Polen - Misstrauen gegenüber Ausländern?

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juliuscaesar

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12.06.2014
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Polens Präsident Andrzej Duda hat zwei zu Haftstrafen verurteilte Parlamentarier der PiS-Partei empfangen, als die Polizei sie zum Antritt ihrer Haft abholen wollte. Ex-Innenminister Mariusz Kamiński und sein einstiger Staatssekretär Maciej Wasik posierten bei einem Empfang im Präsidentenpalast Seite an Seite mit dem Staatsoberhaupt, wie von Dudas Kanzlei veröffentlichte Bilder auf der Plattform X, vormals Twitter, zeigten.

Mit dem Vorfall verschärft sich der Machtkampf zwischen der neuen proeuropäischen Mitte-links-Regierung von Donald Tusk und der abgelösten nationalkonservativen Regierungspartei PiS, aus deren Reihen auch Präsident Duda stammt. Eine eigentlich für Mittwoch und Donnerstag angesetzte Parlamentssitzung wurde angesichts der Lage auf die kommende Woche verschoben.


 

lstoever77

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10.04.2019
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Ich war mal vor über 20 Jahren in Danzig auf einer Studienreise und mir ist aufgefallen, dass ich so gut wie der einzige Südländer war und ich wurde tatsächlich von den Leuten immer ganz genau beobachtet.
Bei den Mädels kam ich aber wiederum sehr gut an: Ich war anscheinend sehr "exotisch" und damit "anziehend". Die haben mir dann auch gleich direkt ein paar perverse Wörter wie "chuj" und "pista" beigebracht. :-D
 
Zuletzt bearbeitet:

juliuscaesar

Erfahrenes Mitglied
12.06.2014
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FRA

Das Recht brechen, um den Rechtsstaat zu retten?

Nach langen Jahren des autoritären Nationalismus hat Polen wieder eine liberale Regierung. Nun steht sie vor der Frage, wie robust sie gegen das Erbe der Machthaber von gestern vorgehen soll.

 
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Reaktionen: Anna_Vielfliegerin

CX777

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05.03.2017
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Czesc!

Meine bessere Hälfte kommt aus Polen, genauer gesagt aus Oberschlesien (Zabrze, da wo unser Spielerheld und der aus meiner Sicht wirkliche sympathische Podolski heute kickt). Familie und Freunde aus der Ecke kommen aus einem eher großstädtisch-liberalen Milieu. Ich hab mittlerweile trotz der nach wie vor vorhandenen Sprachbarriere (Polnisch wird von mir nach wie vor als Verbrechen gegen die Menschlichkeit betitelt) einen guten Zugang zu Land und Leuten.

Der Pole ist ehrlicher und hilfsbereiter als der Durchschnittsdeutsche, entspannter sowieso. Im Regelfall auch gegenüber Ausländern. Vor allem in der noch lebenden Großelterngeneration gibt es hier und da aber recht festsitzende Vorbehalte gegenüber Deutschen. Dazu muss man wissen, dass nach der Zwangsumsiedlung aus den ehemaligen Ostgebieten Polens im heutigen Litauen, Weißrussland und der Westukraine nach dem zweiten Weltkrieg in die neuen Gebiete rund um Danzig, Stettin und Breslau jahrelanger Mangel und insbesondere bis zum Abschluss des Zwei-Plus-Vier-Vertrages im gesamten Land Unsicherheit darüber herrschte, ob die Bundesrepublik ihrerseits Forderungen zur Gebietsrückgabe der ehemaligen deutschen Ostgebiete aufmacht. Dieser jahrzehntelange Schwebezustand und dazu die politische Zwangszugehörigkeit zur Sowjetunion unter der kommunistischen Diktatur in der damaligen Volksrepublik mündeten in dieser Einstellung. Meine Generation (Mitte 30) sowie die Jüngeren erleben den Aufschwungs Polens seit dem EU-Beitritt 2004. Sie fühlen sich als stolze Polen, zeigen im Gegensatz zu uns gern Flagge und sehen sich gleichzeitig als überzeugte Europäer. Die Zeiten, in denen "der Pole" als billiger Handlanger und Malocher in den westeuropäischen Staaten verlacht wurde, sind vorbei. Das wissen die auch. Und ich halte trotz aller politischen Entwicklungen die EU-Osterweiterung nach wie vor für eine (bzw. fast schon die letzte) wirklich wegweisende und richtige Entscheidung auf europäischer Ebene.

