Hundert Ansichten von Tokyo

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Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
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MUC
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Vorbemerkung 1: Der Titel meines Reiseberichtes spielt auf die Holzschnittfolge "100 berühmte Ansichten von Edo" von Utagawa Hiroshige an, neben den "36 Ansichten des Berges Fuji" von Hokusai sicherlich die bekanntesten Meisterwerke des japanischen Farbholzschnitts, der Ende des 19. Jahrhunderts in breitem Umfang in Europa rezipiert wurde und den Impressionismus deutlich beeinflusst hat.

Doch nicht nur der Titel spielt auf Hiroshige an, sondern auch der Bericht selbst: Seine Holzschnittfolge umfasst nicht nur 100, sondern 119 Blätter und zudem zeigt sie auch Ansichten aus der Umgebung von Edo. Für mich ein willkommener Vorwand, hier wesentlich mehr Bilder von Tokyo und und eben nicht nur von Tokyo zu zeigen.

Vorbemerkung 2: Ich bin Wiederholungstäter - und dies in mehrfacher Hinsicht. Bereits im November 2013 war ich in Tokyo, damals allerdings nur für knapp vier Tage. Diesmal waren es immerhin zehn Tage. Und wie beim letzten Mal waren verfallende eVoucher willkommener Vorwand, die Flüge zu buchen und nach Tokyo zu reisen. Und nochmals Wiederholungstäter: Geflogen bin ich mit der Swiss in der First und mein Hotel war wieder das Hilton Tokyo.

Doch ansonsten gab es viel Neues und Anderes als beim letzten Mal. Erwartet also einen Bericht über die SWISS Connoisseur Experience in F, über die Erfahrung, als einziger Pax in der F zu sein, über ein für mich grandioses Hotel, über Erntedank, Hochzeiten und Sieben-Fünf-drei-Feste in Shinto-Schreinen, über klassische Gärten und ein fantastisches Museum, über die grenzenlose Vielfalt japanischer Street Fashion genau so wie über die Atmosphäre der Tokyoter Unterstadt (Shitamachi) in Ningyocho, über ein Schrein Festival zu Kauf von Glücksrechen und über einiges mehr...

Es werden viele Fotos sein - wohl um die 300. Wer mag, kann daher gern auch nur die Bilder anschauen. Und lasst mir bitte etwas Zeit. Dass dies eigentlich nur eine Vorankündigung zu meinem Bericht ist, ist für mich auch Verpflichtung, mein hiermit gegebenes Versprechen wirklich einzulösen.
 
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Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
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MUC
Nochmals vorweg..

Gebucht habe ich den Flug sehr früh und gleichzeitig fast zum spätestmöglichen Zeitpunkt. So paradox dies klingen mag, es ist leicht erklärt: Ich wollte meine letzten vier eVoucher nutzen, die mir Ende letzten Jahres verfallen wären, wollte mit der Swiss fliegen und wieder genau dann in Tokyo sein, wenn die Laubfärbung in den historischen Gärten ihren Höhepunkt erreicht. Damit war klar: Es sollte Ende November/Anfang Dezember sein, diesmal allerdings mit mehr Zeit und Flexibilität.

Swiss Flüge können maximal 330 Tag im Voraus gebucht werden - also musste ich bis Ende Dezember warten und bangte dann natürlich, ob meine Upgrade in die First klappen würde. Doch alles lief bestens, mein Upgrade ging sofort durch. Am günstigsten war damals der Flug ab Budapest - einschließlich Positionierungsflug mit der LH von MUC nach BUD ganze 2.450 €. Drauf vier eVoucher - ich finde mehr denn akzeptabel für einen Flug in der First.

Und dann natürlich über Monate nichts, warten eben. Nein, ganz stimmt das natürlich nicht: Reiseführer gelesen, im Netz recherchiert, antiquarisch "Die Gärten Japans" von Teiji Itoh ( besser als "Gartenkunst in Japan" von Schaarschmidt-Richter) und vor allem "Tokyo. Exploring the City of the Shogun" von Sumiko Enbutsu gefunden. Vor allem letzteres besser als viele der gängigen Reiseführer. Im Netz empfehlenswert vor allem die Webseite von Tokyo Official Tokyo Travel Guide GO TOKYO und japan-guide.com - Japan Travel and Living Guide. Und erst recht: TOKYO FREE GUIDE - Volunteer Tour Guide Service in Tokyo für eine Führung durch Einheimische, wie es vielleicht der Eine oder Andere für New York mit den Bigapplegreeters kennt. Ich hatte es schon beim letzten Mal probiert, allerdings ohne Erfolg. Diesmal hat es geklappt - und das gleich zweimal!

Und dann gabs im Oktober noch ne Kleinigkeit: Im Muji-Shop in München entdeckte ich ein kleines Heftchen - ideal für Reisenotizen. Direkt daneben ein Setzkasten mit Stempeln und die Einladung, das Heftchen damit zu verzieren:



Spontan griff ich zu dem Stempel mit dem Torii, dem klassischen Zeichen eines Shinto-Schreins und zu dem mit dem Bild eines Tempeltors, das mich natürlich sofort an das Tor zum Sensoji Tempel in Asakusa erinnerte. Dazwischen war noch Platz und ich schaute nach einem dritten Stempel mit einem Schriftzeichen, fragte die Verkäuferin, was es bedeute. Genaueres sagte sie mir nicht, meinte nur, dass es eine sehr positive Bedeutung habe. Erst in Tokyo im Museumsladen des Meiji Schreins und später durch einen meiner Guides erfuhr ich, dass es "Glückwunsch!" bedeute und eigentlich nur für Hochzeitsgeschenke verwendet werde. Ich halte mich an ersteres, denn Glückwunsch zu meiner Reise passte wirklich.
 
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Rambuster

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09.03.2009
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Die Edo Zeit war glaube ich ziemlich brutal.
Ein Japanischer Kollege brüllte in der Vergangenheit mal einen (deutschen) Mitarbeiter an mit dem Satz "You are lucky you do not live in Edo times. Otherwise you would have already been exceuted!" =;
 
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Mantegna

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21.05.2009
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MUC
Keine Frage: Das war Feudalismus und unter den Shogunen die uneingeschränkte und brutale Herrschaft der Kriegerkaste. Irritierend auf der anderen Seite, welch raffinierte Ästhetik und Hochkultur gerade in dieser Zeit entwickelt wurde.
 
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Mantegna

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21.05.2009
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MUC
Für den Fall ,dass die Wartezeit etwas lang werden sollte, hier ein kleiner Vorgriff auf den Bericht:



Ein klassisches Landschaftszitat - der Oigawa Fluß bei Kyoto - im Koishikawa Korakuen Garden in Tokyo.
 
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Mantegna

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21.05.2009
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MUC
1./2. Tag München - Budapest - Zürich - Tokyo

München nach Budapest - da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen. Vor dem Flug noch kurz ins Kartoffelsalatparadies und mich mit Lektüre versorgt. Der Flug LH ECO, dank früher Buchung noch mit kostenloser Sitzplatzreservierung auf 5F, unterwegs immerhin ein schöner Blick auf die Alpen:

Neben mir ein 4-5jähriger weiblicher Quälgeist, doch haben mich meine Etymotic InEars bestens abgeschottet. Statt der anhaltenden Quengelei konnte ich daher auf meinem FLAC-Player Haydns Londoner Symphonien hören (die Liveaufnahme aus dem Wiener Musikvereinssaal mit den Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski). Zu essen gab es ein Stück (eingeschweißten) Kuchen aus der Abteilung saftig bis matschig. Trotz aller Bemühungen endete das Ganze mit klebrigen Fingern, ein Erfrischungstuch wäre mir daher wirklich willkommen gewesen. Wein gabs auch, aber wie eben meistens eher aus der Kategorie Plörre, jedenfalls nichts, was ich mir gemerkt hätte.

Budapest, mein Koffer kommt tatsächlich als erster, dann ins Taxi zum Hilton Westend, das neuerdings Hilton City heisst. Dort freundlichst empfangen mit Dankeschön für meine bisherigen acht Aufenthalte; nach meiner Erinnerung waren es wohl mehr, da ich beruflich regelmäßig dort war, doch was soll's. Dafür gab's ein Upgrade auf - wie mir gesagt wurde - die größte Suite des Hauses, was für die eine Nacht und mich alleine reichlich unnötig war. Zum Ausgleich dann in der Executive Lounge Snacks, die so schlecht waren, dass ich gar nichts aß: Völlig verkochte Nudeln in einer versalzenen schlonzig-schleimigen Soße, den Rest - ebenso schlecht - habe ich vergessen. Besser ab ins Bett.

Am nächsten Morgen also Budapest - Zürich: diesmal mit der Swiss in Business auf 2F. Wie oft in letzter Zeit davor eine irritierende Mail, dass sich aus der technischen Gründen mein Sitzplatz geändert habe, doch der Platz war der ursprünglich gebuchte. Vielleicht lag's ja daran, dass der Flug von der Helvetic durchgeführt wurde. Ansonsten ein völlig unspektakulärer Flug.

Ankunft in Zürich, Gateposition. Mit meinem ganzen Gepäck (zwei Koffer, Fotorucksack und Umhängetasche für Lektüre und Entertainment Equipment) hoch zur FCL (diesmal froh, dass es einen Aufzug gibt), von wo es nach kurzem Aufenthalt (Lektüre nachfassen) mit dem Van gleich zum Satellitenterminal rüber ging.

Und jetzt folgte für mich das absolute Highlight: Swiss F und das als einziger Fluggast. Experten werden natürlich bemängeln, dass es "nur die alte F" war, werden sagen, dass die nicht mehr zählt, doch für mich passte es wieder. Das Design kann sicher nicht mehr mithalten, doch funktional finde ich die alte F immer noch ausgezeichnet.



