Tag 12 - Gold Harbour – Cooper Bay – Drygalski Fjord
Guten Morgen Südgeorgien! Heute heißt es früh aufstehen, wir haben viel vor.
Der Wecker ist für 7 Uhr gestellt, da wir gem. des geplanten Tagesprogramms heute die 4. Gruppe für die Zodiac-Rundfahrt durch Gold Harbour sind. Jedoch sind wir bereits um 6:40 Uhr durch die Meldung über die Lautsprecher wach. Sonne, ruhige See und die perfekten Voraussetzungen für eine Rundfahrt. Und kurz darauf geht es auch schon mit der ersten Farbgruppe los.
Gold Harbour liegt wundervoll in der goldenen Morgensonne vor uns und auch der Blick zur anderen Seite des Schiffs bietet ein malerisches Bild, denn eine Vielzahl von großen Eisbergen, die durch die Strömung in diesem Bereich Südgeorgiens zusammengetrieben wurden, driften neben der HANSEATICinspiration im Wasser.
Wir machen uns schnell fertig, ziehen uns dieses Mal dicker an, da es noch recht frisch ist und warten auf den Aufruf unserer Farbgruppe. Gegen 7:15 Uhr betreten wir das Zodiac und unser Staff Captain bringt uns Richtung Küste, um die etwa 100.000 Königspinguine und jede Menge Seebären und See-Elefanten aus der Nähe zu betrachten. Wir sitzen ganz vorne an der Spitze im Zodiac. Von den letzten Anlandungen wissen wir, dass das die nassesten Plätze sind, aber wieder gut geschützt mit der Wasserhose ist das kein Problem.
Eine Anlandung ist hier in diesem Jahr wegen der Vogelgrippe nicht möglich. Aufgrund der Vielzahl und Dichte der Tiere, hätte diese aber heute ohnehin nicht stattfinden können, da der nötige Abstand nicht hätte eingehalten werden können.
Aber auch vom Wasser aus ist der Anblick der Menge an Königspinguinen über dem Strandabschnitt verteilt sehr beeindruckend und wirkt so surreal. Wir genießen die Fahrt und lauschen den wilden Tierstimmen.
Nach guten 20 Minuten erhalten wir plötzlich die Anweisung unseres Staff Captains uns gut festzuhalten sowie in Deckung zu gehen.
Im ersten Moment denken wir, er habe ein Manöver mit dem Zodiac geplant. Doch beim Blick über die Bucht, sehen wir wie das Wasser am anderen Ende der Bucht aufgewirbelt wird und sich eine Gicht-Wand auf uns zubewegt.
Das Wetter schlägt binnen Sekunden um, als plötzlich die berüchtigten katabatischen Winde einsetzen und wir uns mitten in einem Sturm mit Böen von bis zu 60 Knoten(± 110 km/h) befinden. Es peitscht, windet und wir müssen uns tatsächlich gut festhalten und nach vorne bücken. Alle Zodiacs drehen direkt von der Küste ab, um weg vom Strand zu kommen.
Es dauert nicht lange und wir merken zum ersten Mal wie eine Welle uns insbesondere am Rücken und der Seite trifft. Das war eine ordentliche Portion.
Nachdem sich die Böen gelegt haben, wagen wir einen weiteren Versuch wieder die Küste zu erreichen. Es dauert jedoch nicht lange und wieder nimmt der Wind ordentlich an Fahrt auf. Kurz danach kommt der Befehl von der Brücke "sofortiger Abbruch". Zu gefährlich sind die orkanartigen Winde, um weiterhin eine sichere Rundfahrt zu gewährleisten. Kurz macht sich etwas Enttäuschung breit, weil wir gerade erst so richtig nah an den Haufen an Pinguinen kamen. Aber bei den Bedingungen scheint es auch für uns natürlich das Vernünftigste zu sein.
Nach und nach versuchen alle Zodiacs wieder Richtung Schiff zu fahren, was bei den Wellen und dem Wind aber gar nicht so einfach ist. Mit unserer Poleposition auf dem Zodiac bekommen wir jede Menge Wasser ab, noch nie waren wir so froh uns doch noch für eine sehr gescheite Regenhose entschieden zu haben.
