28.11.16: Absturz Kolumbien

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MikeGolf

Erfahrenes Mitglied
15.02.2016
267
70
Gibt es eigentlich eine Möglichkeit beim Flugzeug die Reichweite durch Spritsparen zu erhöhen?
Ist die angegebene Reichweite das Maximum, welches eine leer Maschine schafft oder wird für diese Berechnung eine volle Maschine genommen?
Eventuell wollte der Cpt. in dieser Situation irgendwie Treibstoff sparen? Langsamer und höher fliegen evtl?
Die Reichweite hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, von denen der wichtigste das Startgewicht ist. Zu jeder Flugplanung gehört immer auch eine Gewichts- und Treibstoffberechnung vor dem Start durch die Crew.
Hier kann mann die Reichweite in Abhängigkeit von der Zuladung ablesen:
2016-11-28 LAMIA Avro RJ-85 crashed near Medellin with 77 on board
Da offenbar kein Zusatztank installiert war, ist die grüne Kurve relevant. Die tasächliche Zuladung kenne ich leider nicht. Da das Flugzeug zu etwa 70% besetzt war, wird sie selbst bei leichtem Gepäck kaum unter 6000kg gelegen haben. Laut Diagramm ergibt das eine Reichweite von ca. 1500nm. Wie weit da noch eine Reserve eingerechnet ist, weiss ich nicht, doch muss man immer mit Unwägbarkeiten, wie ungünstige Windverhältnisse, Scheitern eines Landeversuchs, Flughafensperrung etc. rechnen. Da die Entfernung zwischen Start- und Zielflughafen 1605nm beträgt, wäre dieser Flug auch unter Annahme günstiger Bedingungen wie Rückenwind absolut auf Kante genäht gewesen.
Guten Gewissens kann man diese Entfernung eigentlich nur mit einer komplett leeren Maschine fliegen.
 
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Worldtraveler42

Erfahrenes Mitglied
15.02.2015
3.869
13
MRS
- sofern nicht, könnte so etwas auch in der EU mehrfach unentdeckt bleiben oder handelt es sich hierbei um ein Südamerikanisches Spezifikum?

Die Genehmigung des Flugplans erfolgt auf theoretischen Daten. Wenn der Pilot irrtümlich oder - schlimmer - absichtlich zu wenig tanken lässt, dann ist die theoretische Maximalreichweite so viel wert wie das Papier auf der sie steht.

Es kann auch passieren, dass der Zielflughafen dicht ist, der nächste Alternate schon voll ist. Dann kann es mit dem Sprit auch knapp werden, ... (cf. Incident: TAP A319 at Porto and Santiago Compostela on Oct 10th 2016, landed below required minimum fuel )
 
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N

no_way_codeshares

Guest
Die Genehmigung des Flugplans erfolgt auf theoretischen Daten. Wenn der Pilot irrtümlich oder - schlimmer - absichtlich zu wenig tanken lässt, dann ist die theoretische Maximalreichweite so viel wert wie das Papier auf der sie steht.

Die Frage war eher, ob bei Kenntnis der Entfernung, Witterung, Zulandung und des Maschinentyps nicht genau so etwas hätte vorher nicht nur dem Piloten auffallen müssen:
Guten Gewissens kann man diese Entfernung eigentlich nur mit einer komplett leeren Maschine fliegen.

Und mit "vorher" meine ich nicht nur bei Beantragung dieses Fluges, sondern der offenbar bereits stattgefundenen Flüge mit dieser Maschine auf dieser Route und der entsprechenden Dokumentation des Tankinhaltes hinterher.
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
764
Unter TABUM und in BNJ
Es gibt Berichte, nach denen eigentlich eine Zwischenlandung geplant war. Da man aber verspätet aus Santa Cruz raus ist wäre der geplante Zwischen-Landeplatz schon geschlossen gewesen und man hätte einen Umweg über Bogota nehmen müssen. Während des Fluges wurde dann aber wohl fälschlicherweise berechnet, dass der Sprit reicht und der Zwischenstopp gestrichen.
 
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Timberwolf

Erfahrenes Mitglied
08.06.2009
2.445
125
AMS/RTM
Nun meine Fragen:
- wer genehmigt solche Flüge in Kenntnis der Route?
- wer kontrolliert hinterher die Treibstoffreserven?
- kann es sein, dass eine nicht volle BAE146 nach 4:40h keinen Sprit mehr hat, aber auf der gleichen Distanz mit möglicherweise anderer Witterung und noch etwas anderer Beladung, aber dennoch 4:33h legal gelandet wäre, also noch genug Kerosin gehabt hätte mindestens einen Ausweichflughafen anzufliegen?
- sofern nicht, könnte so etwas auch in der EU mehrfach unentdeckt bleiben oder handelt es sich hierbei um ein Südamerikanisches Spezifikum?

