Ist Überbuchen ohne entsprechenden Hinweis an den Kunden ein Betrug?

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Worldtraveler42

Erfahrenes Mitglied
15.02.2015
3.871
25
MRS
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Wenn ich das gezielt mache nennt man es nach meiner lang vergangenen Ausbildung wohl Betrug, aber dank insistieren ist es hier in der Tat nicht dazu gekommen.

Betrug? Finde ich etwas an den Harren herbeigezogen. Allerdings hätte ich (wenn ich LX wäre) auch niemand auf Waitlists gesetzt sonder proaktiv Passagieren angerufen um deren Tickets zurückzukaufen (sprich neues F Ticket zu vergleichbaren Flugzeiten + Kompensation on top).

Wenn ich mir die IRROPS von einigen Airlines anschauen kann ich nur den Kopf schütteln. Statt kundenorientiert zu handeln wird auf Teufel komm raus versucht jeden möglichen Penny zu sparen und mit dem Passagieren zu streiten.
 
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MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
2
Betrug? Finde ich etwas an den Harren herbeigezogen. Allerdings hätte ich (wenn ich LX wäre) auch niemand auf Waitlists gesetzt sonder proaktiv Passagieren angerufen um deren Tickets zurückzukaufen (sprich neues F Ticket zu vergleichbaren Flugzeiten + Kompensation on top).

Wenn ich mir die IRROPS von einigen Airlines anschauen kann ich nur den Kopf schütteln. Statt kundenorientiert zu handeln wird auf Teufel komm raus versucht jeden möglichen Penny zu sparen und mit dem Passagieren zu streiten.

Ich glaube, was @Flying Lawyer meinte, ist folgendes:

Wenn Swiss schon bei seiner Buchung insgeheim bereit war, ihn aus der F zu schmeißen, falls sie den Sitz teurer und/oder an ein Staatsoberhaupt vergeben können, dann hätten sie ihm bewußt wahrheitswidrig vorgespiegelt, daß seine Beförderdung (und vor allem zusammen mit seiner Familie) ab "Confirmation" sicher ist.

Mit dieser Aussicht haben sie ihn veranlaßt, das Ticket zu bezahlen. Er hätte es so nicht gekauft, wenn sie ihm das nicht vorgespiegelt hätten.
Zu dieser sog. Vermögensverfügung hätten sie ihn also durch das Versprechen veranlaßt, daß drei (oder zwei?) Sitze in der F für ihn reserviert sind und danach niemand mehr kommen kann, der durch bloßes Mehrbieten oder seinen gesellschaftlichen Status ihm diese Sitze wegnimmt.

Das ganze hätten sie in der Absicht getan, möglichst viel mir ihrer F einzunehmen (warum sonst?), mithin sich zu bereichern, wie es § 263 StGB nennt.

Unter uns Juristen: wenn ich meine vorgenannte Auffassung in einer Übungsklausur vertreten hätte, würde ich schon erwarten, daß mir der Korrektur-Assi eine etwas fundiertere Widerlegung liefert, als "haarsträubend" oder eben "an den Haaren herbeigezogen".
Ich sage ja nicht, daß die Gegenmeinung zwingend falsch ist - aber ist meine bzw. die von @FlyingLawyer nicht zumindest diskussionswürdig?
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Unter uns Juristen: wenn ich meine vorgenannte Auffassung in einer Übungsklausur vertreten hätte, würde ich schon erwarten, daß mir der Korrektur-Assi eine etwas fundiertere Widerlegung liefert, als "haarsträubend" oder eben "an den Haaren herbeigezogen".
Ich sage ja nicht, daß die Gegenmeinung zwingend falsch ist - aber ist meine bzw. die von @FlyingLawyer nicht zumindest diskussionswürdig?

