Im Reddit-Thread dazu wird gemutmaßt, dass der Passagier einer Varizenblutung in Folge einer Leberzirrhose zum Opfer gefallen ist.
Dem angeblich 32-jährigen polnischen Arzt, der nur gebrochen englisch sprechen konnte, würde ich eher keinen Vorwurf machen. Wer weiß, wie genau der den Passagier vor Ort ohne Equipment und mit Sprachbarriere untersuchen konnte. Es wird aber für ihn bestimmt auch keine schöne Vorstellung sein, dass er eventuell Einfluss darauf hatte, ob der Passagier heute noch lebt - wenn er dem Pax kein fit-to-fly gegeben hätte, wäre er vielleicht am Flughafen besser untersucht worden.
Das ist durchaus denkbar.
Ösophagus-Varizenblutungen (Speiseröhre) sind tückisch und sind immer ein Notfall.
Sie stoppen auch nicht einfach durch Gerinnung, da bei Funktionseinschränkungen der Leber im Endstadium der Quickwert häufig niedrig ist bzw. ein deutlich erhöhter INR-Wert bzw. eine entsprechend verlängerte Prothrombinzeit vorliegt.
Diese Varizen sind Ausstülpungen der Blutgefäße in die Speiseröhre infolge von Pfortaderhochdruck (das Blut sucht sich Wege an der Leber vorbei bis hin zu Umgehungskreisläufen), die z.B. (allerdings nur am häufigsten) bei der Leberzirrhose (Richtung Endstadium) auftritt, wenn aufgrund des zirrhotischen Umbaus der Leber u.a. der Blutfluss durch die Leber nicht mehr richtig funktioniert. Ursächlich ist das nur zu behandeln, indem die Lebererkrankung kurativ behandelt wird und nicht nur gemanaged wird. Das geht dann bei Eignung Richtung Lebertransplantation oder Palliativmedizin.
Bei mir wurden solche Ösophagus-Varizen erst bei der Evaluation zur Transplantation entdeckt und bekam danach Carvedilol. Das ist ein ziemlich wirksamer Blutdrucksenker/Betablocker, 6,25 mg haben meinen Blutdruck so gesenkt, dass ich nach Einnahme über Stunden erstmal kaum den Kopf heben konnte ohne dass mir schwarz vor Augen wurde. Mein Blutdruckprotokoll war schließlich ausschlaggebend um das Zeug nach TX nicht wieder nehmen zu müssen. Vom zeitlichen Ablauf heißt dass, dass sich das in unter 1 Monaten (Abstand zur letzten, unauffälligen Gastroskopie) entwickelt hat.
Häufig wartet man länger auf einen Facharzttermin.
Bei _bekanntem_ Pfortaderhochdruck und entsprechender Diagnose von Ösophagusvarizen ist man aber eher nicht mehr auf Reisen sondern körperlich bereits ziemlich am Abbauen und verbringt seine Tage eher im heimischen Bett.
Es ist aber durchaus denkbar als Arztvermeider nicht wirklich mit einer Lebererkrankung diagnostiziert worden zu sein (Leber tut nicht weh) und daher nicht über Komplikationen aufgeklärt zu sein.
Wenn keine Transplantation in Frage kommt ist das eventuell auch das letzte-Reise-Thema.
Bei mir wurde das ein paar Monate nach der Transplantation nochmals im Rahmen einer Kontrollgastroskopie kontrolliert - ohne Befund. D.h. diese Ausweichstrategien erledigen sich, wenn da wieder eine funktionierende Leber ist und ich durfte ein weiteres z.N. vor einer zuvor gestellten Diagnose vermerken lassen.
Hier ergeben sich folgende Themen:
a) wusste der Patient von seiner Lebererkrankung - sehr wahrscheinlich ja.
Leber tut zwar nicht unmittelbar weh, aber es gibt in diesem Stadium mehrere äußerliche Anzeichen, die jeder Hausarzt auch ohne Gespräch und Labor versteht: Ikterus (Gelbfärbung) von Haut und vor allem auch der Augen, der Bilirubin-Wert ist mehrfach erhöht, ggf. Aszites (Bauchwasser) - das Ausmaß ist sinnvoll aber auch nur mit Sonographie zur diagnostizieren, ggf. (aber nur manchmal) spider naevi auf der Haut, ggf. auch hepathische Enzephalopathie gleitend über 4 HE-Grade bis Leberkoma. HE Grad 1 fahren viele noch Auto, HE Grad 2 wäre unvernünftig, bei HE Grad 3 ist man unendlich müde und bei 4 im Krankenhaus.
b) kannte der Patient das aktuelle Stadium seiner Lebererkrankung?
Grading ist Facharztsache. In Behandlung kann ein Facharzt das einschätzen, einen entsprechenden Score bestimmen. Child-Pugh-Score A ist noch vergleichsweise unproblematisch (das ist quasi der Einstieg), B und C ist ein Problem. Da wird dann auch bereits in Richtung MELD-Score geschaut, der dann massgeblich für die Warteliste für eine Transplantation ist.
Kontrollen wären da bereits engmaschig, z.B. alle 3 Wochen Blutkontrolle, da sich sowas durchaus rapide fortschreitend entwickeln kann und es dann auch zu Ösophagusvarizenbildung, aber nicht notwendigerweise Blutungen kommen kann
c) Ist ein Patient mit Leberzirrhose fit to fly.
Ohne weitere Komplikationen: eher ja. Insbesondere auch undiagnostiziert bzw. Child-Pugh Grade A.
Es hat nichts mit dem Kabinendruck zu tun. Wenn es dem Patienten schlecht geht könnte ein Arzt an Bord auch nur die äußeren Zeichen sehen (und als Hinweis zur Diagnose nehmen).
d) Ist aus einem Blutspucken automatisch auf eine Varizenblutung zu schließen
Nein, dazu muss man sehen, wie das aussieht. Mit Blutsprenkeln und Schleim kann es z.B. auch aus einer Entzündung der Atemwege stammen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Blut „hustet“ ist deutlich höher als das jemand Blut hochwürgt (da gibt es schließlich eine Ablaufmöglichkeit durch den Magen-Darm-Trakt.
Dem Patienten geht es durch diese innere Blutung durch den Blutverlust bereits schlecht, aber das geht meist noch in den Magen. Erst wenn er hochwürgt sieht man das Blut und dann ist es bereits spät und dringend.
e) Im Notfall (unbehandelt stirbt der Patient binnen weniger Stunden!) geht es zu einem Regionalversorger mit Gastroenterologie und Endoskopie inkl. Notaufnahme. Der Patient braucht auch Bluttransfusion um überhaupt Volumen im Blutkreislauf zu haben, das können durchaus 2 l sein.
Zur weiteren Behandlung braucht man stationäre Aufnahme, eine endoskopische Abteilung, einen erfahrenen Arzt der die Ligatur der Varizen (einzeln) machen kann.
Für mich bietet sich das Bild eines Patienten mit einer Lebererkrankung im Endstadium ohne Therapieoption,
möglicherweise bewusst auf seiner letzten Reise. Ich könnte das ein Stück weit nachempfinden.
Genauso gut ist aber auch möglich, dass der Patient seine Diagnose noch nicht in vollem Ausmaß kannte. Das ist im Volldurchlauf inkl. Klärung der Genese durchaus mehr als ein Monat mit diversen Untersuchungen - Blut, Ultraschall, Leberbiopsie samt Pathologie ist das Minimalprogramm.
Wie gesagt: ich bin kein Arzt, nur notgedrungen zum Profipatient geworden.