Ich beantworte es mal für Europa:

1) Die Airline selbst. Dafür gibt es von den Behörden abgenommene Handbücher, anhand denen geplant werden kann.

2) Die Behörde - eine Landung unter den Treibstoff-Reserven muss dieser gemeldet werden.

3) Ja, auf jeden Fall. Der Treibstoffverbrauch hängt letztlich sehr von Wind und Temperatur ab, da kann es bei anderen Wetterverhältnissen rasch zu großen Unterschieden kommen.

4) So etwas kann sehr theoretisch auch in Europa passieren - aber mehrfach unentdeckt kann ich mir nicht vorstellen, dafür sind letztlich zu viele Personen beteiligt, die alle schweigen müssten.
 
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Sunchaser

Erfahrenes Mitglied
12.09.2011
746
0
ZRH
Ohne mich intensiv mit dem Flug befasst zu haben, habe ich meine starken Zweifel daran, dass der Flug legal war.

Taxi fuel + trip fuel + contingency fuel + destination alternate fuel + final reserve + (additional) + top-up fuel (discretionary PIC).
Dies bezieht sich auf die geltenden operativen Umstände (Wetter etc.).

Der operating carrier ist verantwortlich dafür, dass diese Prozesse kontrolliert und eingehalten werden. Dazu gibt es regelmässig Audits.

Selbst wenn wir die Bedingungen zur Durchführung des Fluges mal unbeachtet liessen, wäre das Verhalten des Commanders zur Kommunikation seiner Situation immer noch nicht korrekt.
Man sollte noch nicht zu viel spekulieren aber es werden wohl einige fahrlässige Handlungen und nicht-eingehaltene Kontrollmechanismen zu dieser Tragödie geführt / beigetragen haben.
 
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Langstrecke

Erfahrenes Mitglied
31.08.2013
8.715
6.208
LEJ
4) So etwas kann sehr theoretisch auch in Europa passieren - aber mehrfach unentdeckt kann ich mir nicht vorstellen, dafür sind letztlich zu viele Personen beteiligt, die alle schweigen müssten.
Oder wer erinnert sich noch an den Flug (Griechenland???-Deutschland???) von HapagLloyd vor vielen Jahren.
Da wurde vergessen, das Fahrwerk einzufahren. Über Österreich hat man gemerkt, dass der Sprit alle ist und konnte in Wien notlanden. Das kann heute auch passieren.
 

cacaking

d´oh!
08.06.2010
1.695
3
STR, CAN sowie Krosse Krabbe
Oder wer erinnert sich noch an den Flug (Griechenland???-Deutschland???) von HapagLloyd vor vielen Jahren.
Da wurde vergessen, das Fahrwerk einzufahren. Über Österreich hat man gemerkt, dass der Sprit alle ist und konnte in Wien notlanden. Das kann heute auch passieren.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hapag-Lloyd-Flug_3378

Nach dem Start auf dem Flughafen Chania (Kreta) ließ sich eines der beiden Hauptfahrwerke nicht einfahren. Die Piloten versuchten mit ausgefahrenem Fahrwerk, trotz erhöhten Treibstoffverbrauchs, einen deutschen Flughafen zu erreichen, eventuell um Wartungskosten zu sparen und die Passagiere bequemer und kostengünstiger nach Hannover weiterzubefördern. Wegen des während des gesamten Fluges ausgefahrenen Fahrwerkes war der Treibstoffverbrauch etwa 60 % höher als in der ursprünglichen Treibstoffberechnung.

Also nix mit vergessen....auch hier wurde "falsch gedacht".
 

Fare_IT

Erfahrenes Mitglied
06.12.2012
4.488
16
Farewell City
...wäre dieser Flug auch unter Annahme günstiger Bedingungen wie Rückenwind absolut auf Kante genäht gewesen.

Tatsächlich weht der Höhenwind zu dieser Zeit in der nördlichen, zentralen Hälfte
Südamerikas in Richtung Nord-West. Also tendenziell eine Rückenwindkomponente.

Ich denke, dass die Crew sehr wohl wusste was sie tut (und geplant hat).

Gleichsam darf man eine Komponente im Flugverlauf nicht unterschätzen: Ein Flugzeug
fliegt immer weiter - es gibt keinen "Notstop", keinen "Freeze". Das führt dazu, dass
man die Konsequenz einer falschen Entscheidung oft erst viel später "zu spüren" bekommt.

