Eine Kurzreise in 'den anderen Teil' der Ukraine

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HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
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Odessa/ODS/UA
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Was zwischenzeitlich geschah

Seit unserer Rückkehr aus Ägypten und meinem letzten Reisebericht sind einige Monate vergangen, jedoch keine Ereignislosen.

Für ein paar Wochen blieben wir noch in Kiev, bevor Anfang Mai der alljährliche Umzug nach Odessa stattfand. Allerdings ist der Mai in Odessa noch ein sehr langweiliger Monat, die Stadt macht sich bereit für den Sommertourismus, wir brachten Wohnung und Terrasse auf Vordermann.

Anfangs nach Kiev ein Schock, gibt einem Odessa das Gefühl, man wäre aufs Land gezogen. Zwar hat auch Odessa über eine Million permanente Einwohner, aber alles geht langsamer von statten, es fehlt die Auswahl an guten Restaurants und Club, die wir aus Kiev gewöhnt sind. Selbst gutes Brot zu kaufen stellt einen vor Probleme.

Anfang Juni erfolgte die im letzten Report angekündigte Reise, es ging nach Portugal, genauer gesagt nach Porto. Eigentlich war die Einreise von Ukrainern im Juni noch ausdrücklich untersagt, mein Freund, der Chirurg ist, stellte uns jedoch ein Dokument aus, dass wir zu einem medizinischen Eingriff reisen würden.

Mit negativem PCR Test und Masken (etwas, das man in der Ukraine schon im Juni nur noch im Supermarkt trug) bewappnet erfolgte der Check-In am KBP problemlos. Einziger Unterschied war der, dass LH aus Kostengründen keinen Vertrag mit einer der beiden Lounges hat, einem der Zutritt trotz SEN-Status und C-Ticket verwehrt wird. Überlebt man auch so, ist aber einfach unschön.

Die Einreisekontrolle am FRA verlief dann schon etwas langwieriger: es wurden alle Dokumente genauestens gelesen und geprüft – doch dann erhielt auch Maryna ihren ersten Einreisestempel in die EU.

Da wir mit ordentlich Verspätung am FRA ankamen (Landung erfolgte zum Boarding-Zeitpunkt des Anschlussfluges) mussten wir nun von B zu A42 rennen, inklusive erneuter Security-Control, ich hatte eigentlich keine Hoffnung. Doch glücklicherweise hatte auch der Anschlussflug Verspätung, und so kam es, dass wir noch 10 Minuten im Flugzeug saßen, bevor ‚Boarding completed‘ vermeldet wurde.

Am OPO Flughafen gab es zu unserer Verwunderung keinerlei Kontrolle, das Herunterladen der portugiesischen Corona-APP hätten wir uns sparen können. Schnell bei SIXT den Mietwagen abgeholt und zu unseren Freunden gefahren. Verwundert hat uns die Disziplin der Portugiesen selbst draußen Maske zu tragen, etwas, an das wir uns erst gewöhnen mussten.

Nach einem Mittagessen bei unseren Freunden fuhren wir ins Sheraton Porto, wo es einen großzügigen Upgrade auf eine Eck-Suite gab.

Die Lounge hatte geschlossen, dafür konnte man jederzeit Getränke, abends Snacks, aufs Zimmer bestellen. Auch das Gym hatte geöffnet, man musste sich jedoch am Vortag anmelden, so dass es zu keinen Menschenaufläufen kam.

Das Frühstück wurde im Restaurant als Buffet angeboten, teils als Selbstbedienung, teils als Tischservice.

Nach dem medizinischen Eingriff am Montag war unser Handlungsspielraum natürlich entsprechend eingeschränkt, bis Mittwoch hielten wir uns größtenteils im Hotelzimmer auf.

