In der Pandemie nach Kigali: Eine ostafrikanische Reise unter Lockdown-Bedingungen

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Hene

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27.03.2013
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BER
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Wie bereits angekündigt, will ich mich jetzt mal an den TR meiner Reise nach Ruanda vor ein paar Wochen wagen.

Die Vorgeschichte ist schnell erzählt und spiegelt wider, was vielen von uns hier im Forum passiert ist. Eigentlich hatte ich im Dezember in einem Cyber Monday Sale von KQ günstige C-Tickets von Rom nach Madagascar geschossen für Anfang Mai 2020. Dann kam Covid19, die Flüge wurden gestrichen und von Kenya Airways Reiseguthaben generiert. Im Zuge der im Herbst wieder zunehmenden Corona-Restriktionen machte ich mich nach Möglichkeiten für eine Fernreise im Januar schlau. Mein Fokus fiel auch wegen der recht konstruktiven Strategie im Umgang mit Covid19 im Land schnell auf Ruanda, das es bis jetzt noch auf keine Risikogebiete-Liste geschafft hat (dazu später mehr).

Ich nutzte also das KQ-Guthaben (plus geringer Aufzahlung) im Dezember zur Buchung von (leider nur noch) Y-Tickets AMS-NBO-KGL in der zweiten Januarhälfte und scannte währenddessen weiter fleißig die immer restriktiver werdenden Corona-Reiseregularien. Da KQ eifrig den Flugplan umstellte, lies ich mich einige Tage vor Abflug auf AMS-DXB-KGL auf KL/WB umbuchen. Am 19.1., kurz bevor Berlin die 200er-Inzidenzschwelle gerade so von unten schrammte, ging es frisch bei Centogene negativ getestet per Zug mit kleinem Wandergepäck und reichlichen Maskenvorrat nach AMS. Fortsetzung folgt...
 
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Hene

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27.03.2013
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Bevor ich gleich noch eine Runde im Vorfrühling vorm Fenster drehe (und bevor es hier die nächsten Tage opulent bebildert weitergeht) noch ein paar Erklärungen, was ich mit dem "konstruktiven" ruandischen Covid19-Vorgehen meine.

Für Einreisende ist ein höchstens 120 Stunden alter negativer PCR-Test vorgeschrieben. Zudem muss vor Einreise ein Passenger Locator Form (PLF) online auszufüllen, der dabei generierte Code ist bei Einreise vorzulegen. Zusätzlich ist die Buchung eines Quarantäne-Hotels vorzunehmen und im PLF einzutragen. Nach einem weiteren Test in KGL bei Einreise muss man dort 24h bleiben bis das Ergebnis des Tests vorliegt, bei negativem Ergebnis ist man dann "frei".

Die Behörden haben recht vorteilhafte Deals mit einigen Hotels ausgehandelt: Das Marriott ist dabei, das Radisson Blu, aber auch einige lokale Perlen, wie das Retreat Hotel (für das ich mich entschied), ein kleines ökologisch nachhaltig betriebenes Boutique Hotel mit sehr guter Küche. 170 USD mit Vollverpflegung fand ich durchaus ansprechend angesichts des doch recht hohen Preisniveaus in Ostafrika.

Die ruandische Regierung hat mit Schließung der Landgrenzen (Ausnahmen gibt es für den Grenzhandel sowie für im Gesundheits- und Bildungssektor Beschäftigte), recht konsequent durchgesetzter Maskenpflicht, lokalen Community Health Management-Konzepten und Lockdown (v.a. in der Hauptstadt Kigali) sowie über das Land verteilten Testmöglichkeiten die Infektionszahlen bisher sehr niedrig gehalten: Insgesamt liegt man aktuell bei knapp 18.000 bestätigten Infektionen und rund 250 Toten, die, selbst wenn man von um den Faktor 10 erhöhten Zahlen ausgehen würde, noch sehr niedrig wären für ein extrem dicht besiedeltes Land von knapp der Größe Belgiens.

Soweit die Zahlen. Als ethnographisch interessierten Menschen war ich natürlich auch neugierig darauf, wie im Land selbst die Umsetzung dieser Maßnahmen erfolgt und wie sie von den Einheimischen reflektiert werden. Dazu dann aber später mehr. Einen schönen Sonntag erst einmal!
 

handballplayer3

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01.10.2015
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DUS
Spannend!
Ein Freund von mir ist, nach etwas hin und her, seit ein paar Monaten für die GIZ in Accra - dementsprechend bekommen wir vom dortigen Leben auch ab und an was mit.
 
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Hene

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27.03.2013
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Die Anreise nach Ruanda gestaltete sich doch etwas langwieriger als gedacht, aber es ist eben Corona-Zeit. Am 19.1. war ein sehr früher Start angesagt. Um 3.45h klingelte der Handywecker, schnelle Dusche und ins Taxi mit belegten Broten. Um 4.30h saß ich schon im ICE nach Hannover, wo ich auf den IC gen Amsterdam Centraal umstieg. Überall in den Zügen gähnende Leere.