Ich würde erwarten, dass der geneigte Rechtskandidat schon viel früher in der Übungsklausur aus der Kurve fliegt, wenn er

1. ohne weitere Begründung die Anwendbarkeit deutschen Rechts (StGB) annimmt in einem Sachverhalt, der eine Schweizer Airline, eine ausserdeutsche Flugstrecke und einen Passagier, dessen Nationalität nicht bekannt ist, beinhaltet;

2. bei seiner Prüfung die Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit einer juristischen Person annimmt, obwohl das deutsche Recht keine Verbandsstrafbarkeit kennt, sondern einzig als Individualstrafrecht konzipiert ist und hier 263 StGB bei unterstellter Anwendbarkeit somit einzig die Anknüpfungstat für Ordnungswidrigkeiten nach 9, 30, 130 OWiG zu sein vermag;

3. davon ausgeht, dass 263 StGB, der stets an das Handeln einer natürlichen Person anknüpft, hier die zu prüfende Norm ist, wenn man bei lebensnaher Auslegung davon ausgeht, dass die Reservierung über ein CRS erfolgt ist;

4. übersieht, dass der Erfolgseintritt ausgeblieben und deshalb allenfalls Platz für eine Versuchsstrafbarkeit bliebe, wenn man in den durch den TO beschriebenen Unannehmlichkeiten nicht schon die Verwirklichung erkennen will (wohl nicht).

Ich denke, strafrechtlich käme man hier nicht sehr weit.
 

Flying Lawyer

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
6.159
3.147
Unter uns Juristen: wenn ich meine vorgenannte Auffassung in einer Übungsklausur vertreten hätte, würde ich schon erwarten, daß mir der Korrektur-Assi eine etwas fundiertere Widerlegung liefert, als "haarsträubend" oder eben "an den Haaren herbeigezogen".
Ich sage ja nicht, daß die Gegenmeinung zwingend falsch ist - aber ist meine bzw. die von @FlyingLawyer nicht zumindest diskussionswürdig?


Vielleicht sollte man unter uns Juristen dazu einen eigenen Thread beginnen. Es gibt zwei Ansätze, wobei auf mein Vertragverhältnis wohl deutsches oder italienisches Recht Anwendung findet (in Deutschland gekauftes Ticket und Wohnsitz, Start der Reise in Italien) und auf das des Präsidenten was auch immer Anwendung findet. Für einen "Betrug" macht das wahrscheinlich alles keinen großen Unterschied, denn Grundzüge sind in vielen Rechtsordnungen gleich.

Wie gesagt zwei Ansätze: Der eine ist der von Dir genannte. Hier spiegelt jede Fluglinie vor, dass man mit dem Ticket einen unbedingten Beförderungsanspruch hat (höhere Gewalt und solches "Gedöns" mal ausgeschlossen). Tatsächlich überbuchen die Fluglinien jedoch und verkaufen mehr Plätze als sie haben. Das mag kaufmännisch opportun sein, ich meine jedoch, darauf muss man während des Buchungsvorganges hinweisen.

Der andere ist der Präsident. Unterstellt man mal, es waren 6/8 verkauft und die Swiss verkauft weitere vier, so konnte sie bei zwei Tickets nur erfüllen, wenn sie gegenüber anderen Paxen vertragsbrüchig wird oder die Plätze zurück kauft. Das kann klappen, kann aber auch schiefgehen. Ich meine, auch hier müsste man darauf hinweisen, denn auch der Präsident hatte nur einen "risikobehafteten Erfüllungsanspruch.

Und liebe Moderatoren: Bitte gerne abtrennen und mit einem neuen Thread starten, wo ich, wie MNovak das gerne sachlich diskutieren möchte. Was ist nämlich nicht verstehe, ist das Fluggesellschaften sanktionslos ohne Aufklärung ihrer Kunden 110 Plätze verkaufen können und dafür Vorkasse nehmen dürfen, wenn sie nur 100 haben. Nein: Bitte nicht das Argument der Buchungssteuerung und dass das immer so gemacht wurde. Mal ganz trocken: Ich verkaufe was, was ich nicht habe, nehme Vorkasse und weise meine Kunden nicht auf das Risiko hin; im Gegenteil: Ich schreibe "CONFIRMED" in jedes Ticket.

Ich lasse mir das gerne erklären, meine letzte strafrechtliche Tätigkeit ist 25 Jahre her. Aber interessieren täte es mich schon mal.
 

MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
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Ich würde erwarten, dass der geneigte Rechtskandidat schon viel früher in der Übungsklausur aus der Kurve fliegt, wenn er

Schön, daß hier Leute Lust haben, solche "Papierfälle" zu diskutieren. Gute Idee mit der Abtrennung @FlyingLawyer

1. ohne weitere Begründung die Anwendbarkeit deutschen Rechts (StGB) annimmt in einem Sachverhalt, der eine Schweizer Airline, eine ausserdeutsche Flugstrecke und einen Passagier, dessen Nationalität nicht bekannt ist, beinhaltet;

FL wurde in Deutschland getäuscht und hat in Deutschland seine Vermögensverfügung getroffen. Auch der tatbestandliche Erfolg wäre hier verwirklicht worden. Darauf sollte das StGB anwendbar sein.
Das ergäbe sich im übrigen auch aus § 7 StGB.
Wenn man in einer Klausur bezweifelt hätte, daß FL deutscher Staatsbürger ist, wäre der immer gleiche Hinweis gekommen, daß man schlecht beraten ist, die Bearbeitung mit der Kritik am Aufgabensteller, "mit den dünnen Informationen ist der Fall nicht lösbar", abzubrechen, sondern daß man vielmehr mit einem dezenten, "hierzu schweigt der Sachverhalt", vom "Normalfall ausgeht" und nach den Äußerungen von FL scheint er ein in D zugelassener RA zu sein, was nach ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine deutsche Staatsbürgerschaft schließen läßt. (Das nur am Rande)
Weiter:

2. bei seiner Prüfung die Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit einer juristischen Person annimmt, obwohl das deutsche Recht keine Verbandsstrafbarkeit kennt, sondern einzig als Individualstrafrecht konzipiert ist und hier 263 StGB bei unterstellter Anwendbarkeit somit einzig die Anknüpfungstat für Ordnungswidrigkeiten nach 9, 30, 130 OWiG zu sein vermag;
Die Entscheidung, ob Paxe, die mehr bieten und/oder Staatsoberhäupter sind, Paxe mit bestätigten Sitzplätzen verdrängen, hat eine natürliche Person getroffen und nicht die AG als solche.
Die Vorgabe, Überbuchungen von x% generell zuzulassen wäre ebenso wie die Vorgabe, VIPs Plätze freizumachen, eine unternehmerische Entscheidung.
Es geht also mitnichten um die Strafbarkeit einer jur. Person.

3. davon ausgeht, dass 263 StGB, der stets an das Handeln einer natürlichen Person anknüpft, hier die zu prüfende Norm ist, wenn man bei lebensnaher Auslegung davon ausgeht, dass die Reservierung über ein CRS erfolgt ist;
s.o.

4. übersieht, dass der Erfolgseintritt ausgeblieben und deshalb allenfalls Platz für eine Versuchsstrafbarkeit bliebe, wenn man in den durch den TO beschriebenen Unannehmlichkeiten nicht schon die Verwirklichung erkennen will (wohl nicht).
Ich dachte, wir diskutieren die Frage, ob das Verhalten der Fluglinien unter den beiden von FL bezeichneten Aspekten strafbar sein könnte.
Im konkreten Fall teile ich Deine Meinung zum Versuch (was ja aber nichts an der Strafbarkeit ändern würde).

Ich denke, strafrechtlich käme man hier nicht sehr weit.
Auch da bin ich Deiner Meinung.
Das scheitert wohl schon an Beweisfragen (und natürlich an mangelndem Interesse der StA):
Swiss bräuchte nur zu behaupten, daß es sich um eine Eigenmächtigkeit der Station in JNB handelte. Wer wollte das widerlegen.
Selbst wenn der Beweis gelänge, daß das ganze ständige Praxis ist und auf einer Vorgabe im System oder einer Richtlinie an die Mitarbeiter vor Ort beruht, müßte man, wenn schon nicht denjenigen, der die Richtlinie angeordnet hat, zumindest jemanden finden, der davon wußte und kraft seiner Stellung im Unternehmen die rechtliche Pflicht hatte, diese -mutmaßlich - rechtswidrige Praxis zu beenden, also z.B. dem Vorstand nachweisen, daß er weiß, daß ständig Paxen ein Sitzplatz ohne entsprechende Einschränkung versprochen wird, obwohl man sich insgeheim vorbehält, dieses vertragliche Versprechen nicht in jedem Fall einzuhalten (wie von FL schon gesagt, geht es hier nicht um höhere Gewalt, sondern schlicht um Zaster).
Natürlich weiß der Vorstand das. Theoretisch. Praktisch wußte nicht mal Herr Winterkorn, daß VW...;)
 
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Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.927
11.156
Das scheitert wohl schon an Beweisfragen (und natürlich an mangelndem Interesse der StA):

Ist doch egal. Stell Dir vor, wir waeren in der Referendarsklausur ("Wie ist die Rechtslage?" bzw. "Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?"), nicht in der Assessorklausur ("Verfassen Sie die staatsanwaltschaftliche Abschlussverfuegung/das Urteil.")


