LINDRS' Jahresrückblick 2017 - von 0 auf 100 in wenigen Monaten

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LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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DRS
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Hallo liebe Leser,

nachdem ich nun schon seit einer Weile Mitglied dieses Forums voller Wahnsinniger bin und mich dabei ertappt habe, dass mein meistgelesenes Unterforum jenes der Reiseberichte ist, habe ich beschlossen, meinen Teil zu ebendiesem Unterforum beizusteuern.
Die ursprüngliche Überlegung war, einen fortlaufenden Reisebericht auf einen Schlag einzustellen, am Ende habe ich mich aber dazu entschieden, abschnittsweise mein Flugjahr 2017 Revue passieren zu lassen. So wird es zwischendurch auch die Gelegenheit zu Kommentaren, Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen geben. Ich gedenke, den Bericht noch in 2017 fertigzustellen.

Was macht dieses Jahr flugtechnisch so besonders? Nun, bisher bin ich in meinem gesamten Leben insgesamt 36 Segmente geflogen, das weiteste davon FRA - TLL in 2013 und in 2016 MUC - OPO. Damals in 2013 war das meine erste Reise mit Lufthansa (MUC - FRA - TLL - FRA - MUC). Beim Bordservice habe ich mein Portemonnaie rausgeholt, um das ausgeteilte Wasser zu bezahlen. Dies nur, um meine "Erfahrung" mit der Fliegerei bis dato einordnen zu können.

Doch in 2016 kam der erste richtige Job nach dem Studium, der mich ins Stuttgarter Umland führte. Mehr Motivation, ständig wegzufliegen, kann man sich nicht vorstellen. Und so ergaben sich in 2016 immerhin 15 Segmente, Porto als weitest entfernte Destination. Der Gedanke, mit Mitte/Ende 20 Europa endlich einmal zu verlassen, wenn auch nur für Urlaub, reifte immer deutlicher in mir. Und so ergab es sich, 2017 diesen Plan in die Tat umzusetzen, aber mit Ansage. Von daher auch der Titel - von quasi keinerlei Fliegerei direkt mehrfach auf Langstrecke.

Ein wirkliches Geheimnis sind die geflogenen Strecken nicht (siehe Signatur), ich werde sie deshalb einfach chronologisch präsentieren. Während der Reisen bin ich allerdings eher weniger darauf erpicht gewesen, ständig Fotos zu machen, sodass innerhalb der Erzählung das eine oder andere Fotoloch klaffen wird. Ich bitte, dies zu entschuldigen. Weiterhin werde ich die kürzeren Strecken nicht einzeln vorstellen; DRS - MUC oder GLA - DUS in Billig-Eco ist jetzt nichts, was irgendwen in diesem Forum vom Hocker hauen würde.

Zusätzlich zum Wunsch, Europa zu verlassen, wollte ich meine Reisen auch statusmäßig irgendwie verarbeitet wissen. Innerhalb Europas bleibt da außer des FTL und/oder AB Silber nicht viel, habe mich aber aufgrund der verfügbaren Strecken und aus reiner Sympathie schnell für LH entschieden (ist im Nachhinein wohl auch besser so). Um das schonmal vorwegzunehmen: Hat funktioniert.
Dies führte übrigens zu lustigen Rückfragen, wie zum Beispiel auf unserer Silvestertour nach Glasgow: "Warum fliegst du nicht mit flybe direkt von Glasgow nach Stuttgart zurück und stattdessen mit Eurowings GLA - DUS - TXL - STR?!" - "Weil das schon 10% des FTL sind!" - war nicht hilfreich, meine Antwort. Ganz im Gegenteil :D

Ich wünsche euch beim Lesen viel Freude und freue mich natürlich über jegliche Konversation, die aus meinen Erlebnissen entsteht.
Im nächsten Beitrag geht es dann schon mit dem ersten, vermeintlich ungewöhnlichen Reiseziel los...
 
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LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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1. Langstreckenreise 2017 - Oman im Februar

Endlich war es so weit: Die lange im Voraus gebuchte Reise in den Oman sollte nun stattfinden! Ich hatte absolut keine Erwartungen an den Oman oder Vorstellungen dieses Landes. Wie kommt man dann dazu, dort hinzufliegen? Ein Freund von mir hatte ein Jahr vorher für ein paar Monate im Rahmen seines Studiums dort verweilt, Land und Leute kennen und lieben gelernt und mir immer wieder vorgeschwärmt. Ich wusste vorher nicht mal, wo genau der Oman liegt (irgendwo im Mittleren Osten). Trotzdem war ich extrem gespannt, was mich dort erwarten würde und stimmte der gemeinsamen Reise vorbehaltlos zu. Die Flugplanung riss ich natürlich sofort an mich und fand auch einen guten Deal mit LX in Y, knapp über 400 EUR pro Person von Stuttgart aus via Zürich - damals glaubte ich noch, zum Reisezeitpunkt in Stuttgart zu wohnen und mein Begleiter (der Einfachheit halber nennen wir ihn einmal F.) war und ist zeitweise in der Nähe von Heidelberg situiert.
Am Ende kam folgendes Routing dabei heraus:

07.02.
LX1177 STR - ZRH
LX242 ZRH - MCT

16.02.
LX243 MCT - ZRH
LX1068 ZRH - FRA
LH3410 FRA - ZWS (dieses Segment habe ich verfallen lassen)

Da ich Anfang 2017 mein Schwabendomizil zugunsten der Rückkehr in die alte Heimat wieder verlassen hatte, musste ich mir zur Anreise in Richtung Stuttgart noch einen Zubringer buchen. Die Wahl fiel nach Abwägung aller Kosten und Möglichkeiten auf die Deutsche Bahn, was auch gut funktioniert hat. Per ICE bin ich am Vortag von Dresden via Frankfurt und von da weiter mit dem IC bis kurz vor Heidelberg zu F. gefahren. Eine sehr entspannte Fahrt und mit 19 EUR konkurrenzlos günstig - unglaublich, was die Bahn mittlerweile an Sparpreisen raushaut.
Um uns unseren Gastgebern gegenüber für ihre Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen, waren wir noch im dm und haben mittels WhatsApp-Anweisung Drogerieartikel eingekauft, diese sind im Oman nämlich sehr teuer. Stellt euch einfach zwei Mitt- bis Endzwanziger vor, die normalweise außer Deo, Duschgel (natürlich All-in-One) und Zahnpasta keinerlei solcher Produkte kennen, wie sie Haarfärbemittel und Pflegespülungen aus bizarr riechenden Regalen versuchen herauszufischen. Hoffentlich hat mich dort niemand erkannt. Aber irgendwann war auch das geschafft, die Koffer fertig gepackt, abends mit F. und der Familie seiner Freundin noch eine letzte Flasche Rotwein geleert und irgendwann fertig fürs Bett gemacht.

Am nächsten Morgen sollte es um 7:30 Uhr mit dem ICE von Mannheim nach Stuttgart gehen, deshalb hieß es früh aufstehen. Fs Mutter hat uns dann noch nach Mannheim gefahren, der ICE kam super pünktlich und innerhalb kürzester Zeit waren wir mitten im Kriegsgebi...äh, am Stuttgarter Hauptbahnhof. Wirklich ein charmanter Ort zum Verweilen, dieser Bau.
Auch die S2 zum Flughafen fuhr pünktlich ein, sodass wir ca. 2h vor Abflug am STR eintrafen. Ohne Anstehen schnell die Koffer losgeworden und im McDonald's erst einmal gefrühstückt. Neben uns saß ein Typ, der quer über sein Tablett mit dem halb angebissenen Burger lag und seelenruhig schlief. Später war wohl nur noch sein Rucksack da und der Typ weg, denn er wurde wiederholt und sehr nachdrücklich kurz vor unserem Boarding ausgerufen. Wir hatten schon Angst, dass der Flughafen jetzt geräumt würde, bevor wir ins Flugzeug steigen könnten. Dem war zum Glück nicht so.

Apropos Glück: Ich ging als erster von uns durch die Siko und wurde direkt rausgezogen. Was war passiert? Ich hatte eine Kinderschere in meinem Rucksack vergessen, durfte diese nach einer kurzen Sichtprüfung aber behalten. F. hat sich natürlich kaputtgelacht. Zumindest bis zu dem Moment, als er auch rausgewunken wurde und die Frage kam "Was ist das für ein Messer?" Tja, da hieß es Abschied vom Schweizer Armeemesser nehmen! Wer jetzt lauter lachte, könnt ihr euch vorstellen. Er hatte es schlicht und ergreifend in der Jacke vergessen. Da wird aber nicht wieder am STR ankommen würden und auch sonst niemanden wussten, der es für uns abholen hätte können, wanderte es schweren Herzens in den Mülleimer.