Das erste Highlight war natürlich, der einzige Gast in der F zu sein und damit die gesamte Aufmerksamkeit von Maitre de Cabine und Stewardess zu haben. Keine Chance etwa, das Champagnerglas - es gab wieder Laurent Perrier Grand Siecle - zu leeren: Herr J. kam gleich zum Nachfüllen mit dem Argument, ich würde mehr Vitamine benötigen. Erst als ich ihn warnte, dies könne zu einem Vitaminschock führen, ließ er nach, nachdem er mir schon mehr als die halbe Flasche verabreicht hatte. Überhaupt war der Service durch ihn und seine Kollegin einfach fantastisch: immer aufmerksam und präsent, nie aufdringlich und immer offen für ein kurzes Gespräch, wo wir uns mehrfach über unsere Pläne und Tipps für Tokyo unterhalten haben.

Die gleiche Offenheit zeigte auch der First Officer - ich hatte noch nie einen Flug, bei dem ein FO so viel Zeit für eine Unterhaltung hatte und dies durchaus auch mit Initiative von seiner Seite. So erfuhr ich zum Beispiel, dass die japanische Flugsicherung vorschreibt, beim Ost-Anflug auf Narita die Landeklappen schon über dem Meer zu öffnen, damit keine Eisplatten auf die Häuser der Fischer fallen können, während dies beim Anflug von der anderen Seite nicht gelte. Wie es scheint, sind die Bauernhäuser entweder stabiler als die Fischerhütten oder die Bauern haben einfach eine schlechtere Lobby....

Das zweite Highlight kam mit der Speisekarte, bei der es hieß, dass sie diesmal eine kleine Einlage enthalte. Diese entpuppte sich als das aktuelle Swiss Connoisseur Menue: Rinds-Carpaccio mit weißem Trüffel, Trüffelcreme Suppe, Tagliolini mit weissem Trüffel und als Dessert Schokoladen Trüffel-Eiscreme.

Zwar hatte ich mich auf den Balik-Lachs gefreut, doch gegen das Rinder-Carpaccio mit den frischen Trüffel-Spänen hatte er nicht die leiseste Chance, denn das Carpaccio war einfach sensationell. Und nicht minder gut waren die Tagliolini: auf dem Punkt gegart mit einer cremigen Trüffelsoße überzogen. Und dazu den Cablis 1er Cru Les Vaillons, den ich - obwohl nicht Chardonnay-Fan, sondern eher aus der ABC-Fraktion - eindeutig spannender fand als den Schweizer Pinot Blanc oder den spanischen Clos d'Agon Blanco.

Vom Hauptgericht hab ich dann nur die Kalbsbäckchen probiert, das Kalbsfilet war leider knapp über dem Punkt und damit etwas trocken. Beim Rotwein landete ich anders als beim weißen beim Spanier, einem Altos de Losada, ein dichter, konzentrierter fruchtintensiver Roter, der mir besser zusagte als der St-Estephe von Cos d'Estournel oder Pinot Noir aus der Bündner Herrschaft, der im Vergleich zu den anderen einfach ein Leichtgewicht war.

Doch noch sind wir nicht zu Ende. Es folgte die Auswahl Schweizer Käse, am besten der Gruyere, die anderen leider zu jung und völlig enttäuschend der Zieger Brie, obwohl ich gerade Schabzieger sehr gerne mag. Für mich wenig überzeugend auch der Inniskillin Oak Aged Vidal Eiswein, bei dem mich einfach der Barrique-Ton gestört hat.

Und dann zum Schluss ein Espresso, zu dem mir die Box Sprüngli Pralinès mit der Bemerkung gereicht wurde: "Die sind alle für Sie!" Gegen Ende dieser Genussorgie die Frage, ob man mir auf auf 2D - ich war auf 2A - das Bett vorbereiten dürfe, was ich natürlich gern bejahte.

Und zum ersten Mal auf einem Langstreckenflug in der F - ich will nicht angeben: so viele waren es noch nicht - konnte ich diesmal richtig gut schlafen, während mir sonst immer viel zu warm war und ich nur dösen oder bestenfalls unruhig schlafen konnte.

Auch die Ankunft in Narita - beim Anflug aus weiter Entfernung der wolkenfreie Fuji - ein passender Abschluss zu diesem Flugerlebnis: Am Gate stand bereits die PA - wie ich schon von meinem Boarding Pass wusste, hatte mich die Swiss für den Flug nochmals "zum HON ernannt", genauer wohl: mein Ticket eben noch unter meiner alten HON Nummer abgelegt - , die mich nicht nur durch Passkontrolle und Zoll begleitete und geduldig wartete, bis ich eine ATM fand, die gewillt war, mir Geld rauszurücken, sondern mich sogar nach draußen zur Abfahrt für den Shuttlebus brachte, der eben weggefahren war, und mir dann half, ein Taxi zu meinem Hotel zu nehmen.
 
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Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
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MUC
Ab heut gibt's mehr Bilder und weniger Textwüsten - versprochen! Drum hier erst Mal drei Bilder nachgeholt vom Flug nach Tokyo:












Das war wohl die Ostküste von China.


Eigentlich wäre ich ja am liebsten gleich nach der Ankunft nach Tokyo rein zum Hilton Tokyo gefahren, doch als ich buchte, war dort für die erste Nacht (Sa/So) kein Zimmer zu bekommen, auch die anderen Hotels in der Ecke ausgebucht und selbst bei AirBnB hätte es nur für mindestens vier Nächte etwas gegeben. So blieb mir nur, in Narita zu bleiben und für die erste Nacht ins dortige Hilton zu gehen. Erst dachte ich, verschwendete Zeit, entdeckte aber dann, dass es dort einen wichtigen buddhistischen Tempel mit einem weitläufigen Park gibt - mein Tag war also gerettet.
Im Hotel angekommen durfte ich über eine Stunde warten - kein Check-In vor 12 Uhr. Ich weiß nicht, war das Zimmer einfach noch nicht fertig, oder gab's noch andere Gründe. So saß ich eben eine Stunde in der Lounge, immerhin mit Internet-Zugang.
Kurz aufs Zimmer, von dem ich schon wusste, dass mich ein Hilton eher am unteren Ende der Skala erwartet, dann mit dem nächsten Shuttle-Bus des Hotels ins Zentrum. Dort führt vom Bahnhof eine kleine Gasse - die Omotesando - zum Narita-San; anders als ihre Namensschwester in Tokyo, die ja eine der großen Einkaufsstraßen von Tokyo ist, eine schmale Straße gesäumt von alten Holzhäusern, Imbißständen, kleinen Läden und Restaurants - in Reiseführen läuft so etwas meist unter "Edo-Atmosphäre" und vermittelt ja tatsächlich ein wenig den Eindruck früherer Zeiten.











Auffallend und für mich fast schon etwas grenzwertig das Aal-Restaurant. Aale sind eine beliebte Spezialität von Narita, doch das hat mich doch so berührt, dass ich keine Lust hatte, Aal zu essen: Am Eingang des Restaurants saß ein Mann, hinter sich ein großer Bottich von Aalen. Er griff sich je einen, legte ihn vor sich auf das Brett, hieb ihm einen Stahlnagel durch den Schädel, trennte den Körper ab, schlitzte diesen auf, entfernte die Eingeweide und filetierte den Rest. Dann wurden die Filets auf Spießchen gesteckt und gegrillt. Was noch eben ein lebendiger Aal gewesen war, landete so nach vielleicht zehn Minuten auf dem Teller der Gäste.




Schließlich der Tempel selbst: Einer der bedeutendsten buddhistischen Tempel von Japan, wichtiger Tempel der Shingon-Schule mit jährlich etwa 13 Mio. Besuchern. Kaum weniger beeindruckend als der Sensoji in Asakusa, der vielfach als "der" buddhistische Tempel von Tokyo vermarktet wird. Für mich auffallend vor allem, dass mehrere Gebäude aus allerjüngster Zeit ganz im traditionellen Stil erbaut werden, aktuelle etwa eine riesige Pagode im hinteren Bereich des Tempelbezirks. Übertragen auf Europe würde das bedeuten, heute eine Kirche im Barockstil oder gar als romanische Kirche zu bauen.




















Und schließlich der Park, anfangs fast enttäuschend, doch dann bei einer Kette von drei Weihern eher den Erwartungen entsprechend, jedenfalls erste Eindrücke mit Vorfreude auf die klassischen Gärten/Parks von Tokyo.











 

asahi

Erfahrenes Mitglied
08.04.2010
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Wismut Aue
Im Hotel angekommen durfte ich über eine Stunde warten - kein Check-In vor 12 Uhr. Ich weiß nicht, war das Zimmer einfach noch nicht fertig, oder gab's noch andere Gründe. So saß ich eben eine Stunde in der Lounge, immerhin mit Internet-Zugang.
Hier kommt die Unflexibilität, Sturheit oder das Unterordnen der Japaner wunderbar zum Tragen. Selbst wenn das Zimmer schon bezugsfertig ist, wird der Schlüssel eben erst zur vorgegebenen Check-In Zeit vergeben. Ich habe mich damit abgefunden, da eine Diskussion (aus vielerlei gründen) eh zwecklos ist.
 

BjoernSOAD

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31.12.2014
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MUC
Nach rund einem Jahr im VFT habe ich jetzt ein wenig in diesem Unterforum herumgestochert. Ich bin total begeistert von den ganzen Reiseberichten.
Freue mich auf die Fortsetzungen deines Berichtes. (y)
 

Rambuster

Guru
09.03.2009
19.548
237
Point Place, Wisconsin
Hier kommt die Unflexibilität, Sturheit oder das Unterordnen der Japaner wunderbar zum Tragen. Selbst wenn das Zimmer schon bezugsfertig ist, wird der Schlüssel eben erst zur vorgegebenen Check-In Zeit vergeben. Ich habe mich damit abgefunden, da eine Diskussion (aus vielerlei gründen) eh zwecklos ist.

