Mobilfunk Roaming. Wie läuft das eigentlich?

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v.guendelhorst

Erfahrenes Mitglied
01.10.2014
699
203
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Ich habe heute eine neue SIM bekommen und seit dem stelle ich mir einige Fragen bzgl. Roaming.

Bucht sich das Telefon immer in das best verfügbare Netz im Ausland ein oder bevorzugt in Partnernetze (z.B. in Deutschland = Telekom, in den USA = T-Mobile? Hat der deutsche Netzbetreiber Einfluss da drauf? Ich habe da noch nie so wirklich drauf geachtet, wenn ich irgendwo angekommen bin.

Ich nehme an, auch beim Roaming unterliegt man in manchen Ländern (UAE, Saudi, etc.) der Zensur oder wird da ein Unterschied gemacht, wenn es nicht das Heimatnetz eines Reisenden ist?

Sucht Ihr Euch die Betreiber immer selbst aus oder nehmt Ihr das, was das Handy macht?
 

eham

Erfahrenes Mitglied
22.03.2023
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NRW
Bucht sich das Telefon immer in das best verfügbare Netz im Ausland ein oder bevorzugt in Partnernetze (z.B. in Deutschland = Telekom, in den USA = T-Mobile? Hat der deutsche Netzbetreiber Einfluss da drauf? Ich habe da noch nie so wirklich drauf geachtet, wenn ich irgendwo angekommen bin.
Dein Mobilfunkanbieter hat (meistens) mit einem oder mehreren Anbietern im Ausland ein Roaming-Abkommen abgeschlossen. In diese Netze (und nur diese) bucht sich das Telefon dann automatisch ein. Die Liste der Partner findest du bei deinem Mobilfunkanbieter.
 
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Erfahrenes Mitglied
31.08.2013
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LEJ
Dein Mobilfunkanbieter hat (meistens) mit einem oder mehreren Anbietern im Ausland ein Roaming-Abkommen abgeschlossen. In diese Netze (und nur diese) bucht sich das Telefon dann automatisch ein. Die Liste der Partner findest du bei deinem Mobilfunkanbieter.
....und du erhältst im Ausland ein Roaminginformation.
 

v.guendelhorst

Erfahrenes Mitglied
01.10.2014
699
203
....und du erhältst im Ausland ein Roaminginformation.
Ja, kommt immer per SMS so ca. 5 Stunden nachdem man angekommen ist. 😉 Ich habe in Spanien mal eine SMS von Movistar bekommen, dabei hatte ich zu dem Zeitpunkt schon Vodafone. In Holland habe ich keine Benachrichtigung bekommen, Netz war KPN wie ich nachher gesehen habe.
 

patrick7

Aktives Mitglied
01.06.2020
166
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Der Home-ISP kann bestimmen (vermutlich mit RADIUS o.ä.) welche SIM (ICCID) sich in welche Netze einwählen kann. Natürlich nur in solche, wo Roamingabkommen bestehen.

Normalerweise ist das auch mit einem "VPN" (GRX) ins Heimnetz verbunden, somit absolut zensurfrei, auch in China. Und natürlich eine IP aus dem Heimnetz.
 

Nitus

Erfahrenes Mitglied
04.04.2013
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31.165
MUC
Der Home-ISP kann bestimmen (vermutlich mit RADIUS o.ä.) welche SIM (ICCID) sich in welche Netze einwählen kann. Natürlich nur in solche, wo Roamingabkommen bestehen.

Der heimische Netzbetreiber nutzt vor Allem zwei Mechanismen, um den Kunden im Roamingfall in ein bestimmtes Netz zu lenken.

1. Auf der SIM-Karte befindet sich eine Liste mit Preferred Networks, die das Handy mit Priorität auswählen soll.

Ein Handy funktioniert übrigens so:

Wenn man das Handy einschaltet bzw. den Flugmodus deaktiviert, versucht das Handy das zuletzt erfolgreich benutzte Netz wieder zu nutzen. Erst wenn es nach dem Abscannen aller Frequenzen dieses Netz nicht finden kann, macht es eine Bestandsaufnahme, welche Netze das Handy empfangen kann. Dann gleicht das Handy diese Netze mit der genannten Preferred Networks Liste auf der SIM-Karte ab und versucht, sich dort einzubuchen.