Der Ärger darüber war auch irgendwann verflogen und LX1177 wurde geboardet, natürlich per Bus, wie auch sonst bei einem Heuwender. Für uns beide war es die erste Erfahrung mit einer Propellermaschine und wir fragten uns natürlich, was passieren würde, wenn der Propeller abreißt. Ist aber völlig unvorhersehbar nicht passiert.

Sieht aus dieser Perspektive schon beeindruckend aus:


Beim Einsteigen gab es die Swiss-Schokolade, überreicht von der freundlichen OS-Crew (die Flüge werden ja komplett im OS-Wetlease durchgeführt). Schnell waren wir in der Luft und Zürich auch schon in Reichweite, mit 90 Meilen mein kürzester Flug überhaupt.
In ZRH ging es fix durch die Passkontrolle zur Heidibahn ins Dock E, wo das Boarding für unseren Weiterflug auf LX242 auch sofort begann. Dank frühem Checkin hatten wir uns eine Zweierreihe im kleineren Eco-Abteil gesichert, was bei einem A330 allerdings auch keine Kunst ist. Fast pünktlich hoben wir bei schönstem Sonnenschein in Richtung Dubai ab (LX macht auf dem Weg nach MCT noch einen Zwischenstopp in DXB, wo auch die meisten der Passagiere ausstiegen). Einen hübschen Blick über die Alpen gab es gratis dazu, ebenso wie die letzten ein bis zwei Bier für die nächsten eineinhalb Wochen. Der Flug war sehr entspannt und auch in Economy gut auszuhalten, es war ja ein Tagflug.

Quöllfrisch kannte ich vorher nicht, schmeckte aber gut, habe es sogar ausgetrunken:


Nach dem Anflug auf DXB mit beeindruckender nächtlicher Skyline (per Handy leider kaum festzuhalten), kurzem Zwischenstopp und einer weiteren überschaubaren Etappe in der Luft waren wir dann auch schon auf dem Flughafen Muscat angekommen. Das neue Terminal ist bereits in Bau, aber eben noch nicht fertig (sollte aber demnächst so weit sein). Deshalb wurde der A330 per Bus deboardet, was aber ob der überschaubaren Anzahl von grob geschätzten 50 Pax sehr schnell vonstatten ging.
Den Moment, das erste Mal mitten im Februar im T-Shirt bei 25 Grad kurz vor Mitternacht die Treppe aus dem Flugzeug herunterzulaufen, werde ich so schnell wohl nicht vergessen...

Weiter geht's in Bälde im nächsten Teil, stay tuned!
 
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Felyxorez

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22.11.2017
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Muss ja ein krasser Typ sein, dieser F. Das er sich auf diese Wege von einem Sackmesser trennt... :D
 
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Kornado

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28.05.2017
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Muss ja ein krasser Typ sein, dieser F. Das er sich auf diese Wege von einem Sackmesser trennt... :D

Gab es dort nicht die Möglichkeit es sich zusenden zu lassen?
Meine +1 wollte das auch schon mal in Stockholm nutzen. Aber die Postgebühren waren mir selbst für das Leatherman Tool zu hoch.
 

LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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DRS
Muss ja ein krasser Typ sein, dieser F. Das er sich auf diese Wege von einem Sackmesser trennt... :D
Und wir heißen den mysteriösen F. im Thread willkommen :D

@Kornado, wurde uns zumindest nicht angeboten!

(auf meinem Laptop ist der Propeller übrigens gerade, auf dem iPhone aber um 90 Grad gekippt - da muss ich nachher noch mal ran)
 

roffe8

Erfahrenes Mitglied
14.01.2017
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Fängt schonmal gut an, ich freue mich auf die Fortsetzung! Immer auch schön von Usern zu lesen, für die die Fielvliegerei noch nicht zur absoluten Routine geworden ist.
 
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PAXfips

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15.12.2016
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Inspiriert mich .. letztes Jahr 16 Segmente in Europa, dieses Jahr 46 Segmente in 4 Kontinente.
 
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red_travels

Megaposter
16.09.2016
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9.840
www.red-travels.com
(auf meinem Laptop ist der Propeller übrigens gerade, auf dem iPhone aber um 90 Grad gekippt - da muss ich nachher noch mal ran)

der Prop hat sich am Pc von gerade (vorhin) um 90° nach gedreht (jetzt)

bin gespannt was noch folgt besonders beim Oman!

das mit dem Messer hatte ich in BRU, Post zu, DHL zu, SN wollte es nicht zusätzlich als Gepäck aufgeben, Gepäck war wenige Stunden zuvor bereits aufgegeben worden. Wert Messer ~30€, daher verschmerzbar
 
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LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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Okay, ich werde nachher mal die EXIF rauswerfen bei Abload. Apple Fotos - ohne Worte.

Edit: sollte jetzt wieder gehen :)
 
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LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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Weiter geht's!

Nach der Landung schnell zur Einreise, ein Visum für 10 OMR gekauft (damals ca. 25 EUR), Gepäck geholt, durch den Zoll geschleift - ich hatte zunächst den falschen Koffer in der Hand, ist mir aber früh genug aufgefallen. Unser Gastgeber, nennen wir ihn mal F2, hat uns abgeholt und wir sind mit seiner E-Klasse durch das nächtliche Muscat gefahren. Unglaublich, wie weitläufig diese Stadt ist, trotz ihrer überschaubaren Zahl von knapp 700.000 Einwohnern. Eigentlich gibt es nur so einzelne Siedlungen, die durch Schnellstraßen verbunden sind. Bürgersteige sind ein Fremdwort, im Oman geht aber sowieso niemand zu Fuß. Warum auch, Sprit ist spottbillig und während des Sommers hält man es draußen absolut nicht aus.

Fotos können die Weite der Stadt kaum darstellen:


Kurz sind wir noch zu einem Falafelladen gefahren - wahnsinnig gut und dabei echt günstig! Müdigkeit machte sich nach dem Essen breit und wir bezogen unser Domizil im kleinen Nebenhaus auf dem Grundstück der Eltern von F2.

Am nächsten Tag fuhren wir zunächst nach Matrah auf den Markt, prinzipiell recht interessant, gekauft habe ich aber nichts, sondern die Gerüche und Eindrücke auf mich wirken lassen. Wir erfuhren von F2, dass innerhalb der nächsten Woche der Sohn von Bob Marley ein Konzert in einem Club Namens "The Cave" abhalten würde, allerdings für 40 EUR pP. Wir sind kurz an diesem Club vorbeigefahren, das Bier 10 EUR und naja, so ganz unsere Musik war das ja auch nicht, also sahen wir von einem Besuch ab. Konzerte gibt's in Deutschland genug, dafür fliegt man ja nun nicht extra in den Oman. Zumal er auch erst zwischen zwei und drei Uhr nachts auftreten sollte.

Da F. einige Monate an der Universität in Muscat verbracht hatte, wollten wir uns diese natürlich auch nicht entgehen lassen. Und was soll ich sagen: Die Architektur ist wirklich beeindruckend! Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es sieben Fakultäten, die sich über einen sehr großzügigen Campus verteilen.

Blick über den Campus:


Generell herrschte eine sehr konzentrierte und angenehme Atmosphäre innerhalb der Universitätsgebäude. Wir haben dann noch einen ehemaligen Dozenten von F. getroffen und eine sehr angeregte und spannende Unterhaltung geführt (er ist Amerikaner, hat aber türkische Vorfahren und schon auf der halben Welt unterrichtet) - vor allem über die DDR, in der meine gesamte Familie aufgewachsen ist. Zum Beispiel war ihm vorher nicht klar, dass die Mauer nicht nur um Berlin bestand, sondern sich an der gesamten ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang zog. Außerdem erfuhren wir noch ein wenig, wie sich das Leben als Expat im Oman anfühlt. Den entscheidenden Satz prägte dabei der Dozent: "Life is no struggle, if you live in a bubble!" Den sollte man sich hier im Forum auch gelegentlich einrahmen ;)
Nach knapp 2h Konversation verabschiedeten wir uns mit der Aussicht, noch einige Zeit während unseres Aufenthaltes zusammen verbringen zu wollen.

