Kairo, der etwas andere Reisebericht

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covalin

Erfahrenes Mitglied
03.11.2009
1.474
2
Am Schanzgraben
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Am 28.01.2011 in Kairo angekommen, teilt mir der Fahrer nach der Begrüßung mit, dass alle Mobilfunknetze und das Internet abgeschaltet wurden. Und auch das kabelgestützte Telefon nur zu Teilen funktionieren würde. Kurz in die Firma gefahren und das erste Meeting, indem schon klar wurde, dass das geplante Programm nicht umgesetzt werden kann. Am Samstag, den 29.01.2011, sind nochmals zwei Kollegen in Kairo angekommen. Dieses haben noch am Morgen mit dem Sicherheitsdienst der Firma für Auslandseinsätze telefoniert und mitgeteilt bekommen: "leicht erhöhtes Risiko, aber sicher". Dies hat sich während des Flugs geändert und alle Auslandsreisen nach Ägypten wurden untersagt. Für die zwei Jungs zu spät.

In Kairo ging es inzwischen drunter und drüber. Waren am Freitag noch überall Polizisten zugegen, sind diese am Samstag komplett von der von der Bildfläche verschwunden. Somit waren alle Regeln aufgehoben.

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Autos fuhren auf der falschen Straßenseite, Plünderer zogen durch die Straßen und einige Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Im Carrefour gingen die Menschen einkaufen ohne zu bezahlen, das Adidas-Outlet daneben wurde auch zerlegt. Wobei gemunkelt wird, dass das Letztere irgendwie fingiert war, um Verhaftungen im Fernsehen zeigen zu können (?). Direkt neben dem ummauerten und abgesicherten Wohnbereich für Ausländer (Katr el Nada), indem wir die Entwicklung beobachteten, befindet sich eine Sammelstelle für konfiszierte Fahrzeuge und Motoräder. Diese wurde leergeräumt. Nachmittags sind dann Panzer aufgefahren und am Abend und die komplette Nacht hindurch gab es in de Nähe Schießereien.

Am Sonntag, den 30.01.2011, war morgens eine Krisensitzung im Haus des obersten Repräsentanten dieser Firma in Ägypten anberaumt worden. Dieses befindet sich in Katameya und ist ein doppelt abgesicherter Bereich.

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Sprich eine Trutzburg in einer Trutzburg, bewacht wurde das Ganze vom Militär.
Alle aktuell tätigen Deutschen wurden eingesammelt mit der Maßgabe Papiere und Geld am Körper zu tragen und auch die gepackten Koffer mitzunehmen. In einem Autocorso sind wir dann zur Krisensitzung gefahren. Dort wurden wir dann mit der Meldung empfangen, dass alle Tätigkeiten einzustellen sind und wir (27 Personen) ausgeflogen werden sollen. Die Passdaten wurden an die Deutsche Botschaft weitergegeben. Angeblich wären zwei Maschinen der Lufthansa von Firmen und der Botschaft gechartert worden, in denen Plätze für uns reserviert wurden. Eine Maschine sollte nach Frankfurt gehen, die andere nach Rom - danach hieß es, solle man sich selber durchschlagen. Die Expats haben dann ihre Klamotten geholt und gegen 11:00 Uhr sind wir in einem Autokonvoi, bestehend aus 8 Fahrzeugen, zum Fairmont Tower Heliopolis Hotel am Flughafen aufgebrochen.

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Auf der Fahrt zum Flughafen - offiziell vier Spuren, aber acht Autos nebeneinander, haben wir Kontrollstellen der Armee passieren müssen. Hierbei werden Panzer oder MTWs quergestellt und der Verkehr auf eine Spur verengt.

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Gegen 13:15 Uhr haben wir das Fairmont endlich erreicht. Auf dem Weg gab es einige ausgebrannte Autowracks, durchbrochene Fahrbahnabgrenzungen und Bereiche, in denen es gebrannt hat. Ansonsten aber relativ ruhig.

