Reisenotizen Hong Kong 3 - Märkte in Kowloon
Zwei Vorbemerkungen: Privat auf Reisen bin ich in einer mir neuen Stadt am liebsten zu Fuß, höchstens noch mit Bus oder Straßenbahn unterwegs (Fahrrad wäre noch eine Alternative, doch ist dies zumeist kaum zu organisieren). Für mich ist dies einfach die ideale Form die Atmosphäre eines Ortes aufzunehmen, mich wirklich auf den Ort einzulassen, wobei dies natürlich am besten geht, wenn ich einfach flanieren kann und nicht ein bestimmtes Ziel anstrebe.
Und dann gibt es eine Art von Orten, die ich wo immer möglich sicher als die ersten ansteuere: Märkte, am liebsten Lebensmittelmärkte, egal ob überdacht in Markthallen oder einfache Straßenmärkte. Die Vielfalt des Angebotenen, die bunte Pracht von frischem Gemüse, Obst, Blumen und was da sonst noch angeboten wird, das Gedränge an den Ständen - alles zusammen ist für mich einfach Leben pur: prall, bunt und intensiv.
Und so ließ ich mich auch in Hong Kong am ersten Tag einfach durch Kowloon treiben, ging erst vom Grand Stanford nach Tsim Sha Tsui zum Kowloon Park, wo Chinesen alle Arten von Frühsport trieben. Sicherlich waren es nur die letzten, die da noch aktiv waren (es war schon gegen 10 Uhr) und von Tai Chi, über verschiedene Kampfsportarten bis hin zum Tango alle möglichen morgendlichen Bewegungsübungen absolvierten, darunter sogar eine kleine Gruppe, die sich begleitet von wenigen Instrumenten zum morgendlichen Singen traf.
Und kurz vor Verlassen des Parks plötzlich eine immer größer werdende Schar von Vier- / Fünfjährigen, alle in Schuluniformen, die sich - begleitet von ihren Müttern -um eine junge Frau versammelten, die über die Spielzeugausgabe eines Megaphon (ein Verstärkereffekt war nicht auszumachen) zu ihnen sprach. Über den Sinn dieser morgendlichen Versammlung kann ich nur rätseln: Schulausflug? Das chinesische Pendant von Bundesjugendspielen oder einfach nur Spielen im Park?
Danach weiter entlang der Nathan Road, zumeist in den Parallel- und Seitengassen, die ich interessanter fand als die glänzenden Geschäftsfassaden, an kleinen Läden vorbei, von denen es oft mehrere mit gleichem Sortiment in unmittelbarer Nachbarschaft gab: war da ein Laden, der Särge verkaufte, so folgten meist drei oder vier weitere. Am Weg dann der Tin Hau Tempel, der erste taoistische Tempel, in Reiseführern gelistet als wichtige Sehenswürdigkeit.
Fast hätte ich ihn übersehen, sah man doch von der Nathan Road aus nur hinter einem kleinen Vorplatz seine Dächer mit glasierten Ziegeln. Kaum eindruckvoller die andere, die Hauptseite: ein kleiner Vorplatz, der zu einem Tor führte, hinter dem sich ein Innenhof auf eine kleine offene Halle öffnete, in deren Nischen wiederum im Halbdunkel ein ganzes Potpourri von Götterfiguren stand.
Dort wenige Betende, die mit ganzen Bündeln brennender Weihrauschstabchen in den Händen von Altar zu Altar eilten und sich immer wieder vor den vielen Götterfiguren verbeugten. Dazwischen Angestellte/Mitarbeiter (???) des Tempels, die heruntergebrannte Räucherstäbchen in bereit stehenden Wassereimern löschten und durch neue ersetzten, drüber an den Decken unzählige Weihrauchspiralen, die einmal angezündet eine ganze Woche vor sich hin glimmen. Verglichen mit der Größe, oft auch Pracht von Kirchen und ihrer andachtsvollen Stille wirkte das Ganze für meine westlichen Augen fast schon geschäftig und wenig weihevoll.
Weiter durch die Nebenstraßen, vorbei an kleinen Garküchen und 10-15-stöckigen Wohnhäusern, unter fast jedem Fenster an der Fassade kleine Klimaaggregate, vor den Fenstern voll gepackte Wäscheleinen - die Bilder, die wir mit dem alten Hong Kong assoziieren.
Schließlich landete ich dort, wo ich hin wollte: auf dem Flower Market in der Flower Street.
Im Gegensatz zum Tin Hau Tempel war der keineswegs zu übersehen: Vom Beginn der Flower Street an ein Blumenladen neben dem anderen, der halbe Gehsteig voll mit Blumenkübeln, am Straßenrand Verkäuferinnen, die dicken Bündeln von Blumen einen neuen Schnitt verpassten, an einem anderen Stand drei Frauen, die einen hoch aufgeschichteten Berg von Pfingstrosen zu Sträußen verarbeiteten, die sie in die bekannten Plastiktüten steckten.
Und um die Ecke in der nächsten Gasse dann Bonsai- und dazwischen immer wieder Orchideenläden. Massen von Bonsais in allen (Bonsai-)Größen, oft kleine Figuren unter den Bäumchen - chinesische Genre-Szenen. Daneben die Orchideen, üppige blühende Pflanzen in allen Farben, vor allem die Phalaenopsis oft geradezu abenteuerlich getigert und gemustert.
Und dazwischen Lotosblüten, Blumen bunt wie Eiskugeln und Blumensträuße, die zeigen, dass mit entsprechendem Aufwand auch aus den schönsten Blumen weitaus weniger Blumensträuße gebunden werden können.
An der Ecke dann wieder ein kleiner Stand, an dem irgendwelche gegarten Lebensmittel verkauft wurden, das eine sah nach in der Glut gegarten Süßkartoffeln aus, das andere nach Eiern, die dick mit einem nicht brennbaren Belag überzogen waren - viele der Käufer schüttelten sie an ihren Ohren, um die Qualität zu prüfen, dazwischen kleine Eier, vielleicht von Tauben oder Wachteln.