Penang zwischen den Jahren oder reif für die Insel

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monty2006

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17.11.2011
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Prolog

August 2018. The Wing, Hongkong. Auf den nächtlichen Flug nach Auckland wartend, spielte uns das Wetter plötzlich einen Streich, denn ein einsetzender Platzregen über Chek Lap Kok sorgte für den verspäteten Abflug der Maschine CX 113. Just in diesem Moment – Jupiter stand offenbar gerade im neunten Haus – erschien im VFT der Post des Mitforisten drivechip: Edinburgh-Penang für 783 Pfunde in C. Die geneigte Leserin weiß, was nun folgt: kurze Frage an knutschi ob's denn konvenieren würde. Pjöngjang? Nein, Penang. Nuschel ich etwa im Alter? Genehmigt. Geprüft. Gebucht. Der Flug war eingetütet, ein Hotel auf Penang ebenfalls schnell gefunden. Weihnachten kann kommen.

Allerdings sollte es sich als besondere Herausforderungen gerieren, einen passenden Positionierungsflug nach Schottland zu finden. Mit Abflug Edinburgh am 26. Dezember zu unchristlicher Zeit – sprich um nullsiebenhundertfünfzig morgens – gibt es durchaus valide Argumente für eine Anreise am Tag zuvor. Das aber sollte der erste Weihnachtsfeiertag sein, und da herrschte kollektive Feier(tags)laune bei gängigen Luftfahrtunternehmen. Einzig unsere tulpenzüchtenden Nachbarn wollten von all dem Weihnachtsrummel nichts wissen und boten Flugscheine für die Strecke in die schottische Hauptstadt feil. Zurück ging es schließlich mit BA auf Avios, wobei wir am Ende noch zwei Tage Edinburgh drangehängt haben. Die Reise stand somit fest und es ergab sich folgendes, wenig spektakuläres Routing:

25.12.18 MUC-AMS-EDI mit KLM / eine Nacht im Hilton Edinburgh Airport
26.12.18 EDI-DOH-PEN mit QR / sieben Nächte im DoubleTree Resort by Hilton Penang
03.01.19 PEN-DOH-EDI mit QR / zwei Nächte im Hilton Edinburgh Carlton
06.01.19 EDI-LHR-MUC mit BA


Die Anreise

Dezember 2018. Mit jedem Tag darf ein weiteres Türchen am Weihnachtskalender geöffnet werden, bis endlich alle Schokolade erfolgreich vernichtet wurde. Zeit, die Koffer zu packen. Wie immer brachte uns der Airport Bus vom Münchner Hauptbahnhof zügig ins Erdinger Moos. Ausstieg heute allerdings nicht im T2, sondern im T1 Abschnitt D. Ein Novum: kein Status, kein Priority, kein Fast Track, keine Lounge, kein nichts. Doch, Einsteigegruppe 5. Wir sind die letzte Gruppe, die die nahezu ausgebuchte Boeing 737 betritt. Flug und Service waren absolut in Ordnung, weder besser, noch schlechter als bei der Konkurrenz. In Ermangelung einer gültigen Zutrittsberechtigung zu einer der exklusiven Wartehallen hier in Amsterdam lädt nunmehr die grüne Nixe dazu ein, uns bei Kaffee und Kuchen der bloßen Kurzweil hinzugeben. Langsam verrinnt die Zeit, bis schließlich unser Flug aufgerufen wird. Am Finger erwartet uns die blau-weiß lackierte Maschine nach Edinburgh, am Gate ein paar Fluggäste mit roten Nikolausmützen. Ach ja, es weihnachtet sehr.



Wie der Zufall es so will, treffen wir beim Boarding auf den Tippgeber drivechip, der ebenfalls nach Penang unterwegs ist. Auch dieser Flug ist nahezu ausgebucht – ob da noch weitere Foristen an Bord sind? Neunzig Minuten später erreichen wir Edinburgh, weitere dreißig Minuten später unser Domizil für heute Nacht. Auch Mitforist drivechip ist Hiltonschläfer, der uns beim Abendessen über den Equipment Change informiert. Bei Qatar ist das ja immer so eine Sache, aber dieses Mal scheint uns das Glück hold. Für morgen steht ein A350 mit Qsuites auf dem Plan. Läuft. Um nullfünfhundertdreißig ist die Nacht vorbei und die infernalische Maschine mahnt uns zum Aufstehen. Nach kurzem Fußmarsch zum Flughafen und einem (ersten) Champagner in der Lounge folgt alsbald das Einsteigen. Ich mache es mir mit den Kindern auf 1K bequem; Knutschi hat aus Respekt vor dem Produkt sogar ihren roten Pulli angezogen. Es folgt ein weiterer Champagner und schon entschweben wir in den kalten schottischen Morgen mit Ziel Doha.



Meine Wahl fällt auf das arabische Frühstück und – intuitiv – auf einen Shiraz aus der Weinkarte. Die Flugbegleiterin legt ihren Kopf zur Seite und mustert mich für eine Sekunde. "The Shiraz together with your breakfast?" Zugegeben, es ist kurz nach acht, vielleicht noch etwas früh für Rotwein. Ich wähle stattdessen einen Mocktail (der geschmacklich sehr lecker war) und vertage den Shiraz aufs Mittagessen. Gegen 17:45 Uhr Ortszeit erreichen wir Doha und draußen wird es bereits wieder dunkel. Tempus fugit; was für ein seltsamer Tag.



Rein rechnerisch haben wir nun acht Stunden Aufenthalt an diesem wunderbaren Ort, wo Milch und Champagner, äh, Honig fließen. Auch für den geübten Alkoholiker stellt das eine gewisse Herausforderung dar. Insofern entscheiden wir uns für Kultur und buchen kurzerhand eine Stadtrundfahrt durch Doha. Gegenüber Gate A4 lassen sich die Tickets für 40 QAR (etwa 9,50 EUR) pro Person erwerben. Wir marschieren zur Einreise und besteigen anschließend den Bus, der vorm Flughafen auf die Gruppe wartet. Erster Anlaufpunkt ist der Dhow Harbour, von dem aus man einen guten Blick auf das im Jahr 2008 eröffnete Museum für Islamische Kunst erhält. Nächste Station ist das Kulturdorf Katara mit seiner imposanten, traditionellen Architektur.







Es geht weiter zu The Pearl-Qatar, einer 400 Hektar großen künstlich angelegten perlförmigen Insel, die vor allem mit edlen Geschäften, zahlreichen Restaurants und Luxushotels aufwartet. Letzte Station auf der gut zweieinhalbstündigen Tour ist Souk Waqif, ein traditioneller arabischer Markt in der Nähe unseres ersten Stopps, dem Dhow Harbour. Hier fällt zunächst das Islamische Kulturzentrum Abdulla Bin Zaid Al Mahmoud auf, dessen Moschee sich durch ein einzigartiges Minarettdesign auszeichnet. Auf dem Markt selbst lassen sich allerlei (kuriose) Waren käuflich erwerben oder bei Shisha und Tee die Kühle des Abends genießen.











Wir sind zurück am Hamad International Airport. Die verbleibende Zeit bis zum Abflug überbrücken wir mit Espresso Martini in der Al Mourjan Business Lounge. Inzwischen ist ein neuer Tag angebrochen – für mich einer der gravierendsten Nachteile beim Umstieg in der Wüste – und um kurz nach eins beginnt das Boarding für unseren Flug nach Penang. Aus der bei Buchung angezeigten Tripple Seven wurde ein Dreamliner; müde lasse ich mich auf meinen Einzelsitz 5A danieder. Die Kinder schlafen schon tief und fest und nach dem letzten (ersten?) Champagner des Tages werde ich es ihnen gleich tun. Vom Flug selbst bekomme ich nicht viel mit, erst zum Frühstück werde ich (auf Wunsch) geweckt. Die Maschine landet sanft auf dem im Süden der Insel gelegenen Flughafen. Es folgen Einreiseformalitäten und Mietwagenabholung – selten habe ich erlebt, dass mit solch hingebungsvoller Akribie jeder, aber wirklich jeder einzelne Kratzer des rundum lädierten Mietwagens auf dem Übergabeprotokoll festgehalten wird. Außerdem werden wir noch auf das Mysterium der Parktickets sowie deren Erwerb im 7-Eleven hingewiesen, bevor wir uns auf die Fahrt zur diametral anderen Seite der Insel aufmachen. Das Hilton liegt am Pantai Miami, einem Strand, der besser klingt, als er aussieht. Beim Upgrade-Lotto gewinnen wir eine King Terrace Suite mit Meerblick. Läuft. Außerdem legt man uns die Happy Hour ans Herz, als Diamond-Gäste erhalten wir natürlich Getränke und Canapés aufs Haus. Läuft. Wir verabreden uns für 18:00 Uhr mit Mitforist drivechip, der ebenfalls in diesem Etablissement abgestiegen ist. Schon wieder Alkohol; die Kinder haben ihre rechte Freude daran.







Inzwischen haben Sonne und Mond sich abgewechselt und es wird langsam dunkel. Wo sind nur die letzten beiden Tage verblieben? Wir entscheiden uns für die Terrasse und lassen den Abend bei angenehmen 25 °C ausklingen. In Deutschland soll es bald Schnee geben. Ich erkundige mich bei knutschi nach den Plänen für morgen. Auf dem Programm steht der Penang National Park. Aber morgen ist heute noch ganz weit weg...
 
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monty2006

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Tag 1: Bei den Schildkröten im Nationalpark

Die senile Bettflucht treibt uns gegen 7:00 Uhr aus dem wohl temperierten Schlafgemach. Draußen lacht die Sonne, drinnen ist es eisig kalt – HVAC at its best. Langsam macht sich ein aufkeimendes Hungergefühl bemerkbar. Im hauseigenen Restaurant Makan Kitchen herrscht bereits Rush Hour. Zumindest will uns das die Tafel mit den farbigen Zeitintervallen so vermitteln: Alarmstufe Rot. Drinnen begegnen dem verwöhnten Gaumen dann mannigfaltige Geschmacksrichtungen, die von malaysischer bis zu westlicher Küche reichen. Es sind vor allem die frisch zubereiteten Roti, die uns anlachen und hervorragend zu den diversen Currys schmecken. Wer braucht da schon pochierte Eier mit holländischer Sauce? Gestärkt und mit den Kindern (zumindest einem Teil der Bande) im Schlepptau fahren wir die paar Kilometer auf der Jalan Teluk Bahang in westlicher Richtung, bis die Straße endet und der Taman Negara Pulau Pinang beginnt – der Penang Nationalpark. Es geht vorbei an zahlreichen Händlern, die uns ihr mehr oder minder schwimmtaugliches Gefährt für einen Ausflug zu Wasser verchartern möchten. Neben Malaysischem Ringgit darf auch gerne in Euro gezahlt werden. Vornehmlich Touristen mit bunten AIDA-Stickern auf der Brust üben sich hier im Feilschen. Wir spazieren weiter zum Bootssteg und treffen auf ein paar Affen, die gerade ihr Frühstück verspeisen. Daneben prangt ein Warnschild der Regierung: man möge nur solche Boote besteigen, bei denen der Kapitän auch die nötige Lizenz (mit Bild) innehat und zudem ausreichend Sitzplätze und Rettungsringe vorhanden sind. Die AIDA-Gruppe läuft freudestrahlend an uns vorbei und faselt etwas von 'Mangkä Bitsch'. Was nun, Bitch oder Beach? Hauptsache Italien!









