Im Dreamliner nach Madrid

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Anonym38428

Guest
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Kennt ihr noch das Lied "Jein" von Fettes Brot? Engelchen Links, Teufelchen Rechts - eine schwierige Entscheidung. Es war Samstag morgen, kurz nach 9, ich hatte mich gerade aus dem Bett gepellt. Im Gegensatz zu Fettes Brot hatte ich mit gleich zwei Teufelchen zu kämpfen - und ich hatte eh nix besseres vor.

Wenig später fand ich mich im ICE721 wieder, via Köln Messe/Deutz und ohne Zwangshalt in Siegburg und Montabaur gen Frankfurt am Main. Flughafen.

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Ich hatte zum Glück noch Zeit gefunden eine Schorle einzupacken. Das Bordrestaurant war geschlossen, der sog. Am Platz Service auch heute mal wieder ein bestenfalls frommer Wunsch. In Frankfurt angekommen hatte ich mir noch ein wenig was vorgenommen. Ich hatte Zeit. Ich wollte auf die Besucherterasse (von der derzeit gefühlt mehr als 2/3 gesperrt sind, also spart euch das Geld) und noch beim TK Ticketing vorbei. Am Schalter können sie nicht auflegen. Unschlagbarer Vorteil.

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Frankfurt Rhein-Main. Seit meine Freundschaft mit der Hansa zerbrach, war ich länger nicht hier. Letzte Flugbewegung in FRA könnte knapp 2 Jahre hergewesen sein. Es könnte ein Versuch gewesen sein den Dreamliner zu fliegen. Mit der LAN. Erinnerungen werden wach, an eine 767 die LAN damals erst vor wenigen Tagen in Dienst gestellt hat, eine 767 die innen genauso roch, wie man sich Südamerika vorstellt. Der schwere Geruch von Tabak, ein wenig Parfum.

Viel getan hat sich in der Zwischenzeit. LAN hat sich die TAM einverleibt, damals stand man der Lufthansa noch näher. Ein Überbleibsel davon, die Abfertigung im T1. Auch nach 2 Jahren wird die LAN noch im T1B abgefertigt, als Lounge bietet man derweil nicht mehr die Lufthansa Business Lounge an, sondern die Air Canada Lounge. Die ist neu. Für mich. Meine erkaltete Freundschaft zur Lufthansa hat dazu geführt, dass ich dieses - wie einige sagen überbewertete - Kleinod an Abwechslung im Loungeallerlei noch nie besuchen durfte. Heute ist es soweit. Es gibt einen trockenen Roten, dazu serviert der Kanadier Caprese. Oder sollte ich sagen: Ne kalte Platte mit Tomate und meterdick geschnittenem Industriekäse. Immerhin, die Aussicht stimmt.

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Vor geraumer Zeit war ich häufiger hier. Damals in der Eile habe ich nicht wahrgenommen, wie gut man doch an einigen Gates im B-Riegel fotografieren kann. Die Air India steht perfekt.

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Die größere 77W von ANA weniger.

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Mein Dreamliner lässt sich auch bestens ablichten. Nun, wenn man vom Lichteinfall absieht.

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An der langen Schlange geht es vorbei, schnell habe ich Platz genommen. Der Sitz kommt mir vertraut vor. Auf einem sehr ähnlichen Modell habe ich bei der TK lange Stunden gelegen. Ich mag diesen Sitz, auch wenn man über den Sitznachbarn steigen muss. Das soll heute aber nicht mein Problem sein, die Auslastung weit vorne ist überschaubar. Es werden Nüsschen gereicht, es gibt ein kühles Wasser aus einer nahegelegenen Leiung. Es passt einfach. Das spüren auch die an mir vorbei laufenden Gäste, ob ich denn nicht tauschen wolle, werde ich gefragt. Nun, es hätte wohl ein tolles Geschäft werden können. Aber ich saß schon. Ziemlich gut sogar.

Um 19:38 werden wir sanft zurückgestoßen. Der Kapitän startet den Rolls-Roye. Und dann noch einen. Ich liebe diesen Sound.