Solchen Diskussionen führen höchstens dazu, dass der Gegenüber zum Telefon greift und einen mit der Deutschen Botschaft verbindet. (Ist mir schon passiert.)
Das bringt gar nichts, wie Asahi zu recht schreibt.
 

Mantegna

Erfahrenes Mitglied
21.05.2009
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MUC
4. Tag: Jetzt aber wirklich Tokyo: Hilton Tokyo, Shinjuku Gyoen und ein Vielfliegertreffen

Vorbemerkung: Sorry für die lange Pause, aber Weihnachten und Dinge, die noch unbedingt vor Jahresende erledigt sein wollen, sind leider dazwischen gekommen. Zu Weihnachten gab es für mich übrigens Geschenke mit Japan-Bezug: Den Katalog der Ausstellung "Inspiration Japan" 2014 im Museum Folkwang und aus dem Taschen Verlag den wunderschönen Band "Hiroshige - Hundert Ansichten von Edo":








Beide Bände für Kunstinteressierte absolut empfehlenswert, der Ausstellungsband sogar aktuell bei Zweitausendeins besonders preiswert.

Doch nun endlich nach Tokyo. Nach einem gemütlichen Frühstück - das Frühstücksbuffet im Hilton Narita ist recht gut - mit dem kostenlosen Shuttle-Bus zurück zum Flughafen, eine Rückfahrkarte für den Narita Express (kostet aktuell 4.000 Y, also etwa 30€) und eine SUICA-Karte gelöst und mit dem Narita Express zur Shinjuku Station gefahren. Die Fahrzeit ins Zentrum ist mit 75 Minuten natürlich viel länger als ab Haneda, doch da ich Swiss fliegen wollte, kam das nicht in Frage.
In Shinjuku problemlos den richtigen Ausgang und die Haltestelle für den Shuttle zum Hilton Tokyo gefunden - hat eben doch seine Vorteile, wenn man schon mal an einem Ort war.
Nach kaum zehn Minuten war der Bus da, sodass ich bereits um 11:30 Uhr im Hotel war, wo ich wieder das gleiche Spiel wie in Narita erleben durfte: Check-In erst ab 12:30 - diesmal allerdings wesentlich angenehmer bei Tee und Croissants in der Executive Lounge.





Blick aus der Lounge Richtung Shinjuku Station (zehn Minuten Fußweg)

Wie schon beim letzten Mal bekam ich ein Upgrade auf eine Executive Junior Suite. War ich aber letztes Mal noch in einem der alten Zimmer gelandet, so war es diesmal ein neu renoviertes Zimmer. Für mein Gefühl und japanische Verhältnisse mit 44 qm riesengroß, wobei mich aber noch mehr das Design und vor allem das Badezimmer beeindruckte. War vorher das Bad eine wenn auch funktionale Nasszelle im Stil der 70er Jahre gewesen, so verwandelte die Renovation das Bad in eine Hommage an japanische Badekultur: Die Dusche nicht abgetrennt, sondern im Zugangsbereich zur auffallend tiefen Wanne - eben entsprechend japanischer Badekultur sich waschen und reinigen, bevor man sich in die Wanne legt. Der Abfluss im Duschbereich übrigens so intelligent konstruiert, dass nicht mal die leiseste Gefahr besteht, das Bad unter Wasser zu setzen.









Eine ebenso schöne Überraschung wie das Design des Zimmers war das Welcome Gift: ein Box mit vier Pralinès, dreierlei Madeleines, eine Kaki Frucht und natürlich die üblichen zwei Flaschen Mineralwasser. Ganz kurz: Ich hab mich vom ersten Moment an wohl gefühlt.






Dazu passte übrigens auch sehr gut das Angebot der Executive Lounge: reichhaltiges Frühstücksbuffet mit exzellentem Rührei, frisch gepresstem Orangensaft aus dem Orange Squeezer, Ronnefeldt Tee, japanischem und internationalem Angebot. Und zum Frühstück - bei klarem Wetter - der Blick zum Fuji.






Auch abends lag das Angebot weit über dem, was ich sonst aus den Hilton Lounges kenne. Die Weine (drei Rote, zwei Weisse und ein Rosè) zwar nix besonderes, dafür das Buffet reichhaltig und abwechslungsreich. Alkoholika gibts von 18 bis 20 Uhr, wobei offenbar Bier nicht zu den Alkoholika zählt, denn das gab's bis die Lounge um 21 Uhr schließt. Erstaunt hat mich an einem Abend der Service: Als auf den Hinweis, dass die Bar gleich schließe, einige Gäste noch nachschenken wollten und feststellen mussten, dass der Wein aus war, wurden sofort nochmals zwei Flaschen gebracht. Aus anderen Hiltons kenne das zumindest ich eher anders...

Doch zurück zum ersten Tag in Tokyo. Anders als beim letzten Mal - damals hatte der Flug Verspätung, sodaß mir vom ersten Tag fast nichts übrig blieb - konnte ich diesmal nachmittags noch in den Shinjuku Gyoen Garden, der vom Hilton bequem zu Fuß zu erreichen ist. Zwar hab ich mich bei der Entfernung etwas verschätzt und hatte auch noch etwas Orientierungsprobleme, doch dafür entdeckte ich am Weg beim Bahnhof die "Fressgass" von Shinjuku: zwei enge Gassen, rechts und links ein Imbiss nach dem anderen, in aller Regel kaum zehn Plätze, zumeist direkt am Tresen:














Nach einigem Nachfragen landete ich schließlich im Shinjuku Gyoen Garden. Der Park ist unter den historischen Gärten vom Tokyo eine Ausnahme: Ursprünglich im Besitze der Naito, einem der wichtigeren Daymio-Clans der Edo-Zeit, wurde er 1879 vom kaiserlichen Hofamt übernommen und 1906 in beschränktem Umfang und schließlich 1949 komplett für die Öffentlichkeit zugänglich. Kennzeichnender ist jedoch, dass er von einem französischen Gartenarchitekten entworfen und nur etwa ein Drittel als japanischer Garten gestaltet wurde, während der übrige Park teils im Stil eines englischen Parks teils im klassisch französichen Stil angelegt wurde.
Vom Haupteingang als landet man erst im englischen Park, wo auf den offenen Rasenflächen viele Picknick-Gruppen zu sehen waren. Interessanter noch fand ich, dass - wie schon vor zwei Jahren, doch damals hatte ich es kaum wahrgenommen - die Kirschbäume ihr Laub schon fast ganz verloren hatten: Die absoluten Stars des Hanami, des japanischen Kirchblütenfests, werden beim Momijigari, dem Betrachten der Herbstblätter, fast zum Aschenputtel, spielen kaum eine Nebenrolle.



Picknick im Shinjuku Gyoen, im Hintergrund Kirschbäume











Ganz im klassischen Stil dann der japanische Teil des Shinjuku Gyoen; paasenderweise sah ich dort die ersten jungen Japanerinnen im Kimono. Wie ich später erfuhr, tragen Japanerinnen in der Regel einen Kimono nur zu besonderen Anlässen. Die drei allerdings haben offenbar Spaß.





Hier noch einige Bilder aus dem japanischen Teil des Shinjuku Gyoen:











Japanischer Ahorn - der absolute Star der Gärten im Herbst! Hier die ersten Blätter bereits blutrot, die anderen noch grün. Überhaupt war die Laubfärbung in diesem Jahr später als normal. Als ich ankam, waren viele Gingkos noch ganz grün, während sie vor zwei Jahren zur gleichen Zeit bereits goldgelb waren. Der Herbst war dieses Jahr auch in Japan wärmer, weshalb eben das Laub erst später seine Farbe wechselte.




Kiefern, oft aufwendige Steinsetzungen und Teiche sind elementare Bestandteile klassischer japanischer Gärten.







Steinsetzungen als Pfad zu einer kleinen Insel



Blick vom Taiwan Pavilion (Kyu-Goryo-Tei)



Nochmals beim Taiwan Pavilion (Kyu-Goryo-Tei)





Ein Kirschbaum. Im Shinjuku Gyoen soll es übrigens etwa 65 Sorten von Kirschen geben, weshalb die Kirschblüte dort länger dauere und besonders eindrucksvoll sei.

Für den Abend hatte ich mich Rorschi zu einem privaten Vielfliegertreffen verabredet. Bereits vor meiner Abreise hatte er mir geschrieben, dass er gleichzeitig in Japan sei - er am Ende seiner Reise durch Japan, ich am Beginn meines Aufenthalts in Tokyo. So trafen wir uns im Hilton und gingen die paar Meter zur erwähnten "Fressgass", wo wir Ramen und Gyoza (kleine Teigtaschen mit Fleischfüllung) - mit viel Hilfe des Kellners bestellt: am Automaten die richtige Auswahltaste finden und das bezogene Ticket abgeben (lassen) - und anschließend noch für ein Dessert in ein Cafe. Noch ein Bier in der Executive Lounge, dann landete ich nach dem interessanten ersten Tag in Tokyo früh im Bett.
 
