Navigation per GPS - potentielle Störungen

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FlyingT

Erfahrenes Mitglied
17.11.2010
2.777
0
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Eine Fragen an die Piloten und Flugzeug-Technikexperten unter uns:

Wenn ich es richtig gelesen habe, wird sukzessive die Navigation per GPS in der kommerziellen Luftfahrt eingeführt, sowohl im Landeanflug wie in der Flugausführung mittels Autopiloten.

Sind diese GPS-basierten Systeme dann eigentlich in irgendeiner Form durch andere Techniken gedoppelt?
Gibt es Back-Up-Optionen, wenn das GPS-System komplett ausfällt?
Wie steht es dann um die Kategorisierung für Schlechtwetter-Lanungen?

Hintergrund meiner Frage:
Ich habe gerade auf n-tv gesehen, dass es wohl in den nächsten Tagen zu massiven Sonneneruptionen kommen wird, mit dem Verweis auf einhergehende Störungen in den Strom-, Kommunikations-, Satelliten- und GPS-Netzen.

Wie wirkt sich dies operativ auf die kommerzielle Luftfahrt aus?
 

MLang2

Moderator / Newbie-Guide
08.03.2009
8.229
5
MUC
Bin weder das eine noch das andere, aber trotzdem ein Erklärungsversuch:

GPS ist ja bereits heute mehr als üblich in der Luftfahrt. Die meisten Wegpunkte werden heute über GPS-Koordinaten definiert. Fliegst Du München an und der Lotse sagt Dir "direct DM424", dann ist der Wegpunkt DM424 einfach ein (willkürlich) eingezeichneter Wegpunkt, der per Koordinaten bestimmt ist.

Es gibt auch schon länger GPS-Anflugverfahren, allerdings sind das "non-precision approaches". Üblich sind ILS-Anflüge, die eben zu den "precision approaches" gehören. Dort, wo es darauf ankommt, wirklich auf den sprichwörtlichen Meter genau zu navigieren, also rund um Flughäfen, sind wichtige Dinge wie missed-approach-Prozeduren (meines Wissens immer, aber da kann ich jetzt falsch liegen) über VORs, NDBs und ähnliches definiert.

Die WEiterentwicklung der GPS-Technologie erlaubt aber wohl in letzter Zeit die Einrichtung von Instrumentenanflugverfahren auch mit HIlfe von GPS-Koordinaten. Genutzt aber wird die GPS-Technologie ganz selbstverständlich bei jedem Flug.
 

oachkatzel

Neues Mitglied
01.05.2010
9
0
Ein paar kleine Infos hierzu unter:

https://secure.wikimedia.org/wikipedia/en/wiki/Instrument_approach

Wenn ich mich recht erinnere dann gibt es seit kurzer Zeit in den USA auch einen GPS Precision Approach (oder zumindest Versuche dazu). Allerdings setzt das meines Wissens nach einen Lokalen GPS Referenz-Sender voraus, der die am Ort herrschenden "Fehler" (Ionosphärenverzerrung,...) ermittelt und an das Flugzeug weiter sendet - basierend auf einem GBAS (Ground Basesd Augumentation System).

En-Route Navigation mittels GPS sollte auch unter den genannten Problemen keine Schwierigkeit darstellen. Moderne Navigationssysteme sind in der Lage potentielle Fehler (durch die Signalausbreitung bedingt) zu erkennen und zu "beheben" in dem auf andere Satelliten zurückgegriffen wird (meistens empfängt ein GPS System mehr als die notwendigen 4 Satelliten (die genaue Anzahl ist abhängig von der Anzahl der sichtbaren Satelliten und der Anzahl der im System implementierten Empfangskanäle).

Anzahl der sichtbaren Satelliten:
http://www.navcomtech.com/Support/Tools/satellitepredictor/main.cfm

Aktueller GPS (NAVSTAR) Status
ftp://tycho.usno.navy.mil/pub/gps/gpstd.txt

Die "wichtigste" Information für das Flugzeug in dieser Phase (En-Route) ist die Höhe und die kommt nicht vom GPS sondern wird aus dem Umgebung- (Luft-) druck ermittelt.

Cheers
...
 
