Minus 36 Grad in Astana und die Schönheit Usbekistans

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itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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197travelstamps.com
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Vorausgeschickt: Ursprünglich hatte ich geplant, diesen Report als Live-Bericht zu verfassen, bis ich bereits an einem recht frühen Stadium des Trips bemerkt hatte, dass ich das Ladekabel für den Laptop vergessen hatte. Daher jetzt der Report in Vergangenheitsform und mit etwas weniger Text, da mich mittlerweile das stressige Leben wieder eingefangen hat.

Also, los geht’s: Da im September ein anderer Trip kurzfristig ins Wasser gefallen war und dadurch unerwartet Urlaubstage frei wurden, konnte ich letzte Woche ein Projekt erfüllen, das ich schon länger verfolgte: Auf in die Stans – und zwar Kasachstan und Usbekistan.
Flugtechnisch sah der Trip folgendermaßen aus: von Frankfurt über Astana sollte es mit eintägigen Stop weiter nach Almaty mit Air Astana gehen. Nach einem weiteren Tag Aufenthalt würde mich Uzbekistan Airways in die usbekische Provinz an die Seidenstraße und dann auch wieder zurück nach Almaty bringen. Der Rückflug von Almaty dann in der LH C wiederum über Astana (der glücklicherweise nicht weggestreikt wurde).

Hier die Route:



Ein paar Worte zum Organisatorischen vorab: Kasachstan ist seit einiger Zeit visumfrei und dadurch ein idealer Einstiegs- und Transitpunkt in der Region. Usbekistan erfordert ein Visum, das ich relativ problemlos am Frankfurter Konsulat besorgen konnte (pro forma Wartezeit 10 Tage, das Visum wurde bei Abholung innerhalb von 5 Minuten vor meinen Augen erstellt und in den Pass geklebt).
Als ich ein paar Tage vor Abflug routinemäßig mal nach dem Wetter an den Zielorten geschaut hatte, fiel mir erstmal die Kinnlade auf den Schreibtisch – für Astana waren kuschlig warme -32 Grad vorausgesagt. In Usbekistan sollte es etwas gemütlicher werden. Naja, dann erst mal bei Amazon Thermoausrüstung bestellt und los ging’s.

Nach einem kurzen Nachtflug von FRA nach Astana landete ich also um 5 Uhr morgen bei minus 30 Grad in Astana – da die Sonne erst um 9 aufgeht, sollte die Temperatur in den nächsten Stunden noch bis auf minus 36 fallen.


Schöne Begrüßung in Kasachstan bei -30 Grad

Aufgrund der Temperatur hielt sich das Sightseeing dann auch in Grenzen und ich bin dann ein bisschen von Mall zu Mall getingelt, bis es am Nachmittag dann weiter nach Almaty gehen sollte.



Da es auch recht stark windete ließ es sich maximal 5 Minuten im Freien aushalten bevor die Kleidung bereits begann einzufrieren. Recht lustige Erfahrung, aber auch schön, schnell wieder weg zu kommen.

In Almaty lag die Temperatur bei annehmbaren -14 Grad. Damit kann man leben. Da ich mich für faire 25.000 Punkte ins InterContinental eiquartiert hatte, konnte ich damit eigentlich sogar sehr gut leben – indem ich aus dem wohl gewärmten Spa raus auf in den Schnee blicken konnte.

Trotz des ganzen Geblubbers im Wellnessbereich konnte ich es mir doch nicht nehmen lassen, einen Ausflug in die Stadt zu machen. Almaty selbst macht einen recht netten Eindruck, etwas heimeliger als der größenwahnsinnige Bauwahn in Astana – aber sehr Sowjet-geprägt... Englisch spricht hier niemand, aber mit Händen und Füßen und ein paar Worten russisch kommt man schon durch.

 
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itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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Nach einem erholsamen Tag in Almaty ging es dann abends mit Uzbekistan Airways nach Taschkent, wo ich nach einer der chaotischsten Immigrations, die ich je erlebt habe, eine kurze Nacht in Flughafennähe verbringen konnte. Am nächsten Morgen stand der Weiterflug nach Samarkand an. Die zweitgrößte Stadt Usbekistans und wurde im 14. Jahrhundert vom Herrscher der zentralasiatischen Region zur Hauptstadt erkoren. Zu dieser Zeit entstanden viele der historischen Moscheen, Madrasas (Schulen) und anderer Bauwerke, die man zur heutigen Zeit noch bestaunen kann:


Registan in Samarkand







In Samarkand habe ich zwei Tage verbracht. Man könnte die Sehenswürdigkeiten zwar auch an einem Tag abklappern, aber es gibt auch sehr viele gute Restaurants und Bars in der Stadt, die man auch nicht verpassen sollte.