Diese Liste auf der SIM-Karte wird übrigens regelmäßig per OTA-SMS durch den heimischen Netzbetreiber aktualisiert. Das sind stille SMS, die dem Nutzer nicht angezeigt werden, aber im Hintergrund vom Handy verarbeitet bzw. an die SIM-Karte zur Aktualisierung verschiedener Parameter weitergeleitet werden.

2. Roaming Steering

Es dürfte mittlerweile Standard sein, dass jeder Netzbetreiber ein sog. aktives Roaming-Steering betreibt. Über dieses kann man deutlich feiner steuern, in welche fremden Netze sich die eigenen Kunden einbuchen.

Technisch geht das so: Wenn ein Handy sich in einem fremden Netzwerk einbuchen möchte, leitet das besuchte Netz die Anfrage zum Einbuchen an das Heimatnetz der SIM-Karte weiter. Dort wird dann geprüft, ob diese Anfrage aus einem Netz kommt, in dem man den Kunden roamen lassen möchte. Falls ja, wird noch geprüft, ob der Kunde überhaupt Roaming nutzen darf, und die jeweilige angefragte Technologie (2G, 4G, 5G-NSA, 5G-SA) nutzen darf. Falls nein, wird dem ausländischen Netzbetreiber eine Ablehnung geschickt.

Diese Einbuchversuche sind für den Handynutzer komplett unsichtbar. Erst wenn das Einbuchen erfolgreich war, wird ein Empfang auf dem Display angezeigt. Es kann also sein, dass man ein starkes Signal eines Roamingnetzes empfängt, sich dort aber nicht einbuchen darf/soll. Dann wird trotz des starken Signals dennoch kein Empfang angezeigt.

Diese Steering-Plattformen können sehr individuell eingestellt sein. So kann es sein, dass der heimische Anbieter in einem fremden Land Abkommen mit mehreren Partnernetzen hat, mit denen man kommerziell gute Konditionen ausgehandelt hat, sodass man verschiedene Netze nutzen kann. Es kann aber auch sein, dass das Roaming im Ausland auf nur einen Betreiber limitiert wird. So dürfte T-Mobile z.B. ein starkes Interesse haben, seine Kunden in die jeweiligen T-Mobile-Netze im Ausland zu steuern.

Es ist auf jeden Fall nicht so, dass immer das "beste", "stärkste" oder "schnellste" Netz gewählt wird. Wie oben beschrieben wird man meist in dem Netz laden, für dessen Nutzung der Heimatbetreiber die besten Konditionen ausgehandelt hat. Und wenn dies mehrere Netze in einem Land sind, ist es eher Zufall wo man landet. Und wenn das Handy im Roaming erstmal bei einem Netzbetreiber gelandet ist, bleibt es dort solange, bis es in diesem Netz irgendwann mal ein Funkloch erfährt. Andernsfalls bleibt das Handy in diesem Netz, selbst wenn ein anderes Netz an dem jeweiligen Ort vielleicht ein stärkeres Signal oder mehr Bandbreite liefern könnte.

Weiterhin ist übrigens Grundvoraussetzung, dass zwischen dem heimischen Netzbetreiber und dem jeweiligen ausländischen Betreiber überhaupt ein Roaming-Agreement geschlossen wurde und dies technsich implementiert ist. Die Freischaltung von Roaming zwischen zwei Netzen ist technisch komplex und bedarf zahlreicher Konfigurationsarbeiten in beiden Netzen.

Normalerweise ist das auch mit einem "VPN" (GRX) ins Heimnetz verbunden, somit absolut zensurfrei, auch in China. Und natürlich eine IP aus dem Heimnetz.