In Amsterdam C. leicht verspätet angekommen, nahm ich den nächsten Zug nach Schiphol. Knapp 3h vor Abflug war ich vor Ort, checkte ein (erhielt aber nur den Boarding Pass für AMS-DXB), zog noch ein paar Euro und Dollar aus dem Automaten, die bevorzugte Zweitwährung in Ruanda für touristische Dienstleistungen. Bei der Passkontrolle zog der Beamte eine Augenbraue hoch, als ich ihm auf seine Frage nach Reiseziel und -grund 'Urlaub in Ruanda' erwiderte. Nachdem ich beim Check-in schon Corona-Testergebnis, das ausgedruckte Passenger Locator Form für Ruanda und eine bestätigten Quarantäne-Hotelbuchung vorlegen musste, reihte ich mich Airside noch beim so genannten Health Screening ein, wo man eine Health Declaration ausfüllen, den Corona-Test ein weiteres Mal vorzeigen musste und Fieber gemessen wurde. Sonst war in AMS nicht viel los, das nur zum Drittel genutzte Tableau zeugt von wenig Flugbewegungen:



Das Boarding für KL427 erfolgte pünktlich und war schnell erledigt, der Dreamliner nur zu ca. 30 Prozent gefüllt in der Y. Mit ca. 20 min. Verspätung ging es in den Himmel, der Flug verlief ereignislos. Bei ein paar Filmen, u.a. Terence Mallick's 'A Hidden Life' mit August Diehl, der durchaus gut schauspielern kann, wenn nötig, war ich gut unterhalten.

Um 0.15h erreichten wir DXB und ich nahm aufgrund kurzen Layovers und Terminalwechsels von 3 nach 2 die Beine in die Hand. Leider war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass Rwandair in DXB schon 90min. vor Abflug den Check-in beendet, so dass die Rennerei für die Katz war. Am Transfer Desk in T2 wurde mir um 0.50 nach ewigem Bus Transfer mitgeteilt, dass ich nicht mehr mitkäme. 10 min. Diskussion halfen nichts und ich wurde auch allmählich müde, so dass ich durch die Immigration ging (Covid-Test wollte niemand sehen), spontan per Flughafen Wifi ein Zimmer im Hilton the Creek buchte. Etwa eine h später lag ich im Bett.

Morgens dann per Skype schnell in Nairobi bei Kenya Airways angerufen. Ich wurde relativ problemlos auf eine verspätete Verbindung via NBO nach KGL auf KQ und Fremdmetall (WB) gebucht. Vom Telefon Support von KQ war ich durchaus überrascht: Keine langen Wartezeiten, sehr freundlich, sehr zuvorkommend und proaktiv in der Problemlösung. Da kann sich so manche europäische Airline eine Scheibe abschneiden.

Ohne Frühstück per Uber wieder zum Flughafen gefahren und eingecheckt. Um meinen aufgegebenen Rucksack, meinte der Agent, würde man sich kümmern. Fix in der Marhaba Lounge ein einfaches Frühstück genommen, dann den langen Marsch Richtung Gate angetreten. Um 11.30h ging es los nach NBO. Die (zu meinem Glück) um 5h verspätete 737 war relativ gut gebucht, die Flight Attendants im Ganzkörperschutz, das erste Mal, dass ich das sah. Ansonsten wieder ein ereignisloser Flug mit sehr mittelmäßigem Essen. Immerhin das Tusker war gut gekühlt. Was will man mehr?



In NBO musste ich mir nach Landung um 15.45 6,5 Stunden um die Ohren hauen. Leider war die Turkish Airlines Contract Lounge gerade wegen Umbaus geschlossen, so dass ich mich mit der ungepolsterten Flughafenbestuhlung zufrieden geben musste. Nach ausgiebigem Frönen der mitgebrachten Reiseliteratur



aß ich noch einen Happen im Airportbistro und nahm noch ein paar Tusker, bevor dann Rwandair auch hier relativ zeitig mit dem Boardingprozess begann. Um 21.30h ging es an Bord der schon etwas schrammeligen Dash8 für den kurzen Hüpfer nach KGL, wo ich mit 18h Verspätung eintraf.

Dort alles gut organisiert: In Windeseile wurden Fieber gemessen (leider hatte der Roboter, der normalerweise dafür verantwortlich zeichnet, wohl bereits Feierabend), Visa on Arrival ausgestellt und der bereits im Voraus per Kreditkarte gezahlte PCR-Test (Rachenabstrich, puh!) durchgeführt. Am Gepäckband leider keine Spur von meinem Rucksack. Dies schnell protokolliert und ich wurde vor dem Flughafen sehr nett vom Eigentümer des 'Retreat', das nun für 36h mein Zuhause sein sollte, empfangen. Erster Eindruck auf der Fahrt durch die nächtliche Hauptstadt: Sehr, sehr sauber, dank restriktiv implementiertem plastic ban!



PS: Ich verspreche für die folgenden Beiträge opulentere Bebilderung.
 

Hene

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27.03.2013
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Einen aus der Kategorie unnützes Wissen: das Tusker wurde nach dem Elefanten benannt, der einen der Brauereieigentümer ins Jenseits befördert hat.

Haha, schön! Der Elefantenbulle, die wichtigste Waffe gegen alte, weiße Kolonialherren, I presume?