In dieser Situation war der HON-Status von Vorteil. Offiziell war mein Rückflug am 04.02.2011. Gegen 10:00 Uhr Anruf bei der Swiss HON-Line und ich wurde sofort auf die Maschinen am 01.02.2011 umgebucht. Die Maschinen am 30.01. und am 31.01. waren überbucht und man hat mich auf die Warteliste gesetzt. Noch auf der Fahrt zum Flughafen hat die HON-Line zurückgerufen und mir mitgeteilt, dass ich einen Platz auf der Maschine am 30.01.2011 hätte. Dass unter Umständen jemand nun ausgeladen wurde, hat mir nicht behagt. Dem Sicherheitsbeauftragten der Firma habe ich mitgeteilt, dass ich einen Platz auf der heutigen LX237 bekommen hätte und er meinen Platz auf der gecharterten Maschine jemand anderem, der raus möchte, geben solle. Der Platz war sofort weg.

Der Weg vom Fairmont Hotel zum Flughafen beträgt nur ca. 2 km. Heute dauerte die Fahrt eine knappe Stunde. Leider fuhr der Bus zum Terminal 1 - ich musste aber zum Terminal 3. Beide Terminals liegen zwar in Sichtweite zueinander, aber es sind ca. 5 km. Am Terminal 1 eine einzige Masse aus Fahrzeugen, die zwar kräftig hupten, sich aber kaum fortbewegten. Nach Verlassen des Busses habe ich nach einem Taxi Ausschau gehalten und hatte Glück. Einen alten klapprigen in Lizenz gebauten Fiat 132, der eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h aufwies, konnte ich anhalten und dem Fahrer begreiflich machen, dass ich zum Terminal 3 muss. Ein Passant hat übersetzt. Die Fahrt dauerte nochmals eine knappe halbe Stunde und dann waren wir an der Auffahrt zum Terminal drei. Hier konnte man wieder vom ruhenden Verkehr sprechen. Dem Fahrer habe ich 100,- EGP in den Hand gedrückt und den letzten Kilometer bin ich dann zu Fuß gegangen.

Das Flughafengebäude voll. Dies hatte zwar den Vorteil, dass man nicht umfallen konnte, dafür war die Fortbewegung nur im Zeitlupentempo möglich. Exakt um 15:00 Uhr habe ich das Terminalgebäude betreten und kaum durch die Siko wurde es mir gleichzeitig kalt und heiß. Der SWISS Checkin war verwaist und bereits geschlossen und dies 1h und 10 min vor Abflug. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, es gab eine Anordnung der Sicherheitsbehörden, dass die Maschine vor 16:00 Uhr zu starten hatte und dadurch der Checkin vorverlegt wurde. Am Ende der Checkin Reihe (hinter dem LH Checkin) ist ein kleiner Schalter, an dem die PAs stehen. Dort habe ich der Dame Pass und HON Karte vor "die Nase gehalten" und gesagt, dass ich auf der LX237 gebucht wäre. Sie hat dann den Station-Manager der Swiss angerufen und das einzige, was ich verstanden habe, war das Wort HON, dass relativ häufig fiel und siehe da, der Checkin wurde für mich nochmals geöffnet. Ein Ehepaar, dass auch noch auf die Maschine wollte, und dort wohl schon länger gewartet hat, hat dann gefragt, warum ich jetzt noch eingecheckt werde und sie nicht. Die Antwort hat mich dann doch verblüfft: "Captains order..." Zwei drei Minuten später hatte ich meine Bordkarte, das Gepäck wurde von Hand dann weggebracht und ein Personal Assistant (jetzt war ich richtig froh über diesen Dienst) hat mich zur Immigration gebracht. Es waren zwar alle Schalter besetzt und jeweils lange Schlagen davor. Aber die Beamten haben nicht wirklich Arbeitswillen gezeigt, sind teilweise einfach aufgestanden und haben die Passagiere stehen lassen. Das gleiche Bild am Fasttrack, Riesenschlange und der Beamte hat dem Treiben zugesehen. Beamten-Mikado.