Im Regelfall (bis auf wenige Ausnahmen) wird im Romaing Home-Routing betrieben. Dies ist aber kein VPN im herkömmlichen Sinne. Es bestehen zwischen den verschiedenen Netzelemente der Netzbetreiber über die GRX/IPX-Interconnects sog. GTPv2-Tunnel. Diese sind jedoch im Regelfall unverschüsselt, da die genannten Interconnects nicht über das public Internet laufen sondern es ein geschlossenes privates Netz ist.

Theoretisch könnte also ein Netzbetreiber im Ausland den GTPv2-Tunnel mitlesen und so wissen, was Du mit der deutschen SIM-Karte ansurfst. Und theoretisch könnte er dann die entsprechenden Pakete droppen.

Praktisch sind mir solche Fälle nicht bekannt, sodass man tatsächlich mit einer ausländischen SIM-Karte die jeweilige Internetzensur des besuchten Landes umgehen können sollte.
 

patrick7

Aktives Mitglied
01.06.2020
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Vielen Dank für den tieferen Einblick. Arbeitest Du in dem Bereich? Leider sind Mobile Netze immernoch eine "Blackbox", damit kommt man als normaler Network Engineer leider wenig in berührung.
Dies ist aber kein VPN im herkömmlichen Sinne.
Klar, daher auch in Anführungszeichen :D
Theoretisch könnte also ein Netzbetreiber im Ausland den GTPv2-Tunnel mitlesen und so wissen, was Du mit der deutschen SIM-Karte ansurfst. Und theoretisch könnte er dann die entsprechenden Pakete droppen.
Mitlesen soll er versuchen, ich habe aus Prinzip immer Wireguard an (zu meinem eigenen ASN), auch im Inland. Unter anderem, weil gewisse Provider einen transparenten Zwangs-Proxy einsetzen und so lustige Geschichten. Und über Wireguard habe ich auch IPv6 :D

Diese GTPv2 Tunnel sind vermutlich vergleichbar mit VPDN/PPPoL2TP bei xDSL? Gibt es diese auch im Inland, ohne Roaming, von der Basisstation zum Core?
 
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Nitus

Erfahrenes Mitglied
04.04.2013
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MUC
Vielen Dank für den tieferen Einblock. Arbeitest Du in dem Bereich?

Ja, ich habe Telekommunikationstechnik studiert und arbeite bereits über 20 Jahre im Mobilfunk.

Leider sind Mobile Netze immernoch eine "Blackbox", damit kommt man als normaler Network Engineer leider wenig in berührung.

Die Komplexität steigt auch stetig, da immer neue Technologien, Services und auch regulatorische Anforderungen dazu kommen. Und meistens werden alte Zöpfe nur sehr zögerlich abgeschnitten. Aber das macht es eigentlich auch sehr spannend. Ich verantworte einen Bereich, der die korrekte Funktion unseres Mobilfunknetzes sicherstellt. Da haben wir täglich mit spannenden und ebenso komplexen Themen und Sonderfällen zu tun.

Dazu befindet sich ein Mobilfunknetz eigentlich nie in einem stabilen Zustand. Es wird immer irgendwo gebaut, erweitert und erneuert. Und zwar nicht nur die Basisstationen im Feld sondern auch im Kernnetz sind ständige Umbauten und Erweiterungen notwendig, die aber so durchgeführt werden müssen, dass die Kunden davon möglichst nicht beeinträchtigt werden.

Mitlesen soll er versuchen, ich habe aus Prinzip immer Wireguard an (zu meinem eigenen ASN), auch im Inland. Unter anderem, weil gewisse Provider einen transparenten Zwangs-Proxy einsetzen und so lustige Geschichten. Und über Wireguard habe ich auch IPv6 :D

Ich nutze Wireguard vor allem im Ausland, wo der Zugriff auf meine Kommunikationsinhalte nicht so gut geschützt ist wie in Deutschland durch das TKG.

Man muss dann aber trotzdem dem Internetanbieter vertrauen, an dem man seinen Wireguard-Tunnel terminieren lässt. Wobei ich da allen großen deutschen Telekommunikationsanbietern vertrauen würde.

