AG Erding - YQ muss erstattet werden Az. 4c 2612/18

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Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.488
16
Farewell City
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https://biztravel.fvw.de/news/urtei...kerosinzuschlag-zurueckzahlen/393/193978/4070

daraus

Stornieren Reisende ihren Flug, muss die Fluggesellschaft neben den Steuern und Gebühren auch den Kerosinzuschlag zurückzahlen. So entschieden jetzt die Richter am Amtsgericht Erding (Az. 4c 2612/18).


die Publikation des Urteils unter

AG Erding, Endurteil v. 11.10.2018 – 4 C 2612/18 - B

im Wortlaut

AG Erding, Endurteil v. 11.10.2018 – 4 C 2612/18




Titel: Teilerledigungserklärung, Flugpreis, Gegenleistung, Rückerstattung des Kerosinzuschlages, Abrechnung, Flugbeförderung, Luftbeförderungsvertrag

Normenkette:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 398, § 648 S. 2, § 812 Abs. 1 S. 1, S. 2 Alt. 2
Schlagworte:
Teilerledigungserklärung, Flugpreis, Gegenleistung, Rückerstattung des Kerosinzuschlages, Abrechnung, Flugbeförderung, Luftbeförderungsvertrag
Fundstelle:
BeckRS 2018, 27272

Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 234,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.05.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 335,91 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Von der Abfassung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
2
Die zulässige, nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung in Höhe von 101,49 € noch anhängige Klage ist vollumfänglich begründet.
3
I. Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht des Passagiers M. S. von der Beklagten nach Flugstornierung noch weitere Steuern, Gebühren und Kerosinzuschläge in Höhe von 234,42 € aus §§ 398, 648 S. 2, 812 Abs. 1 S. 1, S. 2 Alt. 2 BGB verlangen.
4
1. Die im Flugpreis enthaltenen Steuern, Gebühren und Entgelte einschließlich eines Treibstoffzuschlages sind von der Fluggesellschaft zu erstatten, wenn der Flug vom Passagier nicht angetreten wird, vgl. Führich, Reiserecht, 7. Auflage 2015, § 35 Rn. 46.
5
2. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten bestätigten Buchung vom 17.11.2017 über das Intemetportal „...de“ unter der Buchungsnummer FL-11937653, die von der Beklagten unstreitig akzeptiert wurde, sind für die vom Zedenten gebuchten Flüge Steuern in Höhe von 335,91 € ausgewiesen. Daran muss sich die Beklagte festhalten lassen. Die Ticketpreisaufschlüsselung der Reisevermittlerin ist der Beklagten unter den gegebenen Umständen entsprechend §§ 54, 55, 91 HGB zuzurechnen, vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 13.02.2017 - 22 S 307/16, IBRRS 2017, 3479, RRa 2017, 186. Die Beklagte kann sich nicht nachträglich darauf berufen, dass in den ausgewiesenen Steuern ein Kerosinzuschlag enthalten sei, der noch als zusätzliche Gegenleistung für die Beförderung eigentlich dem Ticketpreis zuzurechnen wäre, vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.03.2017 - 2 24 S 138/16, RRa 2017, 302.
6
3. Der Anspruch auf Rückerstattung des Kerosinzuschlages ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wirksam durch ihre allgemeinen Ticketbedingungen für den vom Zedenten gewählten Tarif ausgeschlossen.
7
a) Es ist schon zweifelhaft, ob der Ausschluss durch die Formulierung „YQ/YR wird nicht erstattet“, als allgemeine Beförderungsbedingung vertraglich einbezogen wurden, weil sehr fraglich erscheint, ob diese Ticketbedingungen, falls sie denn tatsächlich in deutscher Sprache zur Verfügung gestanden haben sollten, mit zahlreichen Abkürzungen und unübersichtlichen Verweisungen für einen Durchschnittskunden noch mühelos lesbar sind, vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, 77. Auflage 2018, § 305 Rn. 37 m.w.N.
8
b) Jedenfalls verstoßen diese Ticketbedingungen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie den Flugpassagier durch den umfassenden Ausschluss eines Rückerstattungsanspruchs einschließlich Positionen, die ausschließlich im Falle seiner tatsächlichen Beförderung anfallen, unangemessen benachteiligen, vgl. Schmid/Puschkarski: Die Abrechnung beim Luftbeförderungsvertrag nach Kündigung durch den Fluggast, NJW 2018, 657, unter IV.2 und mit überzeugender Begründung bereits AG Erding, Urteil vom 12.07.2016, 7 C 2752/15. „Kerosinzuschläge“ sind schon ihrer Begrifflichkeit nach keine Gegenleistung für die Flugbeförderung, sondern Zuschläge für den gewichtsabhängigen Treibstoffverbrauch, mit welchen z.B. auf Schwankungen der Preise auf den Rohölmärkten reagiert wird. Da diese Zuschläge von jedem Passagier erhoben werden und ein entsprechender gewichtsabhängiger Kerosinverbrauch durch den einzelnen Passagier aber nur dann eintreten kann, wenn dieser tatsächlich mitfliegt, ist ein berechtigtes Interesse des Flugunternehmens für einen Ausschluss eines Rückerstattungsanspruch für den Kerosinzuschlag im Falle einer Flugstornierung nicht erkennbar.
9
II. Die Verurteilung zur Zahlung der Zinsen gründet sich auf §§ 286, 288 BGB.
10
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO.
11
IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
 