Edit: An den hier von Funny van Dannen musste ich gerade noch denken bei erbarmungslos angreifenden Pflanzenfressern.

https://www.youtube.com/watch?v=kQplYw5sfQY
 
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Hene

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27.03.2013
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Endlich war ausschlafen angesagt, das ist das einzig Gute an Zwangsquarantäne, wäre da nicht diese überschwängliche Kakophonie der Vögel aus dem üppigen Garten. Sehr leckeres Frühstück und dann später Mittagessen (hierfür gibt es ein Menü mit jeweils zwei Optionen für Vorspeise und Hauptgang) wurden an die Tür geliefert. Der Koch im 'Retreat' kommt aus Mauritius und kombiniert recht geschickt kreolische, ostafrikanische und europäische Küche. Zwischendurch arbeitete ich ein paar Sachen nach, las mich auf meine anstehende Tour ein und machte letzte Absprachen. Schön war es auf jeden Fall auf der Terrasse zu sitzen, tropische Luft zu atmen und den Milanen am Himmel beim Kreisen zuzusehen.







Auch mein Gepäck war leider erst in NBO lt. Auskunft der Gepäckabteilung am Flughafen (und sollte erst am kommenden Morgen in Kigali ankommen), so dass ich mich entschied, noch eine Nacht im 'Retreat' zu bleiben. Zumindest flatterte gegen 17h mein negativer Corona-Test von der Nacht ein, so dass ich mein Zimmer verlassen und vor der nächtlichen Ausgangssperre noch einen Spaziergang durch die Nachbarschaft machen konnte.









Auch hier ein sehr positiver zweiter (kurzer) Eindruck von der Hauptstadt bei vergehendem Abendlicht. Verhältnismäßig ruhig auf den (recht steilen, kurvigen) Straßen (was vermutlich dem geltenden Lockdown in Kigali geschuldet ist). Und alles blitzblank, überall getrennte Abfallbehälter und sehr gepflegte Blumenrabatten auf dem Mittelstreifen der Hauptstraßen. Obwohl nahe am Zentrum gelegen, machte die Umgebung des Retreats einen sehr aufgelockerten Eindruck mit üppigem Grün. Urbane Verdichtung schien mir auf den ersten Blick in Kigali kein größeres Problem zu sein trotz einer stetig steigenden Bevölkerung von inzwischen knapp 1,5 Mio. Einwohner.

Nach dem Abendessen, dass ich auf der vorderen Terrasse einnahm, versuchte ich alsbald mein noch bestehendes Schlafdefizit auszugleichen. Am kommenden Morgen sollte es los gehen in den Gishwati-Nationalpark, Ruandas neuestem Großschutzgebiet.
 

flyglobal

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25.12.2009
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Ich seh schon, das wird spannend. Hier war noch nie jemand in Ruanda mit Aufenthalt?

Danke freue mich weiterzulesen!

Irgendwie habe ich in Erinnerung: Ruanda Digitalisierungswütig und Digitalisierungs Kompetent. Neue Perle in Afrika. Konzerne bauen Niederlassungen (VW z.B.)
 
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Hene

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27.03.2013
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Ich seh schon, das wird spannend. Hier war noch nie jemand in Ruanda mit Aufenthalt?

Danke freue mich weiterzulesen!

Irgendwie habe ich in Erinnerung: Ruanda Digitalisierungswütig und Digitalisierungs Kompetent. Neue Perle in Afrika. Konzerne bauen Niederlassungen (VW z.B.)

In der Tat werden digitale Dienstleistungen sehr stark vorangetrieben. Vorbild ist hier, wie bei der straffen autoritären Regierungsführung, Singapur. Der ruandische Präsident, Gen. Paul Kagame, der sich im Land äußerster Popularität erfreut, ist wenig zimperlich bei der Liquidierung oppositioneller Elemente im Ausland bzw. deren Entführung in die Heimat. Vor wenigen Tagen wurde etwa der Chef der als Hotel Ruanda bekannt gewordenen Zufluchtsstelle für Hunderte Tutsis während des Völkermords 1994 wg. Unterstützung von Rebellen vor Gericht gestellt. Aber dazu später mehr.

Ein Beispiel für die recht fortgeschrittene Digitalisierung ist das Portal Irembo, mit Hilfe dessen man/frau diverse Leistungen z. B. ID/Personalpässe, Melde- und Hochzeitsbescheinigungen, Strafzettelbegleichungen usw. und als nicht-Ruander zahlreiche touristische Dienstleistungen wie Permits und PCR-Tests beauftragen und per Kreditkarte oder per SMS bezahlen kann.

VW betreibt in Kigali eine Uber-Alternative genannt move.rw. Habe ich aber nicht ausprobiert.
 
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Hene

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27.03.2013
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Am nächsten Morgen telefonierte ich zeitig mit der Gepäckabteilung des Flughafens. Mein Rucksack war mit der frühen Maschine aus NBO angekommen, einer Abreise aus Kigali stand damit nichts mehr im Weg. Normalerweise hätte ich für meine Rundreise überwiegend auf Busse bzw. Matatus/Buschtaxis zurückgegriffen. Leider war aufgrund von Lockdown-Regelungen seit Anfang Januar der Provinzgrenzen überschreitende Verkehr dieser öffentlichen Verkehrsmittel verboten worden. Ich organisierte mir deshalb ein Auto (RAV4) mit Fahrer über eine lokale, sehr empfehlenswerte Autovermietung, die schnell und flexibel reagierte. Der Fahrer, James, entpuppte sich als sehr freundlicher und kenntnisreicher Guide, und ich lernte viel über Land, Leute und aktuelle sozio-ökonomische und politische Entwicklungen.



Vor dem Aufbruch noch schnell ein Frühstück im Retreat genossen. Um 8.30h setzten wir uns in Bewegung, zunächst holten wir mein Gepäck ab, ich kaufte mir am Flughafen eine SIM-Karte mit 6GB (für 9500 RWF, ca. 8 Euro).