Was ist nämlich nicht verstehe, ist das Fluggesellschaften sanktionslos ohne Aufklärung ihrer Kunden 110 Plätze verkaufen können und dafür Vorkasse nehmen dürfen, wenn sie nur 100 haben. Nein: Bitte nicht das Argument der Buchungssteuerung und dass das immer so gemacht wurde. Mal ganz trocken: Ich verkaufe was, was ich nicht habe, nehme Vorkasse und weise meine Kunden nicht auf das Risiko hin; im Gegenteil: Ich schreibe "CONFIRMED" in jedes Ticket.

Ohne den Rekurs auf die Buchungssysteme und insbesondere die Erfahrungswerte aus der Vergangenheit kommt man da nicht wieder raus. Die Fluggesellschaft ist bei jeder einzelnen Ueberbuchung aufgrund ihrer Erfahrung sicher, dass sie den Passagier wie gebucht befoerdern wird. So machst Du es spaetestens im subjektiven Tatbestand tot.
 

Flying Lawyer

Erfahrenes Mitglied
09.03.2009
6.159
3.147
IDie Fluggesellschaft ist bei jeder einzelnen Ueberbuchung aufgrund ihrer Erfahrung sicher, dass sie den Passagier wie gebucht befoerdern wird. So machst Du es spaetestens im subjektiven Tatbestand tot.

Gerade das klappt aber nicht, sonst gäbe es die Fälle nicht. Als böser Staatsanwalt würde ich jetzt sagen "doofe Ausrede". Sie wären auf jeden Fall raus, wenn sie darauf hinweisen würden, dass es diese Fälle geben kann dass trotz eines CONFIRMED das Ticket halt gerade nicht CONFIRMED ist. Das wäre aber sicher nicht gerade geschäftsfördernd.
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.927
11.156
Gerade das klappt aber nicht, sonst gäbe es die Fälle nicht. Als böser Staatsanwalt würde ich jetzt sagen "doofe Ausrede".

Das waere dann, aeh, *kopfkratz*, Strafrecht ist lange her, unechte Wahlfestellung, oder? Hmm, muss ich mal drueber nachdenken.

Sie wären auf jeden Fall raus, wenn sie darauf hinweisen würden, dass es diese Fälle geben kann dass trotz eines CONFIRMED das Ticket halt gerade nicht CONFIRMED ist.

Und da muss ich das zweite Argument bemuehen, das Du ausgeschlossen hast: "Hamwa schon immer so gemacht." Dass Airlines ueberbuchen, weiss jeder. Spaetestens seit Inkrafttreten von 261/04. In der es uebrigens heisst "Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen sind für die Fluggäste ein Ärgernis und verursachen ihnen große Unannehmlichkeiten." D.h. der Verordnungsgeber ging nicht von einer Strafbarkeit aus, sondern von einem deutlichen Minus, das mit Annulierungen und Verspaetungen auf einer Stufe steht.
 

MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
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Das waere dann, aeh, *kopfkratz*, Strafrecht ist lange her, unechte Wahlfestellung, oder? Hmm, muss ich mal drueber nachdenken.

Und da muss ich das zweite Argument bemuehen, das Du ausgeschlossen hast: "Hamwa schon immer so gemacht." Dass Airlines ueberbuchen, weiss jeder. Spaetestens seit Inkrafttreten von 261/04. In der es uebrigens heisst "Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen sind für die Fluggäste ein Ärgernis und verursachen ihnen große Unannehmlichkeiten." D.h. der Verordnungsgeber ging nicht von einer Strafbarkeit aus, sondern von einem deutlichen Minus, das mit Annulierungen und Verspaetungen auf einer Stufe steht.