Links vom Fasttrack gibt es eine Tür mit der Beschriftung "Staff only". Dort befindet sich ein weiterer Immigration Schalter. Der PA ist mit meinem Pass und der Bordkarte verschwunden und nach rund 5 Minuten, gefühlt eine Stunde, mit allen notwendigen Stempeln im Pass und auf der Bordkarte wieder erschienen. Damit konnte ich direkt an der Immigration vorbei zum Gate laufen. Dort angekommen (F2) ging es direkt zum Bus - der Weg führte über die Fluggastbrücke und die kleine Treppe runter auf das Vorfeld - und kurz danach war ich an Bord.

Wir waren dann die Nummer 13 für den Start, hinter uns die AUA, die Privat Air und eine Turkish Airline. Interessant war der Umstand, dass sich jeweils eine Linienmaschine mit einem Privatjet abgewechselt hat. Vor uns sind also 6 Privatjets gestartet und hinter uns standen auch noch eine ganze Reihe. Im Übrigen sind die LH581 am 29.01.2011 und 30.01.2011 ausgefallen. Grund dafür könnte die Ausgangssperre sein, da offiziell zu diesem Zeitpunkt kein Fluggast den Flughafen erreichen konnte.

Auf die gecharterte Frankfurter Maschine, die am 30.01.2011 geflogen ist, wurden die beiden Familien mit Kindern gesetzt. Ansonsten waren wohl nur Mitarbeiter anderer Firmen noch auf dieser Maschine. Die zweite Maschine, die nach Rom fliegen sollte, gab es nicht. Die restlichen Firmen-Mitarbeiter und Zulieferer wurden heute auf die Flüge LX237, OS864 und LH581 gebucht, die alle gegen 14:00 Uhr am 31.01.2011 fliegen sollen.


Not to be continued!
 

oliver2002

Indernett Flyertalker
09.03.2009
8.339
3.417
49
MUC
www.oliver2002.com
Au kacke.... die Medien vermitteln leider nicht den Zustand auf den Flughäfen. LH582 D-ABVK hat es heute geschafft:

Code:
D-ABVK		(B744 LH)	1057 20110131	LH0582 (FRA-CAI)
D-APBB		(.... LH)	1649 20110130	LH0586 (MUC-CAI)
D-APBB		(.... LH)	1648 20110130	LH0587 (CAI-MUC)
D-ABTL	3C4A8C	(B744 LH)	1408 20110128	LH0580 (FRA-CAI)
D-ABTE		(B744 LH)	0504 20110128	LH0581 (CAI-FRA)
D-APBB		(.... LH)	1524 20110127	LH0586 (MUC-CAI)
D-ABTE	3C4A85	(B744 LH)	1437 20110127	LH0580 (FRA-CAI)
D-ABTH		(B744 LH)	0506 20110127	LH0581 (CAI-FRA)
D-ABTH		(B744 LH)	1627 20110126	LH0580 (FRA-CAI)
D-ABVW		(B744 LH)	0710 20110126	LH0581 (CAI-FRA)
D-ABBA		(B738 AB)	0749 20110125	AB8897 (CAI-MUC)
D-ABVZ		(B744 LH)	0653 20110125	LH0581 (CAI-FRA)
D-ABVZ	3C4ADA	(B744 LH)	1440 20110124	LH0580 (FRA-CAI)

Warum LH nicht die MUC Rotation mit einer 744 und doppelter Crew rausschickt ist mir schleierhaft. Ground support für eine 744 ist ja vorhanden...
 

flying_student

Erfahrenes Mitglied
04.04.2009
7.005
3
Au kacke.... die Medien vermitteln leider nicht den Zustand auf den Flughäfen. LH582 D-ABVK hat es heute geschafft:


Warum LH nicht die MUC Rotation mit einer 744 und doppelter Crew rausschickt ist mir schleierhaft. Ground support für eine 744 ist ja vorhanden...

Gibt doch einen zweiten Flug mit 744 ex FRA
 

covalin

Erfahrenes Mitglied
03.11.2009
1.474
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Am Schanzgraben
Ich tippe eher auf charter für expats...

