"Wir müssen zumindest so viel besser sein", folgert Spohr, "wie wir teurer sein müssen."
Das ist der Kern der Dinge, aber auch gleichzeitig die Quadratur des Kreises. Trotzdem glaube ich schon, daß Spohr es schaffen kann, zumindest einen neuen team spirit zu entfachen.
Dafür muß er zwingend die frustrierte Belegschaft mitnehmen, sichtbare Transparenzen auf allen Ebenen schaffen, größtmögliche Präsenz und Ansprechbarkeit zeigen, das Gespräch mit den Angestellten an ihrem Arbeitsplatz suchen. Denn meist ist deren schlichte Sicht auf allfällige Probleme mit sehr praktikablen, kostensparenden Lösungen verbunden - Lösungen, die sonst durch die vielen Hierarchieebenen geringe bis keine Chancen besitzen, auf Entscheidungsebene je diskutiert zu werden. Wer weiß denn besser Bescheid über Sorgen, Nöte und harscher Kritik, als die Mitarbeiter, die täglich am Boden und in der Luft mit dem Kunden, der alles bezahlen soll, zu tun haben? Was wird da an humanen Ressourcen verschenkt, wenn man vom Grünen Tisch aus Entscheidungen trifft, die so gut wie keine praktische Relevanz besitzen und selbst bei ramp agents Kopfschütteln verursachen? -Die innere Kündigung ist meist der größere Feind jedes Unternehmens, als die Konkurrenz, gefolgt von überflüssigen, im Organigramm verewigten Ebenen des mittleren Managements, die im Grunde nur damit beschäftigt sind, Probleme klein zu reden oder so geschickt zu verwalten, daß die eigene Daseinsberechtigung nicht in Frage gestellt wird.
Damit sind wir beim zweiten Punkt angelangt:
Carsten Spohr muß zunächst den Scherbenhaufen, den sein Vorgänger insbesondere bei LH-Vielfliegern angerichtet hat, so gut es geht, beseitigen. Wenn Lufthansa jüngst eingestand, daß 30% Gewinn wegen "Überkapazitäten" in USA und Europa auf absehbare Zeit weggebrochen sind, heißt das nichts anderes, als daß viele Kunden bereits mit den Füßen abgestimmt haben und bei der Konkurrenz fündig geworden sind. Die Gründe sind zweifelsohne manifest und bedürfen einer sorgfältigen Analyse. Eines steht jedoch fest: die Lufthansa-Stammkundschaft ist unter C. Franz gnadenlos gerupft worden. An dieser Stelle muß sich das Unternehmen entscheiden, womit das Geld zukünftig verdient werden soll: Privatiers, Geschäftsleute, Touristen, Penisonäre, Studenten, Meilenjunkies, Familien mit Kindern, Schnäppchen- und Wochenendflieger gleichzeitig ein konkurrenzfähiges Angebot vorzulegen, ist illusionär.
Die Alternative, die so alt und synchron erfolgreich ist, wie der Kunde, heißt: größtmögliche Bindung desselben an das Unternehmen. Hier darf man sehr gespannt sein, auf welche Art und Weise Spohr das sich das vor Kunde unter Franz stetig verfestigende Gefühl der Diskontinuität in Sachen Produkt und Dienstleistung egalisieren möchte. Einen verlorenen Kunden zu "recovern" ist bekanntlich um ein Vielfaches teurer, als einen neuen zu gewinnen. Und wesentlicher, finanzieller Handlungsspielraum bleibt Spohr eher nicht, es sei denn, man ist bereit für einen längeren Zeitraum mehr Geld auszugeben, als den stakeholdern lieb sein dürfte. Wenn also für Innovation zur Zeit kein Geld da ist, muß man sich zwingend auf Kernkompetenzen konzentrieren, auf die Attribute, die die zahlende Paxe weltweit mit Lufthansa assoziieren, Perfektion und Sicherheit fielen mir persönlich dazu ein.
Perfekt und sicher ist jedoch nicht nur, daß jedes LH-Flugzeug pünktlich seine kostenspieligen A/B/C/D checks bekommt, sondern keine nervenden bugs Buchungen auf lufthansa.com erschweren, keine ahnungslosen call center agents in Indien oder Istanbul durch schieres Nichtwissen vielfliegende Kundschaft verärgern, keine desinteressierten und unternehmensfrustrierten Mitarbeiter am CI/gate/lounge mit und ohne Vulkanausbrüche/Schneefälle/what ever inakzeptable performance abliefern. Der deutsche Kunde und die, die Lufthansa im Ausland bevorzugen, sind Kunden mit gewisser Frustrationstoleranz gegenüber der hardware onboard, aber stringenter Erwartungshaltung bei Krisen und deren Lösung. Was schwierig klingt, ist meiner unmaßgeblichen Meinung nach eine große Chance. Denn schlußendlich sind Kunden immer bereit, höhere Preise zu bezahlen, wenn sie ein Gefühl von Wertschätzung, von Loyalität und überaus positiv besetzten Eindrücken durch das Unternehmen bei unvorhersehbaren Schwierigkeiten gewonnen haben.
Wenn Carsten Spohr das hinkriegte, wäre er unsterblich; als Deutscher wünsche ich es ihm und uns allen. Wenn nicht, dann...