Politisch wird in meinem Kreis das Lakaien-Ensemble um Jaroslaw Kaczynski genauso verachtet wie der vor allem auf deutscher Seite beinahe als Heilsbringer verschriene Donald Tusk. Muss keiner glauben, dass hier politisch die Messen zugunsten Deutschlands mit dem gesungen sind. Der ist einfach nur weniger schlimm als ein Kaczynski und seine PiS, die vor allem auf dem Land aber weiter mit ihrer Anti-Alles-(bis-aufs-Geld-aus-Brüssel)-Rhethorik verfangen. Umgekehrt schauen die Polen mittlerweile mit einigem Erstaunen auf unsere politischen Entscheidungsträger und die Entwicklungen im Land. Illegale Migration aus völlig kulturfremden Kreisen bspw. ist dort einfach nicht erwünscht und mit den nach wie vor recht überschaubaren Sozialleistungen werden die gerne nach Deutschland durchgeschoben. Kein Wunder, dass unsere Regierung mal wieder vollkommen nutzlose Grenzkontrollen durchführt. Bei den Ukrainern im Land sieht das anders aus. Wir haben selbst in einer Eigentumswohnung im Großraum Katowice eine Familie untergebracht. Die arbeiten fleißig u.a. im Zabka und große Vorbehalte sind dort (noch) nicht erkennbar. Die Energiepolitik ist auch so ein Feld. In den beiden großen Braunkohlerevieren Turow und Belchatow sowie - wenn auch immer weniger - im schlesischen Steinkohlerevier wird noch kräftig gefördert und verheizt. Der private Hausbrand führt vor allem im Winter zu nach wie vor erdrückend schlechter Luft in den Städten. Unsere Klimajünger wären nach drei Zügen erstmal für einen Monat außer Gefecht gesetzt. Allerdings zählt hier vor allem die Bezahlbarkeit und so ideologiegetrieben wie in Deutschland läuft das östlich von Oder und Neiße nicht. Und das wissen und wollen die auch.

Ansonsten habe auch ich hier und da bei den vielen Aufenthalten und Reisen durch das Land Vorbehalte von Einheimischen erlebt. Einen richtigen Aussetzer gabs mal in Danzig. Das sind dann im Regelfall die klassischen Hillbillys (oder sollte ich sagen Hilszkybylzkys?), die es hierzulande ebenfalls zuhauf gibt. Davon sollte man sich nicht irritieren oder verunsichern lassen. In meinem polnischen Freundes- und Bekanntenkreis jedenfalls wird kräftig mitgelacht, wenn ich mal wieder einen Witz auf ihre Kosten reiße, mein Geld im Portemonnaie ganz genau durchzähle und mich über das fehlende Finish bei der Gestaltung von Straßen und Bürgersteigen echauffiere. ;)

Polen ist ein sehens- und bereisenswertes Land mit tollen Städten, einer wunderbaren Natur, bester Küche und nicht zuletzt liebenswerten Menschen.
 

red_travels

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16.09.2016
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Die Zeiten, in denen "der Pole" als billiger Handlanger und Malocher in den westeuropäischen Staaten verlacht wurde, sind vorbei.

so ganz vorbei ist das leider nicht, das bekommen wir im IT Sektor auch ständig aufgezeigt, wenn potentielle Kunden in Deutschland sagen "ich habe aber einen Polen, der macht's für weniger als die Hälfte, warum sollte ich also euch nehmen?"

Solange das Gehalts/Lebensniveau nicht ähnlich ist, ist es halt weiterhin problematisch mit der Ansicht des billigen Arbeiters aus Polen.
Wir haben auch eine Niederlassung in Polen, die nicht viel billiger sind als unsere Berater in DE oder AT.
Durch den Ukrainekrieg ist in dem Sektor allerdings noch eine Nation in den Markt geschwommen, die billiger anbieten als die Polen... der Inder als billige Arbeitskraft ist gar nicht so sehr in unserem Umfeld verbreitet
 

CX777

Aktives Mitglied
05.03.2017
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so ganz vorbei ist das leider nicht, das bekommen wir im IT Sektor auch ständig aufgezeigt, wenn potentielle Kunden in Deutschland sagen "ich habe aber einen Polen, der macht's für weniger als die Hälfte, warum sollte ich also euch nehmen?"

