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Ich weiss, dieses Thema gehört eigentlich in der Fred "EU Fluggastrechte / Annullierung", aber da dort eher konkrete Anfragen zu persönlichen Fällen abgehandelt werden, erlaube ich mir einen separaten Fred, da dies ein allgemeines Thema ist, welches immer wieder für Vielvlieger relevant sein könnte.
Das Urteil aus 2014 hat ja glücklicherweise klar festgelegt, dass die Ankunftszeit im Sinne der Fluggastrechte-VO durch das Öffnen der Flugzeugtür definiert ist (und glücklicherweise im Urteil auch gleich klargestellt, dass das Öffnen der ersten Tür relevant ist - und somit Diskussionen im Sinne von "was hilft mir das Öffnen der Tür im Unterdeck des A380, wenn ich im Oberdeck drei Minuten länger auf das Öffnen der Tür warten muss" gar nicht erst aufkommen lässt).
Was hier im Forum aber meiner erfolglosen Suche nach nicht wirklich ausdisktutiert wurde, ist die Frage, wie die Beweislage in einem Fall aussieht, bei dem es ähnlich wie in dem Urteil behandelten Fall auf die Minute ankommt. Also
a) was hat der Passagier für Möglichkeiten, zu beweisen, dass die Tür tatsächlich erst nach der magischen 2/3/4-Stunden-Grenze geöffnet wurde?
b) was hat die Airline für Möglichkeiten, zu beweisen, dass die Tür tatsächlich bereits vor der magischen 2/3/4-Stunden-Grenze geöffnet wurde?
In http://www.vielfliegertreff.de/airl...-zur-verordnung-nr-261-2004-ankunftszeit.html gabes zwar Diskussionsansätze, aber nicht mehr.
Falls das Thema doch schon ausführlich diskutiert wurde -> Schande über mich und bitte den Link zu dem entsprechenden Fred.
In den folgenden Ausführungen gehe ich der Einfachheit halber von einem Kurzstreckenflieger a B737/A320 aus.
zu a) Passagier
1. Falls man das Glück hat, in der Nähe der Tür zu sitzen, hat man evtl. die Möglichkeit, dies zu dokumentieren, entweder per (gedanklicher oder schriftlicher) Notiz oder per Handyvideo (mit eingeblendeter Uhrzeit oder mit Schwenk auf die eigene Armbanduhr). Erstes Problem dabei: beim Deboarding per Treppe kann man so nur eine der beiden Türen dokumentieren (also kommt von der Airline das Gegenargument: die andere Tür wurde aber vor Ablauf der magischen Grenze geöffnet). Zweites Problem: Die Handy- oder Armbanduhr könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten vorgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt.
2. Falls man irgendwo in der Mitte des Fliegers sitzt (und nicht gerade als erster aufspringt und ein Basketballer-Gardemass mit Blick über den Bulkhead zur Tür hat), hat man in der Regel keinen Blick zur Tür und hat daher nur das Erlöschen der Anschnallzeichen als Merkmal, zu dem man die Uhrzeit dokumentieren kann. Beweissicherheit: siehe oben
3. Bleibt noch flightradar24 und Co (diese sind aber wohl auch nicht als Beweis zugelassen). Hier bekommt man aber auch nur den Aufsetzzeitpunkt und (über Play) das Erreichen der Parkposition angezeigt, nicht aber das Öffnen der Tür.
Fazit: als Passagier hat man eigentlich kaum richtige Beweismöglichkeiten.
zu b) Airline
1. Wird von der Cabin Crew irgendwo schriftlich/elektronisch der Zeitpunkt des Öffnens der Tür dokumentiert? Wenn ja, wo nimmt das Crewmitglied die Uhrzeit her? Von der eigenen Armbanduhr -> die könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten nachgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt. Oder gibt es an beiden Türen eine für die Cabin Crew ablesbare "Bordzeit", die dann abgelesen und notiert wird?