Dann ging es zum Covid-Testcenter am Stadion. Für Besuche von Nationalparks mit Menschenaffen-Populationen wird ein weniger als 72h alter PCR-Test verlangt (und auch streng überprüft), für alle anderen Nationalparks und sonstige Fahrten im Land ist lediglich ein max. 5 Tage alter Antigen-Test erforderlich. Die Tests sind auch nötig für die online-Beantragung einer so genannten Transport Clearance, die für Überlandfahrten benötigt und unterwegs an (zahlreichen) Polizeiposten kontrolliert wird.

An der Corona-Teststation recht viel Betrieb, die Wartezeit lag bei ca. 40min. Den Termin hatte ich vorher online gebucht und den PCR-Test bezahlt (50 USD). Das Ergebnis kommt meist nach 12-18h. Test auch hier per Rachenabstrich, halbwegs angenehm.





Gegen 11h verließen wir Kigali Richtung Nordwesten, zunächst vorbei an den lokalen Slums, die sich langsam die Hügel am Rande der Hauptstadt hochfressen. James erklärte aber, dass diese Siedlungen wohl nach und nach durch die Regierung geräumt bzw. die dortige Bevölkerung in weniger prekäre Verhältnisse mit Wasser- und Abwasseranschluss umgesiedelt würden.



Durch üppig grüne, hügelige bzw. gar bergige Landschaft ging es auf der perfekt (dank chinesischer Finanzierung) asphaltierten Straße Richtung Musanze. Unterwegs das für Ruanda recht typische, kleinteilige, intensiv genutzte und dicht besiedelte Landschaftsbild aus eingestreuten Siedlungen, kleinen Feldern, Bananenplantagen und Eucalyptus-Wäldchen. Laut James könne sich die ruandische Bevölkerung von immerhin 13 Mio. Menschen auf rund 23000km2 Fläche ohne Lebensmittelimporte ernähren und sogar noch in die Nachbarländern, v.a. in die DRC, landwirtschaftliche Güter exportieren.

















Hier und da hielten wir an und waren dann sofort im Fokus von 'Muzungu!!!' rufenden Kindern. In Ruanda herrscht Schulpflicht, Unterricht an öffentlichen Schulen ist von Klassenstufe 1 bis 12 (upper secondary level) inzwischen kostenlos. Unterrichtssprache (ab Klassenstufe 3) ist seit 2008 Englisch, die ersten drei Jahre wird in Kinyarwanda unterrichtet. Schulunterricht wird allerdings aktuell wegen Corona in zwei Schichten durchgeführt.





Besonders fasziniert war ich von den Lastradfahrern, die auf chinesischen Modellen teilweise übermenschliche Menge an Fracht in den nächsten Marktflecken transportierten (bergan oft zu zweit schiebend, bergab mit Karacho fahrend). Da kommen leicht bis zu 200kg Zuladung (Kartoffeln, Mais, oder wie hier Zuckerrohr) zusammen.



Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichten wir, pünktlich zum Lunch, die "Großstadt" Musanze am Fuss der Vulkane Karisimbi, Visoke, Sabinyo, Gahinga und Muhabura. Den zweithöchsten (und steilsten) davon, Muhabura, bei 4127m bestieg ich wenige Tage später.

 
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Hene

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27.03.2013
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Hier vielleicht auch ein paar Worte zu örtlichen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung: Diese wird sehr ernst genommen, vor allem von der Regierung, aber auch weitgehend akzeptiert und umgesetzt von der Bevölkerung (wobei auch inzwischen bisweilen eine gewisse Corona-Müdigkeit zu bemerken ist).

Vor jedem noch so kleinen Geschäft steht mindestens ein Desinfektionsmittelspender, welche auch aktiv und von fast jedem genutzt werden. Dazu gibt es oftmals auch mobile Wasserspender/-becken mit Pedale (wie in Italien) und Seife. Mein Fahrer James hielt sogar auf halber Strecke zwischen Kigali und Musanze an einer Raststelle nicht etwas wegen einer Toilettenpause, sondern lediglich um sich die Hände zu waschen. Zudem wird fast überall vor Eintritt in Gebäude die Temperatur gemessen.

Maskenpflicht (Alltagsmasken überwiegend) besteht überall im öffentlichen Raum, drinnen wie draußen, für alle über 4. Diese wird auch weitgehend eingehalten, zumindest an Orten, wo vermeintlich Sicherheitskräfte dies auch kontrollieren. Und Polizei ist oft und überall zu sehen. Einer meiner Gesprächspartner unterwegs erklärte, dass Maskenmuffel gerne mal von Beamten "ins Stadion" (wobei das ziemlich sicher auch wörtlich zu nehmen ist) mitgenommen werden, wo sie dann den ganzen Tag in der Sonne sitzen müssen (oder je nach Tageszeit die Nacht verbringen).
 