Besonders viel Spaß macht in Usbekistan auch das Wechseln von Geld. Da die Regierung an einem starren Wechselkurs gegenüber dem USD festhält, hat sich über die Jahre ein Schwarzmarkt entwickelt, der bereit ist, mehr als das doppelte für einen USD hinzublättern, als die Regierung. Dadurch erhält man für einen USD 6.900 usbekische Som anstatt 3.200. Wer also nach Usbekistan reist, sollte vorher all sein Geld in sauberen (!) USD Scheinen bereits mit ins Land bringen – Euros sind nicht so begehrt. Vor Ort Abheben resultiert im schlechten Wechselkurs.


20 USD nach dem Wechseln – die größte Banknote beträgt 5.000 Som (ca. 70 Cent), in der Regel wird aber nur mit 1.000er Scheinen hantiert


Abendessen inkl. Bier für unter 2€ - sehr fettiges, aber sehr leckeres Essen (ideal bei der Kälte)

Nach zwei Tagen Aufenthalt sollte es also weiter nach Bukhara gehen, einem weiteren strategisch wichtigen Stop der ehemaligen Seidenstraße. Mittlerweile muss man auch nicht mehr wochenlang mit keuchenden, überforderten Kamelen durch die Wüste ziehen sondern kann die über 200 Kilometer in etwas mehr als einer Stunde im neuen Schnellzug zurücklegen.



Die Fahrt mit dem Zug ist eine wahnsinnig faszinierende Erfahrung. Da der Zug auf der Strecke, die durch sehr ländliche Gebiete führt, erst seit kurzem verkehrt, bleibt bei der Durchfahrt das Leben für ein paar Sekunden stehen. Jeder streckt seinen Hals und bewundert den modernen Blitz, der grad durch den Hinterhof und über die Baumwollfelder brettert.
 

itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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Bukhara war einst eine der einflussreichsten Städte entlang der Seidenstraße – und ist auch eine der eindrucksvollsten Städte, die ich je gesehen habe. Ich lasse hier am besten einfach die Bilder sprechen:










Nach nur einem Tag Aufenthalt in Bukhara ging es bereits weiter gen Norden. Das Ziel sollte Khiva sein – mein letzter Stop entlang der Seidenstraße, bevor es mit Uzbekistan Airways zurück nach Taschkent gehen sollte. Da es in den Norden leider noch keinen Schnellzug gab, verbrachte ich den Folgetag nahezu komplett in einem alten zerschlagenen Taxi, um die 400 km Strecke in etwas mehr als 8 Stunden hinter mich zu bringen (dies lag auch an mehreren Umstiegen und Wartezeiten – Geiz ist Geil).

Khiva ist auch eine Stadt an der Seidenstraße, deren Altstadt innerhalb der Stadtmauern noch komplett im „altmodischen“ Stil gehalten ist. Hat mich ein bisschen an Jerusalem erinnert, auch wenn die Architektur schon sehr abweicht. Die Altstadt ist in sehr guten Zustand, da sowohl die Sowjets, als auch die usbekische Regierung in den letzten Jahren sehr viel investiert haben, um alles perfekt in Schuss zu halten.







Touristen gab wegen der Jahreszeit es außer mir fest keine (habe zwei Japaner gesehen), dadurch hatte man das Gefühl, man würde diese Stadt aus 1001-Nacht gerade für sich entdecken. Andererseits hat mich die Vielzahl an Souvenirläden überrascht, die wohl offensichtlich den ganzen Winter keinen Umsatz machen werden, aber trotzdem jeden Morgen mühselig ihre Stände aufbauen und den ganzen Tag voller Geduld in der Kälte sitzen.





Nachteil der Off-Season in Khiva war, dass kaum welche der unzähligen Restaurants geöffnet waren, da hier fast alles nur auf Tourismus ausgelegt ist. Während Samarkand und Bukhara große Städte mit einer breiten Auswahl an Nahrungsmöglichkeiten waren, blieben in Khiva nur Samsas vom lokalen Markt (mit Rindfleisch gefüllte Teigtaschen, die im Ofen gebackten werden).

