Ein Flugreport der anderen Art : Mit ner Scheibe aufm Rücken....

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fleckenmann

Erfahrenes Mitglied
01.05.2015
752
868
Rhein Main
Www.worldofaviation.org
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Hallo liebes Forum,

nachdem mein letzter Tripreport http://www.vielfliegertreff.de/reiseberichte/105553-retro-tripreport-flugzeugtraeger.html ja solche Wellen geschlagen hat, habe ich ja versprochen, nochmal etwas außergewöhnliches nachzuliefern.
Vielleicht hat der Eine oder Andere von Euch anhand der Überschrift schon erraten, worum es hier geht......für alle anderen, das Zauberwort lautet AWACS.
Diese Abkürzung steht für Airborne Warning and Control System, quasi eine fliegende Einsatzleitzentrale, die mit ihrem Radar auch Ziele erfassen kann, die ansonsten durch topographische Begebenheiten von Bodenstationen nicht erfasst werden. https://de.wikipedia.org/wiki/Airborne_Warning_and_Control_System

Die Nato hat Ihre AWACS Flieger in Geilenkirchen stationiert, dabei handelt es sich ursprünglich um Boeing 707, welche zu Boeing E-3 Sentry ausgestattet wurden. Die NATO Flieger sind in Luxemburg registriert und werden von multinationalen Crews betrieben. Weitere Betreiber im Auftrag der Nato sind die Royal Airforce, die Franzosen und die Amerikaner.

Vor ein paar Jahren bot sich mir dann zusammen mit dem bereits vom Flugzeugträger bekannten Kumpel die Möglichkeit, eine 10 Stunden Mission aus Geilenkirchen zu begleiten.

Frühmorgens findet das Crew Briefing mit uns auf der Airbase statt. Nach dem Start sollen wir erst einmal planmäßig zum Gretchen Anchor im Süden der Republik fliegen, wo wir unser benötigtes Kerosin von einer amerikanischen KC-135 per Luftbetankung entgegennehmen werden. Danach geht es zum Üben nach Ungarn, dort wird über mehrere Stunden Luftkampf mit dort stationierten Fliegern geübt, bevor wir am frühen Abend wieder in GKE landen sollen. Die KC-135 sind immer für 2 Wochen in GKE stationiert, bevor sie gegen Exemplare einer anderen Air National Guard Staffel ausgetauscht werden.


Die Flieger sind standesgemäß immer mit dem Callsign ESSOxx unterwegs, damit man genau weiß, wofür sie da sind. Unsere damaligen Betanker kamen vom 108th Wing der New Jersey ANG, stationiert auf der Joint Base McGuire/Dix/Lakehurst.

Hier mal unser geplantes Routing :


Die E-3TF hat leider so gut wie keine Fenster, daher waren gute Bilder nur aus dem Cockpit möglich. In diesem befanden sich neben unserem italienischen Chefpiloten noch ein neuer E-3 Pilot der kanadischen Luftwaffe, der auf diesem Flug das erste Mal Air-to-Air Betankung üben sollte.
Dann ging es los, auf der RWY27 setzte sich die E-3 mit uns an Bord lauthals in Bewegung und nach einer Linkskurve nahmen wir langsam Kurs Richtung "Gretchen". Die Flugzeit bis dorthin betrug knapp 30 Minuten, das Wetter spielte auch mit


Kurze Zeit später war dann unser Tanker über uns in Sicht und das Rendezvous konnte beginnen. Alles wird hier per Hand geflogen und es macht einen enorm schwierigen Eindruck. Langsam kommt die KC-135 in Greifweite, ab hier wird es dann wirklich knifflig. Der Kanadier rüttelt in einer Tour am Steuerhorn und den Schubhebeln, während er permanent nach vorne auf den "Boom" schauen muss und per Funk mit dem Boom Operator kommuniziert. Da das Ganze ja ein ovales Pattern ist, müssen während der Betankung natürlich auch die Kurven exakt mitgeflogen werden. Nsach 15 Minuten gibt der kanadische Pilot erschöpft und schweißgebadet auf und der italienische Chefpilot übernimmt. Keine 2 Minuten später gibt es über uns einen kleinen dumpfen Knall, das untrügliche Zeichen, das der Betankungsrüssel jetzt eingerastet ist. Laut Aussage der Crew benötigt man für die Manöver eines so großen Receivers deutlich mehr Übung, als das bei den kleinen wendigen Kanpfjets der Fall ist. Der Ausblick für uns ist jedenfalls absolut atemberaubend !