Am Eingang des Parks müssen wir uns registrieren. Die Dame verweist auf eine ausgehängte Liste, in der Name, Nationalität, Passnummer, Hoteladresse sowie Zeitstempel des Ein- und Austritts zu ergänzen sind. DSGVO kennt hier natürlich niemand. War unser ursprüngliches Ziel noch Monkey Beach und der Leuchtturm, müssen wir umplanen, denn gemäß Übersichtskarte sind Teile des Weges gesperrt. Wir entscheiden uns für Pantai Karachut – den Schildkrötenstrand – sowie den meromiktischen See. Dank der Limnologin an meiner Seite weiß ich nun, dass in meromiktischen Gewässern eine Durchmischung nur in bestimmten von einander getrennten Zonen stattfindet. Warum auch immer muss ich dabei an Latte Macchiato denken. So ein Kaffee wäre jetzt etwas Feines. Zurück zum Park. Die Karte spricht von 80 Minuten Fußmarsch, die offizielle Webseite ergänzt treffend "the trails are often wet, can be steep in parts and you may have the odd fallen tree, or group of rocks to climb over". Besser kann man es nicht formulieren. Wir machen uns auf den Weg und irgendwo in meinem Hinterkopf meldet sich Psalm 23 vom guten Hirten zu Wort: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück...







Nach gut 90 Minuten erreichen wir unser Ziel und stehen nunmehr vorm meromiktischen See. Oder zumindest das, was von ihm übrig ist. Der See ist nämlich komplett ausgetrocknet. Logisch, dass hier keine Durchmischung stattfinden kann; das leuchtet auch dem Informatiker ein. Ein paar Schritte weiter beginnt der Strand und wir treffen abermals auf die eigentlichen Bewohner des Parks. Neugierig werden wir von Affen gemustert. Die Kinder hätten gerne ein Selfie, aber da die kleinen Biester (also die Affen, nicht die Kinder) fürs Klauen bekannt sind, verbleiben Knutschi, Streifi, Kiwi und Queeny besser im Rucksack.









Pantai Karachut – der Schildkrötenstrand. Nur sind weit und breit keine Schildkröten in Sicht. Dafür scharenweise Boote, die bewegungsphlegmatische Touristen direkt vom Parkeingang hierher bringen. Ob da unsere AIDA-Gruppe dabei ist? Auch ein paar Sonnenanbeter haben es sich auf den wenigen hundert Metern Sandstrand gemütlich gemacht. Aus Brüllwürfeln tönen internationale Hits in malaysischer Interpretation. Bei uns würde man vermutlich Schlager dazu sagen. Atemlos durch die Nacht, spür' was Liebe mit uns macht. Danke, Helene. Jetzt bist du in meinem Kopf. Atemlos, schwindelfrei, großes Kino für uns zwei. Wo waren wir, ach ja, bei den Schildkröten. Vornehmlich gibt es auf Penang zwei Arten, die grüne Seeschildkröte, die von April bis August ihre Eier hier ablegt, und die Oliv-Bastardschildkröte, die in den Monaten September bis Februar am Strand anzutreffen ist. Unweit des Wassers befindet sich das Zentrum für Schildkrötenaufzucht. Sobald die jungen Schildkröten (nach etwa 60 Tagen) aus ihren Eiern geschlüpft sind, werden sie geschützt vor ihren natürlichen Fressfeinden (inkl. Mensch) dort aufgezogen, markiert und mit einem bestimmten Alter wieder in die Wildnis ausgesetzt. Wir hatten Glück und durften ein paar grüne Babyschildkröten bei ihren Schwimmübungen begleiten.











Anschließend machen wir uns auf den Rückweg. Wir überwinden den Dschungelpfad ein weiteres Mal ohne größere Blessuren. Der teutonischen Tugend folgend, wollen wir uns am Parkeingang wieder austragen, aber Dame und Liste haben bereits Feierabend. Na ja, die werden schon keinen Suchtrupp nach uns losschicken. Wir fahren ins Hotel und treffen uns mit Forist drivechip zur Happy Hour. Man kennt uns bereits und der Chef des Schankraums eilt mit der Weinflasche herbei. Irgendwann gesellen sich auch die Canapés dazu. Für einen kurzen Moment kommen mir die AIDA-Touristen in den Sinn, die vermutlich schon auf dem Weg zur nächsten Station sind. Ich nippe am Wein, der eine Temperatur wie die in unserem Schlafzimmer vertragen könnte. Dann werden Pläne für den Abend geschmiedet. Wir wollen nach Batu Feringghi. Das beliebte Strandziel von Einheimischen und Touristen ist zwar kein tropisches Idyll, dafür bietet es zahlreiche Restaurants und einen Nachtmarkt. Die Wahl fällt auf 'The Ship' und bei mir auf einen gemischten Meeresfrüchteteller mit Zackenbarsch, Jakobsmuscheln, Butterkrebs, Kalamari und Garnelen.





Gleich neben dem Restaurant hat die grüne Nixe ihr Lager aufgeschlagen. Mit betörendem Gesang lockt sie mich und verspricht Belohnung, wenn ich nur meinen Koffeinpegel aufzufrischen vermöge. Ja, grüne Nixe, ich kann dich hören. Wir betreten den Laden und finden uns im 200. Starbucks von ganz Malaysia wieder. Dazu wurde sicherlich ein eigenes Team am Pike Place beauftragt, für diesen besonderen Anlass eine gebührende Tasse zu kreieren. Aus einschlägigen Quellen weiß ich nur zu gut, dass selbst notorische Tassensammler diese nicht goutieren. Insofern bleibt unser Exemplar im Regal und wir investieren lieber in Kaffeebohnen.



Der Tag neigt sich dem Ende zu. Wir genießen noch ein wenig die laue Abendluft auf der Terrasse, bevor wir unseren Kühlschrank, pardon, unser Schlafzimmer aufsuchen. Und morgen, Paps? Morgen, ja, morgen statten wir George Town einen Besuch ab. Gute Nacht Kinder...
 
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monty2006

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Tag 2: George Town oder die Suche nach Kunst auf Mauern

Fleisch reift am besten in einer Kühlkammer. Altes Metzgerlatein. Ich fühle mich wie Dry Aged Beef. Zwar habe ich keine 40 Prozent Gewicht verloren, aber im Schlafzimmer herrscht dank Klimaanlage eine Temperatur um den Gefrierpunkt. Wir eilen zum Frühstück. Die Farbskala des Makan Kitchen signalisiert für diesen Morgen gelben Alarm. Wieder entscheiden wir uns für Roti – eine gute Wahl. Der heutige Tag steht ganz im Zeichen von George Town, der Inselhauptstadt. Mit Stadtplan, Wasser und Sonnencreme bewaffnet, machen wir uns auf den Weg zur Parkgarage. Weinachten ist zwar längst vorbei, aber hier läuft seit Tagen ein und dasselbe Lied. Warum nur muss es ausgerechnet dieses sein? Last Christmas, I gave you my heart, but the very next day you gave it away. This year, to save me from tears, I'll give it to someone special. Wir wühlen uns durch den malaysischen Verkehr und suchen den nächsten 7-Eleven auf, um Parktickets zu erstehen. Die Tickets sehen aus wie überdimensionale Rubbellose und sind in den Varianten 30 Minuten, eine Stunde und ein Tag erhältlich. Gekauft. Nächstes Ziel: der Jubiläumsuhrenturm. Selbiger steht mitten auf der Kreuzung an der Pesara King Edward und wurde anno 1897 anlässlich Königin Victorias diamantenem Jubiläum für 60 Jahre Regentschaft erbaut. Wir stellen unseren Wagen dort ab und begeben uns nun zu Fuß auf Erkundungstour. Vorbei an der Bomba, der Feuerwache von George Town, werden wir schließlich in der Lebuh Ah Quee fündig – der Junge auf dem Motorrad, eines der wohl bekanntesten Straßenkunstwerke der Insel von Ernest Zacharevic. Der litauische Künstler hat sich 2012 im Rahmen des George Town Festivals noch an vielen weiteren Stellen der Stadt verewigt, etwa mit seinem Wandbild von Kindern auf einem Fahrrad, das nur unweit entfernt ist.









Anfang des 19. Jahrhunderts gab es fünf einflussreiche Hokkien-Familien in Penang. Die älteste Familie, der Cheah Clan, hat hier an der Beach Street ihren Clantempel errichtet. Aufgrund einer Veranstaltung war das Gebäude für die Öffentlichkeit gesperrt, aber zumindest im Garten ließ sich noch das Wandbild Cats and Humans Happily Living Together vom Künstler ASA mitnehmen. Auch die malaysische Telekom war an diesem Morgen schon auf den Füßen; oder sollte ich sagen auf den Badelatschen. Nur gut, wer bei dem Kabelwirrwarr den Überblick behält. Unser Weg führt uns weiter zur Lebuh Armenian. Auch hier finden sich – meist in engen Seitengässchen versteckt – interessante Wandbilder, die die eine oder andere Touristin schon mal zur Nachahmung inspirieren. Wir sagen Danke fürs Modell stehen.











