Der für einige so verächtliche Gedanke kam mir auf einer dieser ewig langen und mindestens genauso langweiligen Autofahrten zwischen Caprivi-Streifen und der Wildacker Guestfarm, Tempomat auf 130 km/h, 200 Kilometer schnurgerade Asphaltstraße ohne Verkehr, der perfekte Ort um über sinnvolle und sinnlose Dinge des Lebens zu grübeln.
Was Namibia im Vergleich zu den anderen Ländern, welche wir bereisten, so einzigartig machte, war die Tierwelt, welche man tagtäglich einfach am Straßenrand zu sehen bekam, Gnus, Springböcke, Zebras, Warzenschweine und vieles, vieles mehr.
Auch nach mehreren Tagen erfreut man sich noch immer an der Pracht, der Herrlichkeit dieser Tiere, vor allem bei den Pirschfahrten z.B. im Etosha Nationalpark. Man fährt hunderte von Kilometern über Rüttelpisten durch Parks, um diese herrschaftlichen Tiere in ihrem natürlichen Umfeld zu sehen. Und was passiert dann am Abend in der Lodge??? Man bekommt Gnu, Springbock und Zebra serviert - in furchtbarer Qualität weil nicht abgehangen, von den 'Köchen' so verhunzt, dass es das Steakmesser nicht schneiden kann, so dass am Ende gut 75% des Fleisches in den Müll wandert. Und dafür hat ein Lebewesen gelebt, ist gestorben!
Wir hatten uns auf unseren langen Fahrten ausgiebig über diese Tatsache unterhalten, dass einfach in unseren Köpfen der Link zwischen einem im Supermarkt gekauften, anonymen Stück Fleisch und dem realen Tier, das dafür gelebt und gestorben ist, abhanden gekommen ist. Und genau aus diesem Grunde, so waren wir uns einig, fehlt der 'Respekt' vor dem Umgang damit. Von Massentierhaltung, und sei es nur zur Eierproduktion, reden wir besser gar nicht.
So war also unsere Grundstimmung zum Thema 'Fleisch' als wir auf der Wildacker Guestfarm eintrafen.
Und genau diese Guestfarm ist eine Jagdfarm, also eine Farm, welche speziell Tiere züchtet, um diese für eine Prämie von eingeflogenen Jägern erschießen zu lassen. Alleine der Gedanke daran machte mich in meiner Grundhaltung bereits aggressiv, ich dachte daran wie ein Nashorn einem Trump-Junior sozusagen vor die Flinte geführt wird, damit dieser sich zuhause eine Trophäe an die Wand über den Kamin nageln kann. Und so, als wir beim Abendessen mit dem Hausherrn zusammensaßen, sprach ich ihn auf dieses Thema an.
Er lächelte eigentlich nur freundlich und fragte mich, ob ich denke mein Abendessen, auf welchem ich in diesem Augenblick herumkaute, seie aus Tofu? Er erzählte mir dann ein bißchen von den Tierfarmen in Namibia, von der Problematik der Ausgeglichenheit, von der hohen Reproduktion einiger Tierarten, dass er nicht mal genügend zahlende Jäger für Zebras finden würde, selbst bei einer Abschussprämie i.H.v. nur US$ 500, welche seine Arbeit beinhalte. Aus diesem Grund müsse er selbst pro Jahr ca. 50 Zebras erlegen, um den richtigen Faktor zu halten. Er erklärte den ganzen Prozess bis zum Zerlegen des Tieres, dem Verkauf des Fleisches und der Haut. Aber eines würde er aus Respekt vor dem Tier nie machen, weder alleine noch mit zahlenden Jägern: das Tier mit dem Auto verfolgen - denn dies wäre in seinen Augen unfair gegenüber dem Tier. So erfolge die Pirsch immer zu Fuß, oft genug käme er und seine Gäste am Ende eines Tages ohne erlegtes Tier zurück, denn zu über 50% würde das Tier den Kampf gewinnen, den Jägern entschwinden.
Obwohl ich anfangs in meiner Fragestellung sehr provokant war, blieb er sehr gelassen, bohrte seinen Finger immer tiefer in meine eh schon offene Wunde, dem fehlenden Respekt vor dem Stück Fleisch auf dem Teller.
Ich fragte mich mit welchem Recht ich ein Stück Fleisch esse, wenn ich dabei die Realität verdränge, dass ich genau das Tier verspeise, welches ich am Tag staunend am Wegesrand betrachtet hatte. Die eine Alternative wäre Vegetarier zu werden - aber dazu schmeckt mir Wurst, Tartar etc. einfach zu gut, auf ein Steak könnte ich dagegen verzichten. Die andere Alternative, in meinen Augen, um den Respekt vor dem anonymen Stück Fleisch herzustellen, wäre die Eier in der Hose zu haben, ein Zebra zu schießen, es zu häuten und zu zerlegen, das ganze Programm. Wie gesagt, dies ist ein Wunsch - aber ich weis nicht ob ich den Mut und die Kraft dazu habe, vor allem ob ich im Anschluss ein Stück Fleisch von diesem Tier essen könnte (aber dann wäre es wirklich an der Zeit Vegetarier zu werden).
'Aus Spaß' oder gar unnütz würde hier kein Tier getötet - denn das Tier wird sowieso geschossen, um das Gleichgewicht auf der Farm zu halten (okay, keine Jäger = keine Farm, das ist mir auch klar). Das Fleisch des Tieres geht im Anschluss an den örtlichen Metzger, wird an seine Kundschaft verkauft.
Eines ist mir noch wichtig zu sagen: ein Tier besteht nicht nur aus Fleisch, es hat wohlschmeckende Innereien - welche ich persönlich lieber esse als ein Filet. Probiert mal Hirn, Leber, Nieren, Kutteln, Kalbs-Bries, Schweineohren, Schweineschwänzchen oder Hoden vom Bullen. Richtig gesäubert und ordentlich zubereitet sind dies Delikatessen, bieten ein wahres Geschmackserlebnis. Man kann ein Tier nämlich fast komplett verwerten.
Diese Afrika-Reise hat mein Leben in zwei Punkten verändert:
1.) rauche ich nicht mehr (ich hoffe dabei bleibt es)
2.) ich kaufe kein Fleisch, Wurst oder auch Eier mehr im Supermarkt. Seit unserer Rückkehr habe ich nur Eier von freilaufenden Hühnern, Hühnerbrust von Bio-Hühnern gegessen etc., versuche damit wenigstens der schrecklichen Massentierhaltung entgegenzuwirken. Ob es was bringt? Ich weis es nicht - aber ich fühle mich dabei besser.
So, jetzt dürft ihr mich schlachten ;-)