CGNFlyer

Erfahrenes Mitglied
23.05.2012
4.622
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Mal schauen wie durchsetzbar das ganze nun ist. Es gibt ja zig Tausende Fälle wo genau diese Erstattung der YQ verweigert wurde, auch ein paar davon bei mir. Wie schätzen unsere Forenanwälte die Lage nun ein? Kann man sich unter Berufung auf dieses Urteil jetzt auch die wohl zu Unrecht einbehaltene YQ zurückholen?
 
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trawler

Erfahrenes Mitglied
22.12.2015
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BRE HAM BER
wenn das durchsetzbar ist, dann werden aus "nicht stornierbaren" tickets doch noch (fast) welche. oder verstehe ich da etwas falsch?
 

MLang2

Moderator / Newbie-Guide
08.03.2009
8.229
5
MUC
wenn das durchsetzbar ist, dann werden aus "nicht stornierbaren" tickets doch noch (fast) welche. oder verstehe ich da etwas falsch?

Bei Tarifen in Höhe weniger € durchaus. Aber: wenn sich das in größerem Umfang durchsetzt, was durch die diversen Entschädigungsportale zu erwarten wäre, wird sich wohl was in der Preisstruktur ändern?
(Das wäre wiederum toll für die Awards)
 

taenkas

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26.08.2013
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777
Schau ma mal, was LX dazu sagt. Hab ihnen mal eine Forderung über 422 EUR für YQ ex-München diesen Jänner mit Verweis auf o.g. Urteil geschickt. Auf die Zinsen würde ich bei rascher Erledigung verzichten ;)
 

Anonyma

Erfahrenes Mitglied
16.05.2011
16.134
8.362
BRU
wenn das durchsetzbar ist, dann werden aus "nicht stornierbaren" tickets doch noch (fast) welche. oder verstehe ich da etwas falsch?

Wenn sich das durchsetzt, werden die Airlines halt ihre Tarife ändern und die YQ mit in den Tarif reinrechnen (und de facto ist die YQ ja jetzt schon Teil des des eigentlichen Ticketpreises, siehe etwa auch die Berechnungsgrundlage für Prämienmeilen).... Und für Awards halt irgendeine neue Award-Gebühr erfinden.
 

tian

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26.12.2009
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140
Das ist ein Urteil eines Amtsgerichts. Im Grunde doch nichts wert.
 

emhazett

Erfahrenes Mitglied
02.01.2011
585
15
Mal schauen wie durchsetzbar das ganze nun ist. Es gibt ja zig Tausende Fälle wo genau diese Erstattung der YQ verweigert wurde, auch ein paar davon bei mir. Wie schätzen unsere Forenanwälte die Lage nun ein? Kann man sich unter Berufung auf dieses Urteil jetzt auch die wohl zu Unrecht einbehaltene YQ zurückholen?

Ich bin zwar kein Forenanwalt, aber in der Sache ändert sich durch die Entscheidung nichts.
Das ist das Urteil eines Amtsgerichts, da kräht kein Hahn danach. In der Regel richten sich andere Gerichte, auch nicht andere Amtsgerichte, allenfalls nach Entscheidungen von ihrem OLG oder dem BGH.

In der Sache halte ich die Entscheidung aber für richtig.
 