Hene

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27.03.2013
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In Musanze nahmen wir in einem kleinen (recht touristischen Restaurant) ein Mittagessen. Verzeiht mir, dass ich beim Mahlzeiten fotografieren etwas nachlässig bin, ich bin meistens zu gierig und ein halb gegessenes Gericht sieht dann nur noch halb so lecker aus. In jedem Fall mag ich eher Haushaltskost als Sterneküche und in diesem Teil Afrikas ist diese oft, was ich sehr mag, kartoffellastig (oder süßkartoffellastig), häufig gibt es auch eine Art dicken Maisbrei aka Polenta oder Kochbanane mit Stew oder Fisch (in der Regel Aquakultur-Tilapia, seltener eine Art Sardine aus dem Kivusee). Auch Yams und Maniok sind weitverbreitet als Grundnahrungsmittel. Fleisch hingegen steht auf dem Speisezettel der Einheimischen allein aufgrund des intensiven Feldbaus, der großen Bevölkerungsdichte und des deshalb relativ niedrigen Viehbestands ziemlich selten, wenn dann meistens Ziege, Rind und seltener Hähnchen oder Schwein.

Es war inzwischen Nachmittag und wir fuhren weiter am Markt von Musanze vorbei auf der hervorragenden (und auch von Fussgängern, (schiebenden Last-)Radfahrern und lokalem ÖPNV - Matatus und Mototaxis - vielfrequentierten) Straße Richtung Gisenyi.





Genau genommen wirkt die ca. 60km lange Strecke fast wie ein lang geratenes Straßendorf, denn das Vorland des Virungamassivs ist dank Vulkanerde und übers Jahr gut verteilter Niederschläge mit seltenen Dürreerscheinungen die fruchtbarste Gegend, sozusagen die Kartoffelkammer des Landes. Auch viel Gemüse wie Kohl und Möhren wird hier angebaut. In höheren Lagen am Ufer des Kivusees zudem Tee und Kaffee, die beiden wichtigsten cash crops Ruandas. Zudem bildet die Straße die Haupthandelsverbindung zwischen dem ressourcenreichen Ostkongo und den Häfen am Indischen Ozean, vor allem Mombasa. Unterwegs auch der ein oder andere Polizeiposten, an denen Dokumente geprüft werden.





Blick zurück Richtung Hauptkette des Virungamassivs, vlnr. die Vulkane Sabinyo, Gahinga und Muhabura.







Teeplantage des Pfunda Tea Estates.

Entlang des Ostufers des Kivusees ging es dann durch fast heimisch alpin anmutende Landschaft (allerdings mit Eucalyptus- statt Kiefernwäldern) zum heutigen Ziel, dem (das muss man leider sagen) recht dürftigen, Rest des Gishwati-Walds, einst der größte zusammenhängende Primärwald in diesem Teil Ruandas.



 
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Hene

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27.03.2013
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Gegen Spätnachmittag kamen wir beim Forest of Hope Guesthouse/Research Headquarter an, das auf einer stattlichen Anhöhe mit Panorama-Blick auf die Reste des Gishwati-Walds liegt. Dort wurde ich von Thierry, dem Koordinator der Forest of Hope Association begrüßt.



Noch in den 1960er Jahren war Gishwati mit rund 28.000ha das zweitgrößte Stück Bergregenwald (mit Gipfeln über 2000m Höhe) in Ruanda. Damals bestand auch noch eine Verbindung zum Nyungwe-Wald im Süden des Landes an der Grenze zu Burundi. Doch Bevölkerungsdruck sorgte sehr schnell für die Dezimierung der verbliebenden Waldfläche: Zahlreiche Gebiete wurden für die landwirtschaftliche Nutzung gerodet, für Ackerbau und Weideflächen. Zudem sorgt der rasant steigende Brennholzbedarf für eine rasche Verkleinerung bzw. Entfernung des Unterwuchses, was durch Viehtrieb in den Wald noch verstärkt wurde. Fehlendes Landnutzungsmanagement, der Bürgerkrieg und die anschließende Ansiedlung von Flüchtlingen aus dem benachbarten Kongo sorgte seit den 1990er Jahren dafür, dass bald nur noch 600ha Waldfläche übrig waren. Dies ging mit dem starken Rückgang der Biodiversität einher, viele Tier- und Pflanzenarten darunter auch viele für medizinische Zwecke verwendete verschwanden. Zudem nahm die Erosion an den steilen Hängen zu.



2008 begann man im Rahmen des Gishwati Area Conservation Programs damit, das verbleibende Waldgebiet vom Zugriff der Bevölkerung zu schützen. Umliegende Weideflächen wurden aufgekauft und langsam mit der Wiederaufforstung begonnen. Seit dem vergangenen Jahr wurde Gishwati (hoffnungsstiftenderweise) durch die Regierung zum vierten Nationalpark Ruandas erklärt. Im Rahmen eines breit angelegten Schutzprogramms bemüht sich die Forest of Hope Association darum, den naturverträglichen Tourismus sowie die Forschung zu fördern und dabei auch die lokale Bevölkerung über Bildungsprogramme sowie die Vermarktung lokaler Produkte wie Honig und Handwerksarbeiten einzubinden.