Was ich gehört habe, haben wohl sehr viele der reichen Familien das Land mit Privat Jets verlassen. Bzgl. Expats tobt wohl auch einiger Ärger. In der gecharterten Maschine nach Frankfurt sollen wohl alle Siemens-Mitarbeiter ausgeflogen worden sein, aber kein einziger Nokia-Siemens Bediensteter.
 

covalin

Erfahrenes Mitglied
03.11.2009
1.474
2
Am Schanzgraben
Die Swiss fliegt mit doppelter Crew und auch eigenem Checkin Personal. Es wird auch kein Catering und auch keine Fracht in Kairo an Bord genommen. Nur das Gepäck der Passagiere.
 
M

matchcut30

Guest
Dass geht aber zu lasten vom MTOW und siehe Tunesien/Haiti/etc ist wahrscheinlich schon längst in der Schweiz.

USDollarscheine bis an die Kabinendecke einer Global Express gestapelt dürften aber das MTOW nicht so sehr affektieren.
Da passt noch ein Mogul und ein Blackwater-Leibwächter mit rein und ab in die Sequence, vectors DXB...
 
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thorfdbg

Erfahrenes Mitglied
14.10.2010
3.261
421
Au Backe, vielen Dank. Dagegen liest sich mein Thailand-Militärputsch-Bericht wie eine Märchenerzählung aus dem Kindergarten.

Nein, da muss man nicht dabei sein.
 
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covalin

Erfahrenes Mitglied
03.11.2009
1.474
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Am Schanzgraben
Als kleines Update. Alle aus unserer Gruppe, die gestern auf LX237, OS864 und LH581 verteilt wurden, sind inzwischen heil in Deutschland angekommen. Der Abflug der LX237 ist vorverlegt worden uns sollte von F5 abgehen. Als alle in der Abflughalle (F5) waren, kam die Ansage Gatewechsel auf G5 - ist ja nur am anderen Ende des Terminals. Ein Swiss Mitarbeiter hat die "Prozession" dann angeführt und alle Schäfchen zu G5 geführt. An der erneuten Sicherheitskontrolle mussten nur noch die Notebooks geröntgt werden. OS864 soll on time rausgegangen sein. Die 747 der LH stand nach dem Boarding dann noch zweieinhalb Stunden auf dem Vorfeld, bevor es die Startfreigabe bekommen hat.
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.831
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USDollarscheine bis an die Kabinendecke einer Global Express gestapelt dürften aber das MTOW nicht so sehr affektieren.
Da passt noch ein Mogul und ein Blackwater-Leibwächter mit rein und ab in die Sequence, vectors DXB...

Besser CHF - ein Tausender nimmt einfach weniger Platz weg als zehn USD-Hunderter.
 

Carrie

Erfahrenes Mitglied
15.11.2009
1.351
1
DUS
Ich hatte Gänsehaut beim Lesen deines Berichtes! Gut, dass du da rausgekommen bist...
 

MLang2

Moderator / Newbie-Guide
08.03.2009
8.229
5
MUC
Und in der zwischenzeit fahren diverse Kegelklubs nach Huhgarda... die Interviews am Montag und Dienstag in der Tagesschau waren herrlich: 'Mein Taucherklub sagt allles ist OK' und "unter Wasser passiert eh nix"

Wie ich schon im anderen Thread schrieb: Das muß man denke ich differenziert sehen. Vor 5 Jahren wäre ich vielleicht auch - zumal zum tauchen, wenns ne Safari ist - geflogen. Heute nicht mehr, und mit Familie ganz sicher nicht.

Ich denke einige hier im Forum werden beruflich vielleicht in Gegenden reisen (müssen), in denen sie freiwillig nicht 1 Minute verbringen wollten und niemals ihre Familie dorthin schleppen würden. Die Kernaussage für mich muß nur sein: Wer da jetzt (oder die letzten3 Tage) in einen Flieger nach Ägypten steigt, muß sich des Risikos bewusst sein und kann nicht hinterher nach der Bundesregierung schreien, die ihn da jetzt gefälligst rauszuholen hat.
 
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