An der Ecke zur Lebuh Cannon geben sich Tempel unterschiedlicher Couleur die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Wir besuchen den daoistischen Hock Teik Cheng Sin Tempel, der in den Jahren 1850 bis 1867 errichtet wurde und ebenfalls zu den Clantempeln der Hokkien-Gemeinde zählt. Er ist dem Schutzpatron Tua Pek Kong gewidmet, der daoistischen Gottheit für Wohlstand. Dem Begründer des Daoismus folgend, machen wir uns Laozis Worte gemein und beginnen unseren (langen) Marsch mit dem ersten Schritt in die Anlage. Es erwarten uns zunächst die üblichen Lampions, Drachen und Räucherstäbchen, bevor sich das prunkvolle Innere des Tempels offenbart. Wie noch öfter am heutigen und in den nächsten Tagen entledigen wir uns unsere Schuhe; ganz eifrige Touristen haben für diesen Anlass sogar Tempelsocken dabei. Im Obergeschoss des Gebäudes befindet sich schließlich der mit reichlich Gold verzierte Altar des Schutzpatrons – ja, Gott des Wohlstands, das ist kaum zu übersehen.









Es geht weiter auf der Lebuh Cannon, die uns an allen möglichen Geschäften vorbeiführt. Von frischem Fisch und Meeresfrüchten über Street Food bis hin zu Rikschafahrten kann hier Vielerlei für wenige Ringgit käuflich erworben werden. Unser Interesse gilt vornehmlich zwei weiteren berühmten Wandbildern, die sich am Ende der Straße verbergen. Der offenkundig Katzen liebende Künstler ASA hat hier mit seiner Cat in a Blue Window genau so seine Spuren hinterlassen wie auch unser alter Bekannter Zacharevic – oder kurz Zach – mit seinem Jungen auf dem Stuhl.









In der Lebuh Victoria treffen wir auf die Art Lane Penang, einen Hort für fesselnde Installationen und Wandbilder. Basierend auf einer Idee von Narelle McMurtrie, heruntergekommenen Gebäuden durch Kunst einen neuen Anstrich zu verpassen, wurde das Grundstück, das früher Restaurants und Läden beherbergte, kurzerhand erworben und zu einem Touristenmagneten umfunktioniert. Durften hier anfänglich noch Hinz und Kunz ihr meist nicht vorhandenes Talent zum Besten geben, so sind es heutzutage überwiegend Bilder und Exponate aufstrebender junger Künstler, die in dem langen Durchgang zu bestaunen sind.









Kunst macht durstig. Ein Blick auf den Stadtplan verrät uns, wo die grüne Nixe auf ihre süchtigen Anhänger wartet. Das letzte braune Heißgetränk, das zumal nicht besonders schmackhaft war, wurde uns zum Frühstück kredenzt. Der anhaltende Koffeinmangel fördert John Lennons Song Cold Turkey in meinem Kopf zutage. Wahrlich aber ist es Last Christmas, welcher bei der kleinen Meerjungfrau in Dauerschleife läuft. Ist das eine besonders perfide Form von Psychofolter oder warum wird überall auf der Insel ausgerechnet dieser Song gespielt? Bevor nun unsere kognitiven Gehirnfunktionen vollständig degenerieren, trinken wir schnell unseren Kaffee und machen uns wieder auf den Weg, obgleich selbiger an vielen Stellen durch Motorräder oder zum Trocknen ausgelegten Fisch versperrt wird. Vom rechten Weg abkommend, entdecken wir dabei eher zufällig das Easter Egg Girl, welches an einer Wand prangt und immerhin unter den 25 schönsten Wandbildern Penangs gelistet wird.







Unser nächstes Ziel ist die Kapitan Keling Moschee. Im Jahr 1801 von indischen Händlern erbaut, steht sie im Zentrum der islamischen Gemeinde von George Town. Leider ist unser Timing suboptimal, denn vom Band ruft der Muezzin zum Gebet. Wir spazieren ein wenig durch die äußere Anlage, aber die große Gebetshalle mit dem riesigen Kronleuchter werden wir heute nicht zu sehen bekommen. Dafür aber zwei Wandbilder in der anschließenden Lebuh Chulia, bevor es bunt und laut wird und wir mitten in Little India stehen. Aus den Lautsprechern dröhnen ausnahmsweise nicht George Michael und Andrew Ridgeley, sondern Punjabi Dance Hits in bester Bollywood-Manier. Warum noch mal sind wir hier? Ach ja, wegen Old Soy Milk Stall und Louis Gans Children on the Swing.













Manchmal steht man vor der schwierigen Frage, ist das Kunst oder doch eher etwas für die Müllabfuhr? Wir studieren das eklektische Werk eine Weile. Aber irgendwie kann ich keinen Zugang finden. Also doch nur Müll. Banause höre ich da imaginäre Stimmen über mich urteilen. Bloß schnell weiter.



Unter Einsatz von Leib und Leben queren wir die stark befahrene Pengkalan Weld und erreichen schließlich den Lim Jetty. Der Landungssteg ist einer von sechs Clanstegs und wurde nach einer japanischen Bombardierung im zweiten Weltkrieg wieder vollständig aufgebaut. Heute ist er primär Anlaufpunkt für Street Food sowie Bootsausflüge und dient Touristen als dankbares Fotomotiv. Vom Steg aus lässt sich die andere Seite, also die Malaiische Halbinsel, gut erkennen, die etwa zwei Kilometer übers Wasser entfernt liegt. Nach dem Motto verschönert unseren Jetty dürfen natürlich auch hier Wandbilder (passend zur Szenerie) nicht fehlen. Wir kommen an einem Laden vorbei, der Durian-Softeis feilbietet. Nun, wer Durian kennt, weiß um deren – na ja – einzigartigen Geschmack. Ich will nicht, aber die schiere Neugier zwingt mich dazu. Der Verkäufer befüllt die Waffel mit der weißen, kühlen Köstlichkeit, die mir ein Verzücken ins Gesicht zaubert. Schmeckt das widerlich, selbst die Kinder danken. Noch lange Zeit später habe ich dieses gustatorische Highlight auf der Zunge. Wir kommen am Ende des Stegs an, von hier ist der freie Blick auf die Penang Bridge – eine 13,5 Kilometer lange Schrägseilbrücke – möglich, die zusammen mit der Sultan Abdul Halim Muadzam Shah Bridge (oft nur als Penang Second Bridge bezeichnet) die Insel mit dem Festland verbindet.









Letzte Station unserer Rundtour ist die Esplanade gegenüber Fort Cornwallis. Hier hat Captain Francis Light im Jahr 1786 die Insel Penang unter dem Namen Prince of Wales Island als Besitztum des Britischen Empires proklamiert. Dort steht auch das Kenotaph, das leere Grabmal zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Eine Hinweistafel (gesponsert von der Deutschen Botschaft) erinnert darüber hinaus an die SMS Emden, einen kleinen Kreuzer der Dresden-Klasse (paging MrGroover). Die Emden hat im Oktober 1914 zunächst den russischen Kreuzer Schemtschug im Hafen von Penang versenkt, bevor sie beim Auslaufen auch noch den französischen Torpedobootzerstörer Mousquet auf den Meeresboden schickte. Auf der anderen Straßenseite befindet sich das 1880 von den Briten erbaute und inzwischen älteste kommunale Gebäude der Stadt, das Rathaus, sowie der Eingang zum Exerzierplatz 'The Padang' inklusive Speakers' Square (in Analogie zur Speaker's Corner im Londoner Hyde Park), einer öffentlichen Bühne, die mittwochs und sonntags zwischen 18 und 22 Uhr für mitteilungsbedürftige Menschen zur Verfügung steht. Aber Vorsicht: Those wishing to speak at the Speakers' Square shall do it at their own risk. The Penang state government and the Penang Island City Council are not responsible for any prosecution or legal action taken by the Royal Malaysian Police. Soll ja keiner behaupten, man hätte ihn nicht gewarnt.







Wir beenden unseren Ausflug und kehren pünktlich zur Happy Hour ins Hotel zurück. Heute allerdings ohne den Mitforisten drivechip, da sich dieser bereits auf dem Rückflug nach Edinburgh befindet. Um 19:00 Uhr geht's dann per kostenlosem Hotelshuttle (aufgrund der knappen Plätze Reservierung unbedingt am Vortag erledigen) nach Batu Ferringhi, die Restaurantwahl fällt an diesem Abend auf das 'Golden Thai Seafood Village'. Das Procedere ist einfach: am Eingang sucht man sich das Abendessen aus einem der Bassins aus, dann setzt man sich an den Tisch und wartet auf die fertigen Speisen, während man die Show genießt. Irgendwie arg touristisch das Ganze – die Speisen dafür relativ teuer und eher enttäuschend. Bevor wir nun zu Wiederholungstätern werden und der grünen Nixe frönen, steht noch eine Fußmassage auf dem Programm. Dreißig Minuten kosten 25 Ringgit (etwa 5 Euro), wenig Geld für viel Schmerz. Dafür läuft es sich anschließend umso entspannter auf leichtem Fuß zur kleinen Meerjungfrau, die uns für die ganzen Strapazen mit einem Heißgetränk nach Brühkunst aus dem Hause SBux belohnt.





Da der Shuttleservice nur als OW buchbar ist, müssen wir für die Rückfahrt die öffentlichen Verkehrsmittel bemühen. Die Busfahrt mit den Linien 101 oder 102 kostet 1,40 Ringgit pro Person. Passendes Kleingeld ist empfehlenswert, da der Fahrer keinerlei Anstalten macht, zu wechseln. Wie schon die letzten Abende verweilen wir noch ein bisschen auf der Terrasse. Ich betreibe Augenpflege, während knutschi sich das morgige Programm überlegt. Ja, so funktioniert Arbeitsteilung. Müde vom Tag besteigen wir unsere Kühlkammer für die nächste Runde Dry Aged Beef. Selamat malam, gute Nacht...
 

monty2006

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Tag 3: Kek Lok Si oder auf den Spuren des höchsten Glücks

"It's always cold inside the icehouse" sang die gleichnamige australische Band anno 1982. Draußen hat es zirka 28 Grad, drinnen wachsen mir Eiszapfen aus der Nase. Die Kinder haben sich tief unter der Bettdecke vergraben. Klimaanlage an, Klimaanlage aus; es liegt eine Art Bang-Bang-Steuerung vor, die nur Extremalpunkte zulässt und uns entweder schwitzen oder frieren lässt. Beides ist unschön; wir eilen zum Frühstück. Im Makan Kitchen herrscht wieder DEFCON 3 – gelber Alarm. Man dankt uns wie jeden Morgen für unsere Loyalität und weist uns anschließend einen Tisch auf der Terrasse zu. Vor der Tür bildet sich langsam eine Schlange, wir sind bei DEFCON 2 angekommen. Einer der Köche läuft von Tisch zu Tisch und bietet aus einem großen Korb ofenfrische Croissants an. Huch, bin ich etwa im falschen Reisebericht gelandet. Bevor wir nun endgültig DEFCON 1 anstreben, beenden wir unser Frühstück und marschieren zur Parkgarage. Schon von weitem höre ich George Michael seine Geschichte vom letzten Weihnachtsfest anstimmen. Herrje, hört das denn nie auf. Wir verlassen das Doppelbäumchen und werden vom Navi durch Mount Erskine sowie über Straßen mit klanghaften Namen wie Jalan Gottlieb, Jalan Macalister oder Jalan Scotland gelotst. Nach etwa 30 Minuten Fahrt erreichen wir unser Ziel: den buddhistischen Kek-Lok-Tempel. Während die großen Reisebusse den Parkplatz am Fuße des Hügels in Beschlag nehmen, winkt man uns immer weiter die Straße entlang, bis wir schließlich mitten durch die Anlage fahren und direkt neben einer der Gebetshallen parken. Läuft. Der Kek-Lok-Tempel, der Tempel des höchsten Glücks, gilt als größter seiner Art in Malaysia und vereint sowohl unterschiedliche Glaubensinhalte als auch Baustile. Mit einer Bauzeit von mehr als zwanzig Jahren wurde er 1930 um eine Pagode und 2002 um eine 30 Meter hohe Bronzestatue der Guanyin, einer weiblichen Bodhisattva des Mitgefühls, erweitert. Drinnen bietet sich das gewohnte Bild: viel Rauch, viel Gold, viel Lärm.











