Belgrad (nun doch live)

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Anonym-36803

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Jetzt habt ihr mich neugierig gemacht. Was genau war daran denn skurril?
 

concordeuser

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01.11.2011
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"Jetzt habt ihr mich neugierig gemacht. Was genau war daran denn skurril?"

Da fällt mir spontan ein Bild ein: so wie 1990 die Interflug Lounge in Leipzig am Airport, die man als LH Senator nutzen durfte, wenn man nach dem Mauerfall auf den ersten Beuteflügen der Westmanager in die Ostzone war --- wie aus einer untergegangenen - komplett anderen Welt. Armutsprunk, als ob die Zeit stehengeblieben war

Früher waren sicherlich Josip Broz und andere Kader dort.

PS da ich oft in BEG war werde ich den nächsten Tagen noch einige Kommentare zu diesem TR schreiben wenn John Rebus einverstanden ist.
 
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concordeuser

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01.11.2011
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@ munich1978 nimm das Hotel von dem du am besten zu Fuß durch die Stadt streifen kannst, in der Nähe der Fußgängerzone. Und: Belgrad ist relativ sicher (bis auf ein paar Junkies), für mich sicherer als manche Ecken von Berlin oder Hamburg
 
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SuperConnie

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18.10.2011
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Und: Belgrad ist relativ sicher (bis auf ein paar Junkies), für mich sicherer als manche Ecken von Berlin oder Hamburg

Habe fünf Jahre da gewohnt, Belgrad galt vor ca. 10 Jahren als die sicherste Stadt Europas. Hatte nie Probleme, keine Pickpockets; bin fast täglich mit den Öffentlichen gefahren. Ging mir aber während meiner Zeit in Bukarest und Prag auch nicht anders.
 
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concordeuser

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01.11.2011
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@ superConnie

ja, du hast dort in BEG noch mehr Erfahrung als ich mit vielleicht 90 Besuchen zwischen 2000 und 2015. Habe ich auch von unseren Beiträgen noch in Erinnerung.
Bin nach dem Bürgerkrieg und der Aufhebung des Flugboykotts durch westliche Gesellschaften auf einer der ersten LH Maschinen mit meiner Frau nach BEG geflogen, um guten Freunden zu helfen (aus meiner Hamburger Schulzeit). Als der Flugverkehr wieder aufgenommen wurde, gab es Anfangs nur einen LH Flug täglich mit einer AVRO ab MUC

Erinnere noch, wie wir auf dem ersten Rückflug von BEG nach MUC in MUC in der SEN Lounge sassen und völlig erschüttert über die absolute Armut und Not in Belgrad waren. Dabei kommt meine Frau selbst aus einem bitterarmen Land.

Eine der von der Nato zerbombten Brücken lag noch in Trümmern in der Donau. Der Westen hat sich im Jugoslavien Konlikt nicht mit Ruhm bekleckert. Offiziell hat es ein Wirtschaftsembargo gegeben, doch gepanzerte Mercedes Limousinen wurden trotzdem an den Milosovic Clan ausgeliefert und Benzin zum fahren kam heimlich nachts über die Donau um das Embargo zu umgehen.

Bei meinem ersten Besuch hatten wir Slobo Milosovic in seiner Beton Festung besichtigt, wo er sich verschanzt hatte. Hat ihm nichts genützt, er wurde trotzdem geschnappt und nach Den Haag ausgeflogen

Ja BEG war in den Nuller Jahren sehr sicher. Die Mafia machte ihre Verbrechen und Kill Kommandos an wohl-definierten Orten ausserhalb der Öffentlichkeit und ausser den ersten Junckies war alles extrem friedlich
 
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concordeuser

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01.11.2011
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In der Nähe des Hotels von John Rebus - in Richtung Markt und alter Flughafen - gab es damals ein mehr als 2 km langes Straßenstück wo unzählige Leute auf dem Boden sassen und in ihrer Not versuchten, etwas zu verkaufen: eine Cola Flasche mit Benzin, eine Packung Zigaretten oder Papiertaschentücher, einzelne Tampons, Deckecken, Geschirr

