Am Golf von Korinth geht es weiter nach Westen. Kurz hinter der Kleinstadt Mesolongi hat sich eine seichte Bucht tief ins Land geschnitten, die als Lagune von Aitoliko bekannt ist. Von der Strasse aus kann man die Salinen mit ihren hohen Salzbergen sehen. Besonders reizvoll liegt das Dorf Aitoliko auf einer Insel mitten in der Lagune, verbunden mit dem Festland nur ueber 2 Bruecken. Um 900 n.Chr. stand noch eine byzantinische Festung auf der Insel, die von den Osmanen aufgegeben wurde. Danach konnte das Fischerdorf entstehen.
Waehrend des griechischen Unabhaengigkeitskrieges hat sich eine Widerstandsgruppe in Aitoliko festgesetzt, die zweimal eine vielfach staerkere osmanische Armee abwehren konnte, aber schliesslich doch kapitulieren musste. Die erneute Fremdherrschaft blieb zwar nur eine kurze Episode, im Stadtbild erinnert aber noch diese Wandmalerei daran.
Weiter westlich schliesst sich eine flache Schwemmlandschaft an, die von einem Huegel unterbrochen ist. In der Antike lag dieser Huegel am Meer und hatte einen Hafen; heute ist das Meer mehr als 2 km entfernt. Historiker lokalisieren hier die Stadt Oiniadai, die waehrend des Peloponnesischen Krieges im 5. Jh. v.Chr. noch spartanischer Alliierte war, danach dem Attischen Seebund beitreten musste und ein wichtiger Stuetzpunkt fuer Seereisen zu den Ionischen Inseln war. Erhalten ist die massive Stadtmauer aus hellenistischer Zeit mit einem Stadttor.
Besonders gut erhalten ist die Werft. Die Docks waren ausgelegt fuer 6 Schiffe, die dort gleichzeitig gebaut oder repariert werden konnten. So gut wie in Oiniadai ist keine andere antike Schiffswerft Griechenlands ausgegraben und fuer Besucher zugaenglich.
Entlang des Acheloos fuehrt die Tour jetzt nach Norden bis zum Dorf Stratos. Auf den Huegeln noerdlich des modernen Dorfes lag die antike Stadt gleichen Namens. Auffaellig sind die schweren Mauern, die die Stadt umschliessen - und in der Mitte in zwei Haelften teilen: eine Wohnstadt und eine nur teilweise bebaute Vorstadt. Bis heute ist ungeklaert, was hinter dieser Zweiteilung steckt und warum eine Verteidigungsmauer quer durch die Stadt verlaeuft. Die plausibelste Begruendung geht in die Richtung einer grossraeumigen Stadterweiterung, die im Falle eines Angriffs aufgegeben werden konnte.
Das Theater liegt in der Vorstadt direkt unterhalb der Stadtmauer.
Erinnert sich noch jemand an Ali Pascha aus Ioannina? Er hat 1805 einige Vlachen Familien nach Stratos zwangsumgesiedelt, die mitten in der antiken Stadt ein eigenes Dorf errichtet haben. Einige dieser Haeuser stehen noch direkt an der inneren Stadtmauer, sind jedoch seit den 1990ern versiegelt aus Sorge, dass albanische oder jugoslawische Migranten sich hier ansiedeln koennten.
Die moderne Stadt Arta liegt an der Stelle der antiken Stadt Ambrakia. Diese wurde als korinthische Kolonie 645 v.Chr. gegruendet und ging spaeter in den Besitz des Molosserkoenigs Pyrrhos ueber. Da die moderne Stadt am selben Ort errichtet ist, ruhen die meisten antiken Fundamente noch im Boden. Bei Schachtarbeiten stossen die Arbeiter immer wieder auf alte Ueberreste. Doch nur, wenn sich irgendwo eine Bauluecke auftut und der griechische Staat das Grundstueck erwerben kann, koennen archaeologische Auswertungen durchgefuehrt werden. Entsprechend spaerlich sind die sichtbaren Spuren: ein dorischer Tempel und ein Odeion fuer geschaetzte 120 Besucher.
Weit eindrucksvoller sind die byzantinischen Kirchen des 13. Jh. Arta war zu dieser Zeit Hauptstadt des autonomen Despotats von Epirus. Die Regenten haben es zum Wohle aller geschafft, die Stadt fuer fremde kulturelle Einfluesse zu oeffnen und gleichzeitig die Risiken durch eine allzu enge Bindung an Buendnisse von sich fernzuhalten.
Die Kirche Agios Vassilios ist ein wahres Schmuckkaestchen byzantinischer Kirchenbaukunst. Durch geschickte Setzung der duennen Ziegel sind Fischgraet- und Maeandermuster entstanden, die durch Keramikbaender ergaenzt sind.