Wir durchstreifen ein paar Arkaden und begegnen dabei dem vierköpfigen Gott Brahma, ebenso wie diversen Wandbildern, unzähligen Buddhastatuen und einer Reisegruppe, die allesamt bunte Sticker 'Mein Traumurlaub' am Revers tragen; hat so ein bisschen das Flair von Pauschaltourismus. Ein Reiseleiter mit Herrenhandtasche und Erkennungsfahne scheucht die Gruppe weiter, da bleibt wenig Zeit für Fotos und Fragen. Aber schon in der nächsten Gebetshalle treffen wir sie wieder – zumindest eine andere Gruppe und eine andere Herrenhandtasche.









Über ein paar Treppen und unter Lampions hindurch geht es hinunter zum Gartenpavillon. Dort wartet Buddha mit den fünf Bhikkhus, seinen fünf Bettlern, auf uns. Als gern genutztes Fotomotiv ist hier heute jedoch wenig los; die Vertreter der modischen Herrenhandtasche führen ihre Gruppen bevorzugt zur großen Pagode anstelle zu den asketischen Schülern der buddhistischen Lehre. Uns kann es nur recht sein.







Es folgt eine weitere Gebetshalle, deren Wände mit unzähligen kleinen, goldenen Buddhastatuen verziert sind. Auch lassen sich hier bunte Wunschbänder käuflich erwerben, die anschließend – um den eigenen Namen ergänzt – auf einem hölzernen Wunschbaum aufgehängt werden können. Dabei geht es meistens um Wohlstand, Geld oder Erfolg – es regiert der Kommerz. Wir gehen weiter und stehen kurz darauf vor den Treppen hinauf zur siebenstöckigen Pagode der zehntausend Buddhas.











Leider erweisen sich die Treppen als Irrweg. Man kommt zwar hoch, aber nicht weiter. Um zur Pagode zu gelangen, müssen wir zurück zur Haupthalle, vorbei an den überabzählbar unendlich vielen Souvenirläden, bis wir schließlich eine kleine Kasse erreichen. Für ein paar Ringgit gewährt man uns Einlass. In der Mitte der großen Halle empfängt uns Vairocana, der Herr der Buddha-Familie, der die Weisheit aller Buddhas in sich vereint. Die Halle selbst ist mit beeindruckenden Wandbildern geschmückt und beherbergt neben Vairocana noch die anderen vier Adibuddhas Amoghasiddhi (Neid), Amitabha (Gier), Aksobhya (Zorn) und Ratnasambhava (Stolz), die die jeweiligen Störgefühle in Weisheit wandeln. Von der Halle geht es zum Garten am Fuß der Pagode – hier wachsen Kürbisse und Blumen, die von Drachen und Schildkröten bewacht werden. Das Tor gegenüber der Pagode birgt eine kleine Überraschung, denn es wurde von Aw Boon Haw und Aw Boon Par errichtet. Die beiden Unternehmer sind vor allem in Singapur für ihre Erkältungssalbe Tiger Balm sehr bekannt.













Die Pagode der zehntausend Buddhas verdankt ihren Namen den vielen Statuen und Abbildungen, die auf und in der Pagode zu finden sind. Die engen Treppen führen uns nach oben, wobei mittig auf jedem Stockwerk ein Altar steht, sodass Gläubige ihre Opfergaben darreichen können. An den Wänden im Treppenhaus und hinter manchen der Statuen prangen Fliesen, die allesamt Buddha als Dekor zeigen. Wer möchte, kann gerne nachzählen. Ob es jetzt tatsächlich zehntausend sind, wage ich aber mal zu bezweifeln. Oben angekommen, erhalten wir einen atemberaubenden Blick über die Tempelanlage und George Town. Außerdem lässt sich der Pavillon erkennen, der zum Schutz der dreißig Meter hohen Guanyin-Statue errichtet wurde – unser nächstes Ziel.













Erneut müssen wir zurück zur Haupthalle, von wo wir der Ausschilderung zur großen Statue folgen. In einem Souvenirladen erstehen wir Tickets für den Schrägaufzug – eine Standseilbahn, die uns auf die Anhöhe bringen soll. Die Fahrt dauert keine Minute. Oben auf dem Plateau herrscht wenig Betrieb. Es sind keine Herrenhandtaschen in Sicht, dafür zwölf chinesische Tierkreiszeichen. Schwein und Ratte sind schnell gefunden, nur die Kinder sind etwas traurig, dass es keine Eisbären und Kiwis gibt. Apropos Schwein, 2019 ist ja bekanntlich mein Jahr, meine Glückszahlen lauten 2, 5, 8 und die besten Karrieremöglichkeiten ergeben sich als Entertainer, Arzt oder Innenarchitekt. Hm, muss ich wohl umschulen. Wir gehen weiter und stoßen unweigerlich auf die Statue der Guanyin. Sie wirkt gewaltig, aber letztendlich ist es der Pavillon, dessen schiere Größe einen staunen lässt. Er hat eine Höhe von 83 Metern und sein achteckiges Dach (inspiriert durch den Himmelstempel in Peking) wird von sechzehn Granitpfeilern gestützt. Und unter diesem Dach befindet sich die größte bronzene, stehende Guanyin-Statue der Welt, die von zwei Dharmapalas, den Schutzgottheiten Ha und Heng, flankiert wird. Genau genommen ist es Guanyin V2.0, denn Version 1 war aus Fieberglas und hielt der Witterung nur kurze Zeit stand.















Der Schrägaufzug bringt uns nach unten, wieder dauert die Fahrt keine Minute. Die Strecke hätte man auch laufen können, nur gibt es keinen Fußweg – der gemeine Tourist mag es halt gern bequem. Wir verabschieden uns vom Tempel und quälen uns durch den Feierabendverkehr. Ziel: die grüne Nixe. Ja, der Geist war willig, aber das Fleisch war schwach. Nachdem der Koffeinsucht gefrönt wurde, geht es zurück ins Hotel. Mir schwant nichts Gutes. George Michael erzählt in Dauerbeschallung immer noch davon, wie er dieses Weihnachten den Tränen entkommen möchte und sein Herz anderweitig verschenkt. Da bleibt nur die Flucht nach vorne, also zur Happy Hour. "This is our Diamond guest" wird der neue Kellner vom Chef der Schanktheke eingewiesen. Man bringt uns schon automatisch Weißwein und Canapés. Der Rest des Abends folgt einem bekannten Muster. Per Hotelshuttle geht es nach Batu Ferringhi, auf dem Speiseplan steht für heute das libanesische Restaurant. Bei knutschi fällt die Wahl auf ein Curry, bei mir auf den Grillteller. Beide Speisen sind sehr schmackhaft, hier kann man gerne wieder vorbeikommen.





Bevor wir nun erneut dem Lockruf der grünen Nixe verfallen, folgt noch etwas Kultur, äh, Knetkur. Die gestrige Fußmassage war zwar schmerzhaft, dafür konnte ich heute laufen wie ein junger Gott. Wir besuchen denselben Salon und werden freudestrahlend begrüßt. Faktisch sind wir jetzt schon so etwas wie Stammgäste. Der Foltermeister nimmt seinen Platz ein und schon bald weiß ich, was ich nicht vermisst habe. Dreißig Minuten später ist die Qual vorbei – zur Belohnung noch einen Kaffee und dann geht's per Bus zurück zum Doppelbäumchen. Laut Wetterbericht soll es morgen regnen; okay, das lesen wir seit unserer Ankunft, davon war aber bisher nichts zu merken. Die Klimaanlage bleibt also an. Ich schnappe mir die Kinder und zusammen vergraben wir uns tief unter der Bettdecke...
 
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monty2006

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Tag 4: Von Thailand bis Burma – Temple Reloaded

Heute ist der letzte Tag des Jahres. Ich erwache bei gewohnter Kälte und versuche, mich unter der Dusche aufzutauen. Klimaanlage aus; langsam kriechen knutschi und die Kinder unter der Bettdecke hervor und wir gehen zum Frühstück. Es herrscht bereits DEFCON 2 im Makan Kitchen. Der Platz auf der Terrasse ist uns sicher, ebenso die Rotis. "Und was steht heute auf dem Programm?" frage ich knutschi. "Zwei Tempel" kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Okay, also wieder jede Menge modischer Herrenhandtaschen und Pauschaltouristen. Noch schnell einen Cappuccino für den ausgewogenen Koffeinhaushalt, und schon befinden wir uns auf dem Weg zur Parkgarage. Mir graut davor. Genauer gesagt, vor dieser furchtbaren Weihnachtsschnulze. Ich lausche. Nichts. Ich lausche wieder. Nichts. Also nicht nichts, es läuft Musik, aber nicht George Michael. Das Hotel hat die Liedauswahl geändert – nun ist Weihnachten wohl endgültig vorbei. Nach gut 20 Minuten Fahrt, inzwischen kenne ich die Strecke wie aus dem Effeff, erreichen wir die Jalan Kelawei. Jetzt gilt es nur noch, einen Parkplatz zu finden und das Mysterium der Parktickets zu lüften. Laut Anleitung darf man die Tickets kumulieren, insofern werden drei dieser Rubellose entwertet – keine Ahnung ob's richtig war, Strafzettel gab es jedoch keinen. Wir marschieren ein paar Schritte und stehen schließlich vor den beiden Tempeln: zur linken der buddhistische Tempel in burmesischer Ausprägung, zur rechten der buddhistische Tempel in thailändischer Ausprägung. Die Wahl fällt zuerst auf den Thailänder, also rechts abbiegen und rein ins Getümmel.