Am Donnerstag dann die Nachricht meines Bodyguards, dass er nach Odessa zurückgekehrt sein und das von mir zur Verfügung gestellte Fahrzeug entwendet worden sei, ihn zwielichtige Personen aufgesucht, ihn verprügelt hätten, weil er meinen Standort nicht preisgeben wollte. Er empfahl uns dringend noch eine Woche länger in Portugal zu verweilen, bis sich ‚die Situation‘ geklärt hätte.

Was der Junge jedoch völlig übersehen hatte: er benutzte ein von mir zur Verfügung gestelltes iPhone und das Fahrzeug war auch mit einem GPS-Tracker ausgestattet. So konnte ich unmittelbar feststellen, dass sich Telefon (von dem er mich eben anrief, um mir seine Story mitzuteilen) und Auto an ein und demselben Standort befanden.

Also buchte ich unsere Tickets kurzerhand um, so dass wir nicht stäter, sondern einen Tag früher nach Kiev zurückflogen.

Leider verspätete sich der Flug von FRA nach KBP ungemein, da ein schon am Gate auffälliger Passagier meinte sich im Flugzeug entkleiden zu müssen. Erst als die Polizei den Fluggast abgeführt, sein Gepäck ausgeladen war, ging es mit 1 ½ Stunden Verzögerung in die Luft, Ankunft in Kiev somit erst um 2 Uhr nachts.

Auch in Kiev keinerlei Kontrolle des PCR Tests, so dass wir zügig aus dem Terminal kamen, wo mein Fahrer in seinem Privatwagen bereits auf uns wartete.

Ruckzuck waren wir auf der Polizeistation, erstatteten Anzeige gegen meinen Bodyguard, legten den Polizisten die Telegram-Kommunikation vor, zeigten Standort des Bodyguards sowie des Fahrzeugs, welche sich beide mittlerweile in Kiev befanden.

Mit Zweitschlüssel bewaffnet, von einem Polizeifahrzeug eskortiert, fuhren wir zu besagtem. Standort, wo der Mini direkt an einer Hauptstraße abgestellt war. Schups saß ich im Fahrzeug und in Kolonne ging es zu einer meiner Garagen, wo ich das Fahrzeug sicher unterstellte.

Auf dem Weg machte ich noch kurz ein Foto, schickte es meinem (Ex)-Bodyguard.

Somit war auch dieseStory (für mich) erledigt, mein Ex-Bodyguard hat nun jedoch mit den Konsequenzen seines Handelns zu leben. Wie ich später erfuhr hatte er wegen seiner Fußballwetten große Spielschulden bei unangenehmen Personen angehäuft, welche nun unter Androhungen ihr Geld zurückverlangten. Für den Mini hatte er bereits einen Käufer gefunden, welcher das Fahrzeug in Einzelteilen veräußern wollte.

Der Rest der Monate Juni und Juli verging wie im Flug, Freunde aus Kiev und Europa kamen nach Odessa, meist übers Wochenende, so dass wir ausgiebig in unseren zwei favorisierten Clubs bis lange nach Sonnenaufgang feierten.

Damit wir wieder (relativ) problemlos reisen können, versuchten wir einen Impftermin zu ergattern, was sich speziell für mich, trotz dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung, als schwierig erwies – denn in der Ukraine fehlte es bis auf CoronaVac an Impfstoff, die 220‘000 Dosen Pfizer waren der Polizei und Armee vorbehalten.

Diese Situation änderte sich zum Glück Mitte Juli, als die Ukraine von den USA 2 Millionen Dosen Moderna erhielt, da diese in den USA verfallen wären. Somit schafften wir es am 20. Juli unsere erste Dosis Moderna in einer Klinik in Kiev verabreicht zu bekommen. Nebenwirkungen: keine.

In Europa wären wir beide, da nachweisbar genesen, vollständig geimpft. Nicht jedoch in der Ukraine, wo generell 2 Dosen verabreicht werden, genesen oder nicht.