Die Basilika Agia Theodora hiess urspruenglich Agios Georghios. Nach Beisetzung und Heiligsprechung der Gattin des Despoten Michael II. Komnenos Dukas Angelos erhielt sie den neuen Namen.
Das mittlere Kirchenschiff ist vollstaendig mit Fresken ausgemalt, die u.a. Szenen aus dem Leben Jesu zeigen: oberhalb des Rundbogens Kreuzabnahme und Wiederauferstehung, rechts darunter der Apostel Lukas als Ikonenmaler.
Herausragend ist die Mitropolitenkirche Panagia Pagigoritissa. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie ein toskanischer Palazzo in byzantinischer Bautechnik mit 6 Kuppeln auf dem Dach. Nicht ein religioeses Symbol ist erkennbar, nicht einmal ein Kreuz auf der groessten Kuppel, nur die 3 Apsiden an der Rueckseite lassen erahnen, dass es sich hier wohl um eine Kirche handeln koennte.
Der Innenraum offenbart die Komplexitaet des Gesamtbaus. Stabile Waende wechseln mit Saeulen ab und geben dem Raum sowohl rustikale Staerke als auch kultivierte Erhabenheit. Das Raumgefuehl wird noch gesteigert durch die halbhohe Ikonostase, die den Blick auf die Apsis mit ihren Fresken freigibt.
Am suedlichen Stadtrand fuehrt die alte byzantinische Bruecke ueber den Arachthos. Der Fluss ist seit dem Bau des Staudamms einige km flussaufwaerts reguliert, was den Eindruck der Bruecke ueber einen reissenden Fluss aufgehoben hat.
Alle Kirchen und die Bruecke sind innerhalb von 100 Jahren im 13. Jh. entstanden. Es zeigt, wie gross der Wohlstand der Stadt in dieser Zeit war.
Uebrigens ist heute das letzte Karnevalswochenende 2024. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung in der ganzen Stadt, es gibt kaum noch freie Plaetze in den Kapheneia und Schuelergruppen, Vereine und Betriebsbelegschaften ziehen kostuemiert durch die Stadt und zeigen ihre Taenze.
Aus der Sicht des neugierigen Reisenden ist Arta neben den makedonischen Orten Vergina und Dion die groesste Ueberraschung waehrend der Wintertour: touristische Angebote sind gut ausgebaut, vielfaeltig und an alle Zielgruppen angepasst. Das alles in einer Stadt, die nicht gerade im Zentrum der internationalen Verkehrsstroeme liegt.
Auf einem einsamen Bergruecken gegenueber der Ortschaft Ammotopos liegt die antike Stadt Orraon. Wer ist bloss auf die Idee gekommen, ausgerechnet hier eine Siedlung errichten zu wollen? Auf dem Berg gibt es nichts als Steine und dorniges Gestruepp. Ganz gleich, ob es eine Antwort auf die Frage gibt, koennen wir Heutigen an den Ueberresten Erkenntnisse zur Wohnkultur im 4. Jh. v.Chr. gewinnen. Steine gab es auf dem Berg mehr als genug, sie waren eigentlich sogar im Weg beim Bau der Zufahrt und beim Feldbau. Anders als sonst in Griechenland sind die zweigeschossigen Gebaeude komplett aus Stein gebaut und haben sich bei einigen Haeusern noch gut erhalten.
Von der Haustuer mittig unten trat man in einen Innenhof links, von dem aus eine Treppe in die obere Etage fuehrte und der saeulengerahmte Eingang in die Wohnraeume abging.
Die Wasserversorgung wurde durch diese Zisterne sichergestellt. Je nach Fuellstand gingen die Traeger ein paar Stufen nach unten zum Wasserschoepfen.
An der Storchenstadt Filippiada vorbei geht es weiter zur Burg Rogoi. Bereits frueh im Jahr sind die Storchenpaare zurueckgekehrt und haben ihre Nester aus dem Vorjahr bezogen.
Fast 2.000 Jahre lang war die Burg Rogoi als Bollwerk an einer Schleife des Fluesschens Louros aktiv. Im 5. Jh. v.Chr. wurde die Burg aus grossen Quadersteinen gebaut, auf denen byzantinische Baumeister mit den kleinen Natursteinen die Mauern ausgebessert und erhoeht haben.
Der roemische Buergerkrieg nach der Ermordung Julius Caesars ging mit der Seeschlacht bei Aktion (gegenueber der modernen Stadt Preveza) 31 v.Chr. zu Ende. Jetzt war der Weg fuer Octavian und seine Idee des Kaiserreichs frei.