Anno 1845 wurde das Gelände von Königin Victoria als Geschenk an die thailändische Gemeinde auf Pulau Pinang übergeben, woraufhin der Mönch Phra Phorthan Kuad dort eine Tempelanlage errichten ließ. Angeblich zählte Laksa zu den Lieblingsgerichten des Mönchs, weshalb noch heute viele seiner Verehrer eine Schüssel Laksa als Opfergabe mitbringen. Im Inneren der Anlage erwarten uns zunächst dickbäuchige, lachende Buddhas, grimmige Yakshas und bunt glitzernde Drachen, bevor wir zur eigentlichen Attraktion vordringen können. Ich vermisse einzig die Vertreter der modischen Herrenhandtasche, aber für den gemeinen Touristen ist es wohl noch zu früh am Morgen.









Schließlich betreten wir die große Tempelhalle, in der im Jahr 1958 eine 33 Meter lange Statue eines schlafenden Buddhas errichtet wurde – es heißt, dies wäre weltweit die drittgrößte Statue dieser Art. Beim Betreten der Halle werden wir noch auf den fiesen Schuhdieb hingewiesen, der hier sein Unwesen treibt. Aufnahmen der zahlreich vorhandenen Überwachungskameras zeigen einige der Übeltäter, wie sie mit Bündeln von Schuhen vor der Brust fluchtartig die Anlage verlassen. Unglaublich, da kommt der gemeine Tourist in Freundschaft und Frieden und wird dann nichts ahnend seines Hab und Guts beraubt. O tempora, o mores! Neben dem schlafenden Erwachten, dessen Sockel zugleich als Kolumbarium fungiert, finden sich in der Tempelhalle noch viele weitere Buddhastatuen sowie ein Foto von Bhumibol Adulyadej, der 1962 im Rahmen einer Staatsvisite dem Tempel ebenfalls einen Besuch abstattete.







Buddha sei Dank, unsere Schuhe sind noch da – entweder hat die dreiste Schuhmafia montags frei oder sie schwänzen gerade die Arbeit und protestieren bei 'Montage für Maucken'. Wir setzen unseren Weg fort und erreichen den großen Stupa. Im Erdgeschoss befindet sich eine Sammlung unterschiedlicher Buddhastatuen, der Aufgang zu den oberen Stockwerken ist für den Publikumsverkehr leider gesperrt. So ziehen wir unverrichteter Dinge wieder davon und überqueren die Straße von Thailand nach Burma – so schnell kann's gehen. Der burmesische Tempel ist dem thailändischen zwar ähnlich, aber dennoch ganz anders – ja, ja, same same but different.









Inzwischen ist es Mittag – Hunger macht sich zwar noch keiner breit, aber so ein Kaffee wäre jetzt etwas Feines. Später vielleicht. Der Dhammikarama-Tempel wurde im Jahr 1803 von der burmesischen Bevölkerungsgruppe, die seit dem späten 18. Jahrhundert hier siedelte, errichtet und gilt als der älteste buddhistische Tempel in Penang. Wir durchlaufen einen Säulengang, vorbei an zahlreichen Gemälden und Wandbildern, die die Geschichte des Buddhismus verkörpern. In der Hauptgebetshalle treffen wir schließlich auf die wichtigste Statue. Bis auf die großen, weißen Handflächen, die als Zeichen des Friedens nach außen gerichtet sind, ist der hoch aufragende Buddha fast vollständig vergoldet. Dahinter befinden sich verschiedene Buddha-Statuen aus der ganzen Welt, denen Gläubige ihre Opergaben darreichen können.







Hinter der Gebetshalle erwarten uns erneut farbenprächtige Wandbilder mit der Geschichte von Siddhartha, Buddhas weltlichem Namen, sowie Glockenträger und zwei Panca Rupas, mystische Wesen, die die Welt bewachen und beschützen. Wir setzen unseren Weg fort und erreichen das andere Ende der Anlage. Dort befindet sich der Brunnen des epischen Verzichts, jener Moment als Prinz Siddhartha den Fluss Anoma überquerte, die Welt aufgab, sich das Haar abschnitt, seine edle Robe gegen ein Asketengewand tauschte und zu Buddha wurde. Flankiert wird er dabei von Devas (himmlischen Wesen) zu seiner rechten und Maras (üblen Gestalten) zu seiner linken. Während die einen ihn zu seiner Suche nach Erleuchtung ermutigen, versuchen die anderen vergebens, ihn davon abzuhalten. Buddhismus kann ganz schön kompliziert sein. Habe ich schon erwähnt, dass ein Kaffee jetzt etwas Feines wäre.







Dann stellen sich uns Naga, der mythische Drache, und Garuda, der mythische König der Vögel, in den Weg. Beide finden in buddhistischen Texten Erwähnung, womit deren Existenz ordnungsgemäß belegt ist. Wie war das noch mit Evidenz? Auch dieser Tempel verfügt über einen Stupa, der neben schön gearbeiteten Statuen und filigranen Figuren insbesondere mit einem wunderbaren Blick vom Dach auf die Anlage und George Town aufwartet. Wir beenden unseren spirituellen Ausflug in die Welt des Siddhartha Gautama und halten es nun eher mit Markus, Kapitel 14: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. So ein Kaffee, der wäre jetzt wirklich etwas Feines.













Ausnahmsweise ist es dieses Mal nicht die grüne Nixe, deren Lockruf wir verfallen. Nein, es ist Harriston Signature in der Jalan Kelawei – a unique Malaysian chocolate experience. Der Laden ist fußläufig in wenigen Minuten von den beiden Tempeln aus zu erreichen und bietet Schokoladenliebhabern allerlei Außergewöhnliches. Die Preise sind zwar eher europäisch, aber so ein Mitbringsel gibt es ja nicht jeden Tag. Im angeschlossenen Café frönen wir schließlich der Koffeinsucht, bevor wir uns auf den Rückweg machen und 'unserem' Strand einen Besuch abstatten. Der Pantai Miami lädt nicht wirklich zum Verweilen ein, aber die Kinder wollen unbedingt ein Selfie, durften sie bisher doch eher selten in Erscheinung treten. Eine Brücke führt vom Strand direkt zum Hotelpool, wo deutlich mehr Menschen anzutreffen sind. Inzwischen hat die Happy Hour begonnen, es folgen Weißwein und Canapés. Um uns herum werden letzte Arbeiten für das Silvesterbuffet getätigt, uns ist heute mehr nach kalten Fischaufschnitt. Auf Penang gibt es mehrere Filialen von Sakae Sushi, die nächstgelegene befindet sich im Tesco Hypermarket Tanjung Pinang.















Normalerweise würde nun eine Sitzung beim Foltermeister in Batu Ferringhi folgen, aber heute fällt die Massage aus. Stattdessen fahren wir zurück ins Hotel und verbringen den Rest des Abends bzw. die letzten zwei Stunden des Jahres auf unserer Terrasse. Pünktlich um Mitternacht gibt es ein kleines Feuerwerk, dann ist 2019. Noch ein kurzer Blick auf den Wetterbericht für morgen: Regen. Ja, das kennen wir schon...
 

monty2006

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17.11.2011
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Tag 5: Der Tourist, der auf einen Hügel stieg und von einem Tempel herunterkam

Auch das neue Jahr beginnt mit Eiseskälte. Warum kennt diese Klimaanlage nur die beiden Zustände an und aus? Frieren oder Schwitzen – binäre Entscheidungen sind immer so bipolar. Wie schwarz oder weiß. Und dazwischen liegen doch mindestens fünfzig Schattierungen von grau. Kinder, aufstehen! Keiner möchte das warme Nest verlassen. Aber im Makan Kitchen ist sicherlich schon mit einem erhöhten Aufkommen von übrig gebliebenen Silvestergästen zu rechnen. Bevor nun endgültig DEFCON 2 ausgerufen wird, eilen wir zu Cappuccino und Rotis. Das Programm des heutigen Tages wird diskutiert. Es geht auf einen Hügel, keinen Berg, der im Vorort Air Itam, etwa 9 Kilometer westlich von George Town gelegen, auf der Insel emporragt. Sportbegeisterte können die rund 830 Höhenmeter bis zum Gipfel laufen, für alle anderen gibt es eine Standseilbahn. Gesagt, getan. In der Parkgarage plätschert seichte Aufzugsmusik; noch länger hätte ich diese furchtbaren Weihnachtslieder auch nicht ertragen. Die Fahrt bis zur Penang Hill Lower Station, der Talstation, dauert keine 30 Minuten. Wir kaufen zwei Tickets und bekommen unsere Fahrzeit mitgeteilt. Die Bahn (made in Switzerland) bringt uns in weniger als zehn Minuten auf der gut zwei Kilometer langen Strecke nach oben. Vom Strawberry Gipfel aus hat man einen wunderschönen Panoramablick über die Ostseite der Insel. Und wer genau hinsieht, kann auch die beiden Brücken – Penang Bridge und Sultan Abdul Halim Muadzam Shah Bridge – aufs Festland erkennen. Da lässt sich gut nachvollziehen, weshalb sich die britischen Kolonisten einst hier oben niederließen.











Wie so oft ist der Hügel sehr touristisch erschlossen. Von Cafés und Restaurants über Museen und 5D Cinema bis zu einem Skywalk wird hier vieles geboten – von den zahlreichen Souvenirläden mit typisch asiatischem Kitsch ganz zu schweigen. Für Kulturinteressierte gibt es noch einen Hindu Tempel sowie eine Moschee. Wir entfliehen den Massen und machen uns auf zu einer Wanderung zum Monkey Cup, einem kleinen Café mit angeschlossenem Garten. Wer möchte, kann sich für ein paar Ringgit auch chauffieren lassen. Es sind fast ausschließlich Chinesen, die diesen Service nutzen. Auf dem Weg kommen wir an etlichen imposanten Häusern vorbei, aber auch Mutter Natur weiß durch Farben und Formen zu überzeugen. Nach einer halben Stunde erreichen wir unser Ziel. Mehr noch als die dem Café namensgebende Blume fasziniert mich aber das WC im Baumstamm, ein stilles Örtchen in luftiger Höhe. Da soll noch mal jemand etwas über enge Flugzeugtoiletten sagen.