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VIEDüse

Erfahrenes Mitglied
13.12.2010
1.159
0
46
Transdanubien/VIE
fyi: Forum Landeverfahren
Ein GPS/RNAV Approach wird zur Zeit noch geflogen wie ein normaler Non-Precision Approach (NDB/DME). Grund liegt wohl darin, daß das GPS-Signal, wegen Unebenheiten der Erde, für die vertikale Navigation zu ungenau ist. Mit Galileo soll allerdings alles besser werden.

http://www.fig.net/pub/cairo/papers/ts_08/ts08_04_mostafa.pdf
geht direkt auf Deine Fragen ein (siehe table 3)

nochmals Wiki, das erkärt schön verschiedene derzeit genutzten Verfahren: Anflugverfahren – Wikipedia; http://de.wikipedia.org/wiki/RNAV

und: Auf vielen transozeanischen Flugrouten muss das INS eine bestimmte Positionsgenauigkeit gewährleisten (engl. performance factor). Deshalb wird im Flug auch die Größe des möglichen Positionsfehlers überwacht. Je länger der Flug dauert, umso größer wird der Fehler, der sich im System aufaddiert. In Landnähe kann dann die Flugzeugposition mit Zusatzinformationen von Radionavigationsanlagen (VOR, VOR/DME) aktualisiert werden, außerhalb der Reichweite von VOR's kann die Position über GPS korrigiert und aktualisiert werden. Das primäre System zur Positionsbestimmung bleibt aber das INS, da es als unabhängiges Bordsystem am sichersten ist und nur vom eigenen System abhängt (Software, Stromversorgung). Das INS kann zwar immer ungenauer werden, aber es kann nicht von außen abgeschaltet werden, während VOR oder GPS durch deren Betreiber abgeschaltet werden können.
siehe: Autopilot – Wikipedia

Artikel zu bisherigen GPS Landungen:
link1
link2
 
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SmilingBoy

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
831
1
CGN
Bis ILS abgeschafft wird und nur noch GPS verwendet wird, wird noch eine lange Zeit vergehen. Selbst mit Galileo, GLONASS und COMPASS wird die Genauigkeit nicht ausreichen; hinzu kommt, dass innerhalb kürzester Zeit festgestellt werden muss, dass GPS nicht perfekt funktioniert. Dies ist momentan nicht gegeben.

Interessanter Artikel dazu, wie es in Zukunft funktionieren könnte/wird: Local Area Augmentation System - Wikipedia, the free encyclopedia
 

mic13

Erfahrenes Mitglied
31.05.2010
838
24
Bin gerade hier über diesen Thread gestolpert und hol ihn mal mit ein paar aktuellen Infos dazu wieder hoch:

Das Local Area Augmentation System hieß is USA mal so, heißt aber jetzt mittlerweile relativ weltweit einheitlich GBAS für Ground Based Augementation System (in USA brauchts an manchen Stellen noch ein bisschen bis das LAAS endgültig verdrängt wird). Im Februar 2012 wurde in Bremen die weltweit erste GBAS Anlage vollständig zertifiziert und in Betrieb genommen. Air Berlin und Tuifly haben entsprechende Flieger, die mit GLS ausgerüstet sind und BRE anfliegen. Bei LH haben GLS nur die 747-8 (und ich glaube die A380, bin mir aber nicht sicher) und die fliegen offensichtlich ja nicht nach BRE. Die Anlage ist zertifiziert für CAT-I Anflüge, was dem sog. GBAS Approach Service Type C entspricht. Die nächsten 3 GBAS Stationen wurden in Newark, Houston und Moses Lake (Boeing Testanlage) für den Betrieb freigegeben. In Europa wird voraussichtlich Malaga demnächst in den operationellen Betrieb gehen. Weiterhin sind in Deutschland Stationen für Frankfurt und München in Planung, ZRH baut die Anlage gerade auf, weitere Testsysteme stehen in Toulouse, Palermo, Sydney, Osaka, Sendai und Rio. Santiago de Chile will sich auch eine kaufen für die 787 von LAN. Russland hat außerdem GPS/Glonass Stationen und betreibt davon bereits über 40 Stück (eine davon in der Antarktis), hauptsächlich von privaten Firmen betrieben. Alle Anlagen sind aber bislang ausschließlich für CAT-I Betrieb zugelassen bzw. dafür geplant oder im Test. Für CAT-II/III Anflüge (GAST D) wurden die Standards bereits definiert und werden derzeit international validiert. Teststationen Bis die ersten Stationen mit den entsprechenden zusätzlichen Fähigkeiten kommen ist wohl noch eine Frage von wenigen Jahren. Die Unterschiede beziehen sich im Wesentlichen auf die Detektion von potentiellen Störeinflüssen der Ionosphäre.
Das Thema ist duchaus heiß und das System hält wohl stetig auch Einzug in die Operations. Die 787 und die 747-8 sind alle standardmäßig ausgerüstet, für neue 737 gibts eine no-cost Option und ein Retrofit-Package. Airbus bietet GLS für A380 und A320-Familie und ab Markteinführung auch auf A350 als Option, für die A330/340 soll demnächst eine Retrofit-Option kommen.