Platsch und schon die nächste Welle, welche in unseren Gesichtern landet und uns über den Hals auf die innenliegenden Kleidung läuft.
Im Windschatten der HANSEATICinspiration warten wir darauf ans Sidegate zu gelangen, welches aber immer wieder von Wellen überspült wird und ein sicher Aussteigen unmöglich macht.
Immer wieder sehen wir mit an, wie die anderen Boote kämpfen, die Gäste wieder sicher an Bord zu bringen. Die Zodiacs heben und senken sich aber so sehr, dass das Aussteigen nur mit großer Mühe gelingt.
Und so sind wir doch froh, dass unser heutiger Fahrer auch direkt der erfahrene Staff Captain ist. Die Stimmung auf unserem Boot ist gut, mit jeder Welle, die uns trifft, lachen wir und irgendwie haben wir doch alle auch etwas unseren Spaß.
Auch für die Passagiere, welche erst der zweiten Ausflugsreihe angehören, scheinen wir eine echte Attraktion zu sein. Immer wieder werden wir vom Schiff aus dabei fotografiert, wie unser Boot vor sich hinschaukelt und gegen die Wellen kämpft.
Wir sind mittlerweile klatschnass und trotzdem haben wir alle unseren Spaß. Total verrückt ist, dass die Sonne sich trotzdem weiterhin von ihrer besten Seite zeigt. Mit der Dauer werden die Hände durch das Wasser dann aber doch sehr kalt und das Festhalten an dem Seil hinter dem Rücken dadurch irgendwann tatsächlich schwerer.
Am Ende dauert es fast 40 Minuten, bis wir als vorletztes Boot versuchen das Sidegate zu erreichen, schaffen es aber nicht beim ersten Versuch. Aufgrund einer großen Welle müssen wir einmal mit Vollgas abdrehen und einen erneuten Versuch starten. Dabei werden wir natürlich mal wieder ordentlich nass.
Beim zweiten Versuch gelingt es uns aber, auch wenn die Matrosen sichtlich ihre Schwierigkeiten haben und das Festmachen viel Kraft abverlangt bei den Verhältnissen. Nach und nach steigen wir aus. Erst zurück an Bord wird uns die Situation wohl so richtig bewusst. Denn wir blicken in jede Menge besorgte Gesichter der Besatzung. Man ist froh, dass bisher alle wieder unbeschadet zurück an Bord sind. Am Ende kommen zum Glück alle zwar nass, aber gesund und ohne Blessuren wieder zurück an Bord.
In der Kabine ziehen wir erst einmal die nasse Kleidung aus und waschen die Salzkrusten von unseren Regenhosen ab. Die durch Hapag Lloyd gestellten, blauen Jacken können vor die Zimmer gehängt werden. Dort werden sie eingesammelt und getrocknet. Am frühen Mittag werden sie wieder zurück aufs Zimmer gebracht.
Zwar gibt es in der Dusche eine beheizte Wand, an der man Jacken, Schals und Handschuhe im Zimmer trocknen lassen kann, dafür waren die Jacken heute aber zu durchnässt. Das Trocknen hätte wohl doch zu lange gedauert.
Anschließend brechen wir zum Frühstück auf. Obwohl das Hanseatic Restaurant nur bis 9 Uhr zum Frühstück geöffnet hat, dürfen wir uns um 09:10 Uhr noch setzen und auch noch á la Carte bestellen. Man fragt uns auch direkt, ob wir das nicht in dem Zodiac gewesen seien. Denn auch von hier hat man das Treiben gespannt verfolgt.
Mal wieder gibt es zwei Egg Benedict, dazu einen Latte Macchiato für S. und zur Abwechslung mal einen schwarzen Tee für mich. Wir laufen eine kleine Runde übers Buffet und frühstücken noch ganz in Ruhe.