Auf dem Rückweg nehmen wir eine andere Route, in der Hoffnung auf den Brillenlangur, einen Verwandten der Meerkatzen, zu treffen. Leider ist uns das Glück heute nicht hold, zumindest bekommen wir einen 20 Zentimeter langen Tausendfüssler zu Gesicht. Nun gut, nachgezählt habe ich nicht, aber ein paar hundert Beine waren es bestimmt. Zurück auf dem Erdbeerhügel besuchen wir noch kurz das Love Lock, eine Promenade für Pärchen, wo sie ein Zeichen ihrer Zuneigung hinterlassen dürfen. Und nein, wir haben kein Herzchen angebracht oder gar eines der Kinder dort angeschlossen.





Mit der gleichen Geschwindigkeit, mit der es hoch ging, bringt uns die Standseilbahn auch wieder nach unten. Irgendwie hatte ich mir mehr von diesem Ausflug erhofft. Unser nächstes Ziel liegt ganz in der Nähe: der Balathandayuthapani Tempel. Scheinbar verfolgen sämtliche Hindus der Insel einen ähnlichen Gedanken, in langen Strömen pilgern die Gläubigen mit Milchtüten bewaffnet dem Tempelkomplex entgegen. Okay, Zeit für Plan B. Wir fahren die Straße weiter und erreichen schließlich den botanischen Garten. Auf dem Parkplatz werden wir von Makaken begrüßt, die jeden unserer Schritte neugierig beobachten. Allerdings warnen Schilder ausdrücklich davor, das Gelände jenseits des Zauns zu betreten. Und wer möchte schon gerne auf Penang erschossen werden? Ein paar der kleinen Fellmonster sind besonders neugierig oder wagemutig, denn sie kommen recht nah heran. Wir halten lieber Abstand und aufgrund der Erfahrungen aus Ubud auf Bali vor allem unsere Sachen fest. Timeo Danaos et dona ferentes – ach so, das waren ja die Griechen. Die Gartenanlage besteht aus mehreren Sektionen und einem Wasserfall, außerdem könnte man von hier aus den Penang Hill zu Fuß erklimmen. Wir schlendern ein wenig durch den japanischen Garten, bevor wir einen weiteren Versuch beim Tempel wagen.









Der große Ansturm ist vorbei und die letzten Hindus verlassen die Anlage. Wir sind praktisch alleine im Tempelkomplex. Läuft. Nach Passieren des großen Tors treffen wir zunächst auf den Sri Ganesha Tempel, der Gott Ganesha gewidmet ist. Jene Gottheit, die der Legende nach von Shiva höchstpersönlich enthauptet und anschließend durch den Kopf eines Elefanten wiederbelebt wurde. Für den eigentlichen Haupttempel der Anlage müssen wir 512 Stufen (bestimmt eine ganz besondere Zahl, obgleich die Quersumme gerade mal acht ergibt und nicht prim ist) erklimmen, die uns zum Gipfel eines kleinen Hügels führen. Dort steht der Gott Murugan gewidmete Arulmigu Balathandayuthapani Tempel mit seinem 21,6 Meter hohen Turm. Es wird verlautbart, dass dies sogar der größte Murugan Tempel außerhalb Indiens sein soll. Wir glauben's gerne. Der Weg nach unten führt uns noch an einem weiteren Tempel mit Wasserbasin vorbei. Ein Arbeiter reinigt das Becken von Münzen und sonstigen Opfergaben. An einer Stelle hinter dem Tempel wurden Unmengen von Kokosnüssen aufgebrochen, an einer anderen wurden sie verbrannt. Ja, auch Hinduismus kann ganz schön kompliziert sein. Wir kommen wieder unten an. Unser Auto – heute ohne Parkscheine, äh, Rubellose – wartet auf der anderen Straßenseite. Ich lausche angestrengt und höre die grüne Nixe leise nach uns rufen. Nicht jetzt, grüne Nixe, wir müssen zuerst ins Hotel. In einer halben Stunde beginnt die Happy Hour.

















Man kennt uns, man grüßt uns, Weißwein und Canapés werden gereicht. Der Meister der Schanktheke kommt mit der Weinflasche vorbei. Happy New Year! Stimmt, wir hatten uns ja seit gestern nicht mehr gesehen. Die Gläser werden erneut befüllt und langsam arbeiten wir uns bei den Häppchen voran. Eigentlich haben wir (noch) keinen Hunger, aber neugierig sind wir dann doch. Ob wir noch mehr möchten? Alles prima, danke. Vielleicht noch ein Glas Wein? Ja, gerne. Fahren sollte ich heute nicht mehr, muss ich aber auch nicht. Punkt neunzehnhundert bringt uns das Hotelshuttle wie schon die Tage zuvor nach Batu Ferringhi. Bevor wir uns jedoch dem kulinarischen Teil widmen, machen wir noch einen kurzen Abstecher zum dortigen Strand. Die untergehende Sonne taucht das Meeresufer in goldenes Licht und schlagartig macht sich eine pathetische Stimmung breit. Absolut kein Vergleich zu 'unserem' Pantai Miami. Da es uns beim letzten Mal sehr gut geschmeckt hat, besuchen wir heute wieder das libanesische Restaurant. knutschi entscheidet sich für ein Curry, ich nehme die gegrillten Garnelen. Eine gute Wahl.







Für den perfekten Abend fehlt jetzt nur noch eine Kleinigkeit. Die grüne Nixe. Ja, die auch. Ich dachte eher an Schmerzen. Die heutige Foltermeisterin heißt Minny. Wir nehmen Platz in den ledernen Ohrensesseln, dann beginnt die Tortur. Ist es zu fest? Nein, nein. Wo nimmt diese zierliche Person nur so viel Kraft her? Die dreißig Minuten sind um – geschafft. Langsam kehrt wieder Leben ein in meine Füße, dann schwebe ich über die Straße zum SBux. So eine Massage ist schon etwas Feines. So ein Kaffee auch. Per Bus geht's zurück ins Hotel und für mich heute zeitig ins Bett. Schnell die Decke über den Kopf. Verdammte Klimaanlage, ist das kalt hier drin. Die Kinder tun es mir gleich und schon bald trägt uns der Schlaf hinfort auf einen fernen Hügel. Oder war es doch ein Berg...
 

monty2006

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17.11.2011
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Tag 6: Zu Lande und zu Wasser – auf der Route SixtySix

Wie immer erwache ich bei Temperaturen, die mich vornehmlich an einen Kühlschrank und weniger an ein Hotelzimmer erinnern. Eine heiße Dusche bringt mich auf Betriebstemperatur; langsam kriechen auch knutschi und die Kinder aus dem Bett. Im Makan Kitchen gibt es die üblichen Speisen wie bereits die Tage zuvor. Bei Roti, Curry und Cappuccino erörtern wir den Manöverplan des heutigen Tages. Ich warte auf das T-Wort und werde nicht enttäuscht. Ein Schlangentempel also, klingt spannend. Davor stehen noch eine schwimmende Moschee und die Straits Quay Marina auf dem Programm. Beim Verlassen des Restaurants kann ich die meisten Gesichter der wartenden Gäste inzwischen auch ganz ohne Machine und Deep Learning Algorithmen identifizieren. Ich glaube, wir sind schon zu lange auf der Insel. Nun ja, heute ist unser vorletzter Tag auf Penang, morgen geht es zurück nach Hause – also nach Edinburgh. Wir fahren das kurze Stück vom Hotel bis zur Tanjung Bungah Floating Mosque auf der Federal Route 6, die mit einer Gesamtlänge von 62,3 Kilometern einmal um die ganze Insel führt. Die schwimmende Moschee wurde nur wenige Meter neben der ringförmigen Bundesstraße auf Pfählen und Stelzen im Wasser errichtet. Hier herrscht Ruhe, keine Herrenhandtaschen, keine lauten Pauschaltouristen. Man lädt uns ein, die Anlage zu erkunden – das machen wir doch gerne.









Weiter geht es auf der Route 6 in östlicher Richtung, fünfzehn Minuten später erreichen wir die Straits Quay Marina. Bei Marina (Vorsicht: Ohrwurmgefahr!) muss ich unweigerlich immer an Rocco Granatas gleichnamigen Schlager aus den 50ern denken: Marina, Marina, Marina, ti voglio al piu' presto sposar... Die im Jahr 2010 eröffnete Straits Quay Marina (Mall) ist Jachthafen, aber auch Einkaufsmeile und Kongresszentrum einer durch Neulandgewinnung kürzlich erschaffenen Gemeinde. Schon von weitem leuchtet uns das grün-weiße Emblem der Nixe entgegen. Als treue Anhänger der kleinen Meerjungfrau können wir nicht widerstehen und genießen unser zweites Frühstück beim Anblick teurer Jachten und Segelboote. In einem der Souvenirläden hätte ich beinahe noch eine verchromte, gut 20 Zentimeter große Figur des aus dem Erbgut seines mandalorianischen Vaters Jango geklonten Kopfgeldjägers erstanden, aber Boba Fett musste leider in der Auslage verbleiben. Stattdessen erwäge ich, mir einen Aufkleber anzueignen, der hierzulande so manche Windschutzscheibe ziert. Allein die Sinnhaftigkeit des selbigen im Allgemeinen sowie der Vermerk VIP im Speziellen will sich mir nicht erschließen.









Im Uhrzeigersinn fahren wir wieder die Route 6 entlang, bis wir den internationalen Flughafen Penang im Süden der Insel erreichen. Da wollen wir eigentlich erst morgen hin, aber hier in der Jalan Sultan Azlan Shah befindet sich der berühmte Schlangentempel, daneben gibt es noch den Than Hsiang Tempel, der 1990 mit dem Ziel der buddhistischen Ausbildung errichtet wurde. Getreu deren Weltanschauung "the young to learn, the strong and healthy to serve, the aged and sick to be cared for, the departed to find spiritual destination" dient der Tempel auch als Kindergarten, Schule, Krankenhaus und vegetarisches Restaurant. Wer möchte, kann hier speisen – gezahlt wird nach eigenem Ermessen. Wir schlendern ein wenig durch die Hallen, dann wird der Tempel fürs Mittagessen geschlossen. Unser Besuch bei der grünen Nixe liegt noch nicht lange genug zurück, sodass wir diesen Teil überspringen und die paar Meter zum Schlangentempel laufen. Unterwegs sammeln wir noch ein Wandbild ein, bevor uns ein Schild mit Tempelottern ostentativ darauf hinweist, dass wir hier richtig sind.