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Entlang des A-Riegels geht es zur Startbahn West. Gebaut damals, als Protest noch auf der Straße ausgetragen wurde. Es geht entlang des Taxiways der zur neuen Nordwestbahn führt. Heute wird Protest irgendwie anders gelebt. Den Bau verhindern konnte keine der Bewegungen.

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Die Triebwerke laufen hoch, sanft und fast lautlos erhebt sich der Dreamliner in die Luft, schiebt sich durch eine Wolkenschicht nach der anderen.

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Wenig später wird ein kleines kaltes Mahl serviert. Ich bleibe beim Roten. Ein Cabernet soll es sein. Natürlich aus Chile, was auch sonst sollte eine Airline aus diesem Land ausschenken?

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Viel zu schnell senkt sich die Sonne am Horizont, unweigerlich nähert sich auch dieser Flug seinem Ende entgegen.

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Ja, es sind Moment wie diese, die das Fliegen ausmachen. Stimmung, Atmosphäre. Ja, es passt einfach.

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Der nächste Tag beginnt spät, gegen Mittag erklimme ich das in der Wüste liegende Terminal 4. Den landseitigen Weg zum Terminal nehme ich erstmals bei Tageslicht, die Entfernungen zu den anderen Terminals erscheinen gigantisch. Ja, das Terminal ist ein kleiner Flughafen im Flughafen. Schnell habe ich meine Boardkarte erhalten, ich will durch den Fast-Track, habe schon meine Boardkarte auf den Scanner gehalten. Ein grünes Licht blinkt, eine Mitarbeiterin gibt mir zu verstehen, dass ich hier nicht gern gesehener Gast sei. LAN zahle einfach nicht genug, um mich durch diese leere Sicherheitskontrolle zu geleiten.

Wie ein geschlagener Hund trete ich meinen Weg zurück an. Immerhin, ich habe Zeit. An der automatischen Boardkartenkontrolle für Ottonormalverbraucher erscheint ein rotes Licht, darf man mit einer Boardkarte womöglich nur einmal den Sicherheitsbereich betreten? "Seek assistance" steht dort geschrieben. Ich schaue mich um. Ich suche. Am Einlass für Gebrechliche werde ich fündig. Wir lächeln uns zu. Sie versteht kein Englisch, mein Spanisch reicht für ein Bier. Immerhin ein großes. Und doch verstehen wir uns. Wenig später erhalte ich Einlass. Bei den Gebrechlichen. Auch sowas wie eine Fast-Lane.

In meinem Hinterkopf murmelt ein Teufelchen vom tollen Wein und Cava in der Iberia Lounge. Ich probiere. Der Wein, ein Weißer zur Abwechslung, mundet. Aber, wo ist der Cava? Der vielgepriesene? Ich werde fündig. Neben dem aufgesprudelten Leiungswasser. "Cava" steht es dort auf einem Piccolöchen geschrieben. Semi-Seco. Ist bestimmt was gutes. Bei Bier hätte ich es gewusst. Ich nehme einen Schluck und Stelle fest, ich habe eine Zuckerader getroffen. Nein, der Cava und ich, wir werden keine Freunde.

Zwischenzeitlich wird auf den Bildschirmen eine Abflugverspätung angezeigt, 32 Minuten. Nun gut, ich nehme noch ein Glas vom Weißen. Er ist trocken. Ich mache mir Gedanken, am Morgen, beim Frühstück, habe ich entdeckt, dass eine noch viel neuere Maschine sich auf den langen Weg von Santiago nach Madrid gemacht hat. Viel neuer als es der Dreamliner des gestrigen Tages war. Das heutige Exemplar ist nicht nur neuer, es ist auch größer. Das Engelchen redet mir Vorfreude ein, eine 787-9, ein erstes Mal im "langen" Dreamliner. Das Teufelchen erinnert an die angezeigte Verspätung. Man wird doch wohl nicht wie schon einmal einen Subcharter bemühen? Aus dem Fenster erblicke ich sämtliche Highlights, die Südeuropa so zu bieten hat. Orbest, Euro Atlantic, auch eine Air Europa rollt vorbei ... und dann springt die erwartete Abflugzeit wieder zurück. Alles geht seinen gewohnten Gang. Das Engelchen siegt.

