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Ich bin auf ein etwas betagtes Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 29.08.2008 – 3-04 O 121/07 gestossen, von dem ich allerdings nicht sicher bin, ob es rechtskräftig geworden ist. Vielleicht weiss ja einer unserer Reisebüroprofis, wie das Verfahren weitergegangen ist, ich habe bei beck-online nichts weiter dazu gefunden.
Gestritten haben sich ein damalige Tarifregelungen (Couponreihenfolge, Cross-border-selling, Cross-ticketing) äusserst kreativ umsetzendes Reisebüro (Schilderung des Prozedere im Urteil, Tz. 4-6) und eine Airline. Die Fluggesellschaft hat Differenzkosten nachbelastet und das Reisebüro diese, bis auf die Cross-border-Geschäfte, erfolgreich zurückgeklagt.
Entscheidungsmassstab waren hauptsächlich IATA-Konditionen für Reisebüros, die für Individualbucher nicht von Belang sind; für den Endkunden hat mittlerweile das (BGH-Urteil vom 29.4.2010 - Xa ZR 101/09 -) einen Rahmen vorgegeben. Ob LH durch Einführung der F/C/Y-Coupon(mond)tarife die Vorgaben dieses Urteils auch tatsächlich rechtstreu umgesetzt hat, bleibt abzuwarten.
Von Interesse für Individualbucher dürften allerdings zwei Grundüberlegungen des Landgerichts sein, die auch nach dem genannten BGH-Urteil noch zum Topic Verfallenlassen des letzten Flugabschnitts aktuell sind (Urteil Tz. 30-33) und die ich mit eigenen Anmerkungen - auch zum BGH-Urteil - ergänze und zur Diskussion stelle:
Zum Stichwort Pflichtverletzung, das vom Landgericht gar nicht problematisiert wird, hat sich der BGH in Tz. 18f. seines Urteils geäussert: Ein Fluggast darf prinzipiell auch nur Teilstrecken eines gebuchten Routings abfliegen. Eine Pflichtverletzung könnte aber darin liegen, “wenn der Fluggast schon bei Vertragschluss nicht die Absicht hat, die Gesamtleistung [...] in Anspruch zu nehmen, sondern diese nur deshalb bucht, weil er auf diese Weise an einen Preisvorteil gelangen kann“. Eine Pflichtverletzung scheidet folglich aus, wenn der Fluggast aufgrund von Umständen, die nach Vertragschluss eintreten (veränderte Terminplanung, Flug verpasst) das letzte leg verfallen lässt.
Interessant ist auch der Begründungszusammenhang des BGH, denn er befasst sich in seinen Ausführungen ausschliesslich mit dem Thema “Couponreihenfolge“ und in diesem Zusammenhang nur mit Ansprüchen des Fluggastes gegen die Fluggesellschaft auf Weitertransport auf dem zweiten Flugabschnitt und eben nicht mit irgendwelchen Nachbelastungsansprüchen der Fluggesellschaft gegen den Passagier (dazu später mehr): “…Fälle, in denen sich der Fluggast wegen einer veränderten Terminplanung bereits am Abflughafen für den Hauptflug oder in dessen Nähe befindet oder in denen er den Zubringerflug verpasst, den Hauptflug aber noch mit der Bahn erreichen kann, wie dies etwa bei einem innerdeutschen Zubringerflug vorkommen kann.“
Für diesen Fall bereits anfänglich böser Absicht kämen zur Berechnung des entgangenen Gewinns zwei Modelle in Betracht, zunächst die Differenz zum regulären höheren Tarif, also die bereits oben kurz angesprochene “Nachbelastung“. Voraussetzung hierfür wäre aber der Nachweis durch die Fluggesellschaft, dass der Fluggast auch tatsächlich zu diesem höheren Tarif gebucht hätte. “Niemals!“, wird der Passagier dann gemäss dem Landgericht ausrufen “dann wäre ich entweder gar nicht geflogen oder mit der billigeren Konkurrenz“. Damit dürfte sich die Drohgebärde “Nachbelastung“ erledigt haben.
Bleibt also noch der zweite Vorschlag des Landgerichts Frankfurt zur Berechnung eines entgangenen Gewinns, nämlich der “Verkauf der entsprechenden Transportkapazität zum regulären Tarif an andere Kunden, z.B. aufgrund starker Nachfrage“.
Zunächst einmal kann damit nicht gemeint sein der Flug, den der Passagier verfallen lässt. Denn wenn er nicht fliegt, blockiert er ja keinen Platz. Zudem verweist die vom Landgericht gebrauchte Wendung “zum regulären Tarif“ ja auch eher auf den oneway-Preis der tatsächlich geflogenen Strecke.
Voraussetzung wäre also, dass jemand zum oneway-Tarif (derselben Beförderungsklasse?) gebucht hätte, es aber wegen unseres flugpreisminimierenden Passagiers nicht konnte, weil dieser “den letzten Platz“ weggeschnappt hatte. Wenn ich mir aber die Überbuchungspraxis der Fluggesellschaften anschaue, nämlich den grundsätzlichen Verkauf von mehr Flugcoupons als Sitze im (geplanten) Flieger verfügbar sind, kann dieser Fall gar nicht eintreten - zumindest nicht von der Fluggesellschaft nachgewiesen werden. Oder?
Ich freu mich auf die nachfolgende Diskussion.
Gestritten haben sich ein damalige Tarifregelungen (Couponreihenfolge, Cross-border-selling, Cross-ticketing) äusserst kreativ umsetzendes Reisebüro (Schilderung des Prozedere im Urteil, Tz. 4-6) und eine Airline. Die Fluggesellschaft hat Differenzkosten nachbelastet und das Reisebüro diese, bis auf die Cross-border-Geschäfte, erfolgreich zurückgeklagt.