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Anonyma

Erfahrenes Mitglied
16.05.2011
16.134
8.362
BRU
Wobei man aber sagen muss, dass die YQ in der heutigen Form schon etwas „fragwürdig“ sind. Eben bei bezahlten Tickets de facto Teil des Tarifs (und letztendlich entsprechen sie ja auch keinen Steuern oder „Gebühren“ Dritter), und nur bei Awards dann plötzlich „Gebühren“. Und für den „Durchschnittskunden“ bei der Buchung wirklich kaum nachvollziehbar, was er bei Storno zurückbekommt und was nicht.

Würde also nicht ausschließen, dass das rechtlich mal angefochten wird. Nur wie schon geschrieben: An Preisen / (Nicht-) Erstattung unflexibler Tickets wird sich dadurch kaum was ändern, sondern die Airlines werden ihr Tarifsystem anpassen.
 
B

Boeing736

Guest
Die Airlines sitzen hier ganz klar am längeren Hebel. Die YQ in den Fare einzupreisen ist kein Hexenwerk. Wenn dann noch die Preise für Redemptions erhöht werden sollte das recht gut ausgleichbar sein. Für den Kunden sehe ich keine positiven Effekte durch das Urteil.
 

janetm

Erfahrenes Mitglied
11.02.2012
3.975
1.039
DUS, HAJ, PAD
Was ist denn eigentlich der Grund warum der XYZ (Kerosin, internationaler,...)-Zuschlag nicht im normalen Ticketpreis inkludiert ist sondern immer extra ausgewiesen ist?
 
B

Boeing736

Guest
Was ist denn eigentlich der Grund warum der XYZ (Kerosin, internationaler,...)-Zuschlag nicht im normalen Ticketpreis inkludiert ist sondern immer extra ausgewiesen ist?

Historisch gesehen ist die YQ entstanden in einer Zeit in der der Kerosinpreis stark und sprunghaft gestiegen ist. Durch getrennte Ausweisung konnten die Airline relativ schnell bei den Erhöhungen mitgehen. Alle Airlines in der Welt die GDS nutzen "filen" ihre Tarife in ATPCo, eine Art Datenbank, die einem Zusammenschluss von Airlines gehört und afaik ohne Gewinnabsichten betrieben wird. Diese Filingprozess ist relativ komplex sodass man die einzelnen Preispunkte nicht super schnell erhöhen kann. Hier machte eine YQ also Sinn.

Heutzutage braucht es eigentlich keine YQ mehr da der Kerosinpreis nicht wahnsinnig sprunghaft steigt, allerdings ist natürlich das ganze System darauf angepasst, dass es einen relativ fixen Preisbestandteil gibt. So werden z.B. Kommissionen auf den Base Fare Amount berechnet. Zusätzlich gibt die YQ in der Preisgestalltung auch noch eine gewisse Sicherheit, also eine Art Mindestpreis, der (Umgehungstaktiken mal ausgelassen) immer greifen sollte.
 
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flyglobal

Erfahrenes Mitglied
25.12.2009
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505
Also ich würde es begrüßen, wenn durch dieses Urteil mal wieder eine neue Nullinie gesetzt ist. Natürlich sollten dann die anderen Preisparameter angepasst werden.

Wie ist es entstanden:
Als in den 90ern und 00ern die Kerosinpreise schnell stark stiegen wurden die YQ die Preise eingeführt und schnell nach oben angepasst. Als es aber dann mit den Preisen nach unten ging fand dann wiederum keine schnelle (oder gar keine) YQ Anpassung nach unten statt. Ging ja mal schnell auf 120 $/ Barrel hoch und viel dann wieder auf 30-40$ / Barrel wie ich mich erinnere.

Ich plädiere für ein weg mit dieser Zweiteilung des Ticketpreises.

Flyglobal
 
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BER Flyer

Erfahrenes Mitglied
23.05.2010
1.440
380
Was ist denn eigentlich der Grund warum der XYZ (Kerosin, internationaler,...)-Zuschlag nicht im normalen Ticketpreis inkludiert ist sondern immer extra ausgewiesen ist?
Der Grund ist ganz einfach. Auf diese Art und weise kann der Fantasiezuschlag auch bei Prämientickets erhoben werden. Normalerweise wird ja durch die Meilen der "Basistarif" ausgeglichen, sollte der jetzt auch den Zuschlag erhalten würden die Prämientickets wie früher wieder 33.50 Euro für ein TATL Flug kosten.
 