Zurück auf der Kabine ruhen wir uns kurz aus und schauen uns die Bilder vom bisherigen Tag an, bevor wir uns wieder dicker einpacken und uns nach draußen aufmachen. Das Wetter ist herrlich.
Nach wie vor scheint die Sonne, ringsherum sind Eisberge und auch der Wind hat deutlich abgenommen.
Und so entscheidet die Führung des Expeditionsteams, noch ein wenig zu warten und alles zu versuchen, um natürlich auch der zweiten Gruppe diese Ausfahrt zu ermöglichen. Tatsächlich finden sich dann auch noch einige Unerschrockene, die es in die wieder zu Wasser gelassenen Boote zieht.
Währenddessen stehen wir einige Zeit einfach nur auf Deck 9 und beobachten die Szenerie um uns herum. Der Anblick des Gletschers, das Farbspiel des Meeres und die vielen kleinen Eisberge lassen uns einfach nur fasziniert zurück. Was sind wir wieder einmal so froh, all das erleben zu dürfen.
Als dann alle wieder zurück auf dem Schiff sind, verzögert sich die ohnehin schon verspätet Abfahrt kurioserweise noch ein wenig durch einen hartnäckigen Eisberg, der es sich auf dem Anker bzw. der Ankerkette gemütlich gemacht hat und so schnell nicht wieder loslässt. Erst ein beherztes Manöver des Kapitäns bringt uns dann wieder frei und wir nehmen Kurs auf das nächste Ziel, Cooper Bay, welches etwa 18 Seemeilen entfernt ist.
Wir überlegen, wie wir nun die weitere Zeit bis zur nächsten geplanten Zodiac Rundfahrt überbrücken. Auf Mittagessen haben wir beide keine Lust, da wir durch das späte Frühstück noch relativ satt sind. Also beschließen wir uns einfach auf Deck 8 zu setzen, zu lesen und etwas Reisebericht zu schreiben.
Irgendwann entscheiden wir uns mal auf der Brücke vorbeizuschauen. Diese ist meistens für die Gäste geöffnet und kann besucht werden. Ob die Brücke geöffnet ist oder nicht wird anhand eines Schildes angezeigt. Wir suchen uns den Weg auf Deck 7, können aber nicht direkt den richtigen Weg finden. Da kommt es uns gerade recht, dass die Sporttrainerin uns begegnet und ebenfalls auf die Brücke will und uns einfach direkt mitnimmt.
Die Atmosphäre auf der Brücke ist einzigartig. Es ist ruhig und die Aussicht einfach unbeschreiblich.
Vor uns liegt rechter Hand die Cooper Bay. Das nächste Ziel ist also erreicht. Über Funk kommuniziert die Brücke mit den Matrosen und so geht der Anker wieder von Bord. Da nun eine Rundfahrt geplant ist, geht der Kapitän auf die seitliche Nok, um das Wetter zu inspizieren. Sofort wird klar, das wird hier heute nichts. Viel zu windig. Die Anzeige auf einem der Monitore zeigt knapp 40 Knoten.
So schnell wie der Anker fallen gelassen wurde, so schnell wird er auch wieder hochgezogen. Nun kommt Plan B zum Tragen. Eine Fahrt in den Drygalski Fjord.
Der Weg dahin ist allerdings auch schon spektakulär, denn wir fahren durch den Eisberg-Friedhof, den wir schon den ganzen Tag am Horizont gesehen haben. Der Sturm, die Wellen und die immer wieder durch die Wolken brechende Sonne schaffen eine dramatische Kulisse für die fantastisch skulpturierten, blauweißen Giganten. Wir erfahren auf der Brücke, dass die vielen Eisberge in der Region sehr ungewöhnlich sind.
Video:
Auf dem Weg von Cooper Bay zum Drygalski Fjord
Wir passieren einen riesigen Eisberg zur rechten Seite und fahren in den Fjord, der nach dem Leiter der ersten deutschen antarktischen Expedition, Erich von Drygalski benannt wurde. Drygalski selbst hat den Fjord jedoch nie besucht, da seine Expedition in anderen Regionen der Antarktis tätig war.
