Man kann nicht alles bekommen. In der Summe ist LH mit mir fair und gut umgegangen, ich werde mich nicht beklagen. Da mir zu diesem Zeitpunkt Flüge mit 2 Motoren über den Atlantik (frei nach Braunburg) noch wenig geheuer waren, fühlte ich mich besonders auf dem Rückflug nicht sonderlich wohl. Aber die Route JFK - DUS flog nur die A 310, auch wenn eine 747 oder ein anderes viermotoriges Flugzeug für mich auf der Langstrecke immer mehr Stil hatte. Den Rückflug erinnere ich als einen meiner unangenehmsten Flüge: es war voll, ein Nachtflug, die Crew genervt und unfreundlich. Das Essen schmeckte nicht und ich konnte vor Müdigkeit nicht schlafen. Dazu dauerte es wegen starkem Gegenwind länger als üblich. Außerdem hat einer der Mitpaxe gestunken.

Wenn ich meinen Tripreport in dem Bild einer langen Freundschaft mit der Lufthansa beschreibe, hat es auch und vor allem mit den vielen freundlichen Menschen beim Kranich zu tun, die ich über Jahrzehnte getroffen habe. Selbstverständlich waren auch für mich die allermeisten meiner Reisen „business as usual“, oft war ich zu und bin zum Selbstschutz hinter meiner Firewall durch Flughäfen und Flugzeuge gerauscht, so wie viele andere, ohne groß etwas von meiner Umgebung wahrzunehmen.

Für mich machte die große Mehrheit der Lufthansaleute, die mir über Jahrzehnte begegneten, meist nur ihren Job, nothing to talk about, meistens in Ordnung und ohne Probleme. Das Kapital eines Dienstleistungsunternehmens sind immer die Menschen, auch die BWL Zahlenfetischisten damit so ihre Probleme haben. Manchmal aber erlebte ich auch weniger vernünftige LH-Leute. In seltenen Situationen gab es auch Volltrottel und RALs (wie - glaube ich - der LH interne Code für beschränkte und problematische Personen war). Einmal geriet ich in Göteborg sogar in eine minutenlange Pöbelei. Beim Check In hatte ich einen LH-Mann nach einem Upgrade gefragt. Er sagte, er würde meine Frage später beantworten, was er nicht tat. Beim Boarding stand er an der Maschine. Ich erinnerte ihn durchaus freundlich an seine ausstehende Antwort. Nun ja, auf meine Nachfrage pöbelte er mich deftig an, wörtlich, ich hätte dort zu sitzen, wo er mich hinsetzt. Es war wie eine Steilvorlage, ich glaube, ich habe vor den Augen der Purserin deftig zurückgebellt. Jedenfalls saß ich auf den 2 Stunden nach Düsseldorf vor dem Vorhang und wurde umfassend verwöhnt.

Doch diese unerfreuliche Situation war eine seltene Ausnahme. Je mehr ich nachdenke, desto mehr freundliche und manchmal freundschaftliche Kontakte zu Lufthanseaten fallen mir ein, die sich unterwegs und aus meinen vielen Flügen ergeben haben. Vieles war lange schon vergessen und fällt mir erst beim Schreiben wieder ein. Über die Jahre habe ich bei der Lufthansa eine Vielzahl großartiger Menschen getroffen - freundliche, kooperative, weltoffene Mitarbeiter, die einen guten Job und oft mehr als das gemacht haben. Mit einigen habe ich immer mal wieder auch einen privaten Plausch geführt, über Reisetipps und das Gefühl viel unterwegs zu sein. Auch private Treffen hat es gegeben. Davon werde ich jetzt und in den nächsten Folgen erzählen.