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Mantegna

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21.05.2009
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MUC
5. Tag: Meiji Schrein und Harajuku

Kleine Vorwarnung: Diesmal wird es arg bildlastig. Dies aus zwei Gründen. Mein erster voller Tag in Tokyo war ein Tag, an dem ich extrem viel fotografiert habe, es gab einfach viel zu viele Motive und Momente, die mich auf den Auslöser drücken liessen. Seid also auf reichlich Fotos gefasst, ich hoffe, es sind nicht zu viele.
Doch es gibt noch einen zweiten Grund: Ich möchte mit Kommentaren und Erklärungen zu den Bildern lieber zurückhaltend sein, möchte mich nach ganzen zwei Reisen nach Tokyo nicht als Japanexperte aufspielen. Natürlich hab ich zum Hintergrund und Kontext der Bilder einiges (nach-)gelesen, doch könnte ich eben bestenfalls Halbverdautes aus Wikipedia oder anderen Quellen bieten, deren Verlässlichkeit ich nicht wirklich einschätzen kann. Empfehlen kann ich immerhin, falls jemand zum Thema Religion in Japan etwas tiefer einsteigen möchte,
das Webhandbuch "Religion in Japan" von Bernhard Scheid vom Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Religion-in-Japan, das mir so kundig wie fundiert erscheint.
Stellt Euch also auf ein Bilderbuch mit knappen Kommentaren ein...

Meiji Schrein: Erntedankfest, Shinto Hochzeiten und 7-5-3-Fest

Meiji Schrein Teil 1: Erntedank

Schon am Tag zuvor hatte ich ja im Shinjuku Gyoen gesehen, dass die Blätter noch längst nicht so bunt waren, wie ich sie von der letzten Reise in Erinnerung hatte. Ich nahm mir daher vor, die mir wichtigen Gärten erst Ende der Woche zu besuchen und zuerst zum Meiji Schrein und nach Harajuku zu gehen, da mir für beides weder die Laubfärbung noch das Wetter besonders wichtig schien.
Vom Hilton also zu Fuß Richtung Meiji Schrein, laut Auskunft im Hotel eine halbe Stunde, doch bei mir wurden es doch fast eine Dreiviertelstunde - naja, eben doch noch etwas Orientierungsprobleme.
Der Schrein wird von einem weitläufigen Park umgeben, der teils eher den Eindruck einens englischen Parks macht. Am eigentlichen Schrein angekommen erwartete mich eine Überraschung: Die gesamte Galerie, die den engeren Schreinbezirk umgibt, war mit Gemüse dekoriert - vergleichbar den Erntealtären, wie ich sie zu Kirchweih oder Erntedank aus katholischen Kirchen in Süddeutschland kenne.



Am Weg zum Meiji-Schrein









Solche Dekorationen in Form von Schiffen gab es mehrfach.






Wie ich später erfuhr, war meine Vermutung nicht abwegig: der 23. November, an dem ich im Meiji Schrein war, war seit der Meiji-Periode der Tag des shinoistischen Erntedankfestes, an dem der Kaiser den Göttern frisch geernteten Reis opferte. Seit 1948 wird übrigens am 23. November der Tag des Danks für die Arbeit gefeiert, um - so die japanische Botschaft auf embjapan, "Dankbarkeit für die Arbeit der Anderen und die Früchte der Arbeit zu zeigen"; wie ich finde, ein etwas anderer Zungenschlag als unser 1. Mai.
 

Mantegna

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21.05.2009
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Meiji Schrein Teil 2: Shinto Hochzeiten

Wie vielleicht bekannt, ist der Meiji Schrein ein beliebter Ort für Hochzeiten im Shinto Ritus. Und davon gab es am Tag meines Besuchs gleich mehrere, vielleicht weil in diesem Jahr der 23. November ein Montag war und damit als langes Wochenende genutzt werden konnte. Im Meiji-Schrein sieht man lediglich den Hochzeitszug, die eigentliche Trauzeremonie findet in einem rückwärtigen Teil des Schreins statt, doch auch dies ist mit europäischen Augen ein geradezu pittoresker Anblick.


Die Braut im traditionellen weißen Gewand mit der charakteristischen Brauthaube, der


An der Spitze des Hochzeitszuges der ältere der beiden Shinto-Priester.


Sein jüngere Kollege, beide im typischen Ornat.


Hinter den beiden Priestern zwei Miko, Schreindienerinnen, ebenfalls in vollem Ornat; in dem Kästchen, das die eine trägt, befinden sich wohl die Trauringe, die auch bei der Shinto Zeremonie getauscht werden. Die Miko übernehmen bei der Trauung wichtige Teile des Rituals.


Nochmals das Brautpaar, beschirmt vom jüngeren der beiden Priester.


Offenbar ist es nicht einfach, das Brautgewand korrekt zu tragen. Es dauerte jedenfalls einige Zeit, bis es die Helferin mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen zufrieden war.


Nicht immer trägt die Braut das traditionelle weiße Hochzeitsgewand, sondern oft auch einen besonders prunkvollen Kimono. An einem der nächsten Tage sah ich in Ningyocho einen solchen Kimono im Schaufenster: handgewobene japanische Seide, Preis ca. 3.500 €. Ich denke, da ist es verständlich, dass ein solcher Kimono nicht gekauft, sondern oft geliehen wird.
 

Mantegna

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Meiji Schrein Teil 3: 7-5-3-Fest

Doch im November findet in Shinto Schreinen noch ein drittes Fest statt: das Shichi-go-san, bei dem die drei- und fünfjährigen Jungen und die drei- und siebenjährigen Mädchen in den Schrein der Familie gebracht werden, um für das bisherige Glück zu danken und für zukünftige Gesundheit und Sicherheit der Kinder zu beten. Üblicherweise tragen die Mädchen dabei einen Kimono, die Jungen die traditionelle Männerkleidung und natürlich werden sie von Eltern und Verwandten begleitet.


Verlangt der "Ehrentag" etwa besonderen Ernst?


Aber man kann offenbar auch Spass haben


Aber Papa sorgt schon dafür, dass man sich nicht daneben benimmt.


Wo sind denn die anderen?


Brüderchen und Schwesterchen


Kleine Prinzessin







Beim Ausgang des Schreins gab es dann üblichen Holztäfelchen mit Wünschen und Gebeten, wobei mir neu war, dass diese auch recht konkret sein können.




Wobei ich mir allerdings nicht sicher bin, ob sich da nicht jemand einen Jux gemacht hat. Hans Wang jedenfalls dürfte kein japanischer Namen sein.




Blick zurück zum Eingang des engeren Schrein-Bezirks.

Am Weg zum Ausgang bei der Harajuku Station dann eine kleine Chrysanthemen-Ausstellung, vielleicht noch vom Geburtstag vom Meiji-tennō am 3. November.


Ich wusste gar nicht, dass Chrysanthemen auch als Bonsai gezogen werden können.






Ein häufiger Anblick in Shinto Schreinen: Die Behälter von gespendetem Sake. Wie eine Tafel daneben erklärte, eine Opfergabe des Verbandes der japanischen Sakebrauereien.
 

Mantegna

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5. Tag Harajuku, Takeshita Dori: Street fashion or it's all about styling!

Und jetzt nach dem Meiji Schrein das absolute Kontrastprogramm und ohne große Kommentare viele Bilder.

Recherchiert man im Netz zu Harajuku und der Takeshita Dori, dann finden sich immer Aussagen wie " Hier entstehen die Modetrends von Japan" "Zentrum der Kwaii-Kultur" und ähnliches. Bei beiden Aussagen halte ich Skepsis für angebracht. Ja, die Takeshita ist sicherlich für Tokyoter Teens ein wichtiger Treffpunkt und dort reiht sich auch von Anfang bis Ende eine Modeshop an den anderen, doch wenn man die vielen Teens dort gesehen hat, zweifelt man daran, dass es den Modetrend gibt, hat vielmehr den Eindruck des "Anything goes" oder eben "It's all about styling". Verglichen mit dieser unglaublichen Vielfalt kreativen Stylings kommt einem Street Fashion in Deutschland geradezu uniformiert vor, werfen doch anscheinend H&M, Zara Esprit und wie sie alle heißen mehr oder weniger denselben Kram auf den Markt.
Doch genug geredet, schaut Euch einfach mal das Bilderbuch an, das während zwei Stunden in der Takeshita Dori entstanden ist:









































































Ein paar Trends konnte ich immerhin ausmachen: Aktuelle Wintermäntel sind entweder grau (gefühlt: 40 %), kamelfarben (gefühlt: 40 %) oder cremeweiß (gefühlt 20 %), aktuell ist Makeup besonders auf die Augen fokussiert, die oft mit falschen Wimpern betont werden und Frisuren mit langen Ponys sind aktuell sehr beliebt.

Morgen (hoffentlich schaff ich es) gehts weiter ins Nezu-Museum und nach Ningyocho. Dann gibt es traditionelles Gebäck von einem erimitierten Professor für Japanologie, der elf Jahre an der Uni München war.

Doch wie gesagt: Morgen mehr.
 

Mantegna

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6. Tag: Tonogayato Gardens, Edo/Shitamachi Atmosphäre in Ningyocho

Und jetzt habe ich gleich zweimal zu viel bzw. falsches versprochen. Natürlich bin ich später dran als versprochen, aber das kennt Ihr ja. Vor allem aber geht's nun doch nicht ins Nezu-Museum. Es bleibt aber beim traditionellen Gebäck.

Doch der Reihe nach. Die Wetterprognose am Vorabend war recht durchwachsen gewesen, sodass ich eigentlich ein In-Door-Programm geplant hatte und ins Museum gehen wollte. Als ich aufstand, war der Himmel zwar bedeckt, doch sah es nach freundlichem Wetter aus. Und nach dem Frühstück schließlich hatte es völlig aufgeklart. Also neuer Plan: Ich geh doch in einen der historischen Gärten. Und nach Studium des Metroplans entschied ich mich für Tonogayato Gardens in Kokubunji im Westen von Tokyo. Den kannte ich noch nicht, wusste daher auch nicht, ob es sich lohnt, doch war er direkt mit der Chuo-Line ab Shinjuku am einfachsten zu erreichen, Fahrzeit etwa 30 Minuten.