Sehr schön auch der Palmengarten, welcher durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem bewässert wird:


Selbstverständlich darf eine Moschee auf dem Campus nicht fehlen, ein sehr prächtiges Gebäude (leider konnten wir zu dieser Zeit nicht ins Innere):


Den restlichen Tag verbrachten wir mit ein wenig Stadtbefahrung und gutem Essen (es kann sein, dass ich es ein wenig unchronologisch erzähle, das ändert aber am Inhalt grundsätzlich nichts). Selbstverständlich kauften F. und ich uns direkt omanische SIM-Karten, denn: Scrollen is love - scrollen is life.
Gut, mit Fs SIM-Karte verhielt es sich wie mit seinem Schweizer Messer; kurze Zeit nach ihrem Auftauchen war sie auch schon wieder verschwunden. So durfte ich die restliche Zeit Mr. Hotspot spielen, bei umgerechnet 2,50 EUR für 1GB Datenvolumen hielt sich der Verlust allerdings in engen Grenzen.

Ein bisschen sind wir dann noch durch die Mall geschlendert, es ist schon interessant, wie sich das Leben der Omanis eigentlich nur in geschlossenen und klimatisierten Gebäuden abspielt. Ein Freund von F2, A., war auch mit von der Partie, ihm gefielen meine gelegentlichen sarkastischen Einwürfe sehr. Ganz im Gegensatz zu F., der ständig Angst vor meiner bevorstehenden Steinigung verbreitete, sollte ich mein Mundwerk nicht zügeln. Er befürchtete den Ausbruch eines internationalen Konflikts - dabei verreiste ich extra mit einem Schweizer und erhoffte mir seine uneingeschränkte Neutralität.
Lustig war in dem Zusammenhang wenn F2, unser Omani-Freund, merkte, dass mir F. auf Deutsch zu verstehen gab, jetzt besser die Klappe zu halten. Dann sagte er immer: "Guys, this is Oman, we have freedom of speech, you can say what you want!"
Wir zwei Europäer schauten uns dann immer an: "Yeah, sure... :D"

Mehr gibt's wie immer im nächsten Teil!
 

LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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Bevor ich unsere Reise weiter beschreibe, noch ein paar Worte zur Planung:
Omanis planen grundsätzlich nicht im Voraus. Wenn man irgendwo hinfliegen will, bucht man einfach am Tag vorher den Flug zu einem annehmbaren Preis und fliegt die Strecke ab. F2 weilte 2016 in Europa und wollte am nächsten Tag spontan Oneway von Amsterdam nach Wien fliegen - das Ergebnis könnt ihr euch vorstellen! Das Leben im Oman läuft also grundsätzlich anders ab als bei uns. Auch Uhrzeiten sind nicht so streng, wenn man sich 18 Uhr irgendwo treffen will, kommen eigentlich alle ein bei zwei Stunden später und niemand beschwert sich darüber. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, nervt einen das auch nicht mehr und man gibt sich dem Vibe der Entspannung hin.

Da ich kurz vor Abreise noch in eine andere Stadt gezogen bin und finale Bewerbungsgespräche geführt hatte (den unterschriebenen Arbeitsvertrag gab ich am Vorabend der Abreise in die Post, typisch ich), hatte ich überhaupt keinen Nerv, mich um irgendwelche Aktivitäten, Touren und Sightseeing zu kümmern. Deshalb an dieser Stelle noch einmal meinen allergrößten Dank an Felyxorez (jetzt kennt ihr ja seinen Forennamen, siehe oben), er hat sich nicht lumpen lassen, jeden Tag zu einem Erlebnis zu machen, mir innerhalb kürzester Zeit eine wunderbare Mischung von Land und Leuten zu vermitteln. Danke dafür! Das hat im August 2016 schon ganz wunderbar funktioniert, als wir mit einem weiteren Freund einen Roadtrip durch Skandinavien bis auf die Lofoten durchgeführt hatten - die Route war mein Part, das Essen für zwei Wochen lag bei F. War sehr lecker!
Natürlich darf auch nicht fehlen, dass wir kostenfrei bei F2 nächtigen und essen konnten und dieser sich extra Urlaub für uns genommen hatte, um uns sein wunderschönes Land zu zeigen. Auch, wenn du das nicht lesen wirst, vielen Dank auch an F2!

Allerdings hat dies auch zur Folge, dass dieser Reisebericht in keinster Weise repräsentativ für den normalen Touristen ist. Ich habe keine Ahnung, was ein Mietwagen im Oman kostet oder was man dabei beachten muss, kenne kein einziges Hotel von innen und im Restaurant hat F2 einfach für uns auf arabisch bestellt und dabei immer unseren Geschmack getroffen. Gefühlt waren die Restaurant super günstig - kann aber auch am "Inländerbonus" gelegen haben, das werde ich evtl. noch einmal herausfinden. Wie oben beschrieben: "Life is no struggle, if you live in a bubble".
Die Gastfreundschaft der Omanis ging so weit, dass sämtliche Versuche unsererseits, uns in irgendeiner Form an den entstandenen Kosten für Essen, Sprit und Unterkunft zu beteiligen, vehement abgeblockt wurden, "You are our guests, don't worry!"

Nach der Sichtung der Bilder sehe ich gerade, dass der Besuch der Universität bereits am zweiten Tag stattfand, Matrah am ersten Tag. Tut der Geschichte allerdings keinen Abbruch.
Neben der Hauptstadt Muscat besitzt der Oman eine erstaunliche Vielfalt an natürlichen Sehenswürdigkeiten. So gibt es wunderschöne Strände, 3.000 Meter hohe Berge, sogenannte Wadis, von Flüssen in den Berg geformte Täler. Selbstverständlich darf eine große Wüste auch nicht fehlen - kurz: Es gibt unendlich viel zu entdecken! Am Abend des zweiten Tages machten wir uns also auf den Weg durch die Berge an einen Strand östlich von Muscat, um dort den Tag gemütlich ausklingen zu lassen.

So sah das während der Fahrt in F2s Toyota FJ Cruiser aus:


Während wir uns am Steinstrand über Gott und die Welt unterhielten, sahen wir dem Sonnenuntergang und der aufkommenden Flut zu, ein wirklich schöner Ort.

Ein paar Omani-Familien hatten Probleme, mit ihrem Jeep die unbefestigte Straße hinaufzufahren:


Wir parkten deshalb lieber gleich ganz oben und liefen das kurze Stück.
In der Bucht selbst und am Wasser war fast nichts los, wie folgendes Bild zeigt:


Man sollte allerdings beachten, dass es aufgrund der Nähe zum Äquator sehr schnell und früh dunkel wird. Spätestens um halb sieben Uhr abends ist es stockfinster. Auf dem Rückweg kehrten wir noch in Muscat in einem Coffeeshop namens "Costa" ein (solche Starbucks-Verschnitte sind der letzte Schrei im Oman), trafen uns mit einem weiteren Expat aus den Niederlanden. Ihm gefiel es so gut, dass er zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre im Oman arbeitete. So ließen wir einen weiteren Tag entspannt ausklingen - den ganzen Tag über 25 bis 30 Grad, abends im T-Shirt draußen sitzen, so könnte von mir aus jeder Februar sein!

F. machte mich übrigens darauf aufmerksam, dass ich eine kleine Anekdote vergessen hatte, die sich auf dem Flughafen in Dubai ereignete. Von dem Zwischenstopp gelangweilt, zog ich mein Handy aus der Tasche, bekam eine SMS der Telekom, dass ich für 2,99 EUR 50 MB bekommen könne und begann zu surfen. F. tat es mir nach - allerdings kam bei ihm nach 10 Minuten die SMS von Vodafone, dass 50 KB (!) 0,79 EUR kosten würden. Sofort den Flugmodus rein, waren aber trotzdem knapp über 200 EUR für die paar Minuten, sehr ärgerlich!
 
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LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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DRS
Kommen wir nun zum nächsten Tag, an dem wir uns relativ früh aus dem Bett quälten, um in die Berge zu fahren. Der Oman besitzt nämlich auch eine Art Grand Canyon, "Jebel Shams" genannt. Unser Gastgeber fragte uns, ob wir denn schon einmal wandern gewesen wären und bat uns, entsprechende Kleidung anzuziehen. Er selbst allerdings lief in Jeans und Turnschuhen aus dem Haus. Somit taten wir es ihm nach. Zwei Freunde, A1 und A2, quetschten sich auch noch mit in den FJ Cruiser, sodass es hinten ganz schön eng wurde. Also zumindest für die anderen, ich saß ja vorn :D Zu fünft sind wir dann in Richtung Berge aufgebrochen. Die Autobahnen im Oman sind wirklich gut ausgebaut, je näher man allerdings den Bergen kam, desto schlechter wurden die Straßen. Am Wegesrand sahen wir auch immer mehr Lehmhütten, da die Omanis bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts noch als Beduinenvölker gelebt hatten, bis das Öl den Reichtum brachte und damit eine rasche Steigerung des allgemeinen Lebensstandards ermöglicht wurde. Sultan Qaboos, der omanische König, wird dafür bis heute verehrt und gilt in der Bevölkerung als großer Heilsbringer.

