Everything is amazing and nobody is happy

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Wombert

Erfahrenes Mitglied
20.03.2010
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MUC
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Mir fiel gerade dieses Video wieder ein, während ich auf FT gesurft bin und über das Gejammer einfach nur den Kopf schütteln konnte. Da regen sich Leute mit komplett irrationalem Geschrei auf, dass APIS-Daten aus dem PNR verschwinden (und werfen der Airline vor, mit persönlichen Daten nicht sorgsam umzugehen), andere stellen einen etwas anstrengenden Umstieg in FRA dar, als wäre es schlimmer als fünf Jahre Arbeitslager in Sibirien gewesen, und dann war da noch der Typ, der seine Buchung mit Frau und Kindern verbockt hat, nicht mit allen in einer Reihe sitzen konnte und sich dann aufgeführt hat, wie es nur Amis können ("I am sitting here fuming and have never been angrier in my life blablablabla").

Da ist Louis CK wesentlich entspannter, und stellt das Thema moderne Technik im allgemeinen und Fliegen im besonderen mal in vernünftige Relation zu den heutigen Ansprüchen: YouTube - Louis CK: Everything is amazing right now and nobody is happy (4min)

Haben vielleicht einige von euch noch nicht gesehen. Sehr lustig, und vor allem auch sehr treffend.
 
Zuletzt bearbeitet:

Wombert

Erfahrenes Mitglied
20.03.2010
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MUC

Das stimmt, aber das sind chronische IT-Problemchen am Boden und ich nehm sie immerhin mit Humor :) Ich finde FRA auch ätzend, aber wenn da mal wieder die Schlangen an der Security bumsvoll sind, weils halt gerade zu einer Stoßzeit ist, bleib ich es gelassen, weil ich weiss, dass ich gleich in ein paar Stunden in einem Sessel in der Luft :)D) sitze, was zu essen bekomme, Filme schauen kann und so weiter und so weiter.

Hat alles was mit Relationen zu tun, finde ich. 20 Minuten Verspätung auf einem 8-Stunden-Flug mit all seinen Komplexitäten sind einfach nicht der Rede wert. Wetter, Zwischenfälle, Gepäckprobleme, Fracht auf die gewartet werden muss, Passagiere, die spät dran sind, sonstige Flügelschläge eines Schmetterlings die einen Sturm lostreten: kann alles passieren. Ein IT-System, was spezifisch dafür gebaut ist, geflogene Meilen abzugleichen, und das reproduzierbar und regelmässig nicht tut: sollte nicht passieren :)
 

flysurfer

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06.03.2009
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www.vielfliegertreff.de
Hat alles was mit Relationen zu tun, finde ich. 20 Minuten Verspätung auf einem 8-Stunden-Flug mit all seinen Komplexitäten sind einfach nicht der Rede wert.

Wer fast jeden Tag im Flieger sitzt, um mehr oder weniger wichtige Termine wahrzunehmen, wird das möglicherweise anders sehen.

Unglücklicherweise hat die "everything is amazing"-Welt nämlich zu einer rasanten Beschleunigung des geschäftlichen und privaten Lebens geführt, der sich kaum einer entziehen kann, wenn er in vielen Berufsfeldern nicht auf der Strecke bleiben will. Während man früher tatsächlich ein Jahr Zeit hatte, um mit dem Segelschiff von Europa aus in die neue Welt zu schippern und dort die Flora und Fauna zu studieren oder Pioniertaten zu leisten, haben Menschen und Waren heutzutage über Nacht – und Informationen sogar sofort – den Zielort zu erreichen.

Insofern halte ich es für nahezu unvermeidlich, dass immer mehr Menschen in der "eveything is amazing"-Welt alles andere als "happy" sind – und deshalb auch den Ausstieg aus der sich immer schneller drehenden Tretmühle suchen, bzw. diesen suchen würden, wenn sie ihn für möglich halten würden. Verschiedenste Sachzwänge hindern sie daran, und Zwänge machen nun einmal nicht glücklich. Frust und Unzufriedenheit verlangen aber nach Ventilen, die FlyerTalk und auch der VFT den Leuten bieten.
 

Bingham

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03.01.2010
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Sehr guter Thread, kann ich nur unterschreiben Flysurfer.

