Pseudowissenschaftliche Veröffentlichungen

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thorfdbg

Erfahrenes Mitglied
14.10.2010
3.265
427
Ist der Druck in manchen Fächern so groß, dass man nicht mehr schaut, wo etwas veröffentlicht wird?

Nicht nur das. Das Problem ist "Wissenschaftscontrolling", d.h. die Sorte von Leuten, die nach (pseudo)-wissenschaftlichen Methoden Gelder aufgrund fragwürdiger Metriken verteilen. Was heute meist nur noch zählt ist die Höhe des Papierstapels. Den Inhalt kann man meist gar nicht mehr qualitativ bewerten, wer soll das auch alles lesen...

Von solchen Nebensächlichkeiten wie "Qualität der Lehre" wird darüberhinaus bei der Begutachtung meist abgesehen - wen interessieren schon lästige Studenten, die nur kosten und nichts einbringen. Unis sind heute nicht mehr durchfinanziert, da zählt vor allen Dingen, wie viel Geld ein potentieller Bewerber mitbringen kann und wie gut sie oder er im Paperausstoß ist, um "Wissenschaftsmetriken" zu erfüllen, mit denen man um Fördertöpfe buhlt.
 

jst

Reguläres Mitglied
25.08.2011
93
13
Zwei Gedanken dazu:

- das Phänomen ist nichts neues, seit Jahren wenn nicht noch länger bekannt. Keiner der ernsthaft forscht publiziert dort bzw. würde einer fake Publikation Gewicht schenken. Wer unabsichtlich reintappt weiß es anschließend, sollte aber selten vorkommen. Scheint mir eher sehr speziell auf den Forschungsnachwuchs von (ausländischen) Universitäten abzuzielen, in denen die Qualifikationen sehr schematisch nach Anzahl der Publikationen verliehen werden. Aber was dabei rauskommt ist dann eh meist keine Forschung

- denn gelesen werden & treffen passiert in der community sowieso auf den einschlägigen Konferenzen / Journals. Wer dort nicht präsent ist, wird nicht vorankommen in seinem Fach.
 
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Brainpool

Erfahrenes Mitglied
15.03.2014
2.801
122
Ist die Publikation noch so schwach, beweist sie doch wer erster war (Wenn es ums Urheberrecht geht)
 

odie

Erfahrenes Mitglied
30.05.2015
7.135
3.050
Z´Sdugärd
Nicht nur das. Das Problem ist "Wissenschaftscontrolling", d.h. die Sorte von Leuten, die nach (pseudo)-wissenschaftlichen Methoden Gelder aufgrund fragwürdiger Metriken verteilen. Was heute meist nur noch zählt ist die Höhe des Papierstapels. Den Inhalt kann man meist gar nicht mehr qualitativ bewerten, wer soll das auch alles lesen...
So siehts aus! Will nur keiner kapieren.

Einer meiner BA Kasperle musste schmerzlichst feststellen das tägliche Backups bzw Backups generell ne feine Sache sind als sie ihm sein olles Apple Produkt mit der T2000 Arbeit drauf gemopst hatten. Dazu klare Ansage von mir als 2 Tage vor Abgabe alles weg war: "Schreib die ersten 5 Seiten und die letzten 5 Seiten selbst, den Rest kopierst von deinen Kumpels, den Scheissdreck liest eh keine Sau ausser mir. Theoretisch kannst da auch Pipi Langstrumpf einfügen für 20 Seiten. Und wen du erwischt wirst lassen wir uns ne gute Geschichte einfallen. Aber nicht das das einreist! ICH les alles!"...das war vor 5 Jahren. Seinen BA hatter bestanden.

Ich hab mir immer den Spass gemacht und in solche Berichten einen Sinnlosen Satz einzubauen der total am Thema vorbei geht und JEDEM der es liest zum Nachfagen anregt...wurde nie angekreidet.

Und wen ich mir so manche Diplom/Technikerarbeit anschaue und durchlese...Nunja da frag ich mich schon bei der Überschrift wie man soviele Seiten schreiben kann in denen es zum Thema geht.
 

fvpfn1

Erfahrenes Mitglied
06.02.2016
911
335
Das Problem ist komplizierter...

Wissenschaftliche Verlage sind mit ihrer Politik Wissenschaftler mehrfach arbeiten zu lassen - indem sie die Ergebnisse ihrer Forschung unendgeldlich veröffentlichen UND für umsonst per Peer-Review und als Herausgeber beschäftigen - andererseits aber die Zeitschriften an eine 'Zwangskundschaft' - wissenschaftliche Bibliotheken - verkaufen, ins Zwielicht geraten. Auch waren die etablierten Verlage nicht immer über jeden Zweifel an ihrer Unabhängigkeit und Objektivität erhaben. Elsevier, taucht da immer wieder auf, das gilt aber auch andere. Die Links unten sind nur aus Faulheit begrenzt.