Als die Straße dann für normale Straßenfahrzeuge so gut wie nicht mehr befahrbar war, fiel uns ein großer LKW auf, der für eine Weile vor uns fuhr. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein umgebautes Wohnmobil handelte, doch das war nicht das einzige, was uns ins Auge stach. Vielmehr wunderten F. und ich uns über das Münchner Kennzeichen, welches prominent am Heck des Wohnlasters prangte. Irgendwann bot sich die Gelegenheit zum Überholen des Gefährts, wobei ich mir natürlich nicht nehmen ließ, ein lautes "Servus!" in Richtung des Fahrerfensters zu rufen.
Später sahen wir das Fahrzeug auf einem Parkplatz und sprachen die Insassen an. Es handelte sich um eine Familie aus München, die mit diesem Monstrum an Wohnmobil für ein Jahr auf Weltreise war, über die Balkanroute, Iran, die arabische Halbnsel, die Mongolei und noch viele weitere exotische Orte. Ihre drei Kinder waren auch dabei, es war das Erlebnis ihres Lebens! Sehr beeindruckend, so etwas durchzuziehen, wie wir fanden.

Hier noch einmal das Wohnmobil in voller Pracht:


Als nächster Punkt stand die Wanderung im Raum. Nachdem wir das Auto auf einem gut frequentierten Parkplatz abgestellt hatten, liefen wir ungefähr 200 Meter bis zum Rand des Jebel Shams - die "Wanderung" war damit damit beendet. Gut, dass wir doch keine Wanderschuhe mitgenommen hatten. Lustig war dann, dass die Omanis aufgrund der eiskalten Temperaturen von circa 17 bis 18 Grad ihre Jacken und Handschuhe auspackten, "because it is so cold up here!". F. und ich stolzierten natürlich weiterhin nur im T-Shirt herum, was unsere Gastgeber überhaupt nicht fassen konnten. Ein Schmunzeln darüber konnten wir uns natürlich nicht verkneifen.

Wenn man an der Kante des Canyons steht, kann man mehrere hundert Meter in die Tiefe blicken:


Hier sieht man F. und mich, das Chaotenteam (später schickten wir F. noch zum Friseur, ein Glück):


Auf dem Rückweg fuhren wir noch in einem kleinen Dorf vorbei, wo wir eine deutsche Bekannte von F2 trafen, die dort im Rahmen ihrer Doktorarbeit ein halbes Jahr in einer typisch omanischen Familie auf dem Land lebte. Das Dorf war sehr schön am Hang gelegen und mittels künstlicher Gräben bewässert, in der Folge daraus sehr grün. Während wir durch die Gassen schlenderten erzählte uns die Deutsche von ihrem Alltag im Oman, die Quintessenz daraus war: Stinklangweilig. Dadurch, dass die meisten Omani-Familien Bedienstete (meist aus Indien, Pakistan oder Bangladesh) beschäftigen, gäbe es für die Frauen nichts zu tun. Da auch die allermeisten Freizeitaktivitäten wie Sport, Wandern oder einfach mal ein Schwimmbadbesuch nur für Männer zugänglich sind, hätten die Frauen dort keine wirkliche Aufgabe. Sie meinte, den Großteil der Zeit verbrächten sie vorm Fernseher, mit dem Versuch, durch den Verzehr möglichst vieler Süßigkeiten Diabetes herbeizuführen und natürlich vor ihren Smartphones. Anzumerken ist noch, dass die Deutsche sehr gut arabisch sprach und als eine von den Eingeborenen akzeptiert war. Natürlich lebten unsere Gastgeber in dem Glauben, dass sie zum Islam konvertiert wäre - dem war natürlich absolut nicht so, auch wenn sie sich so kleidete.

So ging auch dieser Tag mit spannender Natur und anregenden Gesprächen vorüber. Als wir wieder in Muscat ankamen, war es schon spät am Abend und wir so müde, dass wir uns direkt ins Bett verzogen. Am nächsten Tag trafen wir uns wieder mit Bekannten von F. und fuhren nachmittags in ein Wadi nähe Muscat, in dem die Omanis mit ihren Geländewagen "Wadi-Bashing" spielten. Dabei fährt man wie ein Wahnsinniger durch das leicht mit Wasser gefüllte Kiesbett eines Wadis und zeigt den SUVs mal, wo der 4x4-Hammer hängt. Leider saßen wir dabei nicht selbst am Steuer, aber auch als Beifahrer hat das sehr viel Spaß bereitet!

Der Blick über das Wadi, man kann die Reifenspuren erahnen:


Dort saßen wir eine Weile mit den Omanis, der Dozent aus der Uni war auch wieder mit dabei, tranken Tee und unterhielten uns über Gott (äh, Allah natürlich) und die Welt. Später haben wir in Muscat noch lecker zu Abend gegessen, aber fragt mich nicht was - jedes einzelne Essen im Oman hat uns geschmeckt, wobei die Gerichte oft gar nicht omanisch waren. Es gibt sehr viele türkische, indische, pakistanische, syrische, indonesische...(you name it) Restaurants, die wir gefühlt alle ausprobierten. Generell war es so, dass wir nach einem immer sehr reichhaltigen Frühstück im Haus unseres Gastgebers unsere Ausflüge begonnen haben, um dann gegen Nachmittag unterwegs irgendwo einzukehren. Meistens waren die Portionen dort so reichlich, dass wir eigentlich kein Abendessen benötigt hätten. Aber die Omanis meinten es natürlich gut mit uns und hatten ständig Angst, wir würden verhungern - kenne ich von meiner Oma :) So aßen wir während unseres Urlaubs extrem reichhaltig. Da ich sowieso kein Fan von Schweinefleisch bin, kamen mir die muslimischen Essensgewohnheiten sehr entgegen. Witzig dabei: Huhn gilt als vegetarisch, weil es ja nur Pflanzen isst. Kühe aber nicht, denn Kühe sind ja Kühe - logisch, oder?
Mein absoluter Favorit war übrigens Kamelfleisch, wenigstens davon gibt es ein Foto:



Dieses Fleisch war unglaublich zart, dabei aber geschmacklich sehr kräftig. Schwer zu beschreiben, mit welchem Erzeugnis aus unseren Breiten sich dies vergleichen lässt. Vielleicht fällt euch ja was ein?
 

Felyxorez

Reguläres Mitglied
22.11.2017
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LSZQ
Witzig dabei: Huhn gilt als vegetarisch, weil es ja nur Pflanzen isst. Kühe aber nicht, denn Kühe sind ja Kühe - logisch, oder?
Es geht auch vor allem um die Optik. Rot ist schlecht. Huhn ist weisses Fleisch, also gut. Rind ist roh schlecht, weil es ja rot ist... also blutig, also Haram, also nicht Halal. Oder so.

Jedenfalls vermisst man es nicht. Mein Erfahrung ist eher, wenn man 5 Monate kein Schwein gegessen hat und dann wieder zurück in Deutschland ist und ein Schweinskotlett auf den Grill schmeisst, dann versteht man, warum man, wenn man es nicht gewöhnt ist, komisch schmeckt und riecht.
Ein bisschen wie Insekten würde ich sagen.

Jedenfalls ist der Oman kulinarisch eine sehr interessante Destination.
 
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Reaktionen: LINDRS und Mr. Hard

Nordi

Erfahrenes Mitglied
18.09.2012
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HAM
Zum Beispiel war ihm vorher nicht klar, dass die Mauer nicht nur um Berlin bestand, sondern sich an der gesamten ehemaligen innerdeutschen Grenze entlang zog.
Vielleicht einfach eine Frage, was man als Mauer bezeichnet. Eine durchgehende Mauer aus Stein, Mörtel, Zement o.ä. außerhalb von Berlin wäre mir auch neu. :confused:
 

LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
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DRS
Ne ne, es ging schon um die Befestigungsanlagen - Zaun, Selbstschussanlagen etc.
 