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Im Flieger biege ich links ab. An meinem Platz erblicke ich so sehr Vertrautes. Während ich gestern die Assoziation zu wohlbekanntem Gestühl der Turkish im Kopf hatte, stelle ich heute fest: Es passt. Warum die Südamerikaner in die -8 eine Vorversion der Gestühls mit kleinerem Schirm und einigen anderen Details einbauten, wird wohl für immer eine Frage bleiben.

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Ich habe kaum Platz genommen, mich eingerichtet, schon ereilen mich wieder Nüsschen. Das Wasser aus der Leiung ist aus, ich wähle was Perlendes. Erwähnte ich schon - ich mag das.

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Der Nachbar, womöglich die Maschine, die mich 2 Jahre zuvor nach Madrid beförderte? Ich schaue nach, nein, sie ist es nicht.

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Es geht schnell, ich erlebe ein Dejavu. Ich geniesse es. Dieser Moment. Diese Aussicht, es ist einfach toll.

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Auch heute wird ein kaltes Tablettchen gereicht, ein wenig Schinken, von dem es in Spanien ja soviel geben soll, Tomaten - ja, sie schmecken sogar nach Tomate. Ein fruchtiges Dessert. Auch ein wenig vom so leckeren Roten ist noch da. Cabernet. Aus Chile. Ja, es passt.

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Doch - halt. Die Realität. Irgendwie schafft sie es, sich zwischen diesen Flug und mich zu drängen. Die Landschaften, die Sonne, wo sind sie? Wie ausgewechselt ist der Blick. Auch wenn die Wolkenformationen nicht weniger spannend erscheinen.

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Ich blicke zurück. Auf diese Reise. Auf dieses Flugzeug. Schon toll.

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In Frankfurt machen wir wieder im Terminal 1 fest. Fluggastbereich B wie man es nennt. Unser entfernter Nachbar kommt mir bekannt vor. OZOZOZOZ habe ich im Kopf, Erinnerungen an eine längst vergangene Reise im Upperdeck dieser Königin Lüfte werden wach. Ja, für diese Erinnerungen leben wir.

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Mr. Hard

Spaßbremse
23.02.2010
10.803
3.335
Es erscheinen Teufelchen und Teufelchen auf meiner Schulter: Teufel links, Teufel rechts.
Rechts: "Buch dir den Flug, du willst es doch auch, kannst du mir erklären wofür man (flug)freie Tage braucht?"
"Halt der will dich linken" schreit der Teufel von der linken, "weißt du nicht das Zuhause bleiben scheiße ist, und Stubenhocker stinken?"
Und Madrid ruft: Es wer schön wenn du bei mir wärst heut Nacht" Ja das wär ausgemacht.
 

flykai

Erfahrenes Mitglied
02.04.2010
1.271
242
TXL
Danke, hat mir sehr gut gefallen. :)
Der Bericht ist ein schöner Vorgeschmack auf meinen Flug in drei Wochen.
 

ichmagfliegen

Erfahrenes Mitglied
17.11.2012
1.039
1
STR
Super! Nach dem abgerockten Sitz in der 787-8 vor rund 3 Wochen sollte ich vielleicht doch die neue Kiste probieren? Hmmm... ;-)
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.851
10.989
Sehr schoen, sehr schoen. Die schoene Effizienz, 8 hin, 9 zurueck, war pures Glueck, nehme ich an?


Unser entfernter Nachbar kommt mir bekannt vor. OZOZOZOZ habe ich im Kopf, Erinnerungen an eine längst vergangene Reise im Upperdeck dieser Königin Lüfte werden wach. Ja, für diese Erinnerungen leben wir.

Der Flieger, an den ich Business-Erinnerungen auf dem Weg nach Oz mit der OZ habe, liegt leider zerschmettert in San Francisco :(
 
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Anonym38428

Guest
Sehr schoen, sehr schoen. Die schoene Effizienz, 8 hin, 9 zurueck, war pures Glueck, nehme ich an?
Jap ... hab für nächstes Jahr Scoot und KLM 789 in der Pipeline, aber es war denn doch eine eher frohe Überraschung, als ich die CC-BGA auf dem Weg nach Madrid entdeckte ;)