Erinnerungsfragmente aus Russland, China, Südkorea

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unblack

UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
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Es ist Ende März. Es ist kurz nach Mitternacht. Es sind -15°C. Was mache ich hier eigentlich? Ich stehe am Bahnhof Moskowskaja in St. Petersburg mit 6 mehr oder minder betrunkenen Musikern, 5 weiteren Crew-Mitgliedern und zwei russischen Veranstaltern. Letztere versuchen gerade Gepäckträger durch Übergabe einiger Rubel davon zu überzeugen, sämtliches Equipment zum Zug zu schaffen.
In 18 Stunden ist Einlass für das nächste Konzert in Moskau, vor einer Stunde sind wir erst aus der letzten venue raus und da irgendwer behauptet hat wir müssten auch mal schlafen, fliegen wir nicht, sondern nehmen den Nachtzug von St. Pete. Die Sackkarren der Gepäckträger scheinen aus Zeiten zu stammen, als noch Lenin selbst die Züge in dieser Stadt fuhr. Aber sie tun ihren Dienst und wir können nach Übergabe weiterer Rubel auch durch den Seiteneingang, vorbei an allen Sikos und Menschenmassen. Priority Boarding quasi.

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Wir bekommen den kompletten letzten Wagen des gefühlt 5 Kilometer langen Zuges und obwohl wir jeweils Zweierabteile haben, wird es eng. Gepäck unten, Bett oben, sitzen ist nicht eingeplant.

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So deklarieren wir die Abteile in baggage, sleeping, food und party compartments um. Besonders die Nahrungsaufnahme gestaltet sich sehr kuschelig.

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Wider aller Erwartungen ist der Zug angenehm leise, aber die Heizung kennt - ähnlich wie ein Lada Samara - nur den Level "Banja". Gaffer-Tape löst jedes Problem, denn damit kann man auch Heizungen abkleben. Ebenso kann man damit Abteile für betrunkene Mitreisende markieren. Alter Agenten-Trick. Selbst ein paar Stunden Schlaf bekommen wir während der 9 Stunden Fahrtzeit, obwohl die Herren vom "Party compartment" nebenan dem Abteilnamen alle Ehre machen und allerlei Skulpturen aus Korkenziehern und Bierdosen bauen.

Moskau, 9 Uhr. -17°C. Es ist arschkalt.

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Im nächsten Teil gibt es auch wieder was mit Flugzeugen.
 

unblack

UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Ein paar Tage später. Es ist immer noch kalt und wir sind nach diversen Zwischenstationen in Krasnodar, Rostov on Don und Samara wieder in Moskau. Russisches Publikum schwenkt klischeebehaftet rote Fahnen während des Konzerts.

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Russisches Catering kann sehr lecker sein. Russische Security dagegen sehr dämlich. Nein, auch Freunde des Onkels des Nachbarn vom Veranstalter haben während oder nach dem gig nicht hinter der Bühne herumzulungern. Unser Gitarrist darf in der Lobby des Moskauer Crowne Plaza nicht mehr Klavier spielen. Zumindest nicht nachts halb drei. But what happens on tour, stays on tour.

Ich bin noch einen Tag in Moskau geblieben, bevor es mit kurzer Pause via DE weiter nach Asien geht und habe mich im Hilton einquartiert.

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(Executive Lounge im Hilton)

Kalt ist es immer noch, aber immerhin blauer Himmel und so. Nur nicht am Abreisetag, denn da ist ein ordentlicher Schneesturm angesagt. Da ich mit dem Aeroexpress fahren will, muss ich 2 Stationen mit der Metro fahren - Metrostation ist quasi gegenüber vom Hilton. Es schneit so stark, dass ich nach den 300 Metern aussehe wie das Michelin-Männchen.
Am Bahnhof Paveletsky wundere ich mich, dass viele Fahrgäste noch drin stehen, obwohl der Zug schon da steht. Als ich vor selbigem stehe, merke ich auch warum: die Türen gehen noch nicht auf. Russen sind also doch ein kleines bisschen schlauer als ich.

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Auch dieser Zug ist angenehm leise und bringt mich durch viel, viel Schnee nach DME. Das reimt sich. Check-In ist fix erledigt, Pass-Kontrolle finde ich recht streng.
LH-Lounge finde ich ganz angenehm, es gibt sogar was warmes zu essen (Geschnetzeltes). Obwohl das Wetter nicht danach aussieht, beginnt das Boarding pünktlich, um dann doch eine Stunde auf dem Rollfeld rumzustehen.

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Dadurch ist in FRA mein Anschluss nach LEJ weg - 4h warten. Aber so kann ich wenigstens in der SEN-Lounge das machen, was ich seit 1985 fast jeden Sonntag tue:

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Und nein, mir ist nicht mehr zu helfen.
 