Ich hatte die letzten Jahre als Serien Gründer ein mehr als aufregendes Leben und mich nie gelangweilt. Die meisten Menschen die mich kannten fanden mein Leben einfach nur irre. Erstaunlicherweise hat sich das ganze aber nochmal ordentlich beschleunigt dieses Jahr - ich hatte damit gerechnet aber nicht in dem Maße. Und auf einmal merke ich wie mir mein "altes" Leben fast fade vorkommt und ich - wenn ich eine Woche zuhause bin und mal nicht reise - schon ganz kribbelig werde. Aktuell fliege ich im Schnitt fast jede zweite Woche davon das meiste Langstrecke. Ich finde dieses rastlose Verhalten mindestens mal bemerkenswert wenn nicht schon ungut. Bin mir da noch nicht ganz sicher ob ichs nicht einfach genießen soll. Aber was wenn das hängen bleibt? Möchte so nicht die nächsten Jahre oder gar den Rest meines (hoffentlich noch langen) Lebens verbringen.

Wenn ich mir also nun vorstelle ich bleibe bei diesem Lebensstil - dann werde ich wohl irgendwann auch über die Qualität des Schampus, 10 Min. Verspätung, den fehlenden Handschlag zur HON Begrüßung etc. meckern. Und möchte ich das ? Nein, sicher nicht.

Mir hat mal ein Freund erzählt das er das Gefühl hat wenn er fliegt, dann kommt seine Seele nicht so schnell hinterher. Die braucht noch ne Weile und so lange die noch nicht da ist, ist man eine Art "Zombie" - das wäre dann der Jetlag. Ich weiss die Geschichte und Begründung ist alt - aber hey. Was wenn ich soviel reise das die mich nie mehr einholt? Dann bleibt nur noch Gemecker auf hohem Niveau, ein Dachschaden und unglücklichsein übrig.

Jo das waren meine 2 cents und wenns zu philosophisch ist dann schiebts halt auf die Wiesn ;)
 

flysurfer

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06.03.2009
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Grundsätzlich ist es natürlich toll, die Freiheit zu besitzen...

...innerhalb von 24 Stunden an nahezu jedem Ort der Welt erscheinen zu können.
...immer und überall via Sprache, Bild, Ton und Text miteinander kommunizieren zu können, erreichbar zu sein und andere erreichen zu können.
...seinen gesamten Fundus an Informationen (sowie das Wissen der Welt) in einer virtuellen Wolke überall hin mitführen und "on demand" abrufen zu können.
usw.

Leider mutiert diese Freiheit jedoch für viele zu dem Zwang...

...über Nacht an jedem Ort der Welt vorstellig werden zu müssen, wenn man dort gebraucht wird.
...immer und überall zu kommunizieren, Informationen auszutauschen und Aufgaben voranzutreiben.
...ständig und in jeder Situation sämtliche Informationen abrufbar zu haben.

Kurzum: Man kommt nicht mehr zu Ruhe, weil die Umwelt, die "Anderen", auch nicht mehr zur Ruhe kommen. Selbst während man in Europa schläft, wird in Asien und den USA noch oder schon wieder gearbeitet, brummen dort die Fabriken und Finanzplätze, werden im Sekundentakt neue Nachrichten generiert. Und diese Nachrichten – auch der berühmte Sack Reise, der in China umfällt – beeinflussen mittlerweile tatsächlich unser Leben auf der anderen Ende der Erdkugel. Alles hängt zusammen – ohne dass wir die Zusammenhänge wirklich kennen würden oder steuern könnten. Banken und Unternehmen, die in Griechenland oder Amerika zusammenbrechen, lösen hierzulande schwerste Krisen aus. Von uns wird erwartet, global zu denken und handeln – dabei ist es doch schon schwer genug, die lokale Umwelt zu begreifen und ihr irgendwie gerecht zu werden.

Nein, "everthing" ist eben nicht "amazing". Es hätte zwar das Potenzial dazu gehabt, aber wie üblich ist es den Menschen im Nu gelungen, potenziell geniale Erfindungen wie das Automobil, das Flugzeug, das Telefon, das Internet, den Mobilfunk usw. in Geißeln zu verwandeln, die fortwährend Druck ausüben, die Menschen belasten und sie antreiben – immer schneller, größer, weiter. Fortwährendes Wachstum in allen Bereichen, so scheint es, ist die einzige globale Religion, auf die sich alle führenden Staaten und Kulturen heute einigen zu können scheinen.
 

