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Hier die Meinung von Fly 21. Februar 2010, 13:26 :
Letztlich fliegen doch auch bei OS, LX, BD, Brussels und den ganzen Regionalen (inkl. LH Italia) Flugzeuge, die Piloten und FBs brauchen. Und an denen wiederum hängen zahlreiche Arbeitsplätze am Boden. Alle diese "neuen" Mitarbeiter haben aber ebenfalls ein Recht auf Wachstum und Perspektiven. Und wenn sie nun einmal günstiger arbeiten als etwa die LH Mainline, dann verdienen sie dieses Recht doch ganz besonders - oder leben wir inzwischen in der Planwirtschaft?
Wenn bestimmte europäische Airlines (egal ob sie zur LH-Gruppe gehören oder nicht) günstiger arbeiten und wirtschaften als andere, dann werden diese günstig operierenden Airlines in einem deregulierten Europa mittelfristig Marktanteile auf Kosten der Dinosaurier erobern. Alles andere wäre doch recht ungewöhnlich und unfair. Deshalb ist es doch eigentlich das Normalste auf der Welt, dass LH als Gesamtkonzern solche Strecken, bei denen die Effizienz gesteigert werden kann und soll, um profitabel zu bleiben oder profitabler zu werden, an solche Tochterunternehmen vergibt, die genau diese Effizienzsteigerung bieten. Gerade deshalb wurde der Konzern doch um die Töchter erweitert: um Synergien zu heben und die Effizienz zu steigern. Es macht wenig Sinn, bei OS und BD einen Schuldenberg zu kaufen, wenn man im Gegenzug nicht auch von den Stärken dieser Airlines profitieren darf.
In jedem modernen Unternehmen gibt es interne Konkurrenz: Es gibt Profit Center, die sich intern um Aufträge bemühen müssen. Sind sie zu teuer, vergibt das eigene Unternehmen Aufträge oftmals nach außerhalb, da jede Abteilung für sich profitabel sein soll. Es ist ja gut und schön, eine Hausdruckerei zu haben, aber wenn mir eine nicht zum Haus gehörende Druckerei in Südtirol ständig Angebote macht, die 20% günstiger sind, dann vergebe ich die Druckaufträge nicht mehr im eigenen Haus sondern nach Italien. Das "Profit Center" Hausdruckerei macht dann mangels Aufträge natürlich immer mehr Verluste, es muss folglich entweder effizienter werden, oder es wird/ist überflüssig. Allerdings behandelt LH ihre teuren Mainline-Piloten besser als eine ineffiziente "Hausdruckerei". Denn während LH etwa teurere Call Center wie Kassel (trotz der höheren Kompetenz der Mitarbeiter) gnadenlos schließt und auch am Kunden bis zur Schmerzgrenze Einschnitte macht, wurde bisher kein Mainline-Pilot betriebsbedingt entlassen. Im Gegenteil, es wurde in den letzten Jahren neue Piloten eingestellt, zu den guten Konditionen des Konzerntarifvertrags. Den Piloten ging und geht es also besser als anderen Mitarbeitern, von denen sich LH rigoros trennt, wenn man Einsparungen durch Outsourcing wittert. Man möchte meinen, dass die Mainline-Piloten ihrem Arbeitgeber dafür dankbar wären. Dem ist aber offenbar nicht so. Dabei stehen die Jobs der derzeit beschäftigten Mainline-Piloten doch gar nicht auf dem Spiel, denn LH bietet, so ist der Presse zu entnehmen, den gut bezahlten Konzerntarifvertragspiloten eine Arbeitsplatzgarantie für die kommenden Jahre. In welcher Branche gibt es solche Garantien in der aktuellen Krisenzeit eigentlich sonst noch? Noch dazu für Mitarbeiter, die nachweislich mehr kosten als gleich qualifizierte Kollegen innerhalb desselben Konzerns? Wie sich die Piloten von Cityline, Air Dolomiti, Eurowings etc. wohl dabei fühlen? Schließlich untergräbt bereits eine Arbeitsplatzgarantie für Mainline, wie sie LH auch dieses Wochenende wieder angeboten hat, deren eigene Konkurrenzfähigkeit: sie sind "besser" (im Sinne von günstiger für gleiche Leistung), dürfen aber nicht ran, weil man der Mainline Garantien gibt.