Am Weg Kamelienbüsche in voller Blüte. Diesmal waren sie mir schon am ersten Tag aufgefallen, bei meinem ersten Mal Tokyo überhaupt nicht. Aber vielleicht haben sie damals einfach nicht geblüht.





Unter den historischen Gärten Tokyos ist der Tonogayato einer der jüngsten, angelegt 1913 - 1915 für Eguchi Teijo, Vizepräsident der Manschurischen Eisenbahn, später im Besitz des Iwasaki Clans, den Gründern von Mitsubishi. Anfangs der 70er Jahre gab es Pläne, das Gelände "anderweitig zu nutzen", was wohl nichts anderes heißt, als dass ein Developer damit das große Geld machen wollte, doch setzte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Gartens ein, was schließlich dazu führte, dass der Garten 1974 von der Stadtverwaltung gekauft, 1979 öffentlich zugänglich gemacht und 1998 in den Rang eines Place of Scenic Beauty erhoben wurde.

Ähnlich wie Kyo-Fukurawa Gardens (auch aus der Showa-Zeit) besteht der Garten aus einem westlichen Teil im Stil eines englischen Parks und einem japanischen Garten, für den sehr geschickt die Hangkante des Musashino-Tals genutzt wurde, um am tiefsten Punkt einen kleinen Teich als Mittelpunkt eines Wandelgartens im klassischen Stil anzulegen. In der Mitte des Teichs natürlich (wie immer) eine künstlich angelegte Insel.
Bei den folgenden Bildern habe ich bewusst auch Aufnahmen gewählt, die dasselbe Motiv aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen, ist doch ein Wandelgarten gerade darauf ausgelegt, diese unterschiedlichen Ansichten wahrzunehmen.




Direkt beim Eingang im westlichen Teil des Gartens.








Die Insel im Zentrum des japanischen Wandelgartens





Die Ahornbäume hatten hier bereits ihr charakteristisches Rot.







Blick auf den Teich mit der Insel







Trittsteine führen über den Teich




Ein Quelle mit mehreren kleinen Wasserfällen speist den Teich.



Die Reisstrohmanschette ist nicht nur dekorativ, sondern hat einen praktischen Zweck: Sie verhindert, dass Insekten im Winter die Nadelbäume schädigen können.

Nach über zwei Stunden im Tonogayato Garden war ich - mittlerweile war's 14 Uhr - schlichtweg hungrig und da kam mir ein Ramen Imbiss schräg gegenüber vom Bahnhof gerade recht.




Also die schon bekannte Prozedur: Mit viel Unterstützung der Kellnerin am Automaten einen Bon lösen, warten bis ein Platz frei wird und mich auf die Ramen freuen, die wirklich exzellent war. Beim Rausgehen fielen mir über der Tür die Urkunden auf, mit denen das Lokal die letzten Jahre durchgängig für seine Qualität ausgezeichnet worden war.

Noch war viel Zeit, was also machen mit dem Rest des Tages. Da passte bestens, dass die Chuo Line direkt ins Herz des ehemaligen Edo führt, wo es in Ningyocho, einem ehemaligen Kabuki Viertel, in der Amazake Yokocho eine ganze Reihe alteingesessener Läden gibt und sich die Atmosphäre der Tokyoter Unterstadt (Shitamachi) in Resten erhalten hat.

Mit nur einem Mal umsteigen landete ich dort und war erst mal enttäuscht: Nix von der versprochenen speziellen Atmosphäre, architektonisch nichts, was auch nur entfernt darauf schließen ließe. Dann aber entdeckte ich, dass ich an der Amazake vorbeigelaufen war. Und tatsächlich fand sich dort das Erwartete.

Interessant war schon einer der ersten Läden, der offenbar Gebäck verkaufte. Vor dem Laden ein älterer Herr, der mir Gebäckbruch zum probieren anbot. Wie ich erfuhr, handelte es sich um Kawara Senbei, ein traditionelles Gebäck (ohne Milch und Fett gebacken) in der Form von traditionellen Dachziegeln. Noch interessanter allerdings war das Gespräch selbst. Nach wenigen Minuten wechselte der ältere Herr vom Englischen ins Deutsche und erzählte mir, dass er elf Jahre als Professor für Japanologie an der Uni in München war und jetzt seinem gelegentlich seinem Bruder hilft, der die Bäckerei der Familie betreibt. Neben vielen anderen Tipps empfahl er mir, unbedingt nach Kamakura zu fahren, das in Japan als Klein-Kyoto erachtet werde. Leider war ich von dieser unerwarteten Begegnung so perplex, dass ich nicht mal auf die Idee kam, ihn zu fragen, ob er mich evtl. dorthin begleiten wolle.









Daneben noch ein Laden mit süßen Gebäck




Gefolgt von einem Kimono-Geschäft. Im Schaufenster neben einem kleinen Handwebstuhl ein Kimono, wie ich ihn im Meiji Schrein gesehen hatte. Der Preise etwa 3.500 €; wenn ich richtig verstanden habe, der Stoff aus handgewobener japanischer Seide.



Eingang zu einem Restaurant (bei letzterem bin ich mir nicht ganz sicher).




Und daneben der Laden eines Shamisen-Bauers.

Die Origami-Vögelchen hatten mich schon neugierig gemacht.

Sie gehörten zur Werkstatt eines Handwerkers, der Tsuzuras herstellt, Boxen aus geflochtenem Bambus, die mit Lack von Kashewbäumen verstärkt und schließlich rot, schwarz oder braun lackiert und mit dem Familienwappen bemalt werden.



Als er bemerkte, dass ich neugierig durchs Fenster linste, öffnete er mir freundlich die Tür und arbeitete weiter.




Hier hängt er die halbfertigen Boxen an der Decke zu Trocknen auf.

Mittlerweile war es dunkel geworden und ich nach diesem überraschenden und fantastischen Tag müde. Also zurück zur Ningyocho Station, nach Shinjuku und ins Hotel, wo ich schon vom Vorabend wusste, dass die Lounge einen passenden Ausklang zu diesem Tag bieten würde.

Und demnächst geht's weiter. Diesmal wirklich ins Museum, für mich überraschenderweise mit einem kleinen Park dabei. Doch Euch wird das nicht mehr überraschen...
 

CarstenS

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08.09.2012
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Vielen Dank! Wunderbare Einblicke in Tokyo unter deinem ganz persönlichen Blickwinkel. Mir macht es jedesmal auch Freude, einfach durch Tokyo zu streifen und all die Eindrücke aufzunehmen.
Freue mich auf die Fortsetzungen.

Carsten
 

Mantegna

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21.05.2009
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MUC
7. Tag: Nezu-Museum - Pictured Tales und Teezermonie im Park, Mitsui Memorial Museum, Mitsukoshi

Die Wetterprognose vom Vorabend bestätigt sich: Es regnet. Bleibt also nur, auf ein Indoor-Programm auszuweichen, also ab ins Museum. Schon am zweiten Tag war ich kurz beim Tokyo Tourist Information Center im Tokyo Metropolitan Government vorbei gegangen, um nach Infos über aktuelle Ausstellungen aber auch Anderem zu schauen - ein Tip, den ich nur jedem Tokyo-Besucher geben kann.

Entdeckt hatte ich dabei, dass es im Nezu-Museum eine Ausstellung "Pictured Tales" mit Wandschirmen, Bildrollen und Illustrationen zu Stoffen der klassischen Literatur Japans gab. Der Besuch der Ausstellung hat sich wirklich gelohnt (für mehr Info: Exhibition / Past|Nezu Museum), erhofft hatte ich allerdings auch, mehr von den Sammlungen des Museums zu sehen, die allein sieben "Nationalschätze" und 87 "wichtige Kulturgüter" enthalten soll. Leider ist der Bereich der permanenten Ausstellung aber so klein, dass es hier nur wenig zu entdecken gab.
Überrascht hat mich allerdings der kleine japanische Garten beim Museum - offenbar hatte ich den Hinweis im offiziellen Tourismusführer Tokyo übersehen. Da der Regen fast aufgehört hatte, ging ich natürlich dort hin:




"Moon-shaped stone boat"













Gingko-Blätter




Gingko und Ahorn

In einem der Teehäuser gab es während meines Besuchs klassische Teezeremonien, doch hatte ich leider übersehen, dass es hierfür im Museum Tickets gegeben hätte. Zwar versuchte eine der beiden Teemeisterinnen für mich noch eine Teilnahme zu arrangieren, kam aber mit der bedauernden Auskunft zurück, dass ihre strenge Lehrmeisterin dies leider nicht erlaubt habe. So blieb nur die Gelegenheit, von aussen einen Blick auf die Zeremonie zu erhaschen...

Noch war viel Zeit und so bot sich an, ins Mitsui Memorial Museum zu gehen - wie das Nezu übrigens auch entstanden aus der Privatsammlung einer Industriellenfamilie - , das gerade eine Sonderausstellung zum 50jährigen Bestehen der Mitsui Bunko Stiftung und zum 10jährigen Jubiläum des jetzigen Museums zeigte. Wieder gab es in der Ausstellung extrem interessante und exqusite Exponate und wieder war der Umfang der Ausstellung angenehm überschaubar. Leider allerdings war - ebenso wie im Nezu Museum Fotografieren - selbst ohne Blitz nicht erlaubt.

Direkt neben dem Mitsui Memorial Museum ist das Haupthaus von Mitsukoshi, für dessen Besuch man sich früher sogar chic gemacht haben soll. Und natürlich nutzte ich die Gelegenheit, diese bekannten Ikone japanischer Kaufhäuser noch kurz zu besuchen:



Statue der Magokoru, Göttin der Ehrlichkeit, im Atrium des Mitsukoshi
 

Mantegna

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21.05.2009
3.025
17
MUC
8. Tag: Edo Tokyo Museum - ein ganzer Tag in einem fantastischen Museum

Auch am nächsten Morgen regnete es, doch war mir das egal, hatte ich doch eh eingeplant, ins Edo Tokyo Museum zu gehen. Damit, dass daraus ein ganzer Tag werden würde, hatte ich allerdings nicht gerechnet.