Im konkreten Fall findet sich die Crew prötzlich mit 30 Minuten Fuel Remaining rund 30 NM
von der Bahn entfernt - sie geht ins Holding. Und hat zu diesem Zeitpunkt wörtlich "keine" Optionen
mehr...es bleibt "die Hoffnung" und die "Ungläubigkeit" gegenüber einem "Flame Out".

Traurig.
 
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MikeGolf

Erfahrenes Mitglied
15.02.2016
267
70
4) So etwas kann sehr theoretisch auch in Europa passieren - aber mehrfach unentdeckt kann ich mir nicht vorstellen, dafür sind letztlich zu viele Personen beteiligt, die alle schweigen müssten.

Der Billiglinie mit der irischen Harfe ist es schon einige Mal passiert, kurz vor dem Verdursten um bevorzugte Landung bitten zu müssen:
Ryanair: Dreimal Mayday an einem Tag | aeroTELEGRAPH
Und hat nicht auch schon mal eine Swiss-Maschine nach wetterbedingtem Irrflug und knappem Sprit eine Bruchlandung in Werneuchen hingelegt?
 

flying_mom

Erfahrenes Mitglied
03.11.2014
2.169
512
HOQ/NUE/CGN
Ich könnte mir vorstellen, dass man den Fakt, dass der Chef der Airline selber der Pilot auf diesem Flug war, nicht unterschätzen darf. Er war schließlich der Arbeitgeber. Bei einer Umgehung gängiger Richtlinien und Vorschriften mit ihm als Kapitän und einem außergewöhnlichen Flug aufgrund der Mannschaft als Passagiere, mag sich der Co evtl. schwer getan haben, eine andere Meinung zu haben bzw. diese zu äußern.
 

Timberwolf

Erfahrenes Mitglied
08.06.2009
2.445
125
AMS/RTM
Ich könnte mir vorstellen, dass man den Fakt, dass der Chef der Airline selber der Pilot auf diesem Flug war, nicht unterschätzen darf. Er war schließlich der Arbeitgeber. Bei einer Umgehung gängiger Richtlinien und Vorschriften mit ihm als Kapitän und einem außergewöhnlichen Flug aufgrund der Mannschaft als Passagiere, mag sich der Co evtl. schwer getan haben, eine andere Meinung zu haben bzw. diese zu äußern.

Und damit sind wir leider bei einem der Hauptprobleme in dieser Branche.
Erfahrener Pilot, unerfahrener Co daneben (hier sogar noch mit erhöhtem Gefälle, da der Pilot offenbar Miteigentümer war). Der Pilot macht einen gravierenden Fehler, da braucht's also Copi schon verdammt große Cojones um sich durchzusetzen.
 

Luftikus

Megaposter
08.01.2010
21.779
7.307
irdisch
Die Treibstoffmenge an Bord wird regelmäßig geprüft. Spätestens hier hätte es lange vorher auffallen müssen, dass das Kerosin knapp wird.
Die sind ja nicht nur geflogen, bis sie die Reserven anbrechen mussten, sondern bis die Triebwerke ausgegangen sind, weil buchstäblich gar kein Kerosin mehr da war! Als Airline-Besitzer setzt man mit solchen regelwidrigen Flügen die unternehmerische Existenz aufs Spiel. Welcher Teufel mag den geritten haben?
 
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frontloop

Erfahrenes Mitglied
26.03.2013
345
0
Warum hat denn der LAMIA-Pilot nicht darauf hingewiesen, dass sein Sprit knapp wird?

Wenn sich beide (LIAMA und VivaColombia) mit Sprit-Problemen melden, lässt sich doch eigentlich ganz gut abschätzen, welcher zuerst runter muss.
Und außerdem gibt es (laut Google-maps) in Medellín sogar 2 Flughäfen: In der Stadt den Flughafen Enrique Olaya Herrera und außerhalb den Aeropuerto Internacional José María Córdova. Man hätte also (theoretisch? Nachtflug?) beide gleichzeitig runter bringen können.
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.862
11.021
Noch drei interessante Titbits:

- Direktflug Brasilien-MDE wurde Lamia wegen fehlender Verkehrsrechte verweigert;
- zwei vorherige VVI-MDE-Fluege hatten Fuelstops in Cobija, was zu zwei Legs von 951 bzw. 2040 km fuehrt;
- Lamia-CEO behauptet, Stopp in CIJ sei dieses Mal wegen Nachtflugverbot nicht moeglich gewesen; bei der letzten Gelegenheit war der Abflug aber um 0306 lokal.