Wahlfeststellung? Ich würde sagen, eher so Generalvorsatz. Der ausrangierte "Lackner", den ich hier bemühe, ist die 21. Aufl. v. 1995, ich bin also (auch) ein ausgewiesener Strafrechtler;)

261/04 wird aber sicher nicht Vorschriften des StGB aufheben (wollen). Wir sollten den Verordnungsgeber nicht überschätzen. Da sitzen nur wenig Prädikatsjuristen von der CSU, sondern überwiegend Gestalten von eher zweifelhafter Provinienz und Ausbildung, die mal irgendwas mit Verbraucherschutz machen wollten. Sie wollten und durften das Geschäftsgebaren der Fluggesellschaften nicht als strafbar qualifizieren (ist es vlt. auch nicht in jedem Mitgliedsland), und so haben sie halt so eine Art Opferentschädigungsgesetz erlassen.

"Dass Airlines überbuchen, weiss jeder", möchte ich bestreiten. Mir wird bei der Bestätigung angzeigt, daß sich der Platz nicht verbindlich ist, und sich aufgrund von Flugzeugwechseln ändern kann. Ein durchschnittlich erfahrener Kunde (und um den geht es hier) wird darauf niemals schließen, daß er sich ins Achterdeck verholen muß, wenn seine Hoheit die F für sich wünscht.

Was aber, wenn die Fluglinie die Überbuchungspraxis einräumt, aber anhand von Beispielen nachweist, daß jeder, der auf die gebuchte Kabinenklasse beharrt (FL), sie auch bekommt, und man immer jemanden findet, der freiwillig, d.h. gegen Kompensation nach hinten zieht?
Der BGH hat ja gerade heute etwas zur Grenze des Eventualvorsatzes von sich gegeben (schade, aber nach meiner Meinung richtig).

Was nun aber wiederum, wenn einer Strafanzeige erstattet, der sich nachweislich geweigert hat, sich nach hinten zu setzen, und deshalb nicht befördert wurde?
Dann sagt die Airline, daß sie immer darauf vertraut hat, daß ein solcher Fall nicht eintritt (daß man mit 140 km/h auf dem Ku´damm niemanden zu Tode bringt).
Und der BGH sagt, "ja, das Schicksal von Mss. Laywer war euch bestimmt nicht egal, ihr hättet sie niemals stehen lassen".

Ist schon ärgerlich das ganze. Wenn man sich aber den - wieder aktuellen - Fall Mollath ansieht, ist es wohl gut so, daß die Beweisanforderungen sehr hoch liegen.

Wie Bossi einst sagte: "Als Unschuldiger steht man besser vor einem deutschen Gericht, als Schuldiger vor einem amerikanischen".
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
FL wurde in Deutschland getäuscht und hat in Deutschland seine Vermögensverfügung getroffen. Auch der tatbestandliche Erfolg wäre hier verwirklicht worden. Darauf sollte das StGB anwendbar sein.
Das ergäbe sich im übrigen auch aus § 7 StGB.
Wenn man in einer Klausur bezweifelt hätte, daß FL deutscher Staatsbürger ist, wäre der immer gleiche Hinweis gekommen, daß man schlecht beraten ist, die Bearbeitung mit der Kritik am Aufgabensteller, "mit den dünnen Informationen ist der Fall nicht lösbar", abzubrechen, sondern daß man vielmehr mit einem dezenten, "hierzu schweigt der Sachverhalt", vom "Normalfall ausgeht" und nach den Äußerungen von FL scheint er ein in D zugelassener RA zu sein, was nach ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine deutsche Staatsbürgerschaft schließen läßt. (Das nur am Rande)

Zum Zeitpunkt des Beitrags war das alles pure Spekulation. Dass Täuschung, Irrtum, Verfügung, Schaden in Deutschland stattgefunden haben sollen, war weder dargelegt noch ohne weitere Feststellungen anzunehmen. Es war auch anfangs nicht bekannt, dass FL deutscher Staatsbürger ist, wie er allerdings - indes nach dem ursprünglichen Post - bestätigt hat. Dass er von sich als Jurist spricht, lässt auch nicht einfach darauf schließen, dass er Rechtsanwalt ist. Richtig ist, dass jeder Rechtsanwalt Jurist ist - aber nicht jeder Jurist ist Rechtsanwalt. Übrigens: Zugelassen zur Anwaltschaft sind auch jede Menge Nichtdeutscher. Vielleicht also einfach doch nicht einfach „drüber wegschreiben“.