Mehr als kooperativ war eine freundliche LH Mitarbeiterin in CDG. Es muss so um das Jahr 2000 gewesen sein. Aus Dummheit und Hektik hatte ich unauffindbar meine Brieftasche in einem Hotel liegengelassen, was ich erst beim Check In entdeckte. Außer meiner Senator CC hatte ich nichts mehr. Schon zu diesem zeitpunkt konnte man in Paris nur unter Vorlage eines Ausweises abfliegen. Aber die freundliche Madame nahm mich an Hand, führte mich endlos durch Gänge und Treppen, an allen Kontrollen vorbei, bis wir vor der Maschine standen und ich einfach einstieg.

Auch in DUS erinnere ich lange Zeit eine freundliche und höchst kooperative Bodencrew, besonders Anfang der Neunziger, als ich fast jeden 2. Tag ab DUS flog. Im Gewusel des 1. Tags der großen Sommerferien hatte ich einen Schichtleiter kennengelernt. Er gab mir eine direkte Telefonnummer, unter der ich dann immer auch telefonisch einchecken konnte (was es damals noch nicht gab. Mobilfunk so wie heute war noch nicht erfunden. Ich hatte ein Autotelefon, das mehrere tausend DM gekostet hatte, der Minutenpreis lag bei 2 DM).

So konnte ich manchmal noch 10 Minuten vor Abflug aus dem Autotelefon meines SAAB 900 anrufen und organisieren, dass ich noch mitgenommen wurde. Besonders für das Pendeln nach Hause nach HAM an den Freitag- Nachmittagen war es eine riesige Hilfe, „sofort wegzukommen“.

Selbstverständlich habe ich den Schichtleiter und seine Crew zu Weihnachten mit einem größeren Präsent bedacht. Solche Kooperation war für mich das, was meine Freundschaft zur Lufthansa ausmachte und als Reward viel Umsatz in LHs Kaffeetasse spülte.

Und so geht es weiter: ich erzähle von meinen Treffen mit den LH Ladys Anna und Gaby.
 
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NCC1701DATA

WM-Tippgott 2010
07.03.2009
6.183
5
Duisburg
Von dem Geld, dass das Ticket kostete hätte ich drei Monate leben können. Hamburg – Frankfurt – Delhi – Kathmandu und zurück war mein Routing.

Früher war eben alles besser, nicht nur die Freundschaften in Deiner Hansestadt: Heute stoßen sich die Foristen, wenn solch ein Routing in Premiumkabine > einem halben Monatsgehalt eines Arbeiters kostet.
 

Zottel

Erfahrenes Mitglied
19.03.2014
409
47
Fellbach
Das wird sicher eine schöne "Weihnachtsgeschichte"!
Nachdem ich den Bericht über die Concorde schon mit Begeisterung verfolgt habe, freue ich mich auch auf die Lufthansa-Story.
 
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Reaktionen: concordeuser

SuperConnie

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18.10.2011
5.018
56
Nordpfalz
Ich denke, concordeuser wird mir verzeihen, wenn ich wie beim Concorde-Bericht hier ein paar eigene Erfahrungen hineinschreibe; Anlass war der Hinweis auf Tariftricks, es wurde dann ein wenig mehr und steht z.T. auch in früheren Beiträgen. :eek:

Imaginary Fare Construction Point:

Ende der Siebziger / Anfang der Achtziger war bei meinen fast wöchentlichen Flügen von Tegel nach Westeuropa - zum Studententarif für eine Jugendorganisation - grundsätzlich 25% extra Mileage drin, was ich als damals schon an exotischem Gerät Interessierter weidlich nutzte. Vor allem waren das alles IATA-Tarife; also konnte man dann bspw. weiter von FRA nach BRU statt mit LH 737 mit BMA Viscount fliegen. Tariflich auf dasselbe lief es hinaus via DUS mit FH-227 oder CGN mit Metro; bzw. wenn man z.B. ex BSL statt via FRA über MUC mit Air-Sea-Service / Rhineair Nomad flog. (War hier nicht irgendwo von einem Paradies die Rede...)