Auf welche Reaktionen ich bei Freunden und Bekannten stieß verwunderte mich, hier scheinen alle an Fake-News zu glauben. Der beste Spruch war aber der, ob ich keine US$ 300 hätte, um mir ein gefaktes Impfzertifikat zu kaufen. Da war ich dann doch sprachlos !

Mittlerweile ist es auch in der Ukraine so, dass es sehr viel Impfstoff gibt, sich die Mehrheit der Bevölkerung, inklusive meines Fahrers und meiner Haushälterin, nicht impfen lassen wollen.

Nach über 2 Monaten voller Partywochenenden gehen wir beide, vor allem aber Maryna, auf dem Zahnfleisch. All unsere gegenseitigen Beteuerungen es am kommenden Wochenende ruhiger angehen zu lassen, verfliegen spätestens freitags gegen Mitternacht. Und so fasste ich am Montag den Entschluss das nächste Wochenende weder in Kiev noch in Odessa zu verbringen, um erst gar nicht in Versuchung zu gelangen.

Da unsere Zweitimpfung noch aussteht und wir keine Lust auf Tests im 48-Stunden-Takt haben, kamen nur für mich uninteressante Länder in Betracht, so dass ich mich für eine Reise innerhalb der Ukraine entschied, wenigstens mit einer (für uns) neuen Flugstrecke.

Sicher, man hätte die Strecken auch fahren können, nur sind teilweise einfach die Straßen zu schlecht, die Fahrtzeit damit einfach zu lang.

Wo es hingeht und wie, dazu später mehr.
 

Strolf

Erfahrenes Mitglied
27.03.2020
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Wie kann man diesen Schrank von (ex) Bodyguard in einen Mini verfrachten? Einen MINI?!

Vermutlich wollte er sich dafür rächen :yes:

Ansonsten: Freue mich mitzulesen (y)
 
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HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
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Odessa/ODS/UA
Freitag, 13.08.2021

Wie schon erwähnt war der Grund diese Kurzreise einfach der, dass wir einfach mal ein ruhiges Wochenende erleben mussten, um uns etwas zu erholen und dem normalen Trott zu entkommen. In Odessa haben zu viele gute Clubs eröffnet, deren Problem es ist, dass sie sich erst gegen 5 Uhr füllen und bis 8 einen zu gute Party bieten.

Somit entschlossen wir uns innerhalb der Ukraine ein mehr kulturelles Ziel anzufliegen, welches auch ich schon seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr besucht und zudem in recht negativer Erinnerung hatte.

‚Der andere Teil‘ der Ukraine ist für uns ‚der Westen‘. Denn dieser ist von der Architektur, Mentalität, Religion und sogar Sprache eine andere Welt, speziell in Odessa nicht besonders beliebt. Als ich ein paar Bekannten aus Odessa den Plan mitteilte nach Lvov zu fliegen, wurde ich eher ratlos angesehen, mit Kommentaren bedacht ‚na als Deutscher bist Du da beliebt‘ oder ‚was willst Du bei den Faschisten ?‘. Auch Maryna, obwohl zu der Generation gehörend, welche ‚ukrainifiziert‘ aufgewachsen ist, hat mit der Verständigung große Probleme, da sie a) auf eine russischsprachige Schule ging und b) den Dialekt in der Westukraine nur schwer versteht.

Das Flugticket war schnell gebucht, denn seit diesem Jahr muss man nicht mehr zwingend mit einem langen Zwischenstopp in Kiev fliegen, Skyup bietet an manchen Wochentagen nun einen Direktflug zwischen Odessa und Lvov, operated mit einer B737-800. Günstig war das Ticket für einen LCC nicht, ca. EUR 150/Person One-Way, inkl. Gepäck und Sitzplatzreservierung.

Um 12:30 bestellten wir ein UBER zum neuen Flughafen Odessa, wo wir beim Betreten seit langem mal wieder eine Maske aufziehen mussten. Spätestens beim (leeren) Check-In stellten wir dann aber fest, dass wir die einzigen waren, die die Maske noch über Mund und Nase und nicht unter dem Kinn trugen.