Die Entscheidung, ob Paxe, die mehr bieten und/oder Staatsoberhäupter sind, Paxe mit bestätigten Sitzplätzen verdrängen, hat eine natürliche Person getroffen und nicht die AG als solche.
Die Vorgabe, Überbuchungen von x% generell zuzulassen wäre ebenso wie die Vorgabe, VIPs Plätze freizumachen, eine unternehmerische Entscheidung.
Es geht also mitnichten um die Strafbarkeit einer jur. Person.

Richtig, es geht nicht um die Strafbarkeit einer jP. Diese wurde aber im Ausgangsthread in den Raum gestellt („die SWISS“). Also müsstest Du Dir die passende natürliche Person suchen und vor allem finden - und hier wirst Du feststellen: Es gibt sie nicht. Diese unternehmerische Entscheidung, wie Du sie richtig beschreibst, mag getroffen worden sein, aber: Wir brauchen eine tatbestandliche „Täuschung“, das Einwirken auf das Vorstellungsbild eines anderen. Es reicht nicht, dass irgendwer einen Algorithmus schreibt oder ein CRS programmiert; es braucht ggü. dem konkret Buchenden ein Verhalten, das darauf abzielt, bei ihm eine unrichtige Vorstellung über Tatsachen hervorzurufen, sie zu bestärken oder aufrechtzuerhalten. Und genau diese Täuschung muss kausal den Irrtum herbeiführen.


Richtig, s.o.

Es fehlt weiterhin an der Täuschung durch eine natürliche Person, wenn wir eine automatisierte Buchung unterstellen. Anders vielleicht, wenn die Buchung telefonisch oder im Reisebüro geschieht, nur dann stehst Du vor derselben Schwierigkeit wie oben: In der Annahme, dass der Agent auch von einer unbedingten Buchung ausgeht und er nur absichtslos doloses Werkzeug ist, musst Du Dir den Täter hinter dem Täter suchen.

261/04 wird aber sicher nicht Vorschriften des StGB aufheben (wollen). Wir sollten den Verordnungsgeber nicht überschätzen. Da sitzen nur wenig Prädikatsjuristen von der CSU, sondern überwiegend Gestalten von eher zweifelhafter Provinienz und Ausbildung, die mal irgendwas mit Verbraucherschutz machen wollten. Sie wollten und durften das Geschäftsgebaren der Fluggesellschaften nicht als strafbar qualifizieren

Zweifelhafte Provinienz und Ausbildung? Etwas mehr Demut stünde gut, vor allem als Jurastudent (?), der sich offenbar an Übungsklausuren versucht. Hochnäsigkeit kommt vor dem (Examens-)Fall. Und zur Erhellung: Die Zuständigkeiten der EU sind in Art. 2 - 6 AEUV geregelt, das Strafrecht gehört schlicht nicht dazu.
 
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MNovak

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27.02.2018
211
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@Berlin_"Lawyer": soweit es Dich betrifft, beende ich das hier. Du hattest das letzte Wort;)
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.927
11.156
Wahlfeststellung? Ich würde sagen, eher so Generalvorsatz. Der ausrangierte "Lackner", den ich hier bemühe, ist die 21. Aufl. v. 1995, ich bin also (auch) ein ausgewiesener Strafrechtler;)

Jauchegrube? Das macht man doch heute nicht mehr so, oder? Dessen meine ich mich zu entsinnen, auch ohne meinen eigentlich als Tuerstopper dienenden Dreher/Troendle (!) rauszuholen.


261/04 wird aber sicher nicht Vorschriften des StGB aufheben (wollen). Wir sollten den Verordnungsgeber nicht überschätzen. Da sitzen nur wenig Prädikatsjuristen von der CSU, sondern überwiegend Gestalten von eher zweifelhafter Provinienz und Ausbildung, die mal irgendwas mit Verbraucherschutz machen wollten. Sie wollten und durften das Geschäftsgebaren der Fluggesellschaften nicht als strafbar qualifizieren (ist es vlt. auch nicht in jedem Mitgliedsland), und so haben sie halt so eine Art Opferentschädigungsgesetz erlassen.

zur Erhellung: Die Zuständigkeiten der EU sind in Art. 2 - 6 AEUV geregelt, das Strafrecht gehört schlicht nicht dazu.