Aber die Garantien reichen der Mainline-VC nicht, sie wollen die billige Konkurrenz im eigenen Hause komplett ausschalten, indem sie darauf Einfluss nehmen möchten, welche Tochterfirma mit welchen Maschinen welche Strecken bedienen darf und welche nicht. Der Versuch der VC, mit Hilfe dieses Streiks jegliche interne Konkurrenz und somit auch das "Profit Center"-Prinzip auszuschalten, ist reinste Planwirtschaft. Und, wie AAI korrekt bemerkt, auch sehr kurzsichtig. Denn das Wachstum der internen Konkurrenz (auch wenn es auf Kosten von Mainline geschieht) führt immerhin zu einer positiven Entwicklung des Gesamtkonzernergebnisses, sodass sich der Konzern, indem er Strecken an die Regionalen und Auslandszukäufe vergibt, mit Hilfe der erzielten Profite weiterhin eine topbezahlte Mainline-Truppe leisten kann. Kommt die interne Konkurrenz dagegen nicht zum Zug, wird LH schlicht und einfach nach AUSSEN hin weniger konkurrenzfähig, dann schnappen sich eben AZ, BA, KL/AF und die zahlreichen europäischen LCCs die Strecken - nur werden diese Airlines sicherlich kein Geld an LH überweisen, damit LH weiterhin eine große Mainline-Flotte mit topbezahlten Piloten unterhalten kann. Und Wachstum gibt es dann bei LH erst recht keines, denn Wachstum gibt's immer nur dann, wenn man damit Geld verdienen kann. LH wird dann, Planwirtschaft sei dank, von der marktwirtschaftlich handelnden externen Konkurrenz an die Wand gedrückt. Und das wird schließlich unfairerweise auch für die eigentlich konkurrenzfähigen Töchter zu einem Problem werden. Denn wenn die Mutter kränkelt und nicht mehr investieren kann, dann geht es auch den Töchtern an den Kragen - mitgefangen, mitgehangen. Und das wäre ziemlich tragisch, denn die Töchter wollten und konnten ja helfen - sie durften es bloß nicht, weil eine sture Mainline-Lobby die neue Planwirtschaft ausgerufen hat, um eigene Privilegien nicht bloß zu sichern, sondern diese mit einem planwirtschaftlich erzwungenen Mainline-Wachstumskurs sogar noch auszubauen - letztlich auf Kosten aller anderen im Konzern.
Aber wir wissen ja, was mit allen Planwirtschaften am Ende passiert. Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Oder die günstigere Konkurrenz.
Mal ganz allgemein: Was für eine seltsame "Gewerkschaft" ist diese VC eigentlich?
Wenn in einem Konzern die Situation besteht, dass unterschiedliche Mitarbeiter bei vergleichbarer Qualifikation für vergleichbare Arbeit unterschiedlich gut bezahlt werden, dann tritt eine richtige Gewerkschaft dafür ein, dass dieses Gehaltsgefälle ausgeglichen wird. Im konkreten Fall müsste die Gewerkschaft VC folglich anbieten, dass die Mainline-Piloten in den nächsten Jahren auf Gehaltserhöhungen verzichten oder sogar Kürzungen akzeptieren, um im Gegenzug die Gehälter der weniger gut bezahlten Kollegen bei den anderen Konzerntöchtern schneller anheben und angleichen zu können. Und das Ganze natürlich ohne irgendwelche Zusatzbedingungen zu stellen, wie Einflussnahme auf die operationelle Planung (welche Konzerntochter bedient welche Strecke mit welchem Flugzeug). Gewerkschaftliches Miteinander bedingt schließlich, dass alle Kollegen innerhalb eines Konzerns die gleichen Chancen haben sollten, beruflich voranzukommen.
Das wäre gelebte Solidarität, ein im Gewerkschaftsleben wichtiger Begriff, deshalb trug eine bekannte Gewerkschaft in Polen früher auch mal diesen Namen. Ihr Anführer wurde später Staatspräsident und bekam den Friedensnobelpreis. Von den Anführern der VC ist Ähnliches vermutlich nicht zu erwarten.