Das Edo Tokyo Museum besteht seit 1993 und ist damit ein vergleichsweise junges regional- oder stadtgeschichtliches Museum. Dem Gebäude selbst, das an die Architektur alter Speicherhäuser erinnern soll, würde ich ja in einem Architekturwettbewerb keinen Preis verleihen, doch erweist sich die riesige Halle als ein überraschend gut funktionierender Ausstellungsraum.

Wie viele der Museen aus dieser Zeit zeigt es nicht nur seine Ausstellungsstücke separiert in einzelnen Vitrinen, sondern arbeitet viel mit "Inszenierungen" - so das Zauberwort der Museumspädagogen - , präsentiert sie also in Kontexten und thematischen Arrangements. So finden sich denn Repliken von Wohnräumen und Werkstätten in Lebensgröße, ja ein ganzes Kabuki-Theater, die verschiedene Themen und Epochen repräsentieren. Auffallend - und im Museumskontext eher unerwartet und selten - sind dagegen die vielen und sehr gut gemachten Miniaturmodelle. Stadtmodelle etwa kennt man ja aus anderen Museen, doch dass solche Modelle wie Momentaufnahmen das Treiben in einem historischen Viertel illustrieren, ist so überraschend wie faszinierend.

Doch faszinierend ist das Museum vor allem, weil es nicht nur die üblichen historischen und kunst-/kulturgeschichtlichen Themen derartiger Museen abdeckt, sondern insbesondere für das 19. und 20. Jahrhundert in einer überraschenden Breite und Vielfalt auch sozial- und gesellschaftsgeschichtliche Themen aufgreift. Ob dies schon immer der Fall war oder manche Themen erst mit der Neugestaltung der Dauerausstellung vor zwei Jahren einbezogen wurden, weiß ich nicht, doch kenne ich jedenfalls kein zweites Museum, das dies in solcher Breite und in so gelungener Form tut.

Man mag dem Museum vielleicht vorwerfen, dass es das Thema "Japans Imperialismus" nicht behandelt - jedenfalls konnte ich dazu nichts entdecken - , aber zuzugestehen ist, dass dieses Thema in ein Museum der Geschichte von Japan, nicht von Edo/Tokyo gehört.

Doch jetzt endlich wirklich ins Museum. Gleich beim Eingang fällt ein riesiges Objekt mit üppiger und bunter Dekoration auf: ein(e) Kumade. Im Kern und Ursprung ist dies ein Bambusrechen, der mit Symbolen für Glück und Erfolg geschmückt ist und eben Glück und Erfolg bringen soll; später dazu mehr, denn an einem der folgenden Tage war ich auf einem "Tori no Ichi"-Markt, wo derartig ausgeschmückte Bambusrechen als Glücksbringer verkauft wurden.






Man betritt die riesige Ausstellungshalle über eine 1:1-Replik der Nihombashi Brücke, über die Edo mit den fünf wichtigsten Hauptstraßen des Landes verbunden war.



Schon von der Brücke aus sieht man die 1:1-Nachbildung des Nakamura-za Kabuki Theaters.


Und gleich nach der Brücke ein Modell des Kaiserpalastes. Im Hintergrund die Tōkei-jō („Burg der östlichen Hauptstadt“), die 1873 abbrannte. Vorne links der Turm mit den weißen Mauern wird irrigerweise in vielen Reiseführern als der Kaiserpalast bezeichnet, während dieser de facto abgeschirmt von der Öffentlichkeit im Inneren des Geländes liegt.


Eine der vielen Miniaturszenen - ein Straßenbild in Nihombashi.


Lebensgroße Kopie eines Mikoshi, eines transportablen Schreins, wie er bei den Matsuri, den Schreinfesten, im Mittelpunkt der Prozessionen steht.


Und hier die Prozession selbst als Miniaturszene.


Und noch eine Miniaturlandschaft: Straßenszene am Ende der Nihombashi-Brücke.


"Ginza Bricktown" - etwa 1882-1886. Nach dem großen Brand von 1872 wurden Teile der Ginza in Backsteinarchitektur wiederaufgebaut.




Lebengroße Replik der Werkstatt eines Schreiners - frappierend die Ähnlichkeit zu der Werkstatt, die ich zwei Tage zuvor in Ningyocho gesehen hatte.


Nochmals die Nachbildung des Nakamura-za Kabuki Theaters.


Daneben auf einer Kabuki-Bühne Figuren von drei typischen Kabuki-Schauspielern/-Rollen.









Im Inneren des Kabuki-Theaters eine Sammlung von Schlag-Instrumenten, wie sie beim Kabuki benutzt werden. Übrigens Kopien, die man auch aus probieren konnte. Der Schulklasse, die mit mir in dem Raum war, machte es riesig Spaß, damit einen Heidenlärm zu machen.



Was nur wenige von uns wissen und auch mir nicht bekannt war: Tokyo wurde noch im März und April 1945 durch amerikanische Bombenangriffe so radikal ausradiert, dass es vom amerikanischen Militär sogar von der offiziellen Liste der Angriffsziele gestrichen wurde.

Wahnwitzigerweise ging das Innenministerium davon aus, dass bei Angriffen höchstens eine Brandbombe pro Nachbarschaft fallen und diese mit einem Eimer Wasser gelöscht werden könnte. Entsprechend sinnlos und armselig war die offizielle Ausstattung zur Feuerbekämpfung, die das Bild zeigt.


Replik eines Wohnzimmers aus den frühen 50er Jahren. Oben in der Ecke - fast hätte ich gesagt: im Herrgottswinkel - ein(e) Kumade.


Typische Küche aus derselben, noch "vor-elektrischen" Zeit.


Etwa zehn Jahre später (1962) die Muster-Wohnküche aus der Hibarigaoka Siedlung - nun mit den drei "sacried Treasures": Schwarzweiß-Fernseher, Waschmaschine und Kühlschrank.



In einer langen Vitrine werden sogar mit wenigen kennzeichnenden Exponaten die Trends und Phasen der japanischen Popkultur ab etwa 1960 dargestellt. Hier das Thema Cosplay, dem einen oder anderen vielleicht über die Maid Cafes bekannt.



Ein letzter Blick auf das Nakamura-za Kabuki Theater.

Wie schon gesagt ein exzellentes und absolut faszinierendes Museum, das ich jedem Tokyo-Besucher nur empfehlen kann. Und auch lohnend, wenn man schon mal dort war: Bei der letzten Erweiterung der Dauerausstellung, die im März 2015 vorgestellt wurde, wurde vor allem der Bereich zur Geschichte von Edo/Tokyo im 19. und 20. Jhdt. massiv erweitert; einen Überblick dazu gibt es auf der Website des Museums: https://www.edo-tokyo-museum.or.jp/en/p-exhibition/. Damit es Sinn macht, aber bitte einen halben Tag einplanen.

Ob wohl schon fast den ganzen Tag in der Dauerausstellung, ging ich dann noch in die Sonderausstellung "From Ukiyo-e to Photography:Cultural Awakening in Japan's Visual Field". Natürlich hatte ich eine Vorstellung von Ukiyo-e, den populären Farbholzschnitte etwa von Hiroshige, doch war mir völlig neu, wie diese ja eher als traditionell und konservativ eingeschätzte Kunst Bildfindungen und Motive der frühen Fotografie imitierte und umgekehrt frühe Fotografie klassische Motive der Ukiyo-e aufgriff. Insgesamt und hier im innerjapanischen Kontext ein hochspannender transkultureller Prozess, wie er fast zeitgleich auf europäischer Seite bei der Begegnung mit japanischer Kunst stattfand.

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Morgen oder eigentlich am nächsten Tag geht's wieder ins Freie: Bei strahlendem Wetter in die nächsten zwei der "Metropolitan Gardens": die Kyu-Shiba-riku Gardens, den ältesten der Daimyo Gärten, und die "Hama-rikyu Gardens", ursprünglich das Jagdrevier des Tokugawa Shoguns, nach der Meiji Restoration Aussenresidenz der Kaiserfamilie, die den Park 1945 der Stadt Tokyo übergab.
 
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Mantegna

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21.05.2009
3.025
17
MUC
9. Tag: Kyu Shiba-rikyu Gardens und Hama-Rikyu Gardens - zwei klassische japanische Gärten

Einen ganzen Tag in zwei historischen Gärten zu verbringen ist sicherlich ungewöhnlich - drum kann ich auch allen, die mein Faible für klassische japanische Gartenarchitektur nicht teilen, nur raten, sich den Bericht über den 9. Tag zu schenken.

Für die anderen eine kurze Erklärung: Klassische japanische Gärten sind für mich ungemein intensive ästhetische Erfahrungen, fast schon Gelegenheiten zur Sensibilisierung ästhetischer Wahrnehmung. Und gerade deshalb werden's meist Stunden, wenn ich in einem der klassischen Gärten bin - slow travelling eben...