LINDRS

Erfahrenes Mitglied
03.04.2013
1.352
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DRS
Neuer Tag, neues Glück!

Relativ früh am Morgen machten wir uns auf, zusammen mit F2 und A. das Wadi Shab östlich von Muscat zu besichtigen. Dieses Wadi ist aufgrund seiner Lage recht bekannt, es liegt nämlich inmitten einer tiefen Schlucht und ist bei Regenwetter angeblich sehr gefährlich, wegen der dann reißenden Sturzbäche. Bei uns war aber wettertechnisch alles im Lot, deshalb auch keine Gefahr. Nach ungefähr zwei Stunden Fahrt erreichten wir den Parkplatz zum Wadi, der mittlerweile unter einer breiten Autobahnbrücke liegt. Der Fortschritt macht auch vorm Oman nicht Halt.

Um an den Beginn des Wanderwegs zu kommen, mussten wir mit einem Boot auf die andere Seite eines kleinen Sees übersetzen. Dabei lernten wir eine Gruppe Schweizer kennen, bestehend aus zwei Schwestern mittleren Alters und einer Tochter, ungefähr 20. Wir kamen ins Gespräch und beschlossen dann einfach, gemeinsam den Wanderweg zu bezwingen. Dieser führte uns durch interessante Felsformationen mit teilweise tief abfallenden Schluchten bis zu einem Gewässer, in dem wir uns zum ersten Mal im Oman mal so richtig abkühlen konnten. Eine Wohltat!

Der Blick über den See:


Wer ganz genau hinschaut, erkennt, dass A. eine Schwimmweste trägt - ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob er wirklich nicht schwimmen konnte oder sich einfach nicht getraut hat. Wahrscheinlich eher letzteres.
Man kann sich dann schwimmend durch das Wadi fortbewegen, bis man an eine enge Stelle kommt, an der zwei Felsen derartig nah aneinander klemmen, dass man nur schwimmend zwischen diesen beiden passieren kann. Dies taten wir und landeten in einer kleinen Höhle, von deren Seite ein Wasserfall in die Tiefe schoss. Leider habe ich aus nachvollziehbaren Gründen keine Fotos davon, da fällt mir allerdings ein, dass die Schweizer einen Film mit ihrer GoPro gedreht hatten - eventuell bekomme ich den noch organisiert. Wer in der Nähe ist und sich für Höhlen mit Wasser interessiert, für den führt kein Weg am Wadi Shab vorbei!

Hier kann man in Richtung Eingang des Wadis schauen:


Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher zum Bimmah Sinkhole, leider existieren davon keine Bilder auf meiner Festplatte. Deshalb hier der Link zu Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hawiyat_Najm
Am Abend trafen wir uns wieder mit Bekannten von F. und ließen den Tag bei einem orientalischen Essen ausklingen.

Für den nächsten Tag hatten wir uns den Besuch des omanischen Nationalmuseums auserkoren, leider machte mir eine Nachricht aus der Heimat einen Strich durch die Rechnung. Beim Leeren meines Briefkastens entdeckte meine Mutter einen Wasserschaden in meiner Wohnung, in der sich Abwasser aus der Küchenspüle über die Einbauküche bis aufs Wohnzimmerparkett ergoss. Ein Traum! So drehten wir um, da ich von unterwegs keine Organisation betreiben konnte. Wer sich erinnert, wir hatten ja mittlerweile Omani-SIMs in unseren Handys (ich zumindest) und hätten also locker über WhatsApp-Call, FaceTime oder andere Messenger einen Sprachanruf nach Hause aufbauen können. Allerdings sperrt der Oman solche Dienste, da man glaubt, dass sich Oppositionelle auf diese Art und Weise organisieren würden. So mussten wir zu F2 nach Hause fahren, wo ich schließlich über WLAN-Call - hier rettete die Telekom bereits zum zweiten Mal meinen Hintern - alles organisieren konnte. Fun Fact: Ich war zwei Wochen vorher erst eingezogen. Ist aber alles zu meiner Zufriedenheit geregelt worden.

Nachdem dieses Thema auch abgehakt war, ließen wir uns von einem Freund Fs abholen, nennen wir ihn M. Jener M. war damals erst 19, ebenso Student an der Sultan-Qaboos-Universität und zusätzlich das Kind von sehr reichen Eltern. Dies ist insofern wichtig, als dass er uns vorher schrieb "Mit welchem Auto soll ich euch abholen? Mit dem Mercedes oder dem Maserati?" Eine Frage, die nur eine Antwort kennen kann.

Reisen wie im Hause Somkiat:


Es handelte sich hierbei um ein Quattroporte-Modell - der Klang war echt bestialisch. Zumindest im Oman fällt man damit auf, so viele Autos aus dieser Klasse und mit so einer Abgasanlage fahren dann dort auch wieder nicht herum.
Leider war M. eher ein semi-begabter Autofahrer, so ließ er sich auf der Autobahn einmal blitzen, als er gerade in irrsinnigem Tempo mit Lückenspringen beschäftigt war. Später übersah er dann im Dunkeln auch noch bei knapp unter 100 km/h einen Speedbump. Die arme Sau, die das Fahrzeug irgendwann als Gebrauchtwagen erwerben darf.

Wir fuhren zum Abendessen in ein Viertel Muscats, welches sich "The Wave" nennt. Direkt am Meer gelegen, besitzt es einen sehr europäischen Charme mit schmalen Straßen und vielen Fußgängerzonen. Man muss dazu wissen, dass der Erwerb von Wohneigentum für Ausländer im Oman grundsätzlich nicht gestattet ist, außer in "The Wave". Entsprechend Oman-untypisch sieht es dort auch aus. Natürlich bewegen sich die Grundstückspreise in diesem Viertel auf hohem Niveau, aufgrund der künstlichen Verknappung.
In einem recht gehobenen libanesischen Restaurant verbrachten wir bei wunderbaren Speisen und der besten Shisha meines bisherigen Lebens einen interessanten Abend, in dessen Verlauf wieder viel über Politik, Kultur und Gesellschaft gesprochen wurde. Trotz seiner 19 Jahre wusste M. bestens über beinahe sämtliche politische Vorgänge der letzten 300 Jahre Bescheid - fast schon ein wenig nerdig, aber trotzdem sehr spannend!
 

Hene

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27.03.2013
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Echt jetzt, erinnert sich noch wer an Biafra oder den Salpeterkrieg?
 

LINDRS

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03.04.2013
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Für unseren vorletzten Tag im Oman hatten wir noch einen Trip durch die Wüste geplant. So begaben wir uns wieder relativ früh aus dem Bett, nahmen ein großartiges Frühstück zu uns und fuhren aus Muscat Richtung Süden. Auf dem Weg zur Wüste hielt F2 noch an einem Gebetsraum, um zu Allah zu beten. Dies war auf jedem unserer Ausflüge der Fall, meistens dauerten die Stops um die zehn Minuten. Generell wird im Oman eine recht moderate Auslegung des Islam gelebt, so ist zum Beispiel für Frauen die Verschleierung keine Pflicht (die meisten machen es trotzdem). Auch das Tragen eines traditionellen Gewandes bei Männern ist nicht vorgeschrieben, bei unseren Ausflügen in die Wüste oder in die Wadis trugen die Omanis genau die gleiche Kleidung wie wir auch. Alkohol und Schweinefleisch sind für Muslime natürlich verboten, eine irgendwie geartete "Sharia-Polizei", von der man gelegentlich aus anderen islamischen Staaten hört, existiert im Oman nicht. Man kann offen mit seinen Freunden und Bekannten über die Religion sprechen, den einen anderen Scherz zur Logik von haram und halal konnten wir uns dann auch nicht verkneifen. Allzu kritische Nachfragen sollte man aus Respekt vor der Religion zwar trotzdem nicht stellen, ins Gefängnis kommt man im Zweifel dafür aber nicht. Überhaupt sind die Omanis sehr westlich orientiert, so lief bei unserem Gastgeber morgens zum Frühstück zum Beispiel immer CNN.