Der Schlangentempel wurde im Jahr 1850 errichtet und soll der Legende nach giftigen Ottern Unterschlupf gewährt haben, die sich bis heute dort aufhalten. Gläubige sehen in den Schlangen eine Art Wächter, die den Tempel vor Bösem schützen. Heutzutage hängen sie träge von Holzgestellen rund um den Altartisch oder von der Decke, wobei diese Trägheit (angeblich) auf den Qualm der Räucherstäbchen zurückzuführen ist. Nachts werden die Schlangen dann aktiv und laben sich an den Opfergaben, die ihnen tagsüber dargereicht wurden. Auf mich wirken sie allesamt unecht, aber nähern möchte ich mich trotzdem nicht. Feigling, meldet sich da eine Stimme in meinem Kopf zu Wort. Vielleicht hat ja eines der Kinder genügend Mut. Nein, keine Freiwilligen? Wir belassen es dabei und gehen weiter. Zum Tempelkomplex gehört auch ein Garten, von dem aus man für ein paar Ringgit Zugang zum Serpentarium bekommt. Dort werden unterschiedliche Giftschlangen gezüchtet – wer mag, darf ein paar der Schuppenkriechtiere anfassen. knutschi nimmt ihren ganzen Mut zusammen, während ich eine Stimme in meinem Kopf höre. Aber das kennen wir ja schon.



















Nächster Stopp: Teluk Kumbar, ein ehemaliges Fischerdorf. Wieder sind wir auf der Route 6 unterwegs, wieder geht es westwärts im Uhrzeigersinn. Nach gut fünfzehn Minuten sind wir am Ziel; es offenbart sich uns eine andere Welt. Eine ohne pulsierendes Leben, ohne Lärm, ohne Touristen. Wir schlendern ein wenig durch die Straßen, bis wir auf einen kleinen Kanal treffen. Hier sind unzählige Fischerboote vertäut, die auf ihren nächsten Einsatz warten. Auf provisorischen Tischen trocknen Krabbenfleisch und Fische in der Sonne. Wir verweilen ein wenig am diesem Ort und beobachten einen Fischer, der aufs Meer hinausläuft. Auch das ist Penang. Auf dem Rückweg entdecke ich noch eine vor sich hin rostende Kuriosität, die ich als umgebauten VW Käfer klassifizieren würde – das hat so ein bisschen was von Zeitreise. Entlang der Hauptstraße machen diverse Restaurants durch ihre Gerüche auf sich aufmerksam, mir ist momentan aber mehr nach einem Heißgetränk. Ja, so ein Kaffee wäre jetzt etwas Feines. Wir überlegen, ob wir die Inselumrundung entlang der Route 6 vervollständigen, aber das Navi rät davon ab. Google muss es ja wissen. Also auf derselben Strecke wieder zurück, ein kurzes Intermezzo bei der grünen Nixe und dann ab zur Happy Hour im Doppelbäumchen.













Heute ist unser letzter Abend auf der Insel. Wir möchten noch einmal nach Batu Ferringhi fahren, um unsere restlichen Ringgits in Minny's Folterkünste zu investieren. Wie immer Punkt 19:00 Uhr startet der Shuttlebus vom Hotel, heute jedoch nicht ohne endlich ein Foto vom Hiltonbären zu machen, der an der Rezeption tagtäglich seine Gäste begrüßt. Für das Abendessen haben wir uns das Boatman Restaurant ausgesucht. Als Vorspeise gibt es Satay-Spießchen, als Hauptspeise ein Curry für knutschi sowie Fish & Chips für mich. Alles sehr schmackhaft. Anschließend geht es zu Minny. Sie heißt uns willkommen und kurz darauf machen wir es uns in den Ohrensesseln bequem. Die Folter beginnt. Nach dreißig Minuten sind meine Füße wachsweich und ich fühle mich wie ein junger Gott. Ja, das wird mir in den nächsten Tagen fehlen. Wir verabschieden uns von Minny und laufen ganz automatisch zur grünen Nixe. Erstaunlich, wie schnell sich Handlungsmuster einschleichen.







Auf der Terrasse sitzend, denke ich über die letzten Tage nach. Wir haben viel erlebt und gesehen, viele interessante Eindrücke gewinnen können – würde ich noch einmal herkommen? Vermutlich nicht. Eine Woche ist ausreichend, um die Highlights der Insel mitzunehmen. Kulturliebhaber finden hier sicherlich so manches Kleinod, zum Baden gibt es schönere Flecken auf dieser Welt. Langsam fallen mir und den Kindern die Äuglein zu. Unser Kühlschrank wartet. Wir vergraben uns unter der Bettdecke und sind in Gedanken abermals bei den Tempelottern. Nein, die waren nicht echt. Oder doch? Und da war sie wieder, die Stimme in meinem Kopf...
 
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xcirrusx

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16.10.2012
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KUL (bye bye HAM)
Um deine Frage nach dem Mitgliedsausweis des goldenem M's zu beantworten: Discount bei Einkäufen über 20 RM im Drivethrough, jeden Monat ein anderes Produkt. Ja, ich hatte vorletztes Jahr die gleiche Frage.
 
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monty2006

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17.11.2011
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Die Abreise oder "Ja, ist denn heut' schon wieder Weihnachten"

Natürlich hat sich nichts an der Situation geändert, es ist eisig kalt im Zimmer. Egal. Ab heute interessiert mich das nicht mehr. Es geht nach Hause. Nun, zunächst einmal geht es unter die Dusche, um die Eiszapfen am ganzen Körper abzuspülen. Die Kinder haben keine rechte Lust, das Bett zu verlassen. Melancholie liegt in der Luft. Abreisetage haben immer so etwas Bedrückendes an sich. Wir machen uns fertig und eilen zum Restaurant. "Is this your first visit to Makan Kitchen?" Äh, nein. Wir waren schon ein paar Mal da und wissen, wo Rotis und Curry zu finden sind. Ich sehe mich um und erkenne fast alle Gesichter wieder. Und so langsam kann ich auch schon die Geschichten hintern den Gesichtern erzählen. Ein letztes Mal greifen wir zum altbewährten Frühstück, ein letztes Mal herrscht DEFCON 2. Anschließend heißt es Koffer packen, noch ein Selfie auf der Terrasse schießen und dann zum Check-out. Wir sind früh dran, also besuchen wir unterwegs noch die grüne Nixe. Schwarzwaldtorte wird als Kuchen des Tages angepriesen. Wenn das mal keine Einstimmung auf daheim ist.





Gegen 16:00 Uhr stehen wir auf dem Kurzzeitparkplatz vor der Abflughalle, eine Mietwagenrückgabestation gibt es nicht. Wir informieren Europcar, schon eilt jemand herbei und übernimmt den Wagen, nach Schäden wird weder gefragt noch geschaut. Weshalb haben die dann bei Abholung so einen Zinnober veranstaltet? Egal. Wir rollen unsere Koffer zum Schalter, aber QR hat noch keine Sprechstunde. Das war zu erwarten. Bei einem Flug pro Tag öffnen die ihren Laden erst drei Stunden vorher. Also warten. In der Halle spielt eine Amateurband internationale Hits, ich beantworte in der Zwischenzeit ein paar E-Mails. Die Zeit verrinnt. Check-in, Sicherheitskontrolle, Lounge – na ja, das Loch ist absolut nicht der Rede wert. Unser Flug wird zum Einsteigen aufgerufen. Wieder wurde die Triple Seven gegen einen Dreamliner getauscht. Läuft. Die Kinder putzen sich heraus, wollen sie dem 5-Sterne-Produkt doch mit dem nötigen Respekt begegnen. Der Rest wie immer: gutes Essen (der Red Snapper war sehr lecker), guter Wein, und zur Nachspeise noch einen Sauternes für unsere Schnapsdrosseln. Auf Umwegen erreichen wir schließlich Doha. Aussteigen, Al Mourjan Business Lounge, Espresso Martini, Einsteigen. Unser Fluggerät wird noch beladen, wir werden unterdessen von den guten Geistern der Wüste mit Champagner versorgt. Nach dem Start genehmige ich mir noch einen Schlummertrunk, dann erwache ich erst wieder zum Frühstück. Draußen starrt mich der schwarze, schottische Himmel an. Pünktlich um 6:00 Uhr morgens landen wir im kalten Edinburgh. Der Winter hat uns wieder.









Herberge der Wahl für die nächsten beiden Nächte ist das Hilton Edinburgh Carlton. Per Bus geht es mit dem Airlink 100 vom Flughafen bis zum Hauptbahnhof an der Waverley Bridge. Noch schläft die Stadt tief und fest. Links vom Bahnhof prangt das Hauptgebäude der Bank of Scotland on the Mound, in dem auch das gleichnamige Museum für Geld und Münzen untergebracht ist. Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine Art Volksfest zu erkennen – erst später am Tag werden wir erfahren, dass es sich dabei um den Weihnachtsmarkt handelt. Echt jetzt, im Januar. Mir kommt Kaiser Franz in den Sinn: Ja, ist denn heut' schon wieder Weihnachten? Die Schotten feiern halt gerne und kalt genug für Punsch und Glühwein ist es allemal. Wir laufen die paar Meter bis zum Hotel, für den Check-in ist es natürlich noch zu früh. Ab 14:00 Uhr könne man uns ein Zimmer bereitstellen. Also deponieren wir unsere Koffer, lassen uns vom Concierge noch ein paar Tipps für gute Getreidemaischedestillate geben und brechen dann auf zu unserer morgendlichen Erkundungstour. Allerdings kommen wir nicht sehr weit, denn im Schaufenster der Patisserie Valerie lachen uns derart leckere Torten an, dass wir unmittelbar einkehren und ein zweites Frühstück zu uns nehmen. Sorry, grüne Nixe, aber das ist eine andere Liga.