Weltenbummler42

Erfahrenes Mitglied
08.06.2010
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noch TXL
Danke für die Bilder und Eindrücke...
Aber um welches Konzert (in das Du gehen wolltest?) handelt es sich?

Schönes Wochenende -
Weltenbummler
 

unblack

UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Ähm, nein. Das ist mein Neben-Broterwerb. Mit welchen Bands ich da unterwegs bin, gehört nicht hier her - ansonsten würde ich ja nicht einiges unkenntlich machen.

Horde ist nur die die Referenz zu meinem Nick.
 

unblack

UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Wieder ein paar Tage später sitze ich erneut im Regionalexpress nach LEJ. Ein paar Tage Job A mit diversen Audits und Meetings um mich dann wieder mit Job B für ein paar Konzerte in den Asien-Teil einer Tour einzuklinken.
Zu LEJ gibt es jetzt nicht wirklich viel zu schreiben, bzw. habe ich das schon in anderen threads oft genug getan.

In MUC Vorfeld-Position, wo schon zwei Automobile warten, vor denen Männer stehen und Schilder halten. Auf einem steht ja mein Name. Jemand, der noch wichtiger ist als ich, bekommt die S-Klasse, während ich Viano fahren muss. Wahrscheinlich einer dieser HONs über die hier alle reden.

3 Stunden und zwei FCL-Schnitzel später ist Boarding eines A346 angesagt.

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Es ist wunderbar leer; wir sind zu Dritt in der F, d.h. kurzzeitig zu viert, weil ein HON mit dem Ticket seines Feeders ganz aus Versehen auf 2D Platz nahm. Ganz aus Versehen hatte er das Ticket auf in ein F-Ticket-Sleeve gesteckt. Die Crew war im Gegensatz zu ihm aber nicht auf den Kopf gefallen. Auf was für Ideen manche Leute kommen…

Auch LH F-Berichte gab es schon genug, daher kürze ich das ein wenig. Crew super, Essen super, zu alkoholischen Getränken kann ich als Straight Edge nichts beitragen,

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Schlaf super,

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Rührei super.

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Osterhasi super.
Analoges IFE nicht so super und überhaupt finde ich, dass die F in diesem A346 schon ziemliche Schmauchspuren hatte. Trotzdem bekommt LH für diesen Flug eine 1 mit Sternchen ins Muttiheft.

In PVG voller Arrival-Service wobei der Nutzen der Grüßtante irgendwo zwischen 0 und 0,5 rangiert, bzw. in Minuten ausgedrückt vielleicht 5.

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Ein Stündchen in der Lounge, bevor es weiter nach CAN geht und in den nächsten Tagen fast sämtliche Sitzvarianten von CA durchzutesten.
Am Gate heißt es erstmal Delay bis unbekannt, dann nach 10 Minuten doch boarding und 3 Stunden am Gate rumstehen wegen schlechtem Wetter in CAN. Die CA F ist gar nicht so übel

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Ich glaube, die drittneueste Config. CA ist da ja noch inkonsistenter als EK. 180° LieFlat, passt. Während der 3 Stunden Wartezeit wird schon mal Abendessen serviert (nicht geknipst, aber gut), Tee kredenzt und immer mal auf chinglisch verkündet, dass wir noch nicht starten. Also richte ich mich häuslich ein - Ablagen gibt es ja genug - und vertrödel die Zeit mit Herrn Lanz.
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UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Hilton Guangzhou Tianhe. Der entscheidene Nachteil an diesem Hotel ist, dass es neben einer Kaserne liegt. Früh halb 7 werde ich von Marschgebrüll geweckt. Ich, der beim Bund ausgemustert wurde!

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Aber dafür nette Executive Lounge mit eigener Omelett-Station beim Frühstück.

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Die letzten Tage habe ich vor allem hier verbracht:
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...um heute von Dongguan mit dem MTR nach Hong Kong zu fahren und von da aus zum einem weiteren audit nach Fuzhou zu fliegen.

In Hong Kong kann ich bei einem Bekannten übernachten, der praktischerweise in Tsim Sha Tsui wohnt und sogar ein bisschen grün vor der Tür hat.

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Nach Fuzhou fliege ich mit Hong Kong Airlines - Premiere für mich. Boarding ist über ein Busgate und da es schüttet wie aus Eimern, werden Regenponchos verteilt. Kaum reingefummelt in das Ding, hört es auf mit regnen.
Der A320 ist innen blitzsauber und stinkt bestialisch nach neu, Chlorix, Nuth (Ossi-Insider) und WC-Ente zusammen. Keine Ahnung was die da für Putzmittel haben.

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Beinfreiheit ist ok, Catering für den kurzen Flug ok, die Trenngardinen-Wand zur Business wird noch zusätzlich mit einem Schild "Business-Class" verziert, Pilot sprach ausgezeichnetes Englisch.