An der Einfahrt zur Wüste angekommen, ließ F2 an seinem FJ Cruiser ein wenig Luft aus den Reifen, um besser durch den Sand fahren zu können. All zu viel war an diesem Tag nicht los, wir trafen ein paar Europäer, die es sich hinter ihrem Fahrzeug gemütlich gemacht hatten. Da wir alle drei langsam wieder Hunger verspürten, wollte F2 uns zu einem Wüstencamp führen, in dem es etwas zu Essen hätte geben sollen. Nun, leider glaubte er unseren Google-Maps-Hinweisen weniger als seinem Orientierungssinn, sodass er zwar meinte "Yes, we will be there in five minutes!", wir aber eine halbe Stunde später irgendwo im Nichts standen. Der Hunger musste also warten, die Atmosphäre entschädigte aber für alles. Sengende Hitze, keine Menschenseele um uns herum und egal, wohin man blickte, nur Sand.

Dabei gelang mir folgendes Panorama:


Nun war der Rückweg zum Glück nicht allzu schwer zu finden, unsere Reifenspuren verrieten, wohin wir fahren mussten. Auch durfte ich einmal selbst am Steuer Platz nehmen, eine einprägsame Erfahrung. Durch den Sand und die fast platten Reifen fühlte sich das Fahren in der Wüste ein bisschen wie Schwimmen an.

Eine Kamelherde kreuzte unseren Weg:


Leider fanden wir das Resort mit dem Restaurant dann immer noch nicht, sodass wir die Wüste hungrig wieder verlassen mussten. F2 ließ beim Reifenhändler seine Reifen wieder aufpumpen und wir fuhren zu einem Inder in der Nähe, wo wir gierig gegrilltes Hähnchen in uns hineinschlangen.

Danach fuhren wir noch zu einer Höhle in den Bergen, in die man hineinklettern konnte. Leider war es da schon fast dunkel und die Handyfotos somit unbrauchbar. Ich bin dann doch nicht in die Höhle geklettert, halb hohe Decken und im Kriechgang in einen Berg zu steigen gehören dann doch nicht zu meinen allerliebsten Beschäftigungen - wahrscheinlich ein Anflug von Klaustrophobie.
Am Abend trafen wir uns wieder mit Freunden von F2 in einem Restaurant in Muscat, wo wir bei Kebap und Hummus freudig von den Erlebnissen dieses Tages schwärmten.

Den nächsten Tag gingen wir ruhig an, kauften in einer Mall noch ein paar Souvenirs und bereiteten uns so langsam auf die bevorstehende Abreise vor. Abends kochte die Familie von F2, unserem Gastgeber, noch einmal ein Festmahl, zu dem auch ein paar Freunde von F. aus der Uni gekommen waren. F2, A1 und A2 fuhren uns dann zum Flughafen Muscat, wo wir ungefähr drei Stunden vor Abflug eintrafen. Am Swiss-Schalter war nichts los, so konnten wir schnell unser Gepäck einchecken und unsere Bordkarten abholen. Ein Online-Checkin ist in Muscat leider nicht möglich, Sitzplätze können aber nach Checkin-Öffnung 24h vorher online vorausgewählt werden.

Wir vertrieben uns dann noch ein wenig die Zeit im Flughafen. Es herrschte eine Lautstärke, die eine normale Unterhaltung deutlich erschwerte. Dies lag unter anderem daran, dass der Flughafen für die Passagierzahlen mittlerweile nicht mehr ausgelegt ist, aber Besserung ist ja bereits in Sicht. Der Kragen platzte mir dann aber, als ein Telefon, welches ein Inder an so einem Ladetower deponiert hatte, laut zu klingeln anfing, dessen Besitzer aber nicht in Sichtweite war. Nach dem gefühlt 26. Klingeln ging ich hin, lehnte das Gespräch mit dem roten Hörer und einem gemurmelten "Be quiet!" ab - und blickte in die erbosten Augen mehrerer Umsitzender. Das war mir in dem Moment aber egal, Hauptsache Ruhe!

Irgendwann begann dann auch das Boarding, bei dem man zunächst in eine Art Gatebox gesperrt wurde, bis schließlich die Busse zum Boarding vorfuhren. Wieder waren nur circa 50 Personen auf dem kurzen Leg von Muscat nach Dubai. Kein Wunder, dass die Lufthansa Muscat seit 2015 nicht mehr anfliegt. Nach dem erneuten Zwischenstopp in Dubai gab es dann um zwei Uhr nachts endlich ein Essen und ein Bier für jeden von uns. Mit Quöllfrisch aus der Dose stießen wir dann auf unsere Reise an, bevor wir ins Land der Träume entschwanden - so weit das in Eco über Nacht möglich ist.

Kurz vor der Landung amüsierten wir uns am Infobildschirm des A330 noch einmal über die unmittelbar bevorstehende Islamisierung des Abendlandes (in diesem Fall Österreichs):


Ziemlich lädiert landeten wir in Zürich und bestiegen unseren Anschlussflug nach Frankfurt. Dort angekommen, begaben wir uns zunächst ins Terminal zwei, oben zum McDonald's; dort kann man ohne Loungezugang ganz angenehm sitzen und den Flugzeugen beim Starten und Landen zuschauen. Wir blieben allerdings nur kurz, da ein gemeinsamer Bekannter gerade auf dem Weg nach Frankfurt war, mit diesem trafen wir uns dann noch in der Nähe des AirRail-Terminals auf einen Kaffee, bevor F. den ICE nach Mannheim und ich den ICE nach Dresden bestiegen. Damit endete unsere gemeinsame Reise in den Oman!

Obwohl unsere Reise mit einer reichlichen Woche nur recht kurz war, erlebten wir die Zeit dort sehr intensiv. Als Fazit kann ich jedem nur empfehlen, einmal dieses wunderschöne Land mit seinen tollen Bewohnern zu besuchen, das Zusammenspiel zwischen traditioneller Kultur und Moderne sowie die unterschiedlichsten Landschaften zu erleben. Ihr werdet es nicht bereuen!
Mitte 2017 entschieden wir uns schließlich, für Januar wieder zwei Wochen herunterzufliegen. Dieses Mal zu viert, F., Fs +1 namens V. (!), Fs Schwester K. und meine Wenigkeit. In exakt fünf Wochen, am 31.12., geht es los. Die Vorfreude ist schon wieder riesig!
 
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LINDRS

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03.04.2013
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2. Langstreckenreise 2017 (die eigentlich gar keine ist) - Georgien über Ostern

Liebe Leser, nach kurzer Abstinenz möchte ich meinen Tripreport nun mit der nächsten Reise weiterführen. Im September 2016 hatten mein Begleiter (P.) und ich die Anwandlung, das allseits für seine vielfältigen Naturschönheiten und das umfangreiche Kulturangebot gelobte Georgien zu besuchen. Ostern 2017 erschien uns als ein geeigneter Zeitpunkt, vor der Hauptsaison und mittels Einsatz weniger Urlaubstage. Selbstverständlich wurde die Flugbuchung zu meiner Aufgabe erkoren, woraufhin ich - wieder von Stuttgart aus - Lufthansa-Flüge via München nach Tiflis buchte. Schon einmal lustig dabei: P., als völliger Buchungsnoob, schickte mir, einen halben Tag nach meiner Buchung, einen Screenshot aus der Buchungsübersicht. Dabei fiel mir dann ein, dass ich ihm gar keinen Buchungscode übermittelt hatte. So langsam dämmerte mir, dass er den gleichen Flug für sich selbst noch einmal gebucht hatte - im Glauben, jeder müsse für sich selbst buchen. Aber Glück im Unglück, er hatte natürlich direkt über LH.com gebucht, keine 24h vorher, so gab es seinen Reisepreis ohne Abzüge zurück. Wenn man nicht alles selbst macht...

Unsere Planung sah folgendermaßen aus:

13.04.
LH2151 STR - MUC
LH2556 MUC - TBS

19.04.
LH2557 TBS - MUC
LH2144 MUC - STR

Wie im Oman-Bericht bereits erwähnt, verlegte ich meinen Wohnsitz Anfang 2017 wieder von Stuttgart weg und musste deshalb noch irgendwie am 13.04. nach Stuttgart anreisen. Praktischerweise sollte LH2151 erst nach 20 Uhr abheben, was eine entspannte Anreise von Dresden bedeutet hätte. Leider verschob die Lufthansa den Flug ein Stück nach hinten und den Weiterflug nach Tiflis auch noch ein Stück nach vorn, sodass die MCT in München nicht mehr gepasst hätte. Somit wurden wir automatisch auf den vorhergehenden Flug nach München gesetzt - damit fiel der Abendflug von DRS nach STR von Eurowings als Anreise schon einmal aus. Morgens schon in Stuttgart zu sein hatte ich auch keine Lust (gibt nur die zwei Verbindungen pro Tag), also blieb nur die Bahn. Irgendwie hatte ich im Hinterkopf, dass es Rail&Fly nur für Langstrecken gäbe, deshalb buchte ich mir für den doppelten Preis einen Zug über oebb.at, definitiv nicht mein hellster Moment. Trotz auf dem Rückweg geplanter morgendlicher Ankunft in Stuttgart buchte ich mir den Nachmittagsflug mit Eurowings direkt von Stuttgart nach Dresden, einfach, um ein wenig Puffer drin zu haben (Im Nachhinein ein sehr weiser Gedankengang, später mehr dazu).