So eine Scheiß Armut hatte ich vorher nicht einmal in Asien gesehen. Selbst die Flüchtlingslager im Tibet, die ich 1978 gesehen hatte, als ich für die UN unterwegs war, waren dagegen Wohlstand pur. Im Nachkriegs-Belgard war ich richtig tief erschüttert. Habe mich lange nicht mehr daran erinnert

Und der Flughafen BEG war im Ankunftsbereich ein unglaublich dunkles und enges Loch, wo man als "Westler" richtig heftig angebettelt wurde: Taxifahrer
Hätte ich nach einer Kalaschnikoff oder drei Jungfrauen gefragt, hätte ich sicherlich auch Angebote bekommen.
Andererseits gab es eine unheimlich große Gastfreundschaft und Freundlichkeit. Obwohl ich als Deutscher ja zu den kriegsführenden Ländern gehörte, bin ich kein einziges Mal angemacht worden.
 
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concordeuser

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01.11.2011
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Direkt am Flughafen gibt es ein Airplane Museum. Dort steht seit vielen Jahren eine Caravelle der JAT rum. Mann kann sie auch sehen (rechts), wenn die eigene Maschine zum stadtnahen Rollfeldende fährt

Weiss allerdings nicht, ob man sie besichtigen kann. Das ganze Museum sieht ziemlich hinüber aus.
 
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HON/UA

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28.02.2011
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Meine schlimmste Erfahrung in Verbindung mit dem Fliegen habe ich in BEG gemacht.

Ich war vor dem Kosovo-Krieg oft in Serbien, Belgrad, Leskovac (ich werde das gegrillte Fleisch nie vergessen), Novi Sad, Vrsac - geschäftlich und auch privat (das Nachtleben war super), alleine und mit -2. Und so waren wir wohl auch mit die letzten Touristen an dem Wochenende, an welchem das letzte Meeting von Rambouillet stattfand. Zuerst haben wir uns gewundert weshalb die Clublounge im Hyatt so voll war, wer ausser uns war denn noch so blöd zu diesem Zeitpunkt noch in Serbien zu sein. Es stellte sich dann heraus, dass es sich komplett um Kriegsberichterstatter handelte.

Egal, das WE war super, auch das Konzert auf der Brücke in der Nacht von Samstag auf Sonntag (ich bin mir schon im Klaren weshalb das Konzert auf der Brücke stattfand).

Egal, am Montag hatten wir einen Flug mit LH zurück nach D, was dann auch der letzte LH Flug vor dem Krieg war. Wir also eingecheckt und nach oben zur Security & Passkontrolle. Und dort nahm man mich 'in Gewahrsam', ich hätte etwas falsches, serbienfeindliches gesagt (gerade ich, der noch unter diesen Umständen nach Belgrad geflogen ist, um Freunde zu sehen!). Ich wurde mit +1 in ein kleines Büro gebracht. Dort wurde mir mitgeteilt, dass mir die Ausreise verweigert würde, ich viel Spass unter diesen Umständen in einem serbischen Gefängnis haben würde. Mir ging ehrlich gesagt der Arsch auf Grundeis.

So saß ich dann dort (meine -2 durfte draussen im normalen Wartebereich sitzen). Die Dame von LH kam vorbei, ich müsste jetzt zum Gate oder man würde ohne uns fliegen. Da wird es einem ganz anders! Ich rief in größter Verzweiflung vom Mobiltelefon (das man mir zum Glück gelassen hatte) einen meiner Freunde an und nach 5 Minuten, in welchen die Dame von LH nochmals ganz verzweifelt erschien, klingelte das Telefon in diesem Büro. Nach ca. 30 Sekunden Gespräch (es war laut, ich konnte den Anrufer hören) bekam ich meinen Pass in die Hand gedrückt und mir wurde gesagt ich solle ganz, ganz schnell verschwinden bevor er es sich anders überlegt.

Ich rannte zum Gate, wo man zum Glück noch auf mich wartete (meine -2 war da schon im Flieger), rein, Tür zu und los ging es. Solange wir noch am Boden waren fühlte ich mich gar nicht wohl. Erst als wir in der Luft waren fiel der Schock etwas von mir ab. Auf diesem Flug habe ich einiges an Alkohol getrunken.

Mir wird noch immer ganz anders wenn ich an diese Situation zurückdenke.