Nach knapp drei Tagen in Khiva ging es vom Flughafen Urgench in der Nähe von Khiva wieder pünktlich mit Uzbekistan Airways zurück nach Taschkent. Hier hätte ich eigentlich mit einer Ilyushin Il-114 fliegen sollen, diese wurde dann allerdings gegen eine A320 getauscht.
Den letzten Tag des Trips verbrachte ich in Taschkent, dazu gibt es nicht sonderlich viel zu sagen. Die Stadt wurde in den 60ern von einem Erdbeben fast komplett zerstört und wurde dann dem sowjetischen Traum folgend wieder aufgebaut. Hier noch ein buntes Bild vom Markt:



Das war’s! Die Rückflüge waren recht ereignislos, wurden nicht bestreikt und es gab Lachs. Natürlich habe ich mit meinem Sitznachbarn in der A330er C ein bisschen gefüßelt, um besser einschlafen zu können :D

Fazit: Usbekistan ist eines der beeindrucktesten Länder, das ich je besuchen durfte – kann man nur weiterempfehlen, vielleicht nicht im Winter das nächste mal. Obwohl ich meine Reisezeit auch nicht bereue, ich hatte meist recht gutes Wetter und durch den nicht vorhandenen Tourismus zur aktuellen Jahreszeit kann man die Sehenswürdigkeiten viel entspannter genießen. Da die Hotelzimmer meist nicht sonderlich gut isoliert waren, bin ich aber doch froh, wieder in meiner warmen Wohnung zuhause zu sitzen, ohne einen eiskalten Luftzug zu spüren.

Im Januar geht’s dann nach Kirgisistan zum Skifahren – da kann ich die neu erworbene Kälteausrüstung wieder auspacken.

Vielen Dank fürs Lesen (y)
 

ACX209

Erfahrenes Mitglied
08.09.2016
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EDXB/HEI
Vielen Dank für den Bericht, hab mich sofort an meinen Aufenthalt dort erinnert! War beruflich in Termez monatelang und hab auch Ausflüge nach Samarkand und Bukhara sowie Tashkent gemacht fand das Land kulturell echt spannend!

P.S ein kleiner Tipp zur Beschleunigung der Immigration $$$ [emoji6]
 

Zigby

Reguläres Mitglied
22.10.2016
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FRA
www.jaontour.com
Hallo. Interessanter Tripreport und gelungene Fotos. Minus 30 Grad (und mehr) klingen nicht nur heftig, sie sind es sicherlich auch. Ist da ein normales agieren überhaupt möglich? Vorab schonmal viel Spass im Januar in Kirgisistan.
Gruss Jürgen.
 
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kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
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Unter TABUM und in BNJ
Mitte der 90er das Glück gehabt als IT-Halbwissender umd Dolmetscher mit einem Freund meines Dads nach Turkmenistan fliegen zu dürfen, einmalig!

Von daher kann ich Deinen Tripreport nicht nur "nachfühlen" sondern umso mehr begeistert Beifall klatschen!

;)
 

itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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197travelstamps.com
P.S ein kleiner Tipp zur Beschleunigung der Immigration $$$ [emoji6]

Das Problem bei mir war eher, dass zwei A320 gleichzeitig gelandet sind und die Größe der Immigration-Halle in Taschkent gerade groß genug war, um alle Leute aufzunehmen. Es gab darin aber keinerlei Absperrungen und zwei Schalter für Non-Uzbekis - man musste sich also erst mal mühselig in die Richtung dieser beiden Schalter vorkämpfen, um irgendwann eine Person ausfindig zu machen, die schwach genug scheint, dass man sich vor diese drängeln kann, ohne direkt schon vor der Immigration von einem sowjetischen Kasten aufgemischt zu werden =;
 

itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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Hallo. Interessanter Tripreport und gelungene Fotos. Minus 30 Grad (und mehr) klingen nicht nur heftig, sie sind es sicherlich auch. Ist da ein normales agieren überhaupt möglich?