Zügig war das Gepäck aufgegeben, wir hatten die Bordingpässe in der Hand und gingen hinauf zur Sicherheitskontrolle, welche auch innerhalb von Sekunden erledigt war.

In der Wartehalle dann die nächste Neuerung: war vor einigen Wochen noch jeder zweite Sitzplatz mit einem Band gesperrt, waren nun wieder alle Plätze verfügbar, auch der Raucherraum geöffnet.


Das erste Mal stand das Flugzeug direkt vor dem Terminal, die Busfahrt blieb uns also erspart. Allerdings ging es nicht direkt durch die Fluggastbrücke zum Flugzeug, sondern die Treppen nach unten, dann mittels eines kurzen Fußmarsches über das Vorfeld zum Flieger.


Zum Glück war der Flug nur zu knapp über 50% gebucht, so dass unser Mittelplatz frei blieb.

Der Sitzabstand war sehr ordentlich, denn Skyup fliegt mit diesen Flugzeugen auch längere Strecken, z.B. nach Sansibar.

Auch die neue Start-/Landebahn ist ein echter Fortschritt, denn der Start erfolgte ohne Angst, dass die Schlaglöcher und Fugen das Flugzeug noch vor dem Start auseinanderreißen.

Pünktlich waren wir im wolkenlosen Himmel über der Ukraine, ich faltete meine Jacke zusammen, machte die Augen zu und schlief bis fast vor der Landung in Lvov.

Im Gegensatz zu Odessa machen wir im Lvov an der Flugzeugbrücke fest, kamen direkt ins Terminal, wo uns bereits überall Ryanair Reklame ins Auge sprang. Wir nahmen unser Gepäck in Empfang, gingen hinaus, bestellten ein ‚Komfort‘ UKLON-Taxi.

Der ältere Skoda Octavia kam sehr schnell, meine Befürchtungen wurden wahr: ich verstand nichts, der Fahrer hätte auch chinesisch sprechen können. Ist für mich Ukrainisch schon ein Problem, komme ich mit dem Lvover Dialekt, extrem weich, genuschelt, gar nicht klar. Auch Maryna musste sich sehr konzentrieren, um sich unterhalten zu können, wahrscheinlich wie ein Hamburger auf dem Münchner Oktoberfest.

Dass Lvov eine andere Welt ist, bemerkt man spätestens in der Innenstadt: statt breiter Prachtstraßen enge Gässchen, was den Verkehr nicht besser macht. Das Gefühl in der Ukraine zu sein, kam mir spätestens hier abhanden.

Zudem ist die Dichte an arabischen Touristen sehr groß, selten habe ich so viele vermummte Damen gesehen. Grund dafür ist, dass unser Präsident bei einem Besuch in Riyadh den Tourismus ankurbelte, es seitdem tägliche Direktflüge zwischen Riyadh und Kiev sowie Lvov gibt. Wir hatten bereits in den Medien erfahren, dass die Araber das milde Klima der Ukraine lieben, sich bereits mit Immobilien eindecken. Aber dass es dieses Ausmaß angenommen hatte war uns nicht klar, selbst in unserem Hotel lag das Halal Zertifikat aus.


Wahrscheinlich ist auch dies der Grund für die völlig überzogenen Hotelpreise, denn pro Nacht in einem 5*-Hotel waren über US$ 200 fällig. Ich hatte über trip.com gebucht, was immerhin eine Ersparnis von US$ 25/Nacht brachte.

Gebucht war das ‚Bankhotel‘, aktuell das erste Haus Lvovs,


untergebracht in einem herrschaftlichen Gebäude, trotzdem modern und stylisch, statt bei den älternen Ukrainern beliebten ‚dorogo-bogato‘-Stil (also barock mit viel Gold und Schnörkeln).