Sorry für das OT...
 

concordeuser

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01.11.2011
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Ja die LH hatte in BEG eine unglaublich freundliche und kooperative Crew am Boden. Die nach dem Krieg war dieselbe, die dort auch vorher (also vor Krieg und Flugeinstellung) gearbeitet hatte, also die, die du HON/UA erlebt hast
werde dazu noch einiges schreiben.
 
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concordeuser

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01.11.2011
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@HON/UA

gar nicht OT, John Rebus hatte ja zugestimmt, seinen TR noch für einige allgemeine Hinweise zu BEG "zu mißbrauchen", da ja eher ein Ziel wo, nicht jeder hinkommt.
 
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Anonym38428

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Eure Anekdoten und Erinnerungen sind der Wahnsinn! Viel plastischer als irgendwelche Geschichtsbücher, viel greifbarer, echter, unverfälschter. Bitte mehr davon!
 
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genius

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07.11.2012
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@HON/UA

gar nicht OT, John Rebus hatte ja zugestimmt, seinen TR noch für einige allgemeine Hinweise zu BEG "zu mißbrauchen", da ja eher ein Ziel wo, nicht jeder hinkommt.

Zudem wird eventuell der ein oder andere Leser dazu animiert auch mal Belgrad für ein paar Tage zu besuchen.
 
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Anonym-36803

Guest
In der Nähe des Hotels von John Rebus - in Richtung Markt und alter Flughafen - gab es damals ein mehr als 2 km langes Straßenstück wo unzählige Leute auf dem Boden sassen und in ihrer Not versuchten, etwas zu verkaufen: eine Cola Flasche mit Benzin, eine Packung Zigaretten oder Papiertaschentücher, einzelne Tampons, Deckecken, Geschirr
So eine Scheiß Armut hatte ich vorher nicht einmal in Asien gesehen. Selbst die Flüchtlingslager im Tibet, die ich 1978 gesehen hatte, als ich für die UN unterwegs war, waren dagegen Wohlstand pur. Im Nachkriegs-Belgard war ich richtig tief erschüttert. Habe mich lange nicht mehr daran erinnert
So einen Straßenverkauf habe ich letzte Woche auch gesehen - in der Nähe des Novi Beograd Bahnhofs. Haufenweise ältere Leute, die - wie es aussah - ihr letztes Hab und Gut zu verkaufen versuchten, z.B. ausgetretene alte Schuhe. Die Armut hat mich richtig erschrocken.


Direkt am Flughafen gibt es ein Airplane Museum. Dort steht seit vielen Jahren eine Caravelle der JAT rum. Mann kann sie auch sehen (rechts), wenn die eigene Maschine zum stadtnahen Rollfeldende fährt

Weiss allerdings nicht, ob man sie besichtigen kann. Das ganze Museum sieht ziemlich hinüber aus.

Das Museum ist mir auch aus dem Taxi raus aufgefallen. Hab es aber leider nicht geschafft, näher vorbeizugehen.

Sorry für das OT...

Keine Entschuldigung notwendig. Im Gegenteil, danke von mir für Deine hochinteressante Schilderung. Gerne mehr davon.

Eure Anekdoten und Erinnerungen sind der Wahnsinn! Viel plastischer als irgendwelche Geschichtsbücher, viel greifbarer, echter, unverfälschter. Bitte mehr davon!
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Ihr könnt diesen Thread ruhig kapern, bin ja fertig mit meinem Bericht.
 

concordeuser

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01.11.2011
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"So einen Straßenverkauf habe ich letzte Woche auch gesehen - in der Nähe des Novi Beograd Bahnhofs. Haufenweise ältere Leute, die - wie es aussah - ihr letztes Hab und Gut zu verkaufen versuchten, z.B. ausgetretene alte Schuhe. Die Armut hat mich richtig erschrocken.!!"