2. Wird im Cockpit das Öffnen der Tür (was ja möglicherweise durch irgendeine Anzeige sichtbar ist) irgendwo schriftlich/elektronisch dokumentiert? Wenn ja, wo nimmt der Captain oder FO die Uhzeit her? Von der eigenen Armbanduhr -> die könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten nachgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt. Oder gibt es eine "Bordzeit", die dann abgelesen und notiert wird?
3. Ein Flugzeug ist ja auch nur ein Computer und führt daher sicherlich ein logfile über verschiedenste Events. Wird das Öffnen der Tür in diesem logfile auch dokumentiert und wenn ja, stehen diese Logfiles der Airline-Zentrale zur Verfügung?
Fazit: als Airline hat man eventuell bessere Beweismöglichkeiten als als Passagier.
Auch wenn hier im Vorum diverse Airliner aus Cockpit, Kabine, Technik und Boden unterwegs sind, erwarte ich jetzt nicht unbedingt offene Antworten zu b) aus diesem Personenkreis (würde mich trotzdem natürlich freuen), also sind wohl Antworten eher von Vorumsmitgliedern und/oder den Vorumsjuristen (die dieses konkrete Problem selbst schon einmal hatten) zu erwarten.
Eine ergänzende Frage an die Vorumsjuristen in diesem Zusammenhang: Speziell alinakl und kexbox handeln gerade bei AB die Forderungen gerne per Mahnbescheid ab. Wie ist denn die rechtliche Lage, wenn man (z.B. bei einem Langstreckenflug) per Mahnbescheid 600,- € pro Person einfordert, aber man nur berechtigt ist, 300,- € einzufordern, weil die Verspätung eben nur 3:58 h betragen hat, bekommt man da dann selbst Ärger aufgrund eines zu hohen Mahnbescheids?
Die Formulierung in der EU-Verordnung Art. 7 ist ja einerseits aus Laiensicht saublöd ("so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen"), andererseits - ebenso aus Laiensicht - eröffnet doch gerade diese Formulierung, dass man erstmal den vollen Betrag fordern kann, ggf. auch per Mahnbescheid, oder?
Das Urteil aus 2014 hat ja glücklicherweise klar festgelegt, dass die Ankunftszeit im Sinne der Fluggastrechte-VO durch das Öffnen der Flugzeugtür definiert ist (und glücklicherweise im Urteil auch gleich klargestellt, dass das Öffnen der ersten Tür relevant ist - und somit Diskussionen im Sinne von "was hilft mir das Öffnen der Tür im Unterdeck des A380, wenn ich im Oberdeck drei Minuten länger auf das Öffnen der Tür warten muss" gar nicht erst aufkommen lässt).
Was hier im Forum aber meiner erfolglosen Suche nach nicht wirklich ausdisktutiert wurde, ist die Frage, wie die Beweislage in einem Fall aussieht, bei dem es ähnlich wie in dem Urteil behandelten Fall auf die Minute ankommt. Also
a) was hat der Passagier für Möglichkeiten, zu beweisen, dass die Tür tatsächlich erst nach der magischen 2/3/4-Stunden-Grenze geöffnet wurde?
b) was hat die Airline für Möglichkeiten, zu beweisen, dass die Tür tatsächlich bereits vor der magischen 2/3/4-Stunden-Grenze geöffnet wurde?
In http://www.vielfliegertreff.de/airl...-zur-verordnung-nr-261-2004-ankunftszeit.html gabes zwar Diskussionsansätze, aber nicht mehr.
Falls das Thema doch schon ausführlich diskutiert wurde -> Schande über mich und bitte den Link zu dem entsprechenden Fred.