Diese GTPv2 Tunnel sind vermutlich vergleichbar mit VPDN/PPPoL2TP bei xDSL? Gibt es diese auch im Inland, ohne Roaming, von der Basisstation zum Core?

Grob kann man das vergleichen. Genau, GTP und aktuell vor allem GTPv2 wird einerseits zwischen den Basisstationen und dem Kernnetz aber auch innerhalb des Kernnetzes auch bei reiner Inlandsnutzung gesprochen. Innerhalb des Kernnetzes bleibt GTPv2 unverschlüsselt, zwischen Basisstation und Kernnetz wird GTPv2 jedoch zusätzlich mit IPsec abgesichert.

Basisstation (eNodeB) ---GTPv2+IPsec---> SGW ---GTPv2---> PGW ---plain_IP---> Internet

So wäre grob der Weg. Das SGW (Serving Gateway) stellt bei 4G den Ankerpunkt zum Radionetzwerk dar. Wenn Du Dich von Basisstation zu Basisstation bewegst, stellt das SGW sicher, dass Deine IP-Nutzdaten Dich trotzdem erreichen. In die andere Richtung spricht das SGW mit dem PGW (PDN Gateway), das den Ankerpunkt zum Internet oder auch privaten Firmennetzen darstellt. Das PGW vergibt Deinem Handy die IP-Adresse und drosselt ggf. Deinen Datenstrom, wenn Dein Tarif entsprechende Limitierungen (z.B. bei Überschreiten des Volumens) vorsieht.

Im Inland sind SGW und PGW häufig auf demselben physischen System beheimatet, sodass die Pakete nicht unnötig viel umher transportiert werden müssen. Lediglich wenn Du eine Datenverbindung z.B. in Berlin startest und nach München fährst, dann wechselst Du irgendwann die SGWs, da diese geografisch zugeordnet sind. Deine Session Richtung Internet bleibt aber unter Beibehaltung der IP-Adresse auf demselben PGW.

Im Roamingfall nutzt Du immer das SGW des besuchten Netzes und das PGW des Heimatnetzes.

Gibt eine gute Zusammenfassung über die Struktur eines modernen LTE-Netzes bei Wikipedia:
 

westcoastflyer

Erfahrenes Mitglied
03.09.2019
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1.533
Theoretisch könnte also ein Netzbetreiber im Ausland den GTPv2-Tunnel mitlesen und so wissen, was Du mit der deutschen SIM-Karte ansurfst. Und theoretisch könnte er dann die entsprechenden Pakete droppen.

Praktisch sind mir solche Fälle nicht bekannt, sodass man tatsächlich mit einer ausländischen SIM-Karte die jeweilige Internetzensur des besuchten Landes umgehen können sollte.
In China wird das praktiziert.

Merkst du u.a. daran dass in bestimmten Regionen manche Google Services nicht funktionieren. - Das hängt immer auch nen bisschen davon ab, welche Services da wo "unter dem Radar" sind. Sobald es auffällig wird, droppen sie die Pakete dann.
Mitlesen soll er versuchen, ich habe aus Prinzip immer Wireguard an (zu meinem eigenen ASN), auch im Inland.
Bei OpenVPN hatten sie vor 7-9 Jahren nicht ganz ne Minute gebraucht um es zu erkennen. Danach flossen dann keine Daten mehr.
Wenn du auf dem Server mitgeschnüffelt hast, sind kurz nach dem Verbindungsaufbau ganz gezielte weitere Verbindungsversuche von chinesischen IPs gekommen.

Verbindung gekillt, neu aufgebaut. - Danach begann dasselbe Spiel von vorne.

Als ich vor nen paar Jahren das letzte Mal dort war, wurde in lokalen Netzen oder selbst mit ner chinesischen SIM (Hotspot) die VoWiFI-Verbindung (IPsec) gekillt (es waren definitiv nicht nur unsauber konfigurierte Hotel-Netze).
 
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