Also wurde der Ruf lauter, eine Plattform 'von Wissenschaftlern - für Wissenschaftler' zu haben mit freiem Zugang und exzellenter Qualität. PLOS ONE zum Beispiel wird da immer wieder als Musterbeispiel genannt. Auch hier gibt es eine Reihe sehr renommierter Publikationen.

Auf diesen Zug sind halt viele aufgesprungen, die irgendwo zwischen fake-news, Abzocke und Betrug hängen. Jetzt einen Skandal draus zu machen ist ein bisschen spät, das Problem ist ja leider nicht ganz neu...



https://www.wallstreet-online.de/aktien/reed-elsevier-aktie/bilanz
[url]https://detektor.fm/wirtschaft/streit-mit-wissenschafts-verlag-elsevier

https://www.heise.de/tp/features/Elsevier-Skandal-weitet-sich-aus-3381210.html
PLOS ONE: accelerating the publication of peer-reviewed science

[/URL]
 
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L_R

Erfahrenes Mitglied
01.10.2013
2.127
49
Es gibt da ja auch lange nicht nur das komplett pseudowissenschaftliche auf der einen und das seriöse auf der anderen Seite, sondern ein ganzes Spektrum dazwischen. Wenn man sich ein bisschen mit der Materie befasst sollte man das leicht&schnell einordnen können, allerdings tun das (erstaunlicher weise) immernoch viel zu wenige Menschen. Auch an den Unis gibt es noch immer zahlreiche Personen in höheren Funktionen, die halt kaum das Internet kennen bzw. bedienen können. Da wird es dann halt schwierig.
Viel schlimmer finde ich persönlich aber etwas anderes, nämlich die rapide Qualitätsabnahme im Review-Prozess der etablierten und seriösen Zeitschriften. Heutzutage ist es, wie schon angemerkt, wirklich schwer geworden gute Reviewer zu finden. Nicht nur aufgrund des (idr unbezahlten) Zeitaufwandes, sondern auch durch die immer krasser werdende Spezialisierung. Es gibt für viele Publikationen ja nur noch zwei handvoll an potentiell wirklich geeigneten Reviewern, wovon dann mindestens die Hälfte als befangen einzustufen ist...
Das führt dann dazu, das m.E. die Merheit der Reviews, zumindest in meinem Fachbereich, von fachlich nicht optimal qualifizierten Reviewern durchgeführt wird. Diese nehmen sich (verständlicherweise) für ein Review zu wenig Zeit. Man sieht da wirklich oft das Kleinigkeiten kritisiert werden, aber größere Macken niemandem auffallen, oder Reviewer Sachverhalte einfach nicht richtig verstehen.
Ich bin aus dem Betrieb ja jetzt seit einer Weile raus, bekomme aber immernoch mehrere Anfragen für Reviews im Monat. Und wenn ich diese mit einem Kommentar wie "Ich kapiere nur die Hälfte" ablehne, kommt in mindestens einem Drittel der Fälle zwei Wochen später die Nachfrage "Können sie es nicht vielleicht trotzdem machen? Wir finden sonst niemanden!" Und das von den großen, seriösen Verlagen, nicht von Shanghai Academic Publishing o.ä.
Dies führt dann auch dazu, dass es als "richtungsweisend" eingestufte Veröffentlichungen gibt, die leider eigentlich falsch oder zumindest unkomplett bzw. sonstwie problematisch (z.B. beschönigt) sind. Ich kenne da zumindest zwei Fälle die mit mir als Reviewer nicht durchgegangen wären, aber jetzt seit Jahren von jedem in dem Bereich praktisch zitiert werden müssen (oft muss man sogar die Methode nachbauen), da es eben in einem ganz tollen Journal publiziert ist und man nicht mehr daran vorbei kommt...
Da ausser Publikationen (und Drittmitteln) aber eigentlich nichts mehr zählt, hat dies auch dazu beigetragen dass ich irgendwie den Glauben an das System verloren habe und mir was anderes gesucht habe...
 

fvpfn1

Erfahrenes Mitglied
06.02.2016
911
335
Ich erinnere mich dunkel an die Anfänge meines Studiums. Der Herr Professor sprach: lesen Sie! Alles und so viel wie möglich. Lesen Sie nicht nur eine Quelle, lesen sie unterschiedliche Zeitschriften - und dann denken und entscheiden Sie, was daran wichtig und richtig ist!
Die Hälfte der mehr oder weniger seriösen Publikationen von damals gibt es nicht mehr, gelesen werden die Abstracts, die man bei Google oder Bing findet. Wenn man Glück hat, vielleicht die aus Pubmed...
 