Das Guesthouse besteht im Prinzip nur aus zwei relativ einfachen, aber vollkommen ausreichenden Zimmern mit Badezimmer, die im Voraus gebucht und bezahlt werden müssen (150 USD im DZ mit ziemlich grandioser Vollverpflegung: nirgends in Ruanda so gut gegessen wie dort). Zudem ist Camping möglich. Da das Guesthouse erst seit Dezember geöffnet ist, war ich einer der ersten Besucher. Alle hier hoffen, dass die Corona-Pandemie bald nachlässt, so dass auch endlich Reisende in signifikanter Zahl hier her kommen können.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, gab mir Thierry eine Einführung in das Gebiet und die Schutzaktivitäten. Er hob auch hervor, dass der Prozess nicht frei von Konfliktpotential ist, denn die Frauen in der Gegend bekommen nach wie vor 6 bis 8 Kinder im Durchschnitt, wodurch der Bevölkerungsdruck, mehr als 100.000 Menschen leben um den Wald herum, kaum ab, sondern eher weiter zunimmt. Dennoch, so erklärt Thierry, würde die Akzeptanz für die Erhaltungsinitiative ansteigen, da auch viele Einheimische inzwischen Beschäftigung und Einkommen als Ranger und andere Angestellte des Nationalparks generieren könnten. Auch die Bildungsprogramme in den Schulen der umliegenden Dörfer würden allmählich Früchte tragen.

Thierry, der in Kigali Natural Resource Management studiert hatte, bevor er vor 8 Jahren hierher kam, stellte mir dann noch einen ruandischen PhD-Studenten des Primate Behavioural Ecology Labs der George Washington University vor, Sylvain, der im Rahmen seiner Langzeit-Feldforschung die lokale Schimpansen-Population untersucht, insbesondere die Folgen der Habitatfragmentierung auf die Fortpflanzung. Nach dem sehr interessanten Abendessen, bei dem ich viel über die Schutz- und Forschungsbemühungen erfuhr, saßen wir noch am Lagerfeuer unter einem phänomenalen Sternenhimmel und planten den kommenden Tag. Noch vor der Dämmerung sollte es losgehen, um eine Gruppe Schimpansen vor dem morgendlichen Aufbruch zu erwischen.
 
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Hene

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27.03.2013
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Am nächsten Morgen weckte mich um kurz nach 3h der Handywecker. Schnell geduscht, dann Rucksack und Wanderstöcke geschnappt und um 3.30 saßen Thierry, Sylvain und ich bereits im Auto zum Ausgangspunkt des heutigen 'Forest Walks'. Anders als im Nyungwe Forest im Süden Ruandas, wo die lokale Schimpansen-Population zum größten Teil bereits seit Jahren an den Besuch von Touristen gewöhnt wurde, sind die hiesigen Schimpansen, ca. 20 Individuen haben in Gishwati überlebt, noch nicht 'habituiert'. Während die einzelnen Gruppen zwar von so genannten Trackern am Waldboden "verfolgt" werden, sind die Schimpansen anderen Menschen gegenüber äußerst mistrauisch. Sie ergreifen relativ schnell die Flucht, in dem sich in Baumkronen der höchsten Bäume zurückziehen, ein Verhalten, das ihnen das Überleben gesichert hat, denn einzig viele Urwaldriesen im Kerngebiet von Gishwati konnten von den Einheimischen wegen fehlender Technik nicht gefällt werden.

Nachdem uns Sylvain an einer noch im Bau befindlichen neuen Trasse durch den Wald in vollkommener Dunkelheit abgesetzt hatte, marschierten Thierry und ich bergan durch die Stille. Am Horizont tauchte in der Ferne der orangene Schein des aktiven Nyiragongo-Vulkans nördlich von Goma in der benachbarten DRC auf, in dessen Krater sich ein riesiger Lavasee befindet. Darüber die abziehenden Gewitterwolken der Nacht und das Wetterleuchten in der Ferne über dem Kivusee.

Nach einer halben h im Schein der Stirnlampen trafen wir noch einen Tracker, der uns zum Nachtplatz der Schimpansen bringen sollte. Über ziemlich enge und teilweise matschig-rutschige Pfade liefen wir durch das Dickicht in die einsetzende Dämmerung. Gegen kurz nach 5h erreichten wir schließlich die Bäume mit den Schimpansen-Nestern. Diese waren leider schon weitestgehend verwaist, vier Schimpansen waren bereits auf der Suche nach Frühstück aufgebrochen, nur ein einzelnes Männchen nahm unsere Gegenwart wahr und begann sich sogleich unter lautem Warngeschrei in die höchste Baumkrone im Umkreis abzusetzen. Leider waren unter den gegebenen Lichtverhältnissen keine wirklich guten Fotos möglich, aber beeindruckend war diese Begegnung dennoch. Nur die Geräusche des Dschungels unterbrochen vom fortdauernden Kreischen des Schimpansen.





Nachdem der Schimpanse dem ganzen Spektakel überdrüssig wurde und sich in ziemlicher Geschwindigkeit von Baum zu Baum bewegend davon machte, setzten auch wir unsere Wanderung fort. Inzwischen war die Sonne aufgegangen und die Schwüle nahm allmählich zu.











Auf schmalen Pfaden bewegten wir uns durch den Regenwald und aßen bei einer Pause das mitgebrachte Frühstück. Thierry hielt hier und da, um mich auf interessante Spuren entlang des Wegens aufmerksam zu machen. So lernte ich viel über die Futterquellen bzw. Lieblingsfrüchte der Schimpansen (im Augenblick ernähren sich aus Mangel an Feigen und anderen Früchte überwiegend von Blüten), über seltene Riesenbaumfarne mit dem unaussprechlichen lokalen Namen igishigishigi :yes: und den Umishwati-Baum, der dem Nationalpark seinen Namen gegeben hat, aber leider fast nur noch als Jungpflanze zu finden ist, da er bevorzugt als Feuerholzquelle genutzt wurde.





