Studentin lebt in der Bahn.
Freiwillig wohnungslos
Die Wohnung in Stuttgart, die Uni in Tübingen, der Freund in Köln, die Mutter in Berlin, die Oma in Bielefeld: Leonie Müller, 23, pendelte ohnehin ständig. Dann wagte sie ein Experiment: Für ein Jahr hat sie keine eigene Bleibe. Dafür aber eine
Bahncard 100.
Ein Donnerstagmorgen auf der Strecke Köln-Stuttgart: An den Eingängen der ersten Waggons drängen sich die Passagiere, doch Leonie Müller geht unbeirrt weiter nach hinten, sie will zum Wagen mit der Nummer 22. Während sich die Passagiere in anderen Waggons nebeneinander quetschen, ist hier das ganze Abteil nahezu leer.
"Airrail-Wagen", erklärt Müller. "Der ist extra für Leute reserviert, die zum Flughafen wollen. Aber so viele sind das meistens gar nicht." Die 23-Jährige verstaut ihren Rucksack im Gepäckfach und lässt sich auf einen Doppelplatz fallen. Leonie Müller ist zwar nicht auf dem Weg zum Flughafen, aber ein paar kleine Annehmlichkeiten müssen eben sein, wenn man jede Woche viele Stunden auf den Schienen verbringt.
Im Frühjahr hat sie ihre Wohnung in Stuttgart gegen eine
Bahncard 100 getauscht - seither sind Züge nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Wohnzimmer und Arbeitsraum der Studentin. Pro Woche fährt sie zwischen 1200 und 2000 Kilometer. Dabei pendelt Müller vor allem zwischen Tübingen - ihrem Studienort -, Köln - dort wohnt ihr Freund -, Bielefeld - ihrer Heimat und Wohnort ihrer Oma - und Berlin, wo ihre Mutter lebt. Meist entscheidet sie spontan, wann sie wohin fährt.
Im April 2016 will Müller mit ihrem Studium fertig sein und bis dahin möchte sie wohnungslos bleiben.
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