Ja, dann hast du gut hingeguckt!!! Die Ecke meinte ich. Habe den Namen vergessen, habe mich in BEG immer visuell bewegt


Auf der einen Seite die modernen neuen shopping malls und für große Teile der Bevölkerung gibt es eine unglaubliche Armut

@john Rebus
hast du noch "Karton Siedlungen" gesehen? Die Ecken, an denen Bürgerkriegsflüchtlinge und Roma zwischen Brettern und Pappkartons hausen? Sind seit einigen Jahren merklich weniger geworden. Wenn ich sie wieder finde stelle ich noch einige Fotos ein

@ superConnie
wegen der vielen Fleischgericht habe ich es als Vegetarier in BEG immer schwer gehabt
 
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SuperConnie

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18.10.2011
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@ superConnie
wegen der vielen Fleischgericht habe ich es als Vegetarier in BEG immer schwer gehabt

Meine Lieblingsrestaurants sind das "Vuk" in der Vuka Karadžića und ein paar Meter weiter das "Proleće". Haben auch vegetarische Gerichte, aber besonders gut sind die Braten - beim Vuk der Kalbsbraten mit den im Ofen mitgerösteten Kartoffeln. Das "Manjež" war auch immer gut, dort war ich aber in letzter Zeit nicht.
 
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concordeuser

Erfahrenes Mitglied
01.11.2011
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Während des Krieges waren die LH Stationsmitarbeiter und innen alle nach Dubrovnik ausgelagert. Haben - als es wieder losging mit den LH Flügen - richtig gute Pionierarbeit gemacht. Habe ihnen zu Weihnachten immer eine Riesenladung "westliche Schokolade und Süssigkeiten" mitgebracht, die damals hoch begehrt waren.

Für mich ja nur eine kleine kleine freundliche Geste, war mir fast peinlich wie sehr sie sich gefreut haben
 
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MANAL

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29.05.2010
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Dahoam
Sehr interessanter Bericht und interessante Anekdoten von einem Land das für mich wegen des Jugoslawien-Kriegs immer noch einen faden Beigeschmack hat.

Direkt am Flughafen gibt es ein Airplane Museum. Dort steht seit vielen Jahren eine Caravelle der JAT rum. Mann kann sie auch sehen (rechts), wenn die eigene Maschine zum stadtnahen Rollfeldende fährt

Weiss allerdings nicht, ob man sie besichtigen kann. Das ganze Museum sieht ziemlich hinüber aus.

Gibt's eigentlich die Trümmer der im Krieg abgestürzten F117 der USAF noch irgendwo zu besichtigen?
 
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hams

Erfahrenes Mitglied
18.05.2009
1.941
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DUS / BWE
"So einen Straßenverkauf habe ich letzte Woche auch gesehen - in der Nähe des Novi Beograd Bahnhofs. Haufenweise ältere Leute, die - wie es aussah - ihr letztes Hab und Gut zu verkaufen versuchten, z.B. ausgetretene alte Schuhe. Die Armut hat mich richtig erschrocken.!!"

Ja, dann hast du gut hingeguckt!!! Die Ecke meinte ich. Habe den Namen vergessen, habe mich in BEG immer visuell bewegt


Auf der einen Seite die modernen neuen shopping malls und für große Teile der Bevölkerung gibt es eine unglaubliche Armut

@john Rebus
hast du noch "Karton Siedlungen" gesehen? Die Ecken, an denen Bürgerkriegsflüchtlinge und Roma zwischen Brettern und Pappkartons hausen? Sind seit einigen Jahren merklich weniger geworden. Wenn ich sie wieder finde stelle ich noch einige Fotos ein

@ superConnie
wegen der vielen Fleischgericht habe ich es als Vegetarier in BEG immer schwer gehabt

die Karton Siedlungen werden im Moment immer größer. Sind jetzt komplett von Sinti und Roma gekapert worden.

Ich finde es immer wieder krass zu hören was z.B. Angestellte bei unseren Kunden in Serbien verdienen und wenn man dann in die Geschäfte geht kosten die Klamotten das selbe wie bei uns. Da merkt man wie die Wirtschaft eines ganzen Landes selbst heute noch nur auf Schwarzarbeiten und Bestechung basieren kann.

Wenn man dann die Lobbies vom Hotel Continental oder Hyatt betritt merkt ganz schnell wie in Serbien Geschäfte gemacht werden. Selten soviele Uniformträger in einer Hotellobby erlebt. Das Hyatt war bis wir unsere Aktivitäten auf Novi Sad verlegt haben immer unser Stammhotel, haben es auch einmal erlebt das der Club gesperrt wurde weil Putin am nächsten Tag kam um der örtlichen Politik Geschenke zu verteilen.