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Wuff

Erfahrenes Mitglied
01.04.2012
3.145
8
HAM/LBC
Warum sollte es (leider) in der Fachpresse anders sein, als mittlerweile auch bei den Tageszeitungen und TV/Radio.
Da wird, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, auch nur noch irgendwelcher Schrott aus den sozialen Medien oder PR-Meldungen von Unternehmen/Parteien weiterverbreitet.
Eine der löblichen Ausnahmen ist beispielsweise die NZZ.
 

Luftikus

Megaposter
08.01.2010
21.753
7.264
irdisch
Wissenschafts-Marketing ist auch so eine Pest. Jedes Forschungsergebnis muss als Sensation verkauft werden, damit schön die "Mittel" weiterfließen. Führt zu völlig banalen Zuspitzungen und einer holzschnittartigen Weltwahrnehmung. Siehe "Klimawandel" und wer alles davon lebt.
 
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bluesaturn

Erfahrenes Mitglied
27.05.2014
3.738
351
Da ausser Publikationen (und Drittmitteln) aber eigentlich nichts mehr zählt, hat dies auch dazu beigetragen dass ich irgendwie den Glauben an das System verloren habe und mir was anderes gesucht habe...

Genau, Anzahl der Publikationen und eingeworbene Drittmittel. Das sind die Kriterien, nach denen die Jobvergabe auch laeuft. Man blaest seine Publikationsliste kunstlich auf, indem man z.B. einfach nur Objekte charakterisiert mit 10 verschiedenen Methoden. Die Anzahl stimmt, dann kommen die Drittmittel. Wer viel hat, dem wird noch mehr gegeben. Dass die Publikationen eher durchschnittlich sind, muss irgendwie verloren gegangen sein.
Wer nicht mitspielt, fliegt. Aber was will man auch anderes erwarten: Zeitvertraege reichen von 3-6 Monaten bis zu 2 Jahren. Wenn etwas schief geht, war es das mit der Publikation. Oder was will man bitte in 6 Monaten schaffen, wenn man sich auch neu einarbeiten muss?

Es geht auch noch in die andere Richtung. Der Reviewer blockt Paper, weil diese Paper seinen Ergebnissen widersprechen wuerden, experimentell gezeigt.

Das schlimmste an diesem System ist aber, dass man auf den CV schaut, dann wird gezaehlt, wieviele Erstautorenschaften oder Drittmittel man bekommen hat.
Es wird nicht mehr geschaut, was die Person selbst kann. Und ja, viele Leute koennen kein Linux, Umgang mit dem PC reicht gerade mal dazu, Word und Excel zu bedienen.

Ich habe vor kurzem eine Publikation gesehen, da wurde im Prinzip Textbuchwissen als neue Errungenschaft verkauft. Ich habe dieses Experiment schon vor knapp 8 Jahren durchgeführt, fand es aber nicht wert, es zu veröffentlichen.
 
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meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
6.777
5.506
Und wen ich mir so manche Diplom/Technikerarbeit anschaue und durchlese...Nunja da frag ich mich schon bei der Überschrift wie man soviele Seiten schreiben kann in denen es zum Thema geht.

In den Bereich habe ich keine Einblicke, aber vermutlich ähnlich sieht es teilweise im öffentlichen Dienst aus: Ich bin nebenamtlich Prüfer an einer Hochschule, die für den gehobenen Dienst bei der Justiz (= Rechtspfleger) ausbildet. Die Anwärter müssen eine Diplomarbeit schreiben. Die Diplomarbeit ist Sperrfach, sprich: Nichtbestehen bedeutet Ausbildungsverlängerung. Auch kürzlich erleichterte Konditionen für die Anfertigung der Arbeit haben nach den von mir als Zweitgutachter beurteilten Arbeiten keinen Qualitätsgewinn erkennen lassen.

Viel schlimmer finde ich persönlich aber etwas anderes, nämlich die rapide Qualitätsabnahme im Review-Prozess der etablierten und seriösen Zeitschriften. Heutzutage ist es, wie schon angemerkt, wirklich schwer geworden gute Reviewer zu finden. Nicht nur aufgrund des (idr unbezahlten) Zeitaufwandes, sondern auch durch die immer krasser werdende Spezialisierung. Es gibt für viele Publikationen ja nur noch zwei handvoll an potentiell wirklich geeigneten Reviewern, wovon dann mindestens die Hälfte als befangen einzustufen ist...

Das finde ich insofern interessant, dass es im juristischen Bereich einen derartigen Ablauf oft gar nicht gibt. Das meine ich jetzt bezogen auf deutsche juristische Fachzeitschriften. Vermutlich gibt es auch High-Level-Publikationen, bei denen das sehr wohl stattfindet. In der Regel entscheidet der Schriftleiter, was erscheint. Bedeutet: Anfangs muss man auch mal ein Manuskript auf eigenes Risiko schreiben und dann anbieten. Wenn man aber einmal "drin" ist, läuft das recht flutschig: dann wird mit dem Schriftleiter abgestimmt "soll ich mal was über dies und jenes schreiben?".