Schon klar, darum ging es mir nicht. Sondern: Wenn ein Gesetzgeber das Ueberbuchen - strafrechtlich - "erlaubt", entfaellt beim Ueberbucher die Strafbarkeit spaetestens durch Irrtum.


Was aber, wenn die Fluglinie die Überbuchungspraxis einräumt, aber anhand von Beispielen nachweist, daß jeder, der auf die gebuchte Kabinenklasse beharrt (FL), sie auch bekommt, und man immer jemanden findet, der freiwillig, d.h. gegen Kompensation nach hinten zieht?

Das ist ein Teilaspekt der von mir genannten jahr(zehnt)elangen Erfahrungswerte in der Auslastungssteuerung.


Der BGH hat ja gerade heute etwas zur Grenze des Eventualvorsatzes von sich gegeben (schade, aber nach meiner Meinung richtig).

Natuerlich richtig. Dass so ein Vollhorst es billigend (also: gutheissend) in Kauf nimmt, dass sein Auto, sein Ein und Alles, beschaedigt wird, ist doch voellig absurd. Das Berliner Urteil war hochgradig peinlich. Naja, es bestaetigte mein Vorurteil von der Wertigkeit der Examina aus Stadtstaaten ;)


Dann sagt die Airline, daß sie immer darauf vertraut hat, daß ein solcher Fall nicht eintritt (daß man mit 140 km/h auf dem Ku´damm niemanden zu Tode bringt).

Genau. "Schulligung, ich hatte leider erst den irrelevanten Dolus subsequens, als es eh zu spaet war, naemlich am Gate. Als ich die Buchungen annahm, war ich fest entschlossen, niemanden gegen seinen Willen abzuladen."


Wie Bossi einst sagte: "Als Unschuldiger steht man besser vor einem deutschen Gericht, als Schuldiger vor einem amerikanischen".

Ich kenne den Spruch nicht, halte ihn aber umgekehrt fuer sinnvoller.
 

MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
2
Jauchegrube? Das macht man doch heute nicht mehr so, oder? Dessen meine ich mich zu entsinnen, auch ohne meinen eigentlich als Tuerstopper dienenden Dreher/Troendle (!) rauszuholen.

Der Dreher/Trondle war mir als Student zu teuer und heute erzähle ich den Mandanten einfach irgendwas und schicke sie zum "Spezialisten".
(Auf diese einfache Weise gewinnt man erheblich mehr Zeit für Reisen)

Natuerlich richtig. Dass so ein Vollhorst es billigend (also: gutheissend) in Kauf nimmt, dass sein Auto, sein Ein und Alles, beschaedigt wird, ist doch voellig absurd. Das Berliner Urteil war hochgradig peinlich. Naja, es bestaetigte mein Vorurteil von der Wertigkeit der Examina aus Stadtstaaten ;)
Ich hatte als Refi einen durchgeknallten Jugendrichter, der auf Bedenken von uns Refis und mitunter sogar seiner Schöffen meinte, "ich weiß, daß das wahrscheinlich aufgehoben wird, aber jetzt erschreckt er sich erstmal schön".
Wenn zwischen zwei Verhandlungen mal 2 Stunden Leerlauf waren, sind wir Tennisspielen gefahren und dann schnell zurückgehetzt. Sein Richtertisch war ja umschlossen, er saß dann da mit kurzer Tennishose und Robe. Ich als Protokollführer an einem normalen Tisch mußte eben sehen, wie ich noch schnell im Beratungszimmer wieder in meine lange Hose kam.
Soviel zu Examen der Stadtstadten (zu meiner Zeit gab es allerdings ein "Gemeinsames Prüfungsamt der Länder Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein:p)

Ich kenne den Spruch nicht, halte ihn aber umgekehrt fuer sinnvoller.
Das laß mal nicht O.J. hören, sonst macht er disch auch noch messer. Vor allem nach der Ankündigung von Fox, nun doch noch das umstrittene Interview auszustrahlen;)

Wünsche ein arbeitsfreies WE!
 

rcs

Gründungsmitglied
Teammitglied
06.03.2009
27.526
4.503
München
Ich werfe jetzt einmal provokant die Beförderungsbestimmungen der Swiss ins Rennen, nachdem es im konkreten Fall um diese Airline ging:
https://www.swiss.com/ch/DE/rechtliches/befoerderungsbestimmungen/artikel-16

Ausweislich dieser sollte der Fluggast von der Möglichkeit der Überbuchung des Fluges durch die Airline Kenntnis haben.