Entscheidungsmassstab waren hauptsächlich IATA-Konditionen für Reisebüros, die für Individualbucher nicht von Belang sind; für den Endkunden hat mittlerweile das (BGH-Urteil vom 29.4.2010 - Xa ZR 101/09 -) einen Rahmen vorgegeben. Ob LH durch Einführung der F/C/Y-Coupon(mond)tarife die Vorgaben dieses Urteils auch tatsächlich rechtstreu umgesetzt hat, bleibt abzuwarten.
Von Interesse für Individualbucher dürften allerdings zwei Grundüberlegungen des Landgerichts sein, die auch nach dem genannten BGH-Urteil noch zum Topic Verfallenlassen des letzten Flugabschnitts aktuell sind (Urteil Tz. 30-33) und die ich mit eigenen Anmerkungen - auch zum BGH-Urteil - ergänze und zur Diskussion stelle:
- Eine etwaige Pflichtverletzung aus dem Vertrag hat das Gericht schon gar nicht geprüft, weil die Airline überhaupt keinen entsprechenden Schaden dargelegt hat: “Es dürfte vielmehr gar davon auszugehen sein, dass die Beklagte hierdurch Aufwendungen erspart hat, so etwa für die Verpflegung der Kunden auf den nicht angetretenen Teilstrecken.“
Zum Stichwort Pflichtverletzung, das vom Landgericht gar nicht problematisiert wird, hat sich der BGH in Tz. 18f. seines Urteils geäussert: Ein Fluggast darf prinzipiell auch nur Teilstrecken eines gebuchten Routings abfliegen. Eine Pflichtverletzung könnte aber darin liegen, “wenn der Fluggast schon bei Vertragschluss nicht die Absicht hat, die Gesamtleistung [...] in Anspruch zu nehmen, sondern diese nur deshalb bucht, weil er auf diese Weise an einen Preisvorteil gelangen kann“. Eine Pflichtverletzung scheidet folglich aus, wenn der Fluggast aufgrund von Umständen, die nach Vertragschluss eintreten (veränderte Terminplanung, Flug verpasst) das letzte leg verfallen lässt.
Interessant ist auch der Begründungszusammenhang des BGH, denn er befasst sich in seinen Ausführungen ausschliesslich mit dem Thema “Couponreihenfolge“ und in diesem Zusammenhang nur mit Ansprüchen des Fluggastes gegen die Fluggesellschaft auf Weitertransport auf dem zweiten Flugabschnitt und eben nicht mit irgendwelchen Nachbelastungsansprüchen der Fluggesellschaft gegen den Passagier (dazu später mehr): “…Fälle, in denen sich der Fluggast wegen einer veränderten Terminplanung bereits am Abflughafen für den Hauptflug oder in dessen Nähe befindet oder in denen er den Zubringerflug verpasst, den Hauptflug aber noch mit der Bahn erreichen kann, wie dies etwa bei einem innerdeutschen Zubringerflug vorkommen kann.“
- Auch einen Anspruch auf entgangenen Gewinn hat das Gericht nicht geprüft, weil die Airline weder dargelegt hat, dass die Fluggäste zum regulären - höheren - Tarif gebucht (“es ist ebenso möglich, dass sie unter diesen Bedingungen gar nicht geflogen wären oder mit einer anderen Fluglinie“) noch dass die Fluggesellschaft die entsprechenden Kapazitäten durch den Verkauf von Tickets an andere Kunden zum regulären Tarif auszulasten vermocht hätte, z.B. aufgrund starker Nachfrage nach entsprechenden Flugreisen.
Für diesen Fall bereits anfänglich böser Absicht kämen zur Berechnung des entgangenen Gewinns zwei Modelle in Betracht, zunächst die Differenz zum regulären höheren Tarif, also die bereits oben kurz angesprochene “Nachbelastung“. Voraussetzung hierfür wäre aber der Nachweis durch die Fluggesellschaft, dass der Fluggast auch tatsächlich zu diesem höheren Tarif gebucht hätte. “Niemals!“, wird der Passagier dann gemäss dem Landgericht ausrufen “dann wäre ich entweder gar nicht geflogen oder mit der billigeren Konkurrenz“. Damit dürfte sich die Drohgebärde “Nachbelastung“ erledigt haben.
Bleibt also noch der zweite Vorschlag des Landgerichts Frankfurt zur Berechnung eines entgangenen Gewinns, nämlich der “Verkauf der entsprechenden Transportkapazität zum regulären Tarif an andere Kunden, z.B. aufgrund starker Nachfrage“.
Zunächst einmal kann damit nicht gemeint sein der Flug, den der Passagier verfallen lässt. Denn wenn er nicht fliegt, blockiert er ja keinen Platz. Zudem verweist die vom Landgericht gebrauchte Wendung “zum regulären Tarif“ ja auch eher auf den oneway-Preis der tatsächlich geflogenen Strecke.
Voraussetzung wäre also, dass jemand zum oneway-Tarif (derselben Beförderungsklasse?) gebucht hätte, es aber wegen unseres flugpreisminimierenden Passagiers nicht konnte, weil dieser “den letzten Platz“ weggeschnappt hatte. Wenn ich mir aber die Überbuchungspraxis der Fluggesellschaften anschaue, nämlich den grundsätzlichen Verkauf von mehr Flugcoupons als Sitze im (geplanten) Flieger verfügbar sind, kann dieser Fall gar nicht eintreten - zumindest nicht von der Fluggesellschaft nachgewiesen werden. Oder?
Ich freu mich auf die nachfolgende Diskussion.
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