MichaelFFM

Hertz-loses Mitglied
Teammitglied
Wenn ich mir also nun vorstelle ich bleibe bei diesem Lebensstil - dann werde ich wohl irgendwann auch über die Qualität des Schampus, 10 Min. Verspätung, den fehlenden Handschlag zur HON Begrüßung etc. meckern. Und möchte ich das ? Nein, sicher nicht.

Das sehe ich genau anders herum...
Meiner Beobachtung nach ist es eher so, dass man sich auf Dauer über die kleinen Dinge und Pannen eher weniger aufregt.
Wenn ich 150+ Legs im Jahr fliege und es geht ein- oder zweimal etwas schief, kann ich doch im Prinzip sehr froh sein.
Oft - so kommt es mir zumindest vor - sind es eher die nicht ganz so oft Reisenden, die sich über Lappalien aufregen. Wenn es heute schief geht, läuft's halt morgen wieder besser....Das geht dann sowieso in der Erinnerung unter.
(Leselampe in Eco auf FRA-LHR defekt, nicht zusammensitzen können auf FRA-DUS, kein erlebtes Priority Handling für's Gepäck usw.).
 

derPer

Erfahrenes Mitglied
13.08.2009
555
1
Meiner Meinung nach ist das Ausschlaggebende hierbei nicht die Frequenz der Flüge bzw. Ubiquität der von Bingham aufgeführten Dinge, sondern eher die Entscheidung des Individuums eben genau diese Dinge für den Moment.. die Situation.. die Reise.. das Jahr.. das (restliche) Leben diese Dinge zum zentralen/ gewichtigen Thema zu machen - und im Umkehrschluss andere, vermeintlich bedeutendere Dinge abzuwerten, ignorieren, kompensieren.
 

flysurfer

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Meiner Meinung nach ist das Ausschlaggebende hierbei nicht die Frequenz der Flüge bzw. Ubiquität der von Bingham aufgeführten Dinge, sondern eher die Entscheidung des Individuums eben genau diese Dinge für den Moment.. die Situation.. die Reise.. das Jahr.. das (restliche) Leben diese Dinge zum zentralen/ gewichtigen Thema zu machen - und im Umkehrschluss andere, vermeintlich bedeutendere Dinge abzuwerten, ignorieren, kompensieren.

Übersetzung: Viele sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.
 

derPer

Erfahrenes Mitglied
13.08.2009
555
1
Nö, eher jede setzt ihre Prioritäten anders (bewusst, unbewusst, aus einem Zwang heraus.. etc.).
 

flysurfer

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06.03.2009
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Nö, eher jede setzt ihre Prioritäten anders (bewusst, unbewusst, aus einem Zwang heraus.. etc.).

Das ist ja eben nicht der Fall. Die Prioritäten werden den meisten dieser Leute von anderen gesetzt, sie setzen sie nicht wirklich selber. Die Prioritäten in vielen Fällen eben nicht das Produkt einer freien Entscheidung, sondern von Sachzwängen aller Art.

Natürlich kann man sagen: Jeder kann sein Leben ändern und das, was ihm wichtig erscheint, in die eigene Hand nehmen und selbst nach den eigenen Vorstellungen gestalten. Aber immer, wenn ich das hier im Forum schreibe (und schreibe es immer wieder mal), bekomme ich massiven Ärger mit unseren beruflichen Vielfliegern, die mir dann erzählen, dass man eben nicht einfach das Reisebüro wechseln dürfe, dass man nicht die Airline buchen könne, die einem persönlich gefällt, dass man nicht die Serviceklasse bekomme, die man verdiene, dass man Reiserichtlinien beachten muss müsse und von inkompetenten Abteilungen umgeben sei – aber deswegen den Job zu wechseln, nein, allein der Gedanke sei absurd und unverschämt, quasi polemisch. Und überhaupt wäre es bei anderen Unternehmen auch nicht wirklich besser.

Kurzum: Man könne es sich nicht aussuchen. Man habe keine Wahl.
Wer aber keine Wahl hat, der kann auch keine Prioritäten setzen.