Umishwati-Bäumchen







Nachdem die Hitze allmählich auch die letzte Schweißpore geöffnet hatte, erreichten wir gegen 12.30 wieder das Guesthouse, wo das Mittagessen schon auf uns wartete.
 

Hauptmann Fuchs

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06.04.2011
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In Ruanda herrscht Schulpflicht, Unterricht an öffentlichen Schulen ist von Klassenstufe 1 bis 12 (upper secondary level) inzwischen kostenlos. Unterrichtssprache (ab Klassenstufe 3) ist seit 2008 Englisch, die ersten drei Jahre wird in Kinyarwanda unterrichtet. Schulunterricht wird allerdings aktuell wegen Corona in zwei Schichten durchgeführt.

Das mit der englischen Sprache ging mir noch durch den Kopf, dazu gibt es einiges auf Wikipedia.

Eine zweite Gedanke ging zum Radio. Die Deutsche Welle Relaisstation hat zu gemacht, und Radio Mille Collines ist wohl eins der skurillsten Radiosender gewesen (1994 und 1995 hat leider das Versagen der Grossmächte gezeigt),

Andere Zeiten, die du vielleicht nicht ansprechen wolltest, aber die zumindest für mich mit Ruanda verbunden sind.
 
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Hene

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Das mit der englischen Sprache ging mir noch durch den Kopf, dazu gibt es einiges auf Wikipedia.

Eine zweite Gedanke ging zum Radio. Die Deutsche Welle Relaisstation hat zu gemacht, und Radio Mille Collines ist wohl eins der skurillsten Radiosender gewesen (1994 und 1995 hat leider das Versagen der Grossmächte gezeigt),

Andere Zeiten, die du vielleicht nicht ansprechen wolltest, aber die zumindest für mich mit Ruanda verbunden sind.

Danke Hauptmann!

Doch, zum Thema Bürgerkrieg und Genozid (incl. Radio Milles Collines) komme ich noch. Da kommt man ja eigentlich nicht dran vorbei in Ruanda, weil es nach wie vor wie ein unsichtbarer Elefant im Raum steht. Wenn sich dieser auch zunehmend hinter den Machenschaften von Präsident Kagame versteckt.

Zum Thema Schulbildung: Mir ging dort durch den Kopf, dass kostenlose und zugängliche Schulbildung ja gut und ein sehr wichtiger Impuls ist, aber dennoch die Kosten für Schuluniform und Bücher etc. sicherlich viele Kinder aus einkommensschwachen Familien ausschließen (zumal diese wahrscheinlich ohnehin zum Haushaltseinkommen beitragen müssen).
 

Hene

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27.03.2013
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Gegen 14h kam mein Fahrer James wieder vorbei. Ich verabschiedete mich herzlich vom Forest of Hope Association Staff, wirklich ein sehr sympatischer, lehrreicher Ort mit sehr angenehmen Menschen, und wir machten uns wieder auf den Weg zurück, erst durch Eucalyptuswälder und Weiden, dann durch die Teeplantagen zur Hauptstraße und diese dann entlang durchs geschäftige Treiben der Einheimischen nach Musanze. Besonders fasziniert war ich vom fast kunstvoll effizienten Verpacken von Feldfrüchten, die dann in riesigen Säcken per Fahrrad zum Markt transportiert wurden. Außer den obligatorischen Masken im Gesicht und den gelegentlichen Checkpoints der Polizei erinnerte nicht viel an die Corona-Pandemie.







Anderthalb Stunden später bogen wir Richtung Norden nach Kinigi ab, einem Dorf, das den Ausgangspunkt für die meisten Aktivitäten im Volcanoes National Park bildet und entsprechend mit ziemlich vielen, und vor allem ziemlich teuren Unterkünften/Lodges gesegnet ist. Der lokale Platzhalter etwa, wenn man sich "Afrika" ein bisschen was kosten lassen will oder kann, ist z.B. das 'One and Only Gorilla's Nest' Ressort, in dem das Standarddoppelzimmer aktuell für 3,4k Euro zu haben ist (MIT Frühstück).

Meine Preisvorstellungen tendierten eher Richtung unterstes Budget, deshalb entschied ich mich für die Peakspot Lodge, ein etwas abgelegenes (und auch etwas abgerocktes) Etablissement zu 75 USD die Nacht. Immerhin der Garten bzw. der Blick auf die Vulkane des Virunga-Massivs hier im Dreiländereck DRC-Uganda-Ruanda war sehr schön und, das muss man lobend hervorheben, die Mitarbeiter außerordentlich bemüht. Das Gimmick, Abendessen am offenen Kamin einnehmen zu können, und dass einem nach dem Wandern täglich die Stiefel gereinigt werden, auch sehr nett eigentlich.





James fuhr vor dem Dunkelheitseinbruch nach Kigali zurück und ich nutzten die Zeit vor dem Abendessen, meine Besteigung des Muhabura-Vulkans am Tag drauf zu organisieren. Auch dies geht relativ unkompliziert über ein Permit zu 100 USD (das die Nationalparkgebühr und einen obligatorischen Guide umfasst) und welches man online bestellen und per Kreditkarte bezahlen kann. Nach dem frühen Aufstehen an diesem Tag ging ich dann nach dem Essen auch recht bald schlagen, denn der kommende Tag versprach, knallhart zu werden.
 

