Hier treffen zwei interessante Entwicklungen aufeinander:
1. BA, lange durch den Flaschenhals LHR stranguliert und auf Grund eher kolonialer Weltvorstellungen bei den Ko-Operationsgesprächen mit zuerst KLM und dann Swiss gescheitert, hatte nach erfolgreicher Fusion mit IB zur IAG plötzlich Nachholbedarf auf AF/KL und LH-Group, auch damit der Abstand von Oneworld auf *A reduziert werden sollte. Plötzlich gab es um 2010 eine "Shopping List" mit ca. 10 Airlines weltweit, bei denen man sich einkaufen wollte. Insbesondere übrigens Oneworld-Partner, wo Beteiligungen die Zusammenarbeit zementiert und Joint-Ventures Anti-Trust Barrieren für gemeinsame Streckenrechte erleichter hätten. Ganz vorne auf der Liste damals: bmi, Aer Lingus, TAP und Finnair, aber auch Kingfisher existierte noch und AB hatte sich noch nicht von EY wegretten lassen müssen. Es folgte und wirkt bis heute nach die weltweite Finanzkrise, die IAG über den grössten Anteilseigner Bankia beinahe in den Abgrund gerissen hätte und auf Grund derer zuerst die Hausaufgaben auch bei IB (bei BA hatte Willie Walsh dies schon erledigt) gemacht werden mussten. Nachdem IAG bmi übernommen (was wohl eher der Schwäche von LH zuzuschreiben ist unter eigener oder Virgin-Führung bmi und Virgin zusammenzuführen) und bereits verdaut hat, ist BA in LHR nicht weiter eingeschränkt, sondern eher Monopolist, IB entwickelt sich prächtig, Aer Lingus wird nun ganz schnell aufgeschluckt - womöglich besteht die alte Einkaufsliste noch?
2. Qatar und Etihad (und Oman Air) sind beide entstanden, als ihre jeweiligen Monarchen sich aus der gemeinsamen Gulf Air verabschiedet und sich eigene Spielzeuge zugelegt haben. Die heftigsten Verdrängungswettbewerbe bestehen derzeit einerseits zwischen Ryanair, Easyjet und Wizz und andererseits zwischen Emirates, Etihad und Qatar. Letztere zwei sind zu spät gestartet, um Emirates' organischem Wachstum noch folgen zu können. Etihad kauft sich weltweit ein Netz der Airlines zusammen, die ohne fremde Hilfe nicht mehr fliegen könnten. Qatar hat bei Cargolux schon Lehrgeld gezahlt (Etihad bei AB auch, will das aber nicht realisieren). Nun scheint Qatar Etihad überflügeln zu wollen. Interessant daran ist einerseits, dass Katar schon als Retter für IAG vor einer Bankia-Pleite eingeplant war und wohl nur deshalb Qatar den Vorzug vor Etihad in Oneworld erhielt und dass Katar auch am Flughafen LHR beteiligt ist, was in Zukunft durchaus Fragen hinsichtlich fairer Marktchancen für andere Airlines aufwerfen dürfte.
Man hat seitens IAG jetzt noch nicht die Möglichkeit genutzt, den Einstieg von Qatar über neue Aktien zur Kapitalerhöhung und damit zur Finanzierung des Aer Lingus Deals zu nutzen. Qatar und Etihad wollen Brasilien im Streckennetz, insofern kann die IAG Kapitalerhöhung für Brasilien (TAP) ja noch folgen.
Ich halte diese Entwicklung in der Tat für sehr problematisch: die klassischen und zeitweise erfolgreichen Allianzen zerfransen durch individuelle Partnerschaften ihrer Mitglieder. Gleichzeitig treten Kern-Allianzen durch finanzielle Verflechtungen an ihre Stelle. Diese bestehen aber nicht mit Airlines, sondern mit Monarchen oder Potentaten, die nicht zwingend unserem Demokratie- oder Wettbewerbsverständnis folgen, sich untereinander streiten, aber unberechenbar morgen auch fusionieren könnten (z.B. Emirates und Etihad). Da wir von unserer Luftanbindung ebenso abhängig sind wie von unserem Automobilexport (Katar ist auch an VW beteiligt, Jahrzehntelange Beteiligungen von Iran, Saudi Arabien oder UAE an Daimler blieben aber ohne negative Folgen), ist das eine gefährliche Entwicklung.
Ich hatte gehofft, LH hätte über eine wie-auch-immer-geartete Verzahnung mit TK die Möglichkeit der Konkurrenz der ME3 etwas zu erwidern. Die Entfremdung zwischen LH und TK (möglicherweise ist TK unter indirekter Führung v. Erdogan so aufgetreten, wie seinerzeit BA bei KLM und Swiss, aber die Streichung von Codeshares durch LH und OS und die Aberkennung von Statusprivilegien für Flüge mit Partner TK erfolgten einseitig durch LH) hat diese Hoffnung leider zu Nichte gemacht.
Mit Kapitalerhöhung wäre die Abhängigkeit IAGs von Katar geringer ausgefallen. Und so sehr ich mich als Fluggast in Deutschland und zufriedener AB-Kunde über die Rettung ABs durch EY gefreut habe: ich erlebe heute schon praktisch, was ich oben in Theorie erklären wollte: Mein AB-Flugnetz wird eingeschränkt, damit immer mehr Verbindungen nach AUH bestehen. Die Gesetzgebung der EU ermöglicht es durchaus, die Einflussnahme von ausserhalb der EU zu verhindern. Sie darf dann nur nicht weiter von den Einzelstaaten, allen voran Deutschland und nun wohl GB ausgehebelt werden.