Zur Demonstration seines Sieges liess Octavian nicht nur ein Siegesdenkmal, sondern eine ganze Stadt aus dem Boden stampfen: Aktia Nikopolis. Die Bevoelkerung aus der ganzen Gegend wurde zwangsumgesiedelt und musste erst die neue Stadt erbauen und dann auch noch dort leben, obwohl die Ebene am Golf von Ambrakia nicht recht fuer eine grosse Stadt geeignet war, u.a. wegen fehlenden Frischwassers. Zudem sind andere, etablierte Staedte in der Folge verfallen, z.B. Ambrakia/Arta.
Ganz so schlimm wie anfangs befuerchtet kam es aber doch nicht. Durch den Fleiss der Bewohner und politische Foerderung aus Rom gelang die Stadtgruendung, und Nikopolis bestand fuer ueber 1.000 Jahre bis es von Bulgaren zerstoert wurde.
Die Wohnstadt umfasst eine Flaeche von ca. 400x400m, die vom Decumanus Maximus durchzogen ist.
Ladenzeilen, Wohnhaeuser und oeffentliche Gebaeude konnten grosszuegig und auf dem neuesten Stand der Technik gebaut werden. Schliesslich sollte Nikopolis DIE Vorzeigestadt Octavians werden.
Man kann sich tatsaechlich vorstellen, wie das Mosaik dieses Nymphenbrunnens im Sonnenlicht und den Reflexionen des sprudelnden Wassers geglitzert hat.
Nein, das sind keine Gartenzwerge. Die Figuren, Spielsteine und das Muehle-Spiel stammen aus dem Spielzeugregal des Kinderzimmers.
Ein unendlicher Menschheitstraum ist die Kontaktaufnahme mit den Ahnen. Wer wuerde nicht noch gerne mit einer/m ploetzlich verstorbenen Angehoerigen ein letztes Gespraech fuehren, ein paar weise Ratschlaege hoeren oder ein lange gehuetetes Familiengeheimnis lueften? Nach antiker Vorstellung gab es eine Unterwelt, die durch einen Fluss vom Reich der Lebenden abgegrenzt war. Ein Faehrmann hat die Toten ueber den Fluss gebracht, aber niemanden mehr zurueck. In der literarischen Phantasie gab es immer wieder Versuche von Lebenden ins Totenreich zu gelangen - und wieder zurueck.
Das Nekromanteion nahe der antiken Stadt Ephyra war ein Uebergangsort in die Unterwelt. Homer berichtet, dass Odysseus von der Zauberin Kirke eine genaue Handlungsanleitung erhalten habe, wie er die Toten moeglichst nah an das Flussufer locken koenne und selbst nur ganz kurz ans Ufer der Unterwelt treten muesse, um sich mit dem blinden Seher Teiresias zu treffen. Zwar war Odysseus schockiert von dem Gesehenen, aber das Vorhaben gelang.
Die Odyssee zeigt, dass es schon im 8. Jh. v.Chr. eine Toten-Kultstaette in Ephyra gegeben haben muss, auch wenn die Archaeologie die fruehesten Gebaeude ins 3. Jh. v.Chr. datiert. Zu der Zeit bestand schon ein regelrechter Geschaeftsbetrieb von Priestern, die ueppige Opfergaben erwarten durften, wenn sie einem Lebenden den Zugang in die Unterwelt ermoeglichten.
Es gab spezielle Opfer- und Speisevorschriften fuer die Besucher auf ihrem Weg ins Allerunterste. Vermutlich enthielten diese Gefaesse Opfergaben oder Kraeuter, die zusammen mit dem Rauch aus dem Verbrennen von Weihrauch eine halluzinogene Wirkung ausuebten.
In diesem benebelten Zustand trat man an den Rand der Unterwelt. Durch Schaechte im Mauerwerk erklangen die Priester-Gesaenge mit Echo und verzerrt, so dass man sie eigentlich gar nicht verstehen konnte. Trotzdem glaubten die Besucher, sie haetten mit den Toten gesprochen.
Mit dem Orakel von Dodona haben wir die Reise begonnen, mit dem Totenorakel von Ephyra die Reise abgeschlossen. Es sind jetzt nur noch wenige Stunden bis zum Faehranleger in Igoumenitsa, wo mich die Faehre nach Ancona bringen wird.
Vielen Dank an alle, die mich virtuell auf der Fahrradreise durch Nordgriechenland begleitet haben, und vielen Dank fuer die Geduld, mit der Ihr auf die Kapitel des Reiseberichts warten musstet. Sicherlich hat es noch viele weitere Orte und Begebenheiten gegeben, ueber die man interessant haette berichten koennen. Ich hoffe, meine Auswahl und die Art der Beschreibung war hinreichend anschlussfaehig, kurzweilig und ausreichend qualifiziert.