Über die High Street geht es durch den historischen Stadtteil Canongate, vorbei an zahlreichen Hinterhöfen und seinem berühmten Wahrzeichen mit dem auffälligen Erkerturm. Das im Jahr 1591 errichtete Tolbooth Gebäude diente als Rathaus, Gericht und Gefängnis der ehemals freien Stadt Canongate, die außerhalb der Stadtmauern von Edinburgh anzutreffen war. Am Ende der Straße erreichen wir Holyrood Palace, den Sitz der britischen Königin in Schottland; jedoch ist das Ziel unseres morgendlichen Unterfangens der 251 Meter hohe Hügel (kein Berg) Arthur's Seat, der sich im angrenzenden Holyrood Park befindet. Der Aufstieg im matschigen Boden gestaltet sich als schwierig, dafür werden wir mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. Von hier oben lässt sich die komplette Palastanlage wunderbar einsehen. Gegenüber dem Palast befindet sich das schottische Parlament, das in einem sehr modernen Gebäude untergebracht ist. Weiter im Westen sticht das Schloss deutlich aus der Altstadt hervor. Wir verweilen ein wenig auf dem Hügel und genießen die Aussicht, nur Klärchen möchte sich an diesem kalten Morgen nicht zeigen. Auf dem Rückweg machen wir noch einen kurzen Abstecher ins Parlament, um für den morgigen Tag eine Tour zu buchen. Selbige ist zwar kostenlos, aber eine vorherige Anmeldung aufgrund der vielen Besucherzahlen notwendig.











Auf der Royal Mile geht es nunmehr wieder zurück mit dem erklärten Ziel Edinburgh Castle. Bei dem einen oder anderen Schaufenster werde ich zwar kurz schwach, aber dank Valeries Torte hält sich mein Hunger – noch – in Grenzen. Erneut passieren wir den Uhrenturm, erneut passieren wir die grüne Nixe. Ich höre keinen Lockruf. Die kleine Meerjungfrau straft uns mit Nichtachtung für unser 'Fremdgehen'. Auch gut. Du wirst schon sehen, grüne Nixe, was du davon hast. Wir erreichen The Scotch Whisky Experience am Anfang des vulkanischen Basaltkegels, genannt Castle Rock, auf dessen Plateau sich das Schloss befindet. Ich selbst bin kein Freund des Malzgetränks, aber als Mitbringsel findet es sicher willige Abnehmer. Wir setzen die Tipps des Concierge in die Tat um und schon wechselt viel Geld zu wenig Wasser des Lebens. Auf der Esplanade, dem Schlossvorplatz, sind die üblichen Touristenströme unterwegs. Das Schloss selbst kennen wir schon, insofern muss ein Foto reichen, dann geht es über Ramsay Lane und Mound Place wieder nach unten. Natürlich dürfen auch hier die kleinen, verwinkelten Hinterhöfe mit ihren imposanten Treppenkonstruktionen nicht fehlen.











Wir stehen am Eingang zum Weihnachtsmarkt. Mit Riesenrad und Kettenkarussell hat das Ganze eher einen Volksfestcharakter. Die Menschenmassen schieben sich auf drei Ebenen von Bude zu Bude vorwärts, die meisten davon bieten Speisen und Getränke feil. Deutsche Produkte scheinen bei den Schotten sehr beliebt zu sein, denn immer wieder liest man German Sausages, Bratwürste und Schupfnudeln mit Sauerkraut. Ja, den Brexit will hier keiner. Wir holen uns eine Portion Lachs vom Grill – etwas zu trocken, aber geschmacklich ausgezeichnet. Natürlich darf auch eine ordentliche Nachspeise nicht fehlen, eine Art Baumkuchen mit Zimt und Zucker. Sehr lecker. Dann begeben wir uns eine Etage tiefer, dort stehen vor allem handwerkliche Artikel im Mittelpunkt. Bei einer norwegischen Künstlerin aus Island wird knutschi fündig und ersteht einzigartige Töpferkunst für den täglichen Kaffeegenuss. Okay, wir geben es zu, auch wir (eigentlich nur knutschi) gehören zur Spezies der Tassensammler. Am späten Nachmittag kehren wir ins Hotel zurück. Die Koffer stehen bereits auf dem Zimmer, ebenso ein Teller mit diversen Süßigkeiten. In gewohnter Manier statten wir der Lounge einen Besuch ab. Zur Happy Hour gibt es Wein sowie warme und kalte Speisen. Hunger haben wir keinen, aber ein Gläschen Wein (oder zwei oder drei) geht immer. Auf Penang hätte nun die Sitzung beim Foltermeister auf dem Programm gestanden. Wir sind zu müde, um noch etwas zu unternehmen und gehen daher zeitig zu Bett. Ich schließe die Augen und träume von einem Kühlschrank. "It's always cold inside the icehouse" – heute nicht.













Auch ganz ohne Wecker erwache ich am nächsten Morgen Punkt nullsiebenhundert. Die Kinder schlafen noch selig, selbst Monty, unsere Frostbeule, macht einen zufriedenen Eindruck. Das anschließende Frühstück im Restaurant bietet eine willkommene Abwechslung zu Rotis und Curry. Frisch gestärkt laufen wir wieder über die Royal Mile zum Parlamentsgebäude. Nach einer kurzen Sicherheitskontrolle warten wir im Foyer auf unsere Tour Guide. Von ihr erfahren wir zunächst viel über Regierung und Abgeordnete. Bei den Delegierten ist zu unterscheiden zwischen denen, die hier im schottischen Parlament sitzen, und jenen, die in Westminster tätig sind. Beide Mengen sind disjunkt und bisher gab es nur einen Politiker, der beiden Parlamenten angehörte. Während sich das schottische Parlament seit 1999 um Justiz, Bildung, Gesundheit und Landwirtschaft kümmert, werden die übrigen Aufgaben vom britischen Parlament wahrgenommen. Dann geht es in den großen Sitzungssaal, der wie auch das übrige Gebäude von Enric Miralles, einem katalanischen Architekten, entworfen wurde. Primäres Designmotiv war Transparenz, das an vielen Stellen und in zahlreichen Details zum Tragen kommt. Die Führung dauert zirka eine Stunde und ist äußerst informativ, ich kann sie jedem Edinburgh-Besucher nur empfehlen.







Vom Parlament aus überqueren wir die Straße und betreten den Palace of Holyroodhouse. Im Jahr 1128 als Abtei Holyrood Abbey gegründet, wurde das ehemalige Gästehaus der Abtei anno 1501 von Jacob IV. durch einen Vorläufer des heutigen Palastes ersetzt, der seitdem eine stetige Erweiterung erfahren hat. Mindestens einmal im Jahr hält Lilibeth II. Einzug im Holyrood Palace, weshalb viele Teile des Palastes für die Öffentlichkeit gesperrt sind und im Gebäude leider ein striktes Fotoverbot herrscht. Auf dem Vorplatz zum Palast steht ein Brunnen, der von zahlreichen königlichen Ornamenten sowie Persönlichkeiten der gemeinsamen schottischen und britischen Geschichte geziert wird. Drinnen ist es neben Maria Stuarts Schlafgemach vor allem die lange Galerie mit den vielen Porträts schottischer Monarchen, die einen ins Staunen versetzen und die Erhabenheit dieser historisch bedeutsamen Räume spüren lässt. Am Ende unseres Rundgangs stehen wir in der Ruine der Abteikirche, deren Dach im Jahr 1768 einstürzte und nicht wieder aufgebaut wurde. Der daran angrenzende Schlosspark dient noch heute als Schauplatz der königlichen Gartenparty, zu der jedes Jahr bis zu 8000 Gäste geladen sind. Wir verlassen den Palast und laufen ein letztes Mal die Royal Mile entlang. Nach kurzer Stärkung in der Lounge mit einem (oder zwei oder drei) Gläschen Wein, führt uns unser Weg direkt zum Five Guys hinter dem Weihnachtsmarkt. Manchmal muss es eben Burger sein. Auch heute gehen wir wieder früh zu Bett, denn morgen ist Koffer packen angesagt. So gut es uns in Edinburgh auch gefällt, aber irgendwann geht jede Reise einmal zu Ende.













Der Rest ist unprätentiös und schnell erzählt. Mit dem Airlink 100 geht es zurück zum Flughafen Edinburgh, gefolgt von einem ereignislosen Flug nach London Heathrow. Wie so oft bestelle ich einen BA Burger in der Lounge, die letzte gegrillte Fleischscheibe (der Ordnung halber: es waren zwei) liegt ja bereits mehr als zwölf Stunden zurück. Flug BA960 bringt uns schließlich nach München ins Erdinger Moos, wo wir um 18:30 Uhr Ortszeit aufschlagen. Einreise, Koffer, Airport Bus – wir sind zu Hause.



Das also war unser Reisebericht zu Penang, der ganz unversehens in einer Lounge in Hong Kong begonnen hat. Wir hoffen, unser kleines Abenteuer hat der geneigten Leserin gefallen, wir danken fürs Mitlesen und verbleiben bis zum nächsten Mal monty2006, knutschi2006 und die Kinder.
 

DavidHB

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14.04.2017
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Travel_Lurch

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15.09.2009
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Schöner Bericht und tolle Fotos! Sehr humorvoller Schreibstil (y)
Meinen Dank dafür an Euch beide und speziell an die Erinnerung, dass Edinburgh durchaus eine besuchenswerte Stadt ist. Die Erinnerung daran ist leider nur Tee mit Milch im Bahnhof und eine Nacht im Schlafsack auf der Wiese vor dem Polizeirevier (das hatten wir erst am nächsten Morgen gemerkt, dass in dem sehr, sehr großen Garten das Haus auf dem Hügel mit einem kleinem Schild versehen war, wo Police draufstand). Wurden aber von den Beamten nicht gestört. Typisch englische Zurückhaltung halt...
Es bleiben 3 Fragen:
- gibt es in Malaysia auch Ecken, wo man nicht morgens um ca. 5:40 zwangsaufgeweckt wird?
- welchen Status habt Ihr bei der grünen Nixe? Und ab wie vielen Litern bekommt man diesen?
- wann kommt Ihr mal wieder zum Stammtisch nach NUE? Das Bashu gibt es aber leider nicht mehr ;-(
 
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monty2006

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17.11.2011
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CH-GR
Schöner Bericht und tolle Fotos! Sehr humorvoller Schreibstil (y)

Besten Dank!

Es bleiben 3 Fragen:
- gibt es in Malaysia auch Ecken, wo man nicht morgens um ca. 5:40 zwangsaufgeweckt wird?
- welchen Status habt Ihr bei der grünen Nixe? Und ab wie vielen Litern bekommt man diesen?
- wann kommt Ihr mal wieder zum Stammtisch nach NUE? Das Bashu gibt es aber leider nicht mehr ;-(

- Am Strand weckt dich (außer der Flut) vermutlich niemand. ;)
- Gold - wie viele Liter resp. Sterne man inzwischen dafür braucht, weiß ich gar nicht; ich bin einfach zu oft da. :eek:
- Ja, das wird mal wieder Zeit, MO oder DI würde sich aktuell anbieten.