Hene

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BER
An diesem 24. Januar war wieder, wie in diesen Breiten allgemein üblich, frühes Aufstehen angesagt. Die Nächte sind in diesen Höhenlagen bitterkalt und die vier Wärmflaschen, die mir das freundliche Hotelpersonal am Abend unter die Decke getan hatten, taten einen sehr guten Job. Um 5.30h holte mich der Handywecker aus dem Schlaf. Leider gab es nur kaltes Wasser in der Dusche mit extrem niedrigen Wasserdruck, so dass ich mich nur für eine sehr abgespeckte Körperhygiene/Katzenwäsche entschied. Was ich nicht ganz verstand, aber was mir in Ruanda öfter passierte: Beim Frühstück kamen erst Früchte/Obstsalat und dann erst das Omelett. Sei's drum, ich aß alles auf, schnürte mir die Wanderstiefel fest, nahm meinen Rucksack mit vier Liter Wasser und einem (leider recht bescheidenen) Lunch und erwartete den Fahrer, der mich zur Nationalparksverwaltung mit tollem Ausblick auf den Sabinyo-Vulkan brachte.



Um kurz vor 7h kamen wir dort an. Viel war nicht gerade los, obwohl hier zu normalen "Nicht-Corona"-Zeiten bis zu 100 Touristen täglich allein zum Gorilla Tracking auf der Matte stehen. Außer mir gab es vielleicht noch fünf weitere Reisende.



Nach dem obligatorischen Temperatur messen und Hände waschen, wurden schnell die Formalitäten geregelt: Permit checken, negativen Corona-Test checken und kurze Einweisung. Ein Guide wurde mir zugeteilt, ich war zunächst der einzige Reisende, der heute auf den Muhabura wollte. Gut, dachte ich, doch am Ausgangspunkt des Aufstiegs etwa 45min. Fahrt Richtung ugandischer Grenze gesellten sich noch zwei freundliche Wandersleute aus Kigali zur Gruppe hinzu. Um ca. 8.15 begannen wir den Aufstieg, strapaziöse 1800 Höhenmeter hoch und wieder runter lagen vor uns.

Zunächst ging es für etwa eine Stunde moderat bergan durch die Felder der Einheimischen. Vor allem Süsskartoffeln, Mais, Gemüse, aber auch Sorghum und Weizen werden hier auf kleinen, z.T. terrassierten Feldern angebaut. Der reiche Vulkanboden und das gemäßigte Klima ermöglichen zwei bis zu drei Ernten im Jahr.









Schliesslich erreichten wir den Waldrand, der die Grenze des Nationalparks markiert. Eine Art Wall schützt die Felder vor den wilden Büffelherden, die an den Berghängen leben. Hier warteten wir einige Minuten auf ein Dutzend Soldaten in Kampfmontur, die uns auf dem Weg zum Gipfel begleiteten. Dies ist immerhin Grenzgebiet zu Uganda und der Gipfel liegt exakt auf der gemeinsamen Grenze.



Gemäßigten Schrittes ging es von nun an für die nächsten sechs h so gut wie ununterbrochen ziemlich steil bergauf, zunächst durch den Nebelwald, der heute seinem Namen alle Ehre machte, bis hin zu einer Art Sattel an der Baumgrenze nach ca. 700 Höhenmeter. Diese wird im Volksmund als Camping Area bezeichnet, was davon herrührt, dass die Rwandan Patriotic Front (RPF) unter Gen. Paul Kagame im Bürgerkrieg von aus Uganda kommend diese unzugängliche Gegend als Stützpunkt für Attacken auf Stützpunkte der ruandischen Regierungsarmee nutzte. Hier machten wir eine erste Essenspause, bevor es erneut ausgesprochen steil weitere 1.100 Höhenmeter bis zum Gipfel auf 4.127m geht. Einer meine ruandischen Mitwanderer hatte inzwischen aufgegeben und zum Abstieg angesetzt und meine Kräfte ließen auch merklich nach, aber Schritt um Schritt ging ich durch Nebel, starken Wind und eisigen Sprühregen weiter bis zum Krater, in dessen Mitte ein kleiner See liegt. Die afromontane Landschaft mit Riesenlobelien hat für mich immer etwas außerirdisches, besonders wenn sie so verwunschen im Nebel liegt.












Nach kurzem Verschnaufen und Mittagspause, es war inzwischen 15h und eigentlich schon etwa zu spät, begannen wir den Abstieg. Zunächst ging dies recht rasant und meine Wanderstöcke taten mir in dem steilen Terrain gute Dienste. Auch klarte es zunehmend auf und atemberaubende Ausblicke weit in die Landschaft und bis tief nach Uganda eröffneten sich.











Die letzten 700 Höhenmeter ließen die Kräfte vor allem in den Beinen dann aber doch rapide nach und ich musste mich aus Erschöpfung einige Male fallen lassen. Das kostete Zeit, so dass wir erst bei Dunkelheitseinbruch wieder den Nationalpark verließen und in tiefer Finsternis durch die Felder stolperten. Zum Glück hatte ich an meine Stirnlampe gedacht. Erst gegen 19.30h erreichten wir völlig erschöpft wieder den Ausgangspunkt der Wanderung.
 
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MANAL

Erfahrenes Mitglied
29.05.2010
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Dahoam
Vielen Dank für diesen tollen Bericht und die vielen Informationen über Land, Leute und Natur! Ein Land das ich bisher noch nicht so auf dem Schirm hatte.
 
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