Doch davor gab es schon beim Aufstehen ein unerwartetes Schauspiel - festgehalten in den nächsten vier Bildern, die am frühen Morgen innerhalb von etwas mehr als einer halben Stunde entstanden sind:









Doch nun zum ersten der beiden Gärten: der Kyu-Shiba-rikyu ist neben dem Koishikawa Korakuen einer der ältesten Fürstengärten, angelegt um 1678 für den Daimyo Okubo Tadamoto. Nach mehreren Besitzwechseln war er in den letzten Jahren des Shogunats im Besitz eines Zweigs der Tokugawa und schließlich ab 1875 unter die Verwaltung des Innenministeriums als Ausweichquartier des Kaiserhauses in Notfällen, 1876 schließlich als „Außenpalast". Beim Kantō-Erdbeben wurde der Garten stark beschädigt und wurde 1924 der Stadt Tokyo überlassen. 1962 verlor der Garten durch den Bau der Shinkansen 4.800 m2 oder mehr als ein Drittel seiner ursprünglichen Fläche.
In seiner Anlage zeigt sich der Kyu-Shiba-rikyu als klassisches Beispiel eines Wandelgarten, eines Gartentypus, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstand: In der Mitte ein künstlich angelegter See mit ebenfalls künstlich angelegten Inseln, künstliche Hügel, aufwendige Steinsetzungen, Steinlaternen und natürlich die durch jahrzehntelange gärtnerische Praxis geformten und gestalteten Bäume. Ist so der Wandelgarten schon in sich selbst als Miniaturlandschaft geformt, so zitiert er darüber hinaus in einzelnen Elementen darüber hinaus klassische Landschaftsbilder aus anderen Regionen Japans oder auch Chinas.


Die erste Überraschung waren allerdings in einem Teil des Gartens Kirschbäume in voller Blüte - dies immerhin am 27. November! Ich weiß nicht, ob dies eine besondere Kirschbaumart war, vermute allerdings, dass dies eher mit dem milden Spätherbst des vergangenen Jahres zu tun hat.


Frühjahr und Herbst sind die bevorzugten Jahreszeiten für Hochzeiten in Japan und Parks natürlich beliebte Plätze für Hochzeitsfotos.


Kiefern, Wasser und aufwendige Steinsetzungen am Ufer - klassischer Anblick in einem Wandelgarten




Der Kyu-Shiba-rikyu ist bekannt für seine besonders aufwendigen und umfangreichen Steinsetzungen.








Blutrot gefärbte Blätter eines Essigbaums


Karetaki ("wasserloser Wasserfall"): eine Steinsetzung, die den Betrachter an einen Wasserfall in einer tiefen Bergschlucht erinnern soll


Oshima - eine der drei künstliche Inseln. Im Vordergrund eine Yukimi-no-toro, eine "Schneebetrachtungs"-Laterne.


Kaum 15 Minuten entfernt liegt Hama-rikyo Gardens, der anders als der Kyu-Shiba-rikyu noch heute direkt ans Meer angrenzt und dessen Teich auch heute noch vom Meer gespeist wird und dem Auf und Ab der Gezeiten folgt.
Der Hama-rikyu bis bis zum Ende des Shogunats im Besitz des Tokugawa Shoguns. Entstanden ist der Garten auf einem Gelände, das ursprünglich Jagdgebiet der Tokugawa und durch Landgewinnung entstanden war.
Über die Jahrhunderte mehrfach umgestaltet und beim Kanto-Erdbeben 1923 und im Zweiten Weltkrieg massiv zerstört, wurde der Garten 1946 der Stadt übertragen, die ihn weitgehend restaurierte.


Zwei der drei Teehäuser des Hama-rikyu, beides Rekonstruktionen aus jüngerer Zeit.


Blick über den Shiori-no-ike, den zentralen Teich des Parks, der heute noch seine Verbindung zum Meer hat. Im Hintergrund die Hochhäuser von Shiodome




Kleiner "Zen"-Garten beim Nakajima-no-ochaya, dem (rekonstruierten) Teehaus, in welchem General Grant 1879 vom Meiji Tenno empfangen wurde.


Heute können Besucher dort Matcha Tee bekommen.


Das Innere des Nakajima-no-ochaya




Blick auf das Nakajima-no-ochaya


Blick über den Sumido auf Toyomicho


Es begann schon zu dämmern, als ich nach über drei Stunden den Park verließ und zur Shimbashi Station ging, von wo ich mit der Jamanote Line direkt nach Shinjuku zurückfahren konnte.


Hochhäuser bei der Shimbashi Station



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Und falls das jetzt zu langweilig war: Am 10. Tag ging es nach Kamakura, mit vielen Tempeln, einem Schrein und nochmals einer Shinto-Hochzeit, diesmal aber mit Blick auf die eigentliche Zeremonie. Und nicht zu vergessen: Mit Shigeru, meinem Guide von den Tokyo Free Guides.
 
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Mantegna

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21.05.2009
3.025
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MUC
10. Tag: Kamakura mit Shigeru, einem Guide von Tokyofreeguide - Teil 1


Irgendwas mach ich wohl falsch, denn ganz offen: Es kostet richtig Arbeit, in der von mir gewählten Form einen Trip-Report zu schreiben. Und drum dauert es auch so lange, bis die nächste Fortsetzung kommt.
Doch hier wenigstens der erste Teil zu Kamakura. Und morgen der zweite Teil - das Wichtigste ist bereits vorbereitet.
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Die Bigapplegreeters sind hier sicherlich den meisten bekannt, zumindest kann man das annehmen, wenn man die vielen Berichte und Anfragen zu New York sieht. Für die wenigen anderen eine kurze Erklärung: Die Bigapplegreeters sind eine ehrenamtliche Organisation von New Yorkern, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, in ca. dreistündigen völlig kostenlosen Touren den Besuchern von New York City ihren ganz persönlichen Big Apple zu zeigen. Bevorzugt zeigen sie dabei das Viertel von New York, in dem sie selbst leben, und vermitteln damit natürlich einen Blick auf die Stadt, den kein Reiseführer geben kann.

Solche Greeter Organisationen gibt es mittlerweile in vielen Ländern und Städten - einen Überblick gibt Global Greeter Network: Home - ; in Deutschland aktuell z.B. in Berlin, Dresden, Essen, Hamburg, München, Stuttgart...

In Tokyo gibt es gleich zwei solche Organisationen: die http://www.tokyogreeters.org/ und die TOKYO FREE GUIDE - Volunteer Tour Guide Service in Tokyo. Während die eine Organisation etwa dem New Yorker Modell folgt, bieten die Free Guides die Möglichkeit, die Ziele ohne Einschränkungen selbst zu wählen.

Bei meiner ersten Tokyo-Reise war meine Anfrage leider erfolglos geblieben, doch diesmal hatte ich mehr Glück. Bereits vor meiner Abreise bekam ich die Zusage und gleich danach meldet sich mein Guide auch persönlich. Shigeru arbeitet als Travel Agent bei einem großen Energiekonzern, wo er die Auslandsreisen der ca. 600 Wissenschafter der Organisation zu Kongressen, Studienaufenthalten etc. organisiert.

Eigentlich hätte ich ihn ja am liebsten gleich gefragt, ob er mich nach Kamakura begleiten könnte, doch getraute ich mich nicht, da dies ja weit außerhalb liegt und schlug stattdessen das Edo-Tokyo-Museum vor. Seine Antwort war eindeutig: Das wäre zu schade, denn dort im Museum gebe es freiwillige Führer, stattdessen könnten wir doch zusammen nach Kamakura fahren. Ihr könnt Euch denken, wie happy ich war.

Doch vorweg eine kurze Bemerkung: Zu Kamakura gibt es auf dem Netz eine Unmenge Information und es wäre ein Leichtes, mit viel Cut-and-Paste hier einen ellenlangen Sermon einzufügen. Da derart Ausführliches aber wohl nur wenige interessieren dürfte, habe ich mich für eine andere Lösung entschieden: Hier gibt es nur kurze Einführungen und Erklärungen zu den Bildern und für diejenigen, die tiefer einsteigen wollen, eine Auswahl der Links, die ich am interessantesten und hilfreichsten fand.

Für mehr Info hier die angekündigten Links:

Kamakura (History and Historic Sites)
eine sehr fundierte japanisch-englische Seite zur Geschichte und den historischen Stätten von Kamakura; leider ohne Angaben zum Autor, liegt aber auf dem Kamakura Citizens Net.

https://thomasgittel.wordpress.com/
Der Blog von Thomas Gittel, einem deutschen Expat, der seit Jahren in Tokyo lebt, enthält drei ausführliche Beträge zu Kamakura:
Kamakura 1 - Natur & grandiose Architektur
Kamakura 2 - Japans alte Hauptstadt mal ganz anders
Kamakura 3 - Auf den Spuren des großen Sektengründers Nichiren und des Lotos-Sutra

Sein Blog bietet auch eine Menge Info zu Tokyo.

Und natürlich nicht zu vergessen der Blog unserer Kollegin, die ebenfalls Wanderungen zu Kamakura beschreibt:

[JP] Die Kamakura – Daibutsu – Wanderung 鎌倉 大仏 | WanderWeib


Kamakura, etwa 50 km oder eine Bahnstunde von Tokyo entfernt, war von 1185 bis 1333 also der Zeit des Kamakura Sogunats Regierungssitz Japans. Aus dieser Zeit gründet sich auch die heutige historische und kulturelle Bedeutung der Stadt, das in Japan als "Klein-Kyoto" gilt. Diese Bedeutung manifestiert sich vor allem in der unglaublichen Vielzahl von buddhistischen Tempeln und Shinto Schreinen. Am bekanntesten ist sicher der Kotoku-in, der Tempel mit dem großen Buddha, doch gibt es daneben alleine weitere 150 Tempel und über 40 Schreine. Keine Angst: Wir haben nicht alle angeschaut ;-)..

Auf Shigeru's Vorschlag trafen wir uns bereits um 8 Uhr im Hilton, ich mit zwei kleinen Geschenken von zu Hause und aus Budapest für ihn, die er leider den ganzen Tag mitschleppen musste, da er abends nicht zum Hotel zurückkommen wollte. Genaueres hatten wir noch nicht ausgemacht, ich hatte nur gesagt, dass es nicht unbedingt der große Buddha sein müsse. Also wieder mein täglicher Weg zur Shinjuku Station und diesmal mit der Bahn nach Kamakura, eine Stunde Fahrt mit einmal umsteigen bis zur Kamakura Kita Station im Norden der Stadt.

