Oligarchenfrühstück

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Der Graue Herr

Guest
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Am vergangenen Freitag morgen saß ich beim Morgenkaffee in einem bekannten Londoner Schlawinertreff in SW1; eines der wenigen Lokale mit Außenbestuhlung, was angesichts des Araberlärms derzeit ja auch nur begrenzt Sinn macht. Normalerweise lümmeln sich dort die Kunsthändler und non-dom-Nichtsnutze der angrenzenden Straßenzüge, so auch ich, wenn ich meine eigene Kaffeemaschine einmal nicht mehr ertragen kann. Der Himmel war bewölkt, die Temperatur verhalten.

Am Tisch neben mir tranken zwei in sich gekehrte ältere Herren einen Tee. Einer der beiden war sehr gepflegt, trug ein dunkles Leinenjackett, ein offenes weisses (und sehr gut geschnittenes) Hemd, eine stählerne Taucheruhr mit einer schwarzen Drehlünette und sehr gut geputze Schuhe. Er hatte lichtes Haar, fast eine Halbglatze. Er wirkte ernst, entschlossen, wie jemand, mit dem man keine Scherze treibt. Bald schon brachen sie auf und eilten kurz darauf gemessenen Schrittes davon.

Mein Gegenüber, ein eleganter Mensch, dem ich solches Spezialwissen nicht zugetraut hätte, sagte: "Wissen Sie nicht, wer das war? Boris Berezovsky, ein eher unbekannter Oligarch der zweiten Garde. Er ist auf dem Weg zum Gericht, heute sagt er gegen Roman Abramovic in einem großen Rechtsstreit aus". Später, im ersten Programm der BBC, sah ich dann die wesentlich dramatischere Ausgestaltung des Auftritts der beiden Kontrahenten vor dem Gericht, mit gepanzerten Jeeps und Maybachwagen.

Nach meinen Recherchen sehe ich Berezovsky als den interessanteren der beiden an, er scheint ein sehr kultivierter und vielseitig interessierter Mensch zu sein. Auch der Spion und Dissedent Litwinenko, dessen Vergiftung (mich bewegt dabei besonders die "Walking-Ghost-Phase") an einem grauen Novembernachmittag in einem abweisenden Hotel im weiter nördlich gelegenen Mayfair am ebenso unwirtlichen Grosvenor Square, der durch das im Brutalismus-Stil gezeichnete Gebäude der amerikanischen Botschaft dominiert wird, stattfand, gehörte offenkundig zu seinem Zirkel. Eine bewegende Geschichte, die noch längst nicht geklärt ist. Ahnungslos trank ich also neben jenem meinen Kaffee und ahnte nicht, wer mit mir die unerträgliche Geräuschkulisse der italienischen Sportwagen und Mülltransporter teilte.

Ein grauer Morgen.
 
Moderiert:

f0zzyNUE

Erfahrenes Mitglied
08.03.2009
8.415
731
gerade mal nach bildern des oligarchen gegoogelt ... sieht ja aus wie ralph siegel :D

BerezovskyBorisBlackSuit.jpg
 
D

Der Graue Herr

Guest
Ohne Klamauk geht es wohl nicht. Nun, wie Siegel sieht er nicht (mehr) aus, auf jeden Fall ist er ein eleganter und zugleich furchteinflößender Mann, ganz wie der von mir sehr geschätzte Lino Venture in "Die Filzlaus", das Thema hatten wir ja schon einmal.

Warum man in London in SW1 und W1 draußen sitzen muss, ist schwer zu beantworten - außer, man mag es gerne, wenn einen ein Koenigsegg anbellt (der Wagen, nicht ein Angehöriger der mediatisierten Familie) und man wunderschöne, ernst und würdevoll daherkommende, in schwarze Gewänder gehüllte und Krokokellys und 2.55 umherschleppende Iranerinnen bestaunen möchte.

Sie können sich denken, dass ich BEIDES durchaus sehr gerne geniesse, besonders dann, wenn der Himmel dazu ein graues Dach hergibt.
 
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Reaktionen: NCC1701DATA

happyfriend

Erfahrenes Mitglied
04.05.2011
572
2
Der türkise Koenigsegg aus Qatar?
Oder gibt es jetzt Nachahmer?

Ich sitze da auch gerne.
 

happyfriend

Erfahrenes Mitglied
04.05.2011
572
2
Den habe ich noch nicht gesehen.
Wegen der Olympics war ich die letzten Male nur auf Daytrips in London. Da fehlt mir dieses Jahr natürlich der Überblick über die arabischen Sommerurlauber.
Ich werde nächste Woche wieder einsteigen. freue mich auch schon, ich mag ja London sehr gerne.
 

antwort

Erfahrenes Mitglied
05.12.2010
2.768
146
Mögen die erlauchten Kreise mich aufklären, was man sich gemeinhein unter "2.55 umherschleppende Iranerinnen" vorstellen darf?
Besten Dank.
 

happyfriend

Erfahrenes Mitglied
04.05.2011
572
2
2.55 ist eine Chanel-Handtasche. Einige Ecken Londons sind in den Sommermonaten bevorzugte Aufenthaltsorte reicher Araber. Die Jungs haben Sportwagen und riesige Limousinen- gerne in schillernden Farben, gibt einen Rolls in changierendem Rosa, Innenausstattung ist weinrot...- die Damen tragen Chanel, Hermes, Fendi, LV und alles andere, was europäisch und sauteuer ist. Gerne natürlich unter dunkler Kleidung versteckt, ich habe aber auch schon einen Chanel-Niqab gesehen.
 

happyfriend

Erfahrenes Mitglied
04.05.2011
572
2
Haha, sehr schöne Modelle!!
Aber der Lack des Londoner Traumes in Rosa perlt noch etwas mehr. Und ist etwas pastelliger.

Die optische Erläuterung bietet übrigens keine 2.55. Das Modell im Vordergrund dürfte von YSL sein.
 
D

Der Graue Herr

Guest
Es war nur ein Beispiel für das allgemeine Erscheinungsbild.