Ins Saarland musste ich auch des Öfteren, da boten sich die TAT F-27 und FH-227 (später die Dan-Air HS 748) an - das zählte zu den subventionierten IGS-Strecken. (SCN gab's nicht immer, bin noch via FRA mit General Air Jak-40 geflogen.) In Richtung Frankreich sollte es möglichst die Air France S.E. 210 Caravelle III mit RR-Avon-Triebwerken sein; eine Air Inter Mercure habe ich auch „geschafft“. Das ging von ORY nach SXB, von dort bin ich dann Tage später mit TAT FH-227 nach FRA (!) und mit Pan Am weiter nach TXL geflogen. Ein paar Monate später dieselbe Strecke wieder zurück; dann weiter mit Air Alsace F-28 nach BRU.

Im Grunde waren die IGS-Korridorflüge vom Fluggerät her – Pan Am 727 und BA One-Eleven - bald einmal monoton, die Viscount (zuletzt nach Hannover) muss so Anfang / Mitte der Siebziger aus den Flugplänen verschwunden sein. Und – wenn ich das recht erinnere – gab AF ihre Caravelle-Flüge von Tegel Nord (nach Köln und weiter nach Paris) mit Eröffnung des neuen Terminals auf. Zu essen gab es auf den Flügen nichts. Ich nahm meist Ginger Ale oder den ach so beliebten Tomatensaft.

Richtung Osten ging es hin und wieder von SXF aus, natürlich nicht ohne IL-18 (einmal gar mit Cockpitbesuch), AN-24 und die Tupolew-Jets. Eine schöne Zeit, führte sie mich doch u.a. mit Tarom IL-62 auch nach Peking; in China folgten dann noch so schöne Teile wie diverse Trident 2.

Ich bin im Großen und Ganzen im internationalen (Projekt-) Geschäft geblieben; mithin konnte ich Dienstreisen oft mit diesem außergewöhnlichen Hobby verbinden und noch lange recht rare Typen in (damals) exotischen Regionen „ergattern“. Eine ganze Reihe waren aber natürlich auch private Reisen.

Besonders viel habe ich übrigens nie von (der damals recht arroganten) LH gehalten; ich hatte einmal bei einer Überbuchung eine üble Erfahrung im persönlichen Umgang gemacht. Diese ließ ich nicht auf sich beruhen, das hatte dann wohl auch Konsequenzen für den betreffenden Station Manager (wie mir samt Präsent schriftlich mitgeteilt wurde). Okay, in Karachi – zweite Hälfte der Achtziger - waren sie zu meinen Kollegen lieb und hilfreich mit „Über-Kreuz“-Tickets.

In gewisser Weise habe ich die alte Tante aber dann vor allem in den letzten zehn / zwölf Jahren doch schätzen gelernt – unvermuteter und dann verlängerter Status i.V. mit den Wartesälen haben mir viele Flüge doch recht erträglich werden lassen, und Fly Smart hat bislang gut funktioniert. Wobei ich den Status meist mit OS und OU erflogen habe.
 

concordeuser

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01.11.2011
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Die vielen Danke bringen mich dazu, den nächsten Teil schon in Kürze zu schreiben, vielleicht stelle ich ihn schon morgen ein. Nachdem ich hier angefangen habe zu erzählen, bin ich ohnehin ins Nachdenken und Schreiben geraten.

Auf eine "Bewertung" meiner langen Freundschaft mit Lufthansa werde ich mich erst am Ende einlassen. Erst möchte ich erzählen, was ich erlebt habe. Ich bitte dies zu respektieren, ansonsten sind Hinweise und Kommentare immer willkommen.
 
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concordeuser

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01.11.2011
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Hamburg
So, habe gerade den 4. Teil (Vorne) eingestellt. In einigen Tagen gibt es mehr.

Ansich wollte ich ja immer mehrere Seiten schreiben und sie dann einstellen. Habe nun beschlossen, eher kleinere Blöcke einzustellen, dafür in schnellerer Reihenfolge.

Da der Tripreport nur aus Text besteht und ich nicht die üblichen schönen Fotos anderer Foristen habe, ist er so vielleicht auch leichter lesbar.
 
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