Frachtschiffreise auf der Nordsee mit der "Henrike Schepers"

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meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
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Es folgt ein flugzeugfreier Reisebericht. Nachdem Zinni hier schon das Thema Flusskreuzfahrt eingeführt hat, präsentiere ich eine weitere Form der Reise auf dem Wasser: die Frachtschiffreise.

Nachdem ich schon vor längerer Zeit im Internet auf dieses Thema gestoßen war, dachte ich mir: das muss ich mal machen. Die Umsetzung dauerte leider noch etwas und erfolgte letzte Woche. Für den Einstieg wählte ich die Kurzversion: mit der Henrike Schepers von Rotterdam nach Hull und zurück.

Die Frachtschiffreise ist ein Spezialsegment im Reisebereich. Bei einigen Reedereien kann man das direkt buchen, in den meisten Fällen läuft das jedoch über eine Handvoll auf diesen Bereich spezialisierter Reisebüros. Die Uhren ticken dabei anders als im Luftverkehr: Es wird ein mehrseitiger schriftlicher Beförderungsvertrag mit der Reederei unterzeichnet. Das genaue Reisedatum steht fest, wenn der Fahrplan feststeht. Je nach Route kann also eine gewisse Flexibilität erforderlich sein. In meinem Fall spielte das aber keine Rolle, da die Henrike Schepers ausschließlich Rotterdam – Tilbury vv. oder Rotterdam – Hull vv. fährt. Nachdem ich auf der Website des Charterers den Fahrplan gefunden hatte, bat ich beim Reisebüro um Fixierung der Buchung auf eine Reise Rotterdam – Hull vv., die zum einen sehr gut in meinen Zeitrahmen passte und zum anderen mit Hin- und Rückfahrt jeweils größtenteils tagsüber erfolgte.

Zwei Tage vor Abfahrt ging es nachmittags aus dem Büro direkt in den Zug. KLM hatte für BRE-AMS vv. um die 200 EUR aufgerufen, bei der DB gab es ein Europa-Sparpreis-Ticket von Bremen nach Rotterdam und zurück in jeweils in ca. 4:45 Stunden für ca. 80 EUR inklusive Platzreservierungen. Auf der Hinfahrt wurde es eine Stunde mehr, da der IC Berlin – Amsterdam wegen Vandalismusschäden auf der Schnellfahrstrecke Berlin – Hannover eine Umleitung fahren musste. Aber egal, das ist der Sinn einer früheren Anreise, dass solche Hindernisse keine weitergehenden Probleme schaffen. Für die Übernachtung hatte ich eine Award Night im Hilton Rotterdam gebucht (43.000 Punkte bei einer Rate von ansonsten ca. 160 – 170 EUR im Standardzimmer). Frühstück laut Rezeption 25 EUR extra, erschien auf der Rechnung mit 17,50 EUR.

Nach Sightseeing suchte ich dann am nächsten Tag nachmittags zunächst das Immigration Office der Zeehavenpolitie / Hafenpolizei auf. Als ich das Gebäude betreten wollte, kamen mir zwei Polizeibeamte entgegen, die mich fragten, wohin ich möchte. Nach Erklärung kam dann die Frage, ob ich auf der Henrike Schepers mitfahre. Meine Verwunderung darüber klärte sich später nach der Einschiffung auf: ich war dort vom Kapitän schon angekündigt worden. Im Gegensatz zur Ausreise nach Non-Schengen am Flughafen tippte die Polizeibeamtin am Schalter dann auch Passdaten in den PC und gab mir den Reisepass mit den Worten „you are on board“ zurück. Um es platt zu formulieren: es scheint wichtig zu sein, dass man auf Listen steht. An der Einfahrtskontrolle zum Hafen gab der Sicherheitsmitarbeiter meinen Namen dann in den PC ein, und da er dort offensichtlich erschien, ging es weiter aufs Schiff.

Im Gegensatz zum Boarding am Flughafen bedeutete das: Über einen vielleicht 1,50 m breiten Weg, links ein Zaun zum Fahrbereich der Containerbrücken, rechts das Hafenbecken, an einem anderen Schiff vorbei. Dann war ich an der Henrike Schepers angekommen. Nach 2 – 3 Minuten konnte ich mich bemerkbar machen und ein Mitglied der Besatzung nahm mich in Empfang und mir den Koffer für den Weg über die Gangway ab: Erstens soll man als Passagier das Schiff nicht unangemeldet betreten (bei meinem Erscheinen wurde dann auch sofort „passenger on board“ gefunkt), zweitens überwindet man auf der schmalen Gangway eine Distanz von mehreren Metern. Es folgten dann noch Vorstellung, Abendessen und Sicherheitseinweisung.
 