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Fuzhou soll ja ganz schön sein, aber die Stadt gab sich alle Mühe, mir nicht zu gefallen. Das begann schon beim nervigen Verhandeln mit den Taxi-Fahrern, die sich erst nach demonstrativem zum Bus gehen zu einem vernünftigen Fahrpreis überreden ließen.
Das Wetter war auch die ganze Zeit Kacke, das Sheraton aber ziemlich gut. Geschätzte Auslastung lag bei 2% - ich habe in den 2 Tagen genau 3 andere Gäste gezählt.

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Ausblick vom Sheraton

Ansonsten ist hier nur noch bemerkenswert, dass ich hier den schlechtesten Fahrer in China ever hatte - selbst auf der leeren dreispurigen Autobahn zum Flughafen schaffte er es, alle Spuren gleichzeitig zu benutzen, während ich ihn darauf hinwies, wo wir gerade abbiegen müssen.

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Der Flughafen von Fuzhou liegt 50km außerhalb an der Küste, und sieht - obwohl schon 15 Jahre alt - aus, als ob er gerade erst hingezimmert wurde. Englisch spricht hier allerdings kaum einer, aber mit Händen und Füßen kann man sich schon verständlich machen. Zurück nach Guangzhou geht es heute mit Hainan Airlines - ich weiß leider nicht mehr, ob es ne 737 oder ein A320 war. Jedenfalls war ich alleine in der F, die Crew bemüht und das Essen für den kurzen Flug beachtlich.

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LHFan

Erfahrenes Mitglied
13.06.2011
2.196
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Es ist wunderbar leer; wir sind zu Dritt in der F, d.h. kurzzeitig zu viert, weil ein HON mit dem Ticket seines Feeders ganz aus Versehen auf 2D Platz nahm. Ganz aus Versehen hatte er das Ticket auf in ein F-Ticket-Sleeve gesteckt. Die Crew war im Gegensatz zu ihm aber nicht auf den Kopf gefallen. Auf was für Ideen manche Leute kommen….

Das scheint ja ein Standard zu sein, selbst bei meinen wenigen F Flügen habe ich das schon dreimal erlebt......
 

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UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Das scheint ja ein Standard zu sein, selbst bei meinen wenigen F Flügen habe ich das schon dreimal erlebt......

Kommentar des Pursers dazu war ungefähr: "Die wissen halt ganz genau, dass wir in der F ein Essen mehr laden. Da wird vorher auf die seatmap geguckt und der Sitzplatz im Zubringer angepasst oder auch mal eine alte Bordkarte gezeigt. Und wir müssen dann so tun, als ob wir ihm glauben."
 

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UA-VollHONk.
02.08.2009
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LEB/ERF
Weiter geht die Testreihe der Air China F-Variationen. Heute habe ich auf CAN-PEK eine besonders alte Config erwischt:

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IFE ist ein Tablet mit immerhin englischer Benutzeroberfläche, aber ausschließlich chinesischen Filmen:

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Strom gibt es auch nicht, immerhin ist das Catering ist wie gewohnt gut.

In Peking fix im Hilton eingecheckt, upgrade auf ne Suite

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und dann schnell mit Hilfe eines sehr netten Taxi-Fahrers zur nächsten Venue, denn heute abend soll es ja wieder Musik geben.


<kleiner Exkurs zu China und westliche Musik>
Die Band, mit der ich hier bin, war - obwohl Deutschsprachig - nach den Rolling Stones eine der ersten westlichen Bands, die überhaupt in China spielen durfte. Das war 2006. Nachdem Björk 2008 ihren Song "declare independence" mit "Tibet! Tibet!" verfeinerte, waren schlagartig alle Auftrittsgenehmigung weg, Touren mussten abgesagt werden, egal ob Oasis, Celine Dion oder Bob Dylan - China war tabu. So auch die für 2009 geplanten Konzerte dieser Band. Die Situation verbesserte sich erst Ende 2011 wieder, aber auch heute müssen alle Texte einer Zensurbehörde vorgelegt werden. Wieviel Chinesische Stasi auf einem Konzert anwesend ist, vermag ich nicht zu sagen. Man kann es auch schlecht nach dem Äußeren beurteilen, da sich Chinesische Fans nicht unbedingt Szeneaffin kleiden.
<Exkurs Ende>

Konzerthallen sind in China selten wie in Deutschland auf abgelegenen Fabrikgeländen, sondern auch mal in Hochhäusern. So auch heute im 3. Stock eines Hochhauses. Die Warteschlange zog sich durch das ganze Treppenhaus, an der wir später auch vorbei mussten, weil das Catering ein Stockwerk tiefer war.

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Ansonsten ist alles typisch China: lokale crew spricht kaum englisch und unser Mann für's Licht freut sich, dass immerhin 60% der vorhandenen Scheinwerfer funktionieren.

Dafür beherrschen die Fans Pommesgabel schon sehr gut

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und die Bühne sieht kurz nach Beginn schon aus wie die Bundesgartenschau.

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