In den folgenden Ausführungen gehe ich der Einfachheit halber von einem Kurzstreckenflieger a B737/A320 aus.
zu a) Passagier
1. Falls man das Glück hat, in der Nähe der Tür zu sitzen, hat man evtl. die Möglichkeit, dies zu dokumentieren, entweder per (gedanklicher oder schriftlicher) Notiz oder per Handyvideo (mit eingeblendeter Uhrzeit oder mit Schwenk auf die eigene Armbanduhr). Erstes Problem dabei: beim Deboarding per Treppe kann man so nur eine der beiden Türen dokumentieren (also kommt von der Airline das Gegenargument: die andere Tür wurde aber vor Ablauf der magischen Grenze geöffnet). Zweites Problem: Die Handy- oder Armbanduhr könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten vorgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt.
2. Falls man irgendwo in der Mitte des Fliegers sitzt (und nicht gerade als erster aufspringt und ein Basketballer-Gardemass mit Blick über den Bulkhead zur Tür hat), hat man in der Regel keinen Blick zur Tür und hat daher nur das Erlöschen der Anschnallzeichen als Merkmal, zu dem man die Uhrzeit dokumentieren kann. Beweissicherheit: siehe oben
3. Bleibt noch flightradar24 und Co (diese sind aber wohl auch nicht als Beweis zugelassen). Hier bekommt man aber auch nur den Aufsetzzeitpunkt und (über Play) das Erreichen der Parkposition angezeigt, nicht aber das Öffnen der Tür.
Fazit: als Passagier hat man eigentlich kaum richtige Beweismöglichkeiten.
zu b) Airline
1. Wird von der Cabin Crew irgendwo schriftlich/elektronisch der Zeitpunkt des Öffnens der Tür dokumentiert? Wenn ja, wo nimmt das Crewmitglied die Uhrzeit her? Von der eigenen Armbanduhr -> die könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten nachgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt. Oder gibt es an beiden Türen eine für die Cabin Crew ablesbare "Bordzeit", die dann abgelesen und notiert wird?
2. Wird im Cockpit das Öffnen der Tür (was ja möglicherweise durch irgendeine Anzeige sichtbar ist) irgendwo schriftlich/elektronisch dokumentiert? Wenn ja, wo nimmt der Captain oder FO die Uhzeit her? Von der eigenen Armbanduhr -> die könnte (bewusst oder unbewusst) ein paar Minuten nachgehen, also wird das wohl ggf. nicht als (gerichtsfester) Beweis anerkannt. Oder gibt es eine "Bordzeit", die dann abgelesen und notiert wird?
3. Ein Flugzeug ist ja auch nur ein Computer und führt daher sicherlich ein logfile über verschiedenste Events. Wird das Öffnen der Tür in diesem logfile auch dokumentiert und wenn ja, stehen diese Logfiles der Airline-Zentrale zur Verfügung?
Fazit: als Airline hat man eventuell bessere Beweismöglichkeiten als als Passagier.
Auch wenn hier im Vorum diverse Airliner aus Cockpit, Kabine, Technik und Boden unterwegs sind, erwarte ich jetzt nicht unbedingt offene Antworten zu b) aus diesem Personenkreis (würde mich trotzdem natürlich freuen), also sind wohl Antworten eher von Vorumsmitgliedern und/oder den Vorumsjuristen (die dieses konkrete Problem selbst schon einmal hatten) zu erwarten.
Eine ergänzende Frage an die Vorumsjuristen in diesem Zusammenhang: Speziell alinakl und kexbox handeln gerade bei AB die Forderungen gerne per Mahnbescheid ab. Wie ist denn die rechtliche Lage, wenn man (z.B. bei einem Langstreckenflug) per Mahnbescheid 600,- € pro Person einfordert, aber man nur berechtigt ist, 300,- € einzufordern, weil die Verspätung eben nur 3:58 h betragen hat, bekommt man da dann selbst Ärger aufgrund eines zu hohen Mahnbescheids?
Die Formulierung in der EU-Verordnung Art. 7 ist ja einerseits aus Laiensicht saublöd ("so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen"), andererseits - ebenso aus Laiensicht - eröffnet doch gerade diese Formulierung, dass man erstmal den vollen Betrag fordern kann, ggf. auch per Mahnbescheid, oder?