Am Gründonnerstag begab ich mich also in den ICE über Frankfurt nach Stuttgart, eine wirklich entspannte Fahrt. Ich fahre gern Bahn, in meinen Augen ein in Deutschland zu Unrecht verteufeltes Verkehrsmittel, allerdings stark streckenabhängig, wie angenehm so eine Fahrt ist. Jedenfalls traf ich mit nur 30 Minuten Verspätung in Stuttgart ein, ob des ausreichenden Puffers aber überhaupt kein Problem. Am Flughafen Stuttgart traf ich mich mit P. und wir bestiegen den Flug (LH2149) nach München. Über die Idiotie, diese kurze Strecke zu fliegen, muss ich keine Worte verlieren, denke ich. Ist aber die beste Möglichkeit, wenn man am MUC umsteigt und außerdem: Segmente für den FTL. Am MUC angekommen begaben wir uns mangels Loungezugang zunächst ins Airside-Airbräu, wo wir uns dieses bayrische Schmankerl gönnten:



Das perfekte Essen, um auch im Narrowbody auf NEK-Sitzen vor Erschöpfung einschlafen zu können. Nachdem die Ente und das eine oder andere Bier vertilgt waren, fuhren wir in das neue Satellitenterminal, wirklich schön gemacht! Zumindest waren, als wir dort saßen, eine Menge Sitzgelegenheiten mit Chillliegen und Steckdosen frei, auch ohne Lounge konnte man es dort gut aushalten. Ein A320 brachte uns dann in circa vier Stunden nach Tiflis, in meinen Augen für so eine lange Strecke und mit der NEK echt grenzwertig. Nichtsdestotrotz verschlief ich beinahe den kompletten Flug. Am Tifliser Flughafen landeten wir mitten in der Nacht, wo wir nach kurzer Passkontrolle schnell unseren Fahrer zum Hotel fanden. Dafür, dass es halb vier nachts war, wirkte der Flughafen ganz schön geschäftig, auch auf dem Parkplatz tummelten sich Hinbringer und Abholer. Kennt man so aus Deutschland nicht unbedingt.

Nach kurzer Fahrt durch das nächtliche Tiflis bezogen wir unser Hotel direkt hinter dem Präsidentenpalast. Unser Zimmer zeigte sich weniger präsidial, manchmal hat so eine Rot-Grün-Schwäche durchaus ihre Vorteile:



Nach kurzer Nacht schlenderten wir ein wenig durch das Wohnviertel, um unser nahegelegenes Hostel aufzusuchen, dort unsere Rucksäcke abzulegen. Dabei fiel uns schon der wirklich erbarmungswürdige Zustand der zumeist historischen Wohnbebauung auf. Im Hostel angekommen stellten wir zu unserer Freude fest, dass wir die einzigen beiden Gäste waren, ich hatte allerdings sowieso ein Doppelzimmer gebucht. Nach kurzem Plausch mit den wirklich netten Gastgebern (ein Ehepaar, das Zimmer in seinem Privathaus vermietete, "Green House Hostel" genannt) starteten wir unseren Stadtrundgang. Schnell mussten wir feststellen, dass Tiflis keine Stadt für Fußgänger ist, immer wieder musste man in waghalsigen Manövern über vielbefahrene Schnellstraßen sprinten oder finstere Tunnel unter diesen benutzen. Außerdem war die Luft durch den vielen Verkehr sehr schlecht, Stuttgart ist gegen Tiflis ein Luftkurort! Allerdings kann man dies den Georgiern nicht verübeln, die dort verkehrenden Autos scheinen zum großen Teil in Deutschland krachend durch den TÜV gefallene Audi, BMW und Mercedes zu sein. Die deutschen Umweltplaketten und Kennzeichenhalter bekannter Autohäuser verrieten deren Herkunft. Als Beispiel darf dieser BMW E34 in zweifelhaftem Zustand herhalten:



Autos ohne Stoßstange gehören in Tiflis übrigens zum normalen Straßenbild. Weiterhin fiel uns auf, dass sich auf fast jeder Parklücke gigantische Ölflecken befanden. Angeblich soll es demnächst TÜV-artige Kontrollen geben, um diese Art der Umweltzerstörung ein wenig einzudämmen. Man darf gespannt sein. Der Kauf einer SIM-Karte mit georgischem 4G scheiterte übrigens an der Verständigung mit den Locals, vielleicht ist das für Nicht-Einwohner auch gar nicht so einfach, ging aber auch so.

Beim weiteren Rundgang durch die Stadt gelang P. dieses Bild der "Kartlis Deda", der sogenannten "Mutter Georgiens":



Die Gebäude im Vordergrund befanden sich gar nicht so weit von der Innenstadt entfernt, sahen aber trotzdem aus, als würden sie im nächsten Moment zusammenbrechen. Auch die Straßen erinnerten uns eher an Feldwege als an Verkehrsadern einer Millionenstadt. Nichtsdestotrotz strahlte Tiflis auf uns an diesem Tag einen netten Charme aus, denn die Einheimischen behandelten uns alle sehr freundlich und das Wetter zeigte sich, ganz im Gegensatz zu dem in Deutschland zur gleichen Zeit, bisher von seiner guten Seite. In der Vorbereitung auf diese Reise lernten wir, dass Georgien nicht klar Europa oder Asien zuzuordnen war, je nachdem, wen man fragte, dem einen oder anderen Kontinent. Die vielen EU-Flaggen in den Straßen der Hauptstadt, gepaart mit den doch mehrheitlich europäischen Fahrzeugen, zeigten für uns dann aber ein recht klares Bild. Wir fühlten uns auch mehr in Europa als in Asien, auch wenn das vielleicht objektiv nicht stimmte. Nachdem wir jedenfalls ein wenig ziellos durch die Innenstadt gelaufen waren, begaben wir uns die Anhöhe unter der Statue hinauf, um einen besseren Überblick über Tiflis zu bekommen. Belohnt wurde der steile Anstieg mit dem Ausblick vom "144 Stairs Café":



Dort oben nahmen wir einen kleinen Snack zu uns, wurden dabei von einem weiteren Gast beobachtet:



Leider fing es dann kurze Zeit später stark zu regnen an, sodass wir uns wieder schnell die Stufen hinunter begaben, uns im Hostel trockneten und kurz ausruhten, immerhin war die vorhergehende Nacht recht kurz gewesen. Nachdem sich der Regen wieder verzogen hatte, suchten wir nach einer Essensgelegenheit für den Abend und fanden diese in Form des Restaurants "Racha" nahe des Liberty Square. Ich glaube, georgischer ging es nicht mehr; nicht nur, dass niemand der Angestellten auch nur eines Wortes Englisch mächtig war, so standen ausschließlich georgische Köstlichkeiten auf der für uns nicht lesbaren Speisekarte (zumindest leiteten wir das von den Tellern der Nachbartische ab). Das störte uns aber überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, wir zeigten einfach auf die Teller auf der Durchreiche zur Küche und ließen uns insgesamt drei Hauptgerichte auf den Tisch stellen. Der Umgang des Personals mit den Gästen war, sagen wir es mal positiv, etwas rustikal, aber nicht direkt unfreundlich. Das Essen (Rindfleisch, Teigtaschen und eine Art Suppe) schmeckte jedenfalls vorzüglich, genau so wie die zwei Bier für jeden. Alles in allem kam die Rechnung auf umgerechnet 11 Euro - insgesamt, wohlgemerkt! Für das Gebotene wirklich spottbillig. Wer einmal in Tiflis gut und günstig georgisch Essen gehen möchte, dem sei das Racha wärmstens ans Herz gelegt. Ja, es befindet sich in einem verqualmten Keller und man sitzt auf Stühlen aus den 70ern, das Essen macht das aber mehrfach wieder wett. Leider machten wir davon keinerlei Fotos, aufgrund des etwas schummrigen Lichtes wären die aber sowieso nicht gut geworden.