Zur Eingangsfrage: Für GBAS sind solche Sonneneruptionen relativ ungefährlich, da diese Störungen durch die differenziellen Korrekturen aus der Referenzstation am Flughafen weitestgehend korrigiert werden. Um den differenziellen Fehler der durch sehr starke Gradienten in der Ionosphäre und den Abstand zwischen dem Flugzeug und der Bodenstation entstehen könnte zu begrenzen gibt es eine Reihe von Monitoren, die die Navigationsperformance beobachten und ggf. Alarm geben. Außerdem ist der Abstand für GAST D Stationen auf maximal 5km bis zur Landebahnschwelle limitiert. Ein viel häufigeres Problem wurde in Newark beobachtet. Dort wurden die Referenzantennen zwischen der Landebahn und dem großen Highway daneben aufgebaut (man sieht auf google maps 4 Kreise im Gras, das sind die Antennen). Wenn Autos (meistens LKW) mit einem GPS-Jammer daran vorbeigefahren sind hat sich die Station jedes Mal abgeschaltet. Das passierte mehrere Male pro Tag. Deshalb wurden einige Maßnahmen ergriffen um einerseits die Antennen besser abzuschirmen, andererseits aber um das ganze System wesentlich robuster gegen solche Störer zu gestalten. Nachdem dann ein ununterbrochener Betrieb sichergestellt werden konnte wurde die Station freigegeben und wird seitdem im Liniendienst von United (ursprünglich wurde die GBAS Aktivität von Continental betrieben) angeflogen.
Verfahrensmäßig wird auf allen Stationen bislang lediglich ILS-lookalike geflogen. Ziel insbesondere in FRA und ZRH ist aber natürlich die Möglichkeiten bezüglich der flexiblen Definition von Anflugwegen auszunutzen um insbesondere die Lärmproblematik zu entschärfen. Eine GBAS-Station kann aber bis zu 49 verschiedene Anflugtrajektorien ausstrahlen um eine ganze Reihe verschiedener Anflüge zu ermöglichen. Hier gibt es allerdings von Avionik-Seite noch Handlungsbedarf, da das die Flieger bislang noch nicht unterstützen.
Alle Piloten, die GLS nutzen sind davon hellauf begeistert, da keine Störungen mehr durch vorausfliegenden Flieger auftreten und eine extrem stabile und genaue Führung der Flieger ermöglicht wird. Im Cockpit sieht man fast keinen Unterschied, außer dass man anstatt der ILS-Frequenz einen GBAS Kanal eindrehen muss. Die Darstellung auf den Instrumenten ist dabei genau gleich wie bei ILS.

Nochmal zur Eingangsfrage: Natürlich stellt sich insgesamt die Frage was passiert wenn GPS aus welchen Gründen auch immer nicht verfügbar ist. Hierfür gibts bei uns noch keine definierte Strategie, USA wird wohl ein Netzwerk von DMEs aufrecht erhalten und diese modernisieren und verbessern um Multilateration per DME zu ermöglichen. Dies ist aber sicherlich alles noch keine Frage die sich in naher Zukunft stellen wird. Ebenso wird noch für sehr lange Zeit ein ILS an den Flughäfen weiter betrieben werden. Bis selbst nach erfolgreicher Zertifizierung ein ausreichender Ausrüstungsstand der Flotten erreicht wird um ILS-Anlagen abzuschalten dauert sicherlich noch sehr lange.

Hoffe es waren ein paar interessante Infos für euch dabei.

Viele Grüße
mic13