Ich war maximal 5 Minuten im Freien - habe es aber auch nicht an die Grenze getrieben. Man bemerkt, dass einem die Härchen in der Nase sowie teilweise die Kleidung einfrieren - durch dem Mund atmen ist schwierig. Ich bin mir auch nicht sicher ob man dadurch nicht irgendwelche Schäden nehmen könnte, wenn man ganz tief und genüsslich einatmet :sick:

In Astana, sowie auch in Almaty, dient jedes normale Auto zusätzlich als Taxi. Einheimische halten am Straßenrand einfach vorbeifahrende Autos an und falls diese in die gewünschte Richtung fahren, wird einfach eingestiegen und die Fahrtkosten geteilt.

Für einen Touristen fährt immer jeder in die "gewünschte Richtung", daher muss man nicht fürchten, am Straßenrand zu erfrieren, während man auf ein Taxi wartet. Fahrten innerhalb von Astana kosten max. 2 €
 
A

Anonym-36803

Guest
Danke für den schönen Bericht. Mir sind ja die -4 Grad, die wir derzeit hier haben, schon viel zu kalt und ich warte sehnsüchtig auf den Frühling.
 
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DonChristo

Reguläres Mitglied
20.09.2013
38
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super, hat mir gut gefallen - kurz, knapp und mit interessanten Bilder (kein Kartoffelsalat und keine Lounge-Sessel)
 

maxn

Erfahrenes Mitglied
27.05.2011
1.363
71
muc
Danke auch von mir! Minus 30 hatte ich schon, aber mehr ... Anyway, freu mich schon auf deinen nächsten Bericht!
 

AndreasCH

Erfahrenes Mitglied
06.02.2012
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Sehr schön, freue mich auch auf den Bericht vom Skifahren.
Vor allem da ein Freund von mir aus LT mit mir mal zum Skifahren in die Region will.
 
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postville

Aktives Mitglied
02.10.2012
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TBS
Danke für den kurzen, aber interessanten Bericht. Das inspiriert mich wieder nach Zentralasien und vor allem Usbekistan (mein Favorit unter all denen, jetzt abgesehen von den richtig hohen Bergen!) zu reisen.

Angehängt auch noch so ein Bündel Noten, welche ich in meinem Geldbeutel (=Rucksack :)) mitschleppte, und die IL-114 mit der wir auf der Strecke Taschkent-Urgench etwas mehr Glück hatten (obwohl auch Schmiergeld nötig war: Usbekistan Airlines wollte uns nicht fliegen lassen, da beim über OTA gebuchten Flug kein Geburtsdatum angegeben war... 5 Minuten vor Abflug wurden wir dann grad noch rein gelassen...)

P1190326.jpg ++(Irgendwie klappt das mit dem Hochladen der IL-114 nicht :/)
 
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ACX209

Erfahrenes Mitglied
08.09.2016
1.124
0
EDXB/HEI
Wie macht man das konkret? Ein paar Dollar (wieviele?) in den Pass legen?

Ja in den Pass legen aber nicht so auffällig, denn bei manchen von den Jungen kann das nach hinten losgehen (man sollte da schon ein wenig russisch können [emoji6])

Aber ich musste in taschkent nicht durch die Einreise weil ich über Termez mit einem multiple Visa eingereist bin!
 

DonBasti

Erfahrenes Mitglied
18.07.2016
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42
MUC
Sehr interessantes Reiseziel. Vielen Dank für diese Eindrücke.
Zu irgend einem Zeitpunkt Sicherheitsbedenken?
 

itchyfeet

Erfahrenes Mitglied
05.07.2012
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197travelstamps.com
Zu irgend einem Zeitpunkt Sicherheitsbedenken?

Nein, gar keine. Vor allem die Orte in Usbekistan sind sehr ländlich - jeder kennt jeden. Die Wahrscheinlichkeit, hier überfallen zu werden oder Ähnliches ist gefühlt um einiges geringer als in westlicheren Ländern.
Sowohl Usbekistan als auch Kasachstan sind mehrheitlich muslimisch, aber auch durch die Sowjet-Zeit gehen die meisten relativ locker mit der Religion um. Die Gefahr von Anschlägen ist wahrscheinlich am Land nicht existent und in Städten wohl wie bei uns. Die Kontrollen sind allerdings wie in den meisten Ländern außerhalb Europas ziemlich streng. In Taschkent wird beim Eingang zur U-Bahn Gepäck kontrolliert, Metalldetektoren bei Hoteleingängen etc.
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
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Unter TABUM und in BNJ
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