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Natürlich sind Pauschalreisen Gegenstand der Verordnung, keine Frage. Die "normale" Pauschalreise bucht aber regelmäßig auf öffentlich verfügbaren undbuchbaren Flügen ein. Der Vollcharter ist die absolute Ausnahme und ich weiß nicht, ob Brüssel die im Auge hatte. Der Text spricht zumindest nicht dafür.
Das Argument des Textes muss man Dir entgegenhalten: Pauschalreisende sind fluggastrechtlich geschuetzt. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass innerhalb der Pauschalreisenden eine Unterscheidung gemacht werden sollte. Im Gegenteil, es ist ausdruecklich die Rede davon, dass "die Unterscheidung zwischen Linienflugverkehr und Bedarfsflugverkehr an Deutlichkeit verliert". Was mit "Bedarfsflugverkehr" gemeint ist, macht ein Blick in die englische und die franzoesische Fassung deutlich: "the distinction between scheduled and non-scheduled air services" bzw. "la distinction entre services aériens réguliers et non réguliers". Das ist genau das, was Du hier als "Vollcharter" bezeichnest, naemlich ein der Oeffentlichkeit zugaenglicher Nicht-Linienflug.
Ich gehe noch einen Schritt weiter: Aus der Formulierung "Fluggaeste im Bedarfsflugverkehr, einschließlich Fluegen im Rahmen von Pauschalreisen" wird deutlich, dass der Verordnungsgeber die Konstellation, dass der Pauschalreisende gerade nicht auf einen Linienflug gebucht ist, fuer den Regelfall haelt.
Das Reisevertragsrecht schützt den Reisenden aberauf jeden Fall.
Mit dem Argument koennte man Pauschalreisende auch ganz ausschliessen.
Darüber hinaus ist die nächste Frage, was denn die Airline berechtigterweise sagen würde: Die sagt nämlich, der Veranstalter XY hat das Flugzeug "abbestellt", damit gibt es den Flug überhaupt nicht.
Dann muss sie sich beim Veranstalter schadlos halten (vgl. zum Innenverhaeltnis zwischen Veranstalter und ausfuehrender Airline obiter-dictum-artig das OLG Frankfurt in leicht anderem Zusammenhang [dazu s.u.] in Rn. 15). Die VO ist in dem Sinne sowohl verschuldens- als auch vertragsunabhaengig. Genaugenommen steht die Charterairline, der der Veranstalter dazwischenfunkt, viel besser da als die Linienairline bei schlechtem Wetter.
Anders als Linienfluggesellschaften gibt es keinen Kontrahierungszwang, es gibt keine Durchführungsverpflichtung der Airline, nichts. Hast Du irgendwo was Konkretes dazu an Entscheidungen? Mir wäre nichts bekannt.
OLG Frankfurt: Dort wurde ein Reiseveranstalter als vertraglicher Luftfrachtfuehrer, eine Linienairline als ausfuehrender Luftfrachtfuehrer eingeordnet (Rn. 15). Der Passagier hatte somit keinerlei befoerderungsvertraglichen Ansprueche gegen die Airline, obwohl diese den Flug als Linienflug mit Kontrahierungszwang durchfuehrte. Er war auf dem Flug als reisevertraglicher Glaeubiger des Veranstalters - ganz ohne Kontrahierungszwang.
Ein Weiteres: Ein "Flugschein" ist legaldefiniert als "ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument", das von "dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben" wurde. Auch daran fehlt es beim Vollcharter, denn Du hast als Kunde kein solches Dokument, aus dem selbst heraus (wie bei einem Wertpapier) Du den Flug antreten kannst. Es wurde auch nichts vom Luftfahrtunternehmen "ausgegeben", sondern das Luftfahrtunternehmen hat die ganze Maschine an den Veranstalter vermietet und der läßt nach seinen Vorstellungen Leute an Bord. Die Reiseunterlagen hat das Luftfahrtunternehmen nie gesehen, sondern die stellen dem Veranstalter die komplette Maschine zur Verfügung ohne irgendwelche vertraglichen Bindungen (anders als bei der normalen Pauschalreise, wo man dich auf welchen planmäßig verkehrenden Ferienflieger von wem auch immer einbucht) zwischen Pax und Luftfahrtunternehmen.
Deine zuletzt genannte Ansicht, bei Pauschalreisenden auf Linienfluegen gebe es eine separate befoerderungvertragliche Beziehung zwischen Airline und Passagier, geht fehl (OLG Frankfurt, Rnn. 9, 15). Damit faellt dann auch der zuvor genannte Rest Deiner Argumentation: Es gibt schlicht keinen Unterschied fuer den Pauschalreisenden, ob ihn der Reiseveranstalter auf einen Linienflug oder einen Charterflug bucht. Der Reiseveranstalter ist vertraglicher Luftfrachtfuehrer, die Airline ausfuehrender Luftfrachtfuehrer (OLG Frankfurt, Rn. 15 zum MUe; systematische oder dogmatische Unterschiede dessen zur VO in diesem Zusammenhang sind nicht ersichtlich).
Weshalb ein Voucher, den der Reiseveranstalter an den Kunden ausgibt und mit dem dieser bei der Airline den Transport erlangt, bei einer Pauschalreise mit einem Linienflug sein soll, mit einem Charterflug aber nicht, ist nicht ersichtlich.
Und der Tarif ist als solcher nicht verfügbar, denn du kannst ihn nicht "buchen". Du kannst eine Pauschalreise kaufen, wo dieser Flug drin ist. Die Erstattung des Flugpreises z.B. würde gar nicht funktonieren.
Mit dem Argument koennte man Pauschalreisende auch ganz ausschliessen.
Ich habe aber durchaus Zweifel an der Anwendbarkeit der Fluggastverordnung in dieser Konstellation des Vollcharters.
Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass Du einen Vollcharter als "geschlossene Gesellschaft" siehst, bei der eine GbR gemeinsam bzw. vertreten durch einen ein Flugzeug chartert.
Ich sehe wie Du dass man das in alle Richtungen verargumentieren kann.
Zumindest haetten wahrscheinlich sowohl das Gericht als auch wir Spass an misterx, vertreten durch Airsicknessbag ./. Azur Air GmbH, vertreten durch Flying Layer
Da bin ich gespannt, denn das Urteil betrifft Ansprüche des Veranstalters (der wiederum mit Ansprüche der Paxe aus Reisevertragsrecht konfrontiert war) gegen die Fluggesellschaft
https://reise-recht-wiki.de/olg-fra...ung-gruppenreise-gruppe-fluggesellschaft.html
Das Urteil ist klasse: Reiseveranstalter, Reisender, Interlining (AF-Stock CUN-MEX-CDG-FRA mit erstem Leg Aviacsa), dazu viele schoene Obiter Dicta zur Frage wer hat mit wem welche Vertragsbeziehungen. Aus dem Urteil kann man reisevertraglich, befoerderungsvertraglich und inzidenter fluggastrechtlich richtig viel Honig saugen.