Quelle: https://aviation-safety.net/database/record.php?id=20161128-0

ASN meinte:
The direct distance between Santa Cruz and Medellín is 2960 km. The RJ85 range with maximum fuel, 100 nautical mile diversion, minimum fuel reserve and allowances for engine start and taxi is 3772 km. The range with same conditions at maximum payload is 1994 km.

The airline's general director reported in local media that the initial plans were for LAMIA to fly the football team from São Paulo, Brazil to Medellin with a refueling stop at Cobija in northern Bolivia. LAMIA requested a permit to fly from the Brazilian aviation authorities, ANAC, but this was denied as there were no provisions in the current aviation agreements between Brazil and Bolivia to allow this. The Chapecoense team was then flown to Santa Cruz in Bolivia on a regular commercial flight. This routing caused delays to the schedule and Cobija could no longer be used to refuel because of night time closure of the airport, according to the airline's general director.

Flightradar24 tracking data suggest that the aircraft previously flew to Medellin on at least two previous occasions. On August 22 and August 25 the aircraft routed Santa Cruz-Cobija-Medellin. On August 25 the flight departed Cobija about 07:06 UTC (03:06 hours local time).

The flight on November 28 departed Santa Cruz at 22:18 UTC (18:18 hours local time). Last radar contact was at 02:55 UTC (21:55 hours local time).
 

Sunchaser

Erfahrenes Mitglied
12.09.2011
746
0
ZRH
Und damit sind wir leider bei einem der Hauptprobleme in dieser Branche.
Erfahrener Pilot, unerfahrener Co daneben (hier sogar noch mit erhöhtem Gefälle, da der Pilot offenbar Miteigentümer war). Der Pilot macht einen gravierenden Fehler, da braucht's also Copi schon verdammt große Cojones um sich durchzusetzen.

Das Problem beschränkt sich allerdings hauptsächlich auf gewisse Regionen der Welt. Gebe Dir aber definitiv Recht, dass insbesondere in diesem Beispiel solche Faktoren wohl eine grosse Rolle gespielt haben könnten. Unbedingt den Flug durchführen wollen aufgrund besonderer Umstände, die eigenen Fehler nicht eingestehen können, Angst vor den Konsequenzen wenn der Fehler untersucht wird, etc.
Das alles kann in Kombination natürlich in eine fatale Abwärtsspirale verlaufen.

Deshalb gilt in der Aviatik ja grundsätzlich auch meist ein strafloses Meldewesen, was leider auch nicht in allen Fällen hilft.
 
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N

no_way_codeshares

Guest
Über Österreich hat man gemerkt, dass der Sprit alle ist und konnte in Wien notlanden. Das kann heute auch passieren.
Ich weiss nicht, ob Du bei einem Segelflug bis zum Flugfeld (aber nicht bis zur Landebahn) als "Notlandung in Wien" bezeichnen kannst.

Der Billiglinie mit der irischen Harfe ist es schon einige Mal passiert, kurz vor dem Verdursten um bevorzugte Landung bitten zu müssen:
Ryanair: Dreimal Mayday an einem Tag | aeroTELEGRAPH
Und hat nicht auch schon mal eine Swiss-Maschine nach wetterbedingtem Irrflug und knappem Sprit eine Bruchlandung in Werneuchen hingelegt?
Das ist dummes Zeug, wie wir seinerzeit bei der Diskussion hier wohl auch mehrheitlich festgestellt hatten. Diese billige Stimmungsmache gehört nicht hierher!

Die Treibstoffmenge an Bord wird regelmäßig geprüft. Spätestens hier hätte es lange vorher auffallen müssen, dass das Kerosin knapp wird.
Mein Eindruck aus den bisherigen Informationen ist nicht, dass sie davon überrascht waren. Sie hatten das "Spiel" ja offenbar auch schon ein paar Mal mit anderem Ausgang gespielt.

Warum hat denn der LAMIA-Pilot nicht darauf hingewiesen, dass sein Sprit knapp wird?
Weil er dann die Hosen hätte runterlassen und damit nicht mehr so davon gekommen wäre, wie offenbar mehrfach zuvor. Das war ja nicht nur der Pilot, sondern der Chef und Besitzer der Airline und hatte dementsprechend mehr zu verlieren. Er hat sich mehrfach auf ein tödliches Spiel eingelassen und bis zum letzten Tropfen nicht geglaubt, wie es enden kann.
Ist mir mit dem Auto auch schon passiert und kam auch nicht überraschend, nachdem es mehrfach gutgegangen war. Aber ein Auto bleibt nach dem Ausrollen stehen und ich war zumindest clever genug vorher die Autobahn zu verlassen.
 
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