Video:
Eisberg vor dem Drygalski Fjord
+1 zieht es nach draußen in den Sturm und so trennen sich kurz unsere Wege.
Was für ein Spektakel. Der Wind ist so stark, dass man sich festhalten muss, hinzu kommt noch die Gischt, welche einem ins Gesicht peitscht.
Video: Blick von der Brücke auf den Inspiration Walk.
Ein paar Minuten später "sammle" ich S. auf dem Inspiration Walk ein und wir entscheiden uns die Fahrt durch den Fjord von der Observation Lounge aus anzusehen und dabei eine Waffel zu essen. Mittlerweile ist es ca. 16 Uhr und ein kleiner Hunger macht sich bemerkbar.
In der Lounge ist es proppenvoll. Geradeso ergattern wir noch einen Sitzplatz, wir fühlen uns dennoch nicht wohl, denn ist es laut und einfach zu voll. Dies war jedoch das erste und einzige Mal während der Reise, dass wir dieses Gefühl auf dem Schiff hatten.
Und so gehen wir nach der Waffel auch direkt wieder raus und setzen uns mit einer Decke unter einen Heizstrahler und genießen von dort aus die mächtigen Gletscher, die sich ihren Weg in den Fjord bahnen.
Der enge Fjord mit seinen steilen, schroffen Wänden, deren Gipfel bis in über 1.000m Höhe aufragen, bietet ein spektakuläres Panorama, wobei uns Wolkenschleier die Aussicht ein wenig drüben. Geologisch ist der Drygalski Fjord insofern interessant, als die Gesteine der linken und rechten Seite eine völlig unterschiedliche Herkunft haben und auch verschieden alt sind.
Während unserer Fahrt bis an das hintere Ende des Fjords erhalten wir immer wieder Information zur Geologie über die Lautsprecher.
Für das Auslaufen aus dem Fjord entscheiden wir uns wieder auf die Brücke zu gehen. Vorbei geht's an den Eisbergen hinaus aufs offene Meer.
Wir nehmen endgültig Abschied von Südgeorgien.
Als wir die Südspitze Südgeorgiens umfahren haben, dauert es nicht lange und wir merken, wie sehr uns die Insel vor dem von Westen kommenden Schwell des Zirkum-Antarktischen Stroms geschützt hat.
Der Wellengang nimmt deutlich zu. Wir bekommen noch auf der Brücke mit, wie der Kapitän seine abendliche Durchsage hält. Für die Nacht ist ein Wellengang von 4-5 Meter angekündigt und es könnte etwas unruhig werden.
Und dem ist tatsächlich auch so. Beim Duschen müssen wir uns schon festhalten, so stark schwankt das Schiff mittlerweile. S. trägt nach wie vor ihr Pflaster hinterm Ohr und ist heilfroh. Denn ihr ist zwar nicht übel, aber das ständige Auf und Ab des Magens strengt an und ist einfach unangenehm.
Zum Abendessen gehen wir mal wieder ins HANSEATIC. Heute haben wir Lust auf Wiener Schnitzel und S. merkt relativ schnell nach dem Brot und der Vorspeise, dass es ihr besser geht, bzw. das Schwanken ihr weniger ausmacht.
Wieder zurück auf der Kabine stolpern wir von einer Seite auf die andere. Die Wellen brechen am Schiff und hinterlassen ein ordentliches Schaukeln. Und so sind wir froh, als wir gegen 22:15 Uhr im Bett liegen. Wir machen uns noch einen Film über die Mediathek an und schlafen bei ordentlichem Wellengang recht zügig ein.
Die Nacht über schlafen wir beide sehr unruhig. Durch den Wellengang sind wir starken Bewegungen ausgesetzt und wir spüren richtig wie ins Bett gedrückt werden. Die ganze Nacht über dröhnt und vibriert das Schiff, als es durch die 5 m hohen Wellen mit Kurs Südwest stampft.
Alles in allem eine unruhige Nacht, aber glücklicherweise ohne körperliche Beeinträchtigung.