Gedichte

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Pax vobiscum

Erfahrenes Mitglied
21.12.2009
4.124
214
kurz vor BER, ♂
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Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.

Johann Wolfgang von Goethe




bitte keine Trollangriffe !
 
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Pax vobiscum

Erfahrenes Mitglied
21.12.2009
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kurz vor BER, ♂
in der Matrix gefangen....

fiel mir wieder folgende Zeile ein : "Verwunden mein Herz mit eintöniger Mattigkeit"

aus : Herbstlied von Paul Verlaine

Herbstlied

Die langen Seufzer
der Violinen
des Herbstes
versehren mein Herz
mit ihrer monotonen
Schläfrigkeit.

Ganz atemlos
und fahl, beim
Stundenschlag,
kommen mir
alte Zeiten in den Sinn
und ich weine ...

Und ich mache mich auf den Weg
im stürmischen Wind,
der mich
hin und her treibt
wie ein
totes Blatt.

Übersetzung aus dem Französischen:
© Bertram Kottmann
Originaltitel: Les sanglots longs
HERBSTLIED (VERLAINE)


Historischer Hintergrund :

Die französische Résistance wurde durch die BBC London und die Worte "Verwunden mein Herz mit eintöniger Mattigkeit" ("blessent mon coeur d'une longueur monotone" ) und weiteren Versen aus dem Gedicht "Herbstlied" von Paul Verlaine auf die Operation Overlord vorbereitet.

LINK : Der längste Tag

Falls sich jemand wundert, die oben stehende Übersetzung bringt ein leicht verändertes Zitat.

Deshalb nochmal :

Mit den Strophen (übertragen von Stefan George, als Verstehenshilfe wörtlich übersetzt von Gert Pinkernell):

Les sanglots longs - Seufzer gleiten - Die langen Schluchzer
des violons - Die saiten - der Geigen
de l'automne - Des herbsts entlang - des Herbstes
Blessent mon coeur - Treffen mein herz - verwunden mein Herz
d'une langueur - Mit einem schmerz - mit einer monotonen Wehmut.
monotone - Dumpf und bang

— insbesondere der als Signal geltenden 2. Strophe —

Tout suffocant - Beim glockenschlag - Ganz erstickend
Et blême, quand - Denk ich zag - und bleich, wenn
Sonne l‘heure, - Und voll peinen - die Stunde schlägt,
Je me souviens - An die zeit - erinnere ich mich
Des jours anciens - Die nun schon weit - der einstigen Tage,
Et je pleure; - Und muss weinen. - und ich weine.

3. Strophe

Et je m'en vais - Im bösen winde - Und ich gehe fort
Au vent mauvais - Geh ich und finde - mit dem bösen Wind,
Qui m'emporte - Keine statt... - der mich davonträgt,
Deçà, delà, - Treibe fort - hierhin, dorthin,
Pareil à la - Bald da bald dort – ähnlich dem
Feuille morte. - Ein welkes blatt. - welken Blatt.

des Gedichts Chanson d'automne (1866) wurde die französische Résistance im Zweiten Weltkrieg auf dem Sender Radio Londres der BBC am Abend des 5. Juni über den Termin der innerhalb 48 Stunden bevorstehenden Landung in Frankreich (6. Juni 1944, Operation Overlord) informiert.

Paul Verlaine – Wikipedia
 
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Pax vobiscum

Erfahrenes Mitglied
21.12.2009
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kurz vor BER, ♂
„Poesie ist die große Kunst der Konstruktion der transzendentalen Gesundheit. Der Poet ist also der transzendentale Arzt.“

Novalis


An Friedrich II.

Noch spät zogst du dein Schwert zum Schützen
Der deutschen Freiheit gegen Habsburgs Dräun
Noch einmal ließest du es furchtbar blitzen
Doch stecktest du es bald als Sieger ein.

Du kröntest durch ein würdig Ende
Den Fürstenbund den tatenreichen Lauf,
Du einigtest so vieler Fürsten Hände
Und halfst so deutscher Freiheit völlig auf.

Und bald beseligt von der Freude
Dein ganzes Land durch dich beglückt zu sehn
Geliebt, geehrt und unbenagt vom Neide
Starbst du, man sah dich froh zum Ewgen gehn.

Und aller Edlen Augen blickten
Betränt dir nach voll Kummer und der Dank
Den alle dir so innig heiß nachschickten
War dir gewiß der beste Lobgesang.

Vielleicht als unser Engel schützest
Du nun dein weinendes verwaistes Land
Und greifet es ein stolzer Feind an blitzest
Du gegen ihn mit starker Seraphs-Hand.

Drum großer Friedrich o verzeihe
Sang ich ein Lied das dein [un]würdig ist
Und soll ich es mit Würde, o so leihe
Mir deinen Geist den keine Grenze schließt.


( aus gegebenem Anlass )
 

Pax vobiscum

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21.12.2009
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Iwan Turgenjew Иван Сергеевич Тургенев

Morgen! Morgen!
Wie leer und schal und nichtig ist doch fast jeder durchlebte Tag!
Wie wenige Spuren lässt er zurück!
Wie sinnlos und dumm Stunde um Stunde vergeht, eine nach der anderen!

Trotzdem möchte der Mensch existieren,
er liebt das Leben, er setzt seine Hoffnungen darauf,
er baut auf sich, auf die Zukunft!
Oh, welches Glück erwartet er von der Zukunft!

Doch warum stellt er sich vor,
künftige Tage würden sich von dem eben verflossenen unterscheiden?
Aber darüber denkt er ja gar nicht nach.
Er grübelt überhaupt nicht gerne, und das ist gut so.

»Nun, morgen, morgen!« tröstet er sich,
solange ihn dieses »morgen« nicht ins Grab bringt.

Und bist du erst im Grab, hörst du ohnehin auf zu grübeln.