Nach weiteren gut 20 Minuten ist die Betankung vorbei und wir haben genug Kerosin aufgenommen, um mehrere Stunden über Ungarn halten zu können. Die Crew bereitet sich auf die weitere Strecke vor und ich versuche mal ein Foto durch eines der beiden Fenster





Nach einer guten Stunde sind wir über unserem ersten Zielgebiet angekommen. Jetzt beginnt die Crew langsam das Radar hochzufahren, auch die ganzen Gerätschaften im Flieger selber brauchen eine geraume Zeit zum hochfahren. Von dort aus kontrollieren dann die Offiziere die jeweiligen Luftkämpfe, dabei ist jeweils einer dafür zuständig, den Fightern genaue Kursanweisungen für den Intercept zu geben. Auch das ist teilweise sehr nervenaufreibend, die Ausbilder sind permanent dabei, ihre Schützlinge zu korrigieren und zu unterstützen. Hauptkommandeur hier ist in diesem Fall ein sehr netter Däne, der uns bereitwillig Auskunft gibt. Hierbei sei erwähnt, dass ständige im Kreis fliegen hat uns mittlerweile ordentlich auf den Magen geschlagen. Da man uns wohl ansieht, wie es uns geht, bekommen wir ein paar Tipps, wie man durch Akkupressur an manchen Stellen die Übelkeit besiegt.







Nach 4 Stunden ist das Ganze dann auch vorbei und wir machen uns auf dem Weg zurück. Dabei werden auch immer wieder diverse Szenarien zum Training durchgeführt und wir kommen in den Genuss eines plötzlichen Druckabfalls. Der Sauerstoff aus den Masken tut extrem gut und wir werden wieder munter :)



Nach gut zehn Stunden reiner Flugzeit landen wir am Abend wieder in Geilenkirchen und verabschieden uns vom Flieger und der Crew, während hinter uns Esso75 von einer weiteren Mission zurückkommt.







Für uns geht ein sehr anstrengender aber erfolgreicher Tag zu Ende, auch das Kapitel 707 fliegen ist hiermit geschlossen worden (y)
 

tony_fcb

Erfahrenes Mitglied
04.07.2015
1.173
231
Die Flieger sind standesgemäß immer mit dem Callsign ESSOxx unterwegs, damit man genau weiß, wofür sie da sind. Unsere damaligen Betanker kamen vom 108th Wing der New Jersey ANG, stationiert auf der Joint Base McGuire/Dix/Lakehurst.

verstehe ich das richtig: der Betanker kommt zum Betanken aus New Jersey nach Europa oder befand sich das Flugzeug schon vorher in Europa?
 

crossfire

Erfahrenes Mitglied
15.04.2012
1.914
329
So, jetzt wird es happig zwecks Einordnung in die Top Five......Wiedermal extraördinär, Dein Bericht.
Ich hab die Awacs vor vielen, vielen Jahren auf der anderen Seite quasi von "unten" in der LL geführt.
Mein freundlicher Neid sei Dir sicher!
 
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pimpcoltd

Erfahrenes Mitglied
03.07.2009
3.316
10
Welche Vorkehrungen hat die NATO getroffen, um Dich vor einer Geiselnahme mit dem Ziel zu schützen, auf eine Deiner Touren mitgenommen zu werden?
 
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zimbowskyy

Erfahrenes Mitglied
29.11.2016
623
518
CGN
Danke für den Bericht. Erinnert mich an einen Tag vor etwa 15 Jahren, als ich auch mal in Geilenkirchen in einer der E3's zu Gast war, allerdings nur am Boden. Mir sind nicht mehr so viele Details bewusst, aber ich erinnere mich genau an die Aussage eines Piloten, dass die Dinger ziemlich veraltet seien und noch nicht mal GPS an Bord sei. Navigiert wird mit einem (allerdings ist das Prozedere wohl etwas komplizierter) Sextanten. Vielleicht wurde es mittlerweile mal geändert ;)
 
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xfaktor

Erfahrenes Mitglied
18.05.2009
1.079
25
Vielen Dank für diese Impressionen. Die Bilder sind beeindruckend. (y)

Ich habe die Schweissperlen des kanadischen Piloten gesucht. :D
 
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MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
14.077
8.168
Dahoam
Danke für den nächsten interessanten Bericht! Auch ein Erlebnis von viele träumen.

Die Fotos von der Luftbetankung sind wieder mal sensationell! Ebenfalls super zum lesen. Wenn irgendwelche Fernsehfritzen sowas machen ist alles immer so langweilig beschrieben weil bei denen keinerlei Leidenschaft dafür zu spüren ist.
 
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maxn

Erfahrenes Mitglied
27.05.2011
1.363
71
muc
Eine echte Bereicherung für dieses Forum, dieser TR! Besonders die Bilder aus dem Cockpit beim betanken - alter Latz! Danke dafür!
 
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Brechten

Erfahrenes Mitglied
11.11.2012
1.452
183
Danke für den Bericht und die Fotos! Ich wohne im Kaff daneben, aber habe die AWACS bisher nur von außen, bzw. unten gesehen.
 
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