Beim Essen sprach uns ein Tscheche vom Nachbartisch auf perfektem Deutsch an und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch über Georgien, Tschechien, Deutschland und die Welt (seine ultrarechte Gesinnung versteckte er dabei wirklich gut, das fiel mir dann erst später auf Facebook auf, nun ja). Zu dritt begaben wir uns noch in eine Weinhandlung, wo wir nach einer wirklich guten Weinverkostung eine Flasche Rotwein erstanden:



Da wir uns einig waren, den angebrochenen Abend noch nicht im Bett verbringen zu wollen, zogen wir noch ein wenig um die Häuser. In einer Bar, die innen aussah wie ungefähr jede "hippe" Bar in Westeuropa lernten wir noch einen in Dubai lebenden Inder erkennen, mit dem ich mich vorzüglich über den Oman und den arabischen Raum unterhielt (er selbst arbeitete als IT-Projektmanager o.ä.). Als Bier bot man uns Veltins an, dafür fliegt man also stundenlang durch die Gegend, toll! Zum Glück gab es auch lokale Sorten.
Am Ende wollten wir noch in einen Club gehen, aber aufgrund der vorangegangen kurzen Nacht und der in meinen Augen eher langweiligen Musik überzeugte ich unsere Gruppe, den Heimweg anzutreten und uns mal so richtig von einem der unzähligen Taxifahrer abziehen zu lassen. Wobei die umgerechnet acht Euro für eine komplett unnötige und ungewollte, aber ziemlich umfangreiche Stadtrundfahrt gar nicht mal so teuer waren. Sei es drum, erschöpft vom ersten Tag in Georgien fielen wir in unsere Hostelbetten. Mehr in Kürze!
 
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Hene

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27.03.2013
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Danke für den Bericht, interessant die Stadt aus der Sicht eines nicht des Russischem bzw. Georgischem mächtigen zu betrachten. Das mit der Bausubstanz ist leider traurig, aber zum überwiegenden Teil der sowjetischen Stadtplanung zuzuschreiben sowie dem Fakt, dass in der Altstadt fast jedes Haus unter Denkmalschutz steht und die Bewohner schlicht kein Geld haben für Instandsetzungsarbeiten.

Gut und günstig kann man in Tbilisi fast überall essen. Aber das Racha ist wie die namensgebende Region schon ein besonderer Ort. Die Bewohner Rachas gelten im übrigen in Georgien als etwas langsam und einfältig, etwa wie bei uns die Ostfriesen. Deswegen hats vielleicht auch mit dem Service im Racha gehakt:)
 
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03.04.2013
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Am nächsten Tag liefen wir nicht allzu früh morgens noch einmal in die Innenstadt, um ein wenig zu frühstücken. Überall in der Stadt verteilt gibt es so kleine Stände mit Chatschapuri, gefüllten Teigtaschen. Meist sind diese mit Käse gefüllt, Bohnen und Hack haben wir aber auch gesehen. Auf jeden Fall machen sie sehr satt. Danach checkten wir aus dem Hostel aus, um in die Stadt Telavi zu fahren, in die Weinregion Kachetien. Dazu ließen wir uns von unserer Hostelmutter eine Unterkunft einer Bekannten empfehlen. Für den Transfer nach Telavi (knapp 100 Kilometer) sollten wir uns zur Metrostation "Isani" begeben, dort führen die Mitfahrgelegenheiten nach Telavi ab. Man nannte uns noch einen Preis von 10 Lari (4 Euro) pro Person, der für diese Fahrt normal wäre. Da uns die Metro selbst auch interessierte, nahmen wir diese für die zwei Stationen vom Liberty Square nach Isani:



So muss sich U-Bahn-Fahren in Moskau anfühlen. Zunächst einmal war eine Einzelfahrt spottbillig, ungefähr 40 Cent. Dann ging es sehr schnelle Rolltreppen extrem lang in die Tiefe, bis man in einer kathedralartigen Station auf die Metro warten durfte. Die Züge erinnerten stark an die aus Moskau (kenne ich nur von Bildern), auch der Countdown bis zum nächsten Zug an den Stationsanzeigen soll in der ehemaligen UdSSR sehr verbreitet sein. Da es in Tiflis mit über 20 Grad mittlerweile sommerlich warm war, kam uns ein wenig Abkühlung in der Metrostation gerade recht. In der Bahn selbst waren die Ansagen sowohl auf georgisch als auch auf Englisch, sehr touristenfreundlich. Nach kurzer Fahrt spuckte uns eine schnelle Rolltreppe in Isani wieder an die Oberfläche. Dort fanden wir nach kurzer Zeit den Abfahrtsplatz der zahlreichen privaten Fahrer und wurden auch sofort belagert. "Telavi, Telavi, Telavi, only 20 Lari!" - aber nicht mit uns. Am Ende landeten wir für 15 Lari pro Person in einer uralten C-Klasse (natürlich wieder mit deutschem Kennzeichenhalter), zusammen mit einer älteren georgischen Dame und einem eher jugendlich aussehenden, jungen Mann. Ja richtig, am Ende saßen wir natürlich zu dritt auf der Rückbank! Und wie es sich für Georgien gehörte, selbstverständlich ohne Gurte - diese sind in Georgien hinten nicht Vorschrift und werden dann extra aus westlichen Fahrzeugen ausgebaut...

Die Fahrt war wie im Film: Aus dem Radio krächzte georgische Volksmusik, zu der unsere Mitreisenden fröhlich trällerten; unser Fahrer hielt in der einen Hand eine Zigarette und in der anderen ab und zu das Lenkrad. Der Verkehr war echt übel, es wurde wie wahnsinnig überholt, auch an den unmöglichsten Stellen. Wir verwöhnte Westeuropäer sahen schon unser Leben an uns vorbeiziehen, P. meinte irgendwann zu mir "Du weißt schon, dass ich im Bereich Insassenschutz arbeite und ich ständig Gründe sehe, warum wir gleich draufgehen?".
Irgendwann bogen wir auf eine Landstraße ab und der Verkehr wurde weniger, die Straßen dafür schlechter. Nach circa 1,5 Stunden kamen wir trotz allem wohlbehalten in Telavi an, es herrschte ein angenehmes Klima. Bevor wir unsere Unterkunft aufsuchten wollten, liefen wir noch ein wenig durch das kleine Städtchen. Im Gegensatz zu Tiflis lief das Leben hier wesentlich langsamer ab und immer wieder tauchten die Gipfel des Kaukasus im Hintergrund auf, sorgten für ein tolles Panorama:



Generell fiel uns auf, dass die SUV-Dichte nun extrem abgenommen hatte und ich fühlte mich ob der Fahrzeuge in den Straßen in meine Jugend der 90er in Ostdeutschland zurückversetzt. Zusätzlich erblickten wir noch viel ältere Modelle, diesen Lada zum Beispiel, dafür war selbst ich schon zu alt:



Aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen lebten in diesem Auto unzählige Bienen - vielleicht gehörte es einem Imker.
Nachdem wir unsere Unterkunft in einem kleinen Nebenhaus im Garten des Familienwohnsitzes bezogen hatten, gingen wir noch einmal auf die Jagd nach etwas Essbarem. Da wir Zugriff auf eine Küche hatten, liefen wir über den Wochenmarkt und kauften ein wenig Gemüse und Fleisch. Die Georgier sprachen kein Wort Englisch, so schlugen wir uns mit ein wenig Polnisch und Handzeichen durch. Bei der Gelegenheit probierten wir auch die georgische Standardsüßigkeit, mit Traubensaft überzogene Walnüsse. Zuerst hielten wir diese für Kerzen, die Georgier lachten sich kaputt, als wir per Handzeichen nach einem Feuerzeug fragten. Sie bedeuteten uns dann, einfach mal reinzubeißen. Nur zögerlich nahmen wir den ersten Bissen, schmeckten wirklich gut! Leider fanden wir in der Küche weder Öl noch Butter oder Margarine, sodass wir zum Braten etwas improvisieren mussten:



Gesund war das mit Sicherheit nicht, aber geschmeckt hat es uns trotzdem. Am Abend saßen wir dann noch mit den anderen Gästen, welche aus Israel und Italien gekommen waren, auf der Terrasse und genossen den selbst produzierten Wein, den uns unsere Gastgeberin freundlicherweise zum Probieren überließ. Es wurde irgendwann ganz schön kalt, sodass wir den Außenkamin anzündeten und saßen so lange am Feuer, bis uns der Wein ausging.