Am Bahnhof gab es eine Karte und weitere Info, doch leider nur in japanisch - ohne Guide wäre ich also komplett aufgeschmissen gewesen. Mit der Karte und Shigeru's Hilfe ergab sich aber Route, die einige der wichtigsten Tempel und den wichtigsten Schrein umfasste:
• Engaku-ji
• Tokei-ji
• Jochi-ji
• Kencho-ji
• Hachiman-gu
• Myohon-ji
• Hongaku-ji

Der Engaku-ji liegt fast direkt neben der Bahnstation. Um 1280 gegründet ist er einer der wichtigsten Tempel des Zen-Buddhismus und einer der Haupttempel der Rinzai-shu, der zweitgrößten Schulen des Zen-Buddhismus in Japan. Über die Jahrhunderte mehrfach zerstört, zuletzt beim Kanto-Erdbeben 1923, zeigt er heute nach jahrzehntelangem Wiederaufbau etwa die Gestalt der Anlage aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert.



Samnon, das Haupttor, durch das man die weitläufige Anlage betritt. Das Tor wurde 1785 errichtet.





Blick in das Gebälk des Sanmon.



Hokan Shaka Nyorai, das wichtigste Objekt der Anbetung im Engakuji Tempel.



Butsuten, die Haupthalle, in der sich die Statue des Hokan Shaka Nyorai befindet.








Tempelgarten im Engakuji, 1969 nach einer alten Ansicht rekonstruiert, heute als "national treasure" ausgezeichnet.







Kaikibyo, das Mausoleum von Hojo Tokimune, dem Gründer des Klosters. Der heutige Bau soll um 1811 errichtet worden sein.







Eines der vielen Tempelgebäude des Engakuji - tut mir leid: mehr kann ich nicht sagen.




Schnitzerei im Durchgang eines der Tempeltore



Ogane - Tempelglocke, die 1301 gegossen wurde und heute als "National Treasure" eingestuft ist.



Blick auf den Fuji von der Aussichtsterrasse bei der Tempelglocke; Ausschnittsvergrößerung aus einer Tele-Aufnahme. Dank gutem Tele immer noch ordentliche Qualität.



Hier ganz zu sehen: eine Tempelglocke in klassischer Form im Tokeiji Tempel, der in der Edo-Zeit vor allem dafür bekannt war, dass dort Frauen Zuflucht fanden, die sich scheiden lassen wollten.


Im Garten des Tokeiji Tempels.




Stufen, treppauf, treppab - alle Tempel, die ich gesehen habe, liegen am Hang in kleinen Seitentälern von Kamakura.





Bereits im Jochiji, dem nächsten Tempel, den wir besucht haben. Der Tempel soll ebenfalls Ende des 13. Jahrhunderts gegründet worden sein, wurde aber auch im Kanto-Erdbeben 1923 zerstört. Alle Gebäude daher aus späterer Zeit, wobei mich hier wie im Engakuji die Strohdeckung überrascht hat.




Statue des Glücksgotts Hotei auf dem Gelände des Jochiji. Seinen Bauch zu streicheln, soll Glück bringen.







Am Eingang zum Jochiji, eine der zehn Quellen von Kamakura.



Im Kenchoji, ebenfalls ein Tempel der Rinzai Schule, werden Einführungen zur Zen-Meditation und auch Meditationssitzungen angeboten. Der Tempel ebenfalls in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründet, war lange Zeit einer der einflussreichsten Tempel von ganz Japan.



Die Buddhahalle Butsuden wurde 1647 aus Edo nach Kamakura transloziert.



Kultfigur des Jizō, Beschützer der Armen und der Kinder, wohl nach dem Großbrand von 1414 entstanden.



Die Lehrhalle Hattō stammt aus dem Jahre 1814 und ist das größte hölzerne Gebäude in Ostjapan.





Eine der Hallen des Kenchoji.




Das Karamon, ein Tor im sog. chinesischen Stil, am Zugang zum Abtsquartier. Das Tor wurde jüngst restauriert und ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert.



Hinter dem Abtsgebäude der als besonderes Geschichtserbe ausgezeichnete kleine Garten mit dem Sanpekichi Teich. Das Gebäude rechts von 2002, der ursprünglich vom Gründer des Klosters angelegte Garten wurde 2003 zum 750jährigen Jubiläum des Klosters wiederhergestellt.
 
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Mantegna

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21.05.2009
3.025
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10. Tag: Kamakura mit Shigeru, einem Guide von Tokyofreeguide - Teil 2

Nach den ersten Tempeln, die alle in engster Nachbarschaft lagen, gingen wir ca. 10 Minuten weiter zum Tsurugaoka Hachiman-gū, dem wichtigsten Shinto Schrein von Kamagura.


Ursprünglich 1063 nahe Yuigahama gebaut wurde der Schrein vom Gründer des Kamakura-Shogunates 1191 an den heutigen Ort verlegt. Wie auch bei den buddhistischen Tempeln stammen die Gebäude aus jüngerer Zeit - so etwa der heutige "ältere Schrein" von 1828.




Omikuji beim Hachiman-gū - Japanbesucher kennen das Bild sicherlich: Kleine Papierstreifen, beschriftet mit Wahrsagungen aus einer Art Orakel-Lotterie. Wie mir mein Guide erklärte, behält man die positiven Wahrsagungen, während man weniger positive lieber beim Tempel oder Schrein festknotet, um das prophezeite Übel von sich fernzuhalten.




Miko im Hachiman-gū. Ich kann mir nicht helfen, finde diese Schreindienerinnen in ihrem traditionellen Gewand einfach fotogen.






Zwar weniger verbreitet als der Schreinbesuch zum Sieben-Fünf-Drei-Fest, aber durchaus noch üblich ist der Schreinbesuch zum Seijin-Sai, dem Fest bei Erreichen der Volljährigkeit.



Shimenawa - Reisstrohtaue mit Shide, zickzackenförmig geschnittenen Papierstreifen - hier im Hachiman-gū. Mein Guide erklärte mir, die Streifen symbolisierten Blitze, die Taue Wolken und den Himmel, das Gesamtarrangement ein Gebet um Regen, doch konnte ich nirgendwo eine Bestätigung für diese Erklärung finden.

Am überraschendsten allerdings war die Hochzeitszeremonie im Hachiman-gū - nicht die Zeremonie an sich, sondern die Tatsache, dass hier die Zeremonie anders als im Meiji Schrein in einem offenen Pavillion stattfand und wir so "Augenzeugen" werden konnten, was auch für Shigeru neu war.

1200px-Kaguraden-Hachimangu_Kamakura.jpg


Ums genauer zusagen: Ort der Zeremonie war der/die Kaguraden, ein Pavillion, der lementarer Bestandteil von Shinto Schreinen ist und ursprünglich nur für den rituellen Kagura Tanz, heute aber auch für andere Zeremonien und insbesondere für Hochzeiten genutzt wird.




Das Dach des/der Kaguraden






Der erste Hinweis auf die Hochzeit waren die zwei Shinto-Priester und drei Musiker, die in der Nähe des Pavillions auf die Hochzeitsgesellschaft warteten.



Zwei der drei Musiker spielten flötenähnliche Blasinstrumente, der dritte eine Sho, eine Art Maulorgel. Ich versteh nichts von japanischer Musik, vermute aber aufgrund der Besetzung, dass diese "Hochzeitskapelle" Gagaku-Musik gespielt hat, wie sie in kultischen Zusammenhängen zum Einsatz kommt.



Wohl extra für den feierlichen Anlass hatte die Miko einen besonderen Haarschmuck angelegt.



Ritueller Tanz (Kagura?) der Miko während der Trauungs-Zeremonie.



Shinto-Priester und Miko während der Trauung. Die Miko gießt soeben Sake in die Schale von Braut oder Bräutigam. Während des Rituals teilen sich beide dreimal hintereinander drei Schalen Sake.
Irrigerweise wird das shintoistische Trauungsritual vielfach für sehr alt gehalten, tatsächlich ist es aber ein Beispiel einer "erfundenen Tradition", das seinen Ursprung erst im Jahr 1900 bei der Hochzeit des damaligen Kronprinzen hat.



Die Braut während der Zeremonie. Ihr Ernst erklärt sich vielleicht daraus, dass ihr Bräutigam soeben den Hochzeitsschwur vorträgt.



Am Ende der Zeremonie erhalten auch die übrigen Anwesenden eine kleine Schale Sake.



Überstanden! Die am Boden kniende Helferin kontrolliert offenbar den Faltenwurf des Kimono.



Und gleich danach ein zweites Hochzeitspaar. Weder die Farbe noch die aufgestickten Kraniche sind Zufall, vielmehr gilt der Kranich als Symbol für Glück und langes Leben.



Nach dem Shinto-Schrein kamen wir noch am Myohonji und am Hongakiju vorbei, zwei weniger bekannten buddhistischen Tempeln. Hier Schnitzereien an der Haupthalle des ersten Tempels.




Jizo-Statue auf dem Gelände des Hongakuji, wie meist bekleidet mit Mützchen und Latz.

Auf der Rückfahrt verabschiedete sich Shigeru bereits in Shibuya, ich fuhr weiter nach Shinjuku, wo ich noch durch die schon erwähnten "Fressgass" ging.












Hier gab's für mich noch eine Ramen-Suppe mit Tempura, leider etwas fad.
















Weihnachtsdekoration am Rückweg zum Hilton. Für mich ein etwas merkwürdiger Anblick, da die Bäume noch ihre grünen Blätter hatten.
 
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pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
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10
Ein so überragender Reisebericht, dass es mir schon etwas peinlich ist, ihn mit dieser Bemerkung zu unterbrechen.