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tripleseven777

Erfahrenes Mitglied
27.06.2016
4.073
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DTM
Schau ma mal, was LX dazu sagt. Hab ihnen mal eine Forderung über 422 EUR für YQ ex-München diesen Jänner mit Verweis auf o.g. Urteil geschickt. Auf die Zinsen würde ich bei rascher Erledigung verzichten ;)

Halte uns bitte mal auf dem Laufenden, was aus der Sache geworden ist und wie Swiss reagiert hat.
Ich nehme aber an, dass sie, als schweizer Fluggesellschaft, das deutsche Urteil eines Amtsgerichts relativ gelassen sehen.

Vermutlich wird auch Lufthansa - außerhalb dieser Klage - keinen Finger krumm machen, da das Urteil keine wirkliche Präzedenzwirkung hat und nicht allgemein angewandt werden darf.
Da bleibt wohl das Klagerisiko beim Buchenden hängen und jeder darf selbst Klage einreichen, falls genug Geld, Zeit und Nerven vorhanden sein sollten.
Das Amtsgericht Buxtehude könnte es natürlich wieder ganz anders sehen.
Hat sich noch keine Verbraucherzentrale dem Thema 'Kerosinzuschlag' angenommen?
Vielleicht meldet sich ja noch ein Foren-Anwalt zu Wort und bringt ein wenig Licht ins Dunkele. Danke, vorab!
 

sweet

Erfahrenes Mitglied
25.02.2014
538
58
Gibt es denn irgendeine Möglichkeit (Datenbank, Plattform,..) zu sehen, ob für ein Urteil Berufung / Revision eingelegt wurde?
Es gibt ja das klare Urteil des BGH
vom 20.03.2018, das Flugstornierung ausschliesst, ein Angebot nur für die bezahlten staatlichen Steuern und Gebühren möglich ist
Darauf verweist auch immer geld-fuer-flug.de

Bei der Klage ist es ja noch ein Sonderfall, weil der Reisende bei Flugladen.de gebucht hat (erkennt man an der Buchungsnummer beginnend mit FL-), und bei denen wird wirklich weder während des Buchungsprozesses, noch in der Bestätigungsemail noch in der Zahlungsbestätigungspdf von YQ/YR gesprochen.
Da steht eindeutig (ein Bsp. von einer meiner Buchungen):
Flug Erwachsene 3x (incl. Steuern EUR xxx,xx) xxx,xx EUR
Basis Service 0,00 EUR
Rabatt -50,00 EUR

Dadurch, dass Flugladen.de nicht die AGB / ABB von Lufthansa (Group) einbindet, müssten diese ja unwirksam sein und noch viel überzeugender, spricht Flugladen.de nur von Flug + Steuern, nichts von Airline Gebühren.
Das wäre ja eigentlich ein Totschlagsargument gegen LH.
Wenn das als K.O. Argument zählt, dann sollte man ja nur noch bei OTAs buchen, die Steuern und Gebühren nur als Steuern ausweisen. Muss die LH dann mit Travix klären, dass die deren Verkaufsplattform anpassen.

Abzocke ist es trotzdem von LH Group:
Kerosinzuschlag enthalten sei, der noch als zusätzliche Gegenleistung für die Beförderung eigentlich dem Ticketpreis zuzurechnen wäre
Dann möchte ich aber auch bitte, dass bei einer m&m Flugprämie der YQ/YR auch abgedeckt wird.
 

kexbox

Erfahrenes Mitglied
04.02.2010
6.320
2.508
Neuss
www.drboese.de
Vielleicht meldet sich ja noch ein Foren-Anwalt zu Wort und bringt ein wenig Licht ins Dunkele. Danke, vorab!
(y)

Ich finde die Entscheidung des AG Erding falsch. Ich bin ja doch dafür bekannt, dass ich durchaus passagierfreundliche Ansichten vertrete und vor Gericht auch durchsetze, aber hier steckt einfach ein Denkfehler des Gerichts dahinter. Die Argumente sind ja bereits ausgetauscht. Ja, es gibt teils von Verbraucheranwälten und ich meine auch VZen Ansichten, die platt von S&Gen sprechen, teils auch die YQ umfassen sollen, aber das ist stets unbegründet erfolgt.