Ein Ausschluss der Überbuchung für die First Class ist darin nicht zu finden (auch wenn es für die höchste Reiseklasse sicherlich nicht verkehrt wäre... aber das steht ja auf einem anderen Blatt).
 

Airsicknessbag

Erfahrenes Mitglied
11.01.2010
19.927
11.156
Die Klauseln sind kein Vorbehalt "Achtung, wir ueberbuchen", sondern regeln nur, welche Rechtsfolgen eine Ueberbuchung hat. (Und das, nebenbei, auch nur fuer Abfluege in der Schweiz, der EU und den USA.)

Ein Freifahrtschein sind sie nicht. Aber natuerlich ein weiterer Puzzlestein in meiner obigen Argumentation ("Dass Airlines ueberbuchen, weiss jeder.")
 

MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
2
"infolge einer Überbuchung ... aus Gründen, die wir zu vertreten haben", bedeutet nicht zwingend, "wir überbuchen vorsätzlich" - und wir wissen ja, zu wessen Lasten Unklarheiten bei der Auslegung von AGB gehen.

Weiß der Verbraucher, der einmal im Jahr in den Urlaub fliegt, zu diesem Zweck extra ein Qualitätsreisebüro aufsucht, dort vlt. sogar einen Sicherungsschein erhält, und mithin glaubt, alles richtig gemacht und abgesichert zu haben, ttsl., daß das ganze noch lange nicht heißt, daß die Airline seinen Platz und das Hotel sein Zimmer nicht ein zweites mal "verkauft"?
Ich habe von Fällen gehört, in denen das Reisebüro aus Versehen vergessen haben soll, den Kunden auf diese Nebensächlickkeit hinzuweisen und der Kunde auch nicht das Kleingedruckte gelesen hat;)
 

MNovak

Gesperrt
27.02.2018
211
2
Interesseante Diskussion. Allerdings wurde die Frage des Berliner Kollegen, wer sich konkret strafbar gemacht haben soll noch nicht beantwortet.

Hast Du einen Vorschlag?
Ich hatte diesen beiden gemacht:

"Selbst wenn der Beweis gelänge, daß das ganze ständige Praxis ist und auf einer Vorgabe im System oder einer Richtlinie an die Mitarbeiter vor Ort beruht, müßte man, wenn schon nicht denjenigen, der die Richtlinie angeordnet hat, zumindest jemanden finden, der davon wußte und kraft seiner Stellung im Unternehmen die rechtliche Pflicht hatte, diese -mutmaßlich - rechtswidrige Praxis zu beenden, also z.B. dem Vorstand nachweisen, daß er weiß, daß ständig Paxen ein Sitzplatz ohne entsprechende Einschränkung versprochen wird, obwohl man sich insgeheim vorbehält, dieses vertragliche Versprechen nicht in jedem Fall einzuhalten"
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Hast Du einen Vorschlag?
Ich hatte diesen beiden gemacht:

"Selbst wenn der Beweis gelänge, daß das ganze ständige Praxis ist und auf einer Vorgabe im System oder einer Richtlinie an die Mitarbeiter vor Ort beruht, müßte man, wenn schon nicht denjenigen, der die Richtlinie angeordnet hat, zumindest jemanden finden, der davon wußte und kraft seiner Stellung im Unternehmen die rechtliche Pflicht hatte, diese -mutmaßlich - rechtswidrige Praxis zu beenden, also z.B. dem Vorstand nachweisen, daß er weiß, daß ständig Paxen ein Sitzplatz ohne entsprechende Einschränkung versprochen wird, obwohl man sich insgeheim vorbehält, dieses vertragliche Versprechen nicht in jedem Fall einzuhalten"

Und das ist der Versuch einer Subsumtion unter 263 StGB?