Solange das Gehalts/Lebensniveau nicht ähnlich ist, ist es halt weiterhin problematisch mit der Ansicht des billigen Arbeiters aus Polen.
Wir haben auch eine Niederlassung in Polen, die nicht viel billiger sind als unsere Berater in DE oder AT.
Durch den Ukrainekrieg ist in dem Sektor allerdings noch eine Nation in den Markt geschwommen, die billiger anbieten als die Polen... der Inder als billige Arbeitskraft ist gar nicht so sehr in unserem Umfeld verbreitet
Stimmt vereinzelt auch wieder, wenn ich so darüber nachdenke. Vorbehalte halten sich vor allem dort hartnäckig, wo es keinen echten Zugang zu Land und Leuten gibt. Auf der anderen Seite ist bspw. die A4 an den Wochenenden nach wie vor proppenvoll mit Kleinbusladungen an Arbeitskräften, die hier auf dem Bau und den Akkordarbeits-Fabriken der Republik arbeiten, wobei die Polen mittlerweile auch nicht mehr so billig sind und zunehmend höherwertige Tätigkeiten ausüben.

Bevor ich Polen durch +1 richtig kennenlernen durfte, war mir das Land suspekt. Das hat sicher mit den Erfahrungen als Kind in den 1990ern zu tun. Ein paar Beispiele: Insbesondere an den Grenzen hat man manchmal 10 Kilometer davor warten und sich in den Stau einreihen müssen. Arme und tlw. furchteinflößend behinderte Menschen (nicht despektierlich, sondern beschreibend gemeint) liefen die Autoreihen auf und ab und wollten mal mehr, mal weniger aufdringlich ein paar Süßigkeiten verkaufen oder einem für ein paar Zloty die Scheiben putzen. Dazu das allenthalben vorzufindende Bild von Ortschaften, in denen gefühlt einfach nur alles grau, kaputt und hässlich aussah. Die wilden Jahre nach dem Zusammenfall des kommunistischen Regimes bis zum EU-Beitritt und das Wuchern krimineller Banden haben abschließend ihren Teil dazu beigetragen, dass man den Maluchs ("der Kleine" Fiat Polski 126) mit den tiefschwarzen Nummernschildern und weißer Schrift mit einigem Misstrauen begegnete. Dazu kamen noch die polnischen Austauschschüler, die mit Tüten an alten Klamotten und Süßigkeiten aus Deutschland wieder heim gefahren sind. Sowas sitzt erstmal. Aber das hat sich wie gesagt geändert und wenn man heute im Land unterwegs ist, freut man sich, den stetigen Aufstieg beobachten zu können, von dem auch Deutschland maßgeblich profitiert (hat).

Das Lohnniveau ist übrigens abseits der ganz großen Städte tatsächlich noch weit unter dem von uns angesiedelt. Allerdings bewegen sich die Kosten insbesondere für Güter des täglichen Bedarfs (insbesondere Sprit und Lebensmittel) im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen auf einem im Vergleich mit Deutschland aus meiner Sicht weit höheren Niveau. Es ist schlicht teuer in Polen geworden. Gleiches gilt für Bau- und Wohnkosten. In Polen ist es bspw. üblich, vermieteten Wohnraum vollmöbliert anzubieten. Wie tief man da jetzt teilweise in die Tasche für die notwendigen Investitionen greifen darf, oioioi. Allerdings kann man das über höhere Mieten weitergeben, die vor allem in den großen Städten tlw. westeuropäisches Niveau erreicht haben.

Die Ukrainer übrigens, weil du es erwähnst, sind tatsächlich auch in Polen willkommene (und billige) Arbeitskräfte. Die Beschäftigungsstruktur, so wie wir sie beobachten können (d.h. Auslagerung einfach Arbeiten an billige Arbeitskräfte) ist auch dort zu beobachten. In dem von mir erwähnten Zabkas (convenience stores, die es an jeder Ecke gibt) und noch bei Uber merkt man das direkt.