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meilenfreund

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Am nächsten Morgen ging es los. Nach viel Text lasse ich hier jetzt Bilder sprechen:

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In der Nordsee

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Rotterdam Reede, unter Umständen liegen Schiffe hier mehrere Tage, bis ein Platz im Hafen frei ist

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Rotterdam Hafen

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Windpark Race Bank

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Übergang von der Nordsee in den Humber

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Britisches Lotsenboot, aber nicht für die Henrike Schepers: beide Kapitäne, die das Schiff im zweimonatlichen Wechsel befehligen, haben die Berechtigungen, in Rotterdam, Hull und Tilbury ohne Lotse zu fahren

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Immingham

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Immingham

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Auf der gegenüberliegenden Seite britische Landschaft im Rosamunde-Pilcher-Stil

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Abendliche Abfahrt Richtung Süden
 
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meilenfreund

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Abendliche Abfahrt Richtung Süden

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Sonnenuntergang

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Sonnenuntergang

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Hull in Sicht

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Vor der Hafenschleuse in Hull: sieht eng aus, das Schiff ist quasi in Schrittgeschwindigkeit hereingeglitten, in der Schleuse war zur Seite geschätzt > 1 m Platz. Anschließend wurde das Schiff um ca. 90 Grad gedreht, um an den Liegeplatz zu fahren, wie bei allen An- und Ablegemanövern ohne Unterstützung durch Schlepper. Nach dem Festmachen entgegnete der Kapitän auf meine Bemerkung, dass ich dass sehr eindrucksvoll fand, nur lapidar, dass er nur seinen Job gemacht hat und das eine Mischung aus Erfahrung und Training ist.


Eindrücke vom Schiff:

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Cargodeck: links (2 m tiefer) Nordsee, oben Container, rechts Container

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Ankerkette

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Leinen

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Container
 
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meilenfreund

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Am nächsten Tag ging es mittags schon wieder zurück.

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In der Hafenschleuse mussten wir warten, bis ein kleines Tankschiff passiert hatte.

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Dann ging es weiter.

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Nochmal ein Blick zurück Richtung Hull

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Rosamunde Pilcher reloaded

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Immingham

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Immingham Reede

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Fahrwasser

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nochmal Fahrwasser

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Schiff am Horizont

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Sonnenuntergang


In den frühen Morgenstunden des folgenden Tages kamen wir wieder in Rotterdam an, zum Schluss mit einer Wende um ca. 135 Grad und „rückwärts einparken“ auf dem hintersten Liegeplatz im Beatrixhaven.

Der Tagesablauf wird neben dem Dienst für die Besatzung in gewisser Weise durch das Essen bestimmt: 07.00 Uhr Frühstück, 12.00 Uhr Mittagessen, 17.00 Uhr Abendessen. Was mich erstaunt hat: die Zeit geht auch unglaublich schnell vorbei, wenn man als Passagier an Bord ist. Ich durfte mich ohne Einschränkungen auf der Brücke aufhalten, da denkt man irgendwann gar nicht mehr an die Uhrzeit, wenn um einen herum nur das Meer ist. Ist von daher auch eine schöne Sache, um gedanklich herunterzukommen, wenn man viel gearbeitet hat. Ich werde das nächstes Jahr wieder machen.
 
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tian

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26.12.2009
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Was hat der Spaß gekostet? Wir wollen unseren Vater auch auf so eine Reise schicken, die vielleicht ein paar Tage länger dauert. Er hat früher mal auf Schiffen gearbeitet.
 

kingair9

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18.03.2009
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Unter TABUM und in BNJ
Was hat der Spaß gekostet? Wir wollen unseren Vater auch auf so eine Reise schicken, die vielleicht ein paar Tage länger dauert. Er hat früher mal auf Schiffen gearbeitet.

Wenn man den Preisen bei den wenigen Agenturen (Google - "Frachtschiffreisen") trauen darf, dann liegt man im Schnitt zwischen 90 und 130 EUR pro Tag plus An-/Abreise. Bei der Hamburg Süd ist zB eine Reise Rotterdam-Island-Rotterdam im Netz für 1310 EUR, was 94 EUR pro Tag entspricht.
 
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Thaiflyer

vormals wolke1
06.04.2009
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52
75
Thap Khlo/ Thailand
Kommt auch auf die Fahrstrecke an.
Hamburg - Bremerhaven - NOK dann Ostsee ca 12 TG geht aber billiger
Hamburg Süd - Hapag LLoyd sind wie SIA für Flüge - teuer!
 
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meilenfreund

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10.03.2009
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Hast Du noch ein Foto von Deiner Kammer und vielleicht sogar von der Messe?

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Aussicht aus der Kammer, hier beim Beginn des Entladens nach der Ankunft in Hull

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Blick in die Kammer, durch die Tür auf dem zweiten Bild vorne rechts geht es ins Bad

Fotos von den Messen - obwohl das Schiff nur 12 Mann Besatzung hat, gibt es eine Offiziers- und eine Mannschaftsmesse - habe ich nicht. Sie hatten in etwa den Charme des Sozialraums einer deutschen Behörde. :D

Dafür noch etwas Schönes für die Sammlung der Reisedokumente:

henrike_schepers_44.jpg
Das wurde nach der Ankunft aus Hull in Rotterdam von der Polizei abgestempelt. Ich musste aber trotzdem nochmal zum Immigration Office, weil die Einreise ins Schengen-Gebiet formal erst dort erfolgt. Bei mir wurde dann nur kurz in den Pass geschaut, während für einreisende visumspflichtige Seeleute dort dann ein Visum ausgestellt wird.

Hamburg Süd - Hapag LLoyd sind wie SIA für Flüge - teuer!

In der Tat sollte man auf jeden Fall auch die Preise der Agenturen vergleichen. Ich habe gerade eine Reise gefunden, die bei Hamburg Süd ab 715 EUR und bei Pfeiffer für 574 - 686 EUR angeboten wird. Anhand der Beschreibung und insbesondere der Angaben zum Schiff handelt es sich dabei offenbar um dieselbe Reise. Die Preise bei Pfeiffer verstehen sich zuzüglich Deviationsversicherung und 30 EUR Buchungspauschale.