Als Rache für die ‚billige‘ trip.com Buchung gab es dafür eine Abstellkammer, welche wegen des winzigen Fensters eher an eine Gefängniszelle erinnerte.

Nach einer kurzen Vorsprache an der Rezeption gab es dann allerdings ein besseres Zimmer mit echten Fenstern.




Da wir Hunger verspürten liefen wir ein paar Meter über den Opernplatz






zur Uliza Shevchenka


und kehrten im hochgelobten ‚Café Veronika‘ ein,




wo der berühmte ‚Lvover Sirnik‘ angeboten wird, leider nur ein recht schlechter, zu kompakter Käsekuchen – wenigstens war der Espresso wirklich gut.


Dass Lvov sehr touristisch ist merkt man auch hier an den Preisen, ca. EUR 13 für das Dargebotene ist für ukrainische Verhältnisse sehr teuer.

Was uns beim Herumlaufen auffiel, der Renovierungsfortschritt ist in Lvov viel weiter als in Odessa, die Grünanlagen viel gepflegter.

Trotzdem merkten wir schon beim ersten Herumschlendern, dass Lvov so gar nicht unsere Stadt ist, alles sehr ruhig, langweilig. Weiter fiel uns auf, dass die Frauen in Lvov bei weitem nicht so hübsch wie in Kiev oder Odessa sind, wahrscheinlich wegen des geringeren slawischen Einschlags. Maryna fiel ob ihrer Kleidung auf, denn die Frauen in Lvov sind eher europäisch gekleidet, brezeln sich nicht so auf wie im Ostteil des Landes.

Gestärkt zurück ins Hotel, wo ich mir eine starke Kopfschmerztablette einwarf und für eine Weile die Augen zumachte.

Die Auswahl des Restaurants fürs Abendessen gestaltete sich schwierig, denn ‚Ukrainische Küche‘ kam für uns nicht in Frage, zu fettig, zu schwer. So entschieden wir uns für das vom Hotel empfohlene, auf TA hoch geratete ‚Moreryba‘ mit asiatischer Küche, leider auch sehr touristisch in der Altstadt gelegen.


Wir erhielten einen Platz auf der Terrasse, an einem kleinen Park, welcher jedoch gerade renoviert wird.


Schon bei der Bestellung begann die Sprachbarriere, Russisch wollte man mit mir nicht sprechen, Englisch konnte man nicht. Egal, Maryna übersetzte, wobei ihr doch einige Worte im Sprachschatz fehlen.

Das Gebotene war zwar quantitativ überzeugend, Qualität und Geschmack wären. Uns wichtiger gewesen. Auch preislich lagen wir mindestens auf Kiever Niveau, wenn nicht darüber.


Auf dem Rückweg waren die Gassen der Altstadt gut gefüllt, billiger Alkohol steigerte klar die Laune der Touristen.


Im Hotel angekommen ruhten wir uns etwas aus, machten uns frisch, bestiegen ein Taxi und fuhren gegen 00:30 zu Lvov’s angesagtestem Club, dem ‚Fashion Club‘ nahe der Oper.

Schon draußen wurde uns klar, dass wir uns hier nicht auf dem Niveau Odessas oder Kievs bewegen, auch der Eintritt lag mit EUR 3 auf einem Zehntel der Topclubs.


Drinnen wurde uns ein weiterer Unterschied schnell klar: in der Westukraine wird im Gegensatz zur Hauptstadt und Odessa keine russische Musik gespielt, dafür älterer westlicher R&B. Dies hätte uns aber auch vorher klar sein können, hätten wir unseren Verstand eingeschaltet.

Da R&B gar nicht unser Musikstil ist, verließen wir nach 2 Minuten das Etablissement, fuhren zurück zum Hotel und ließen den Tag ausklingen.

Damit war das eigentliche Ziel unserer Kurzreise erfüllt: keine Party sondern Erholung.
 

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
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Odessa/ODS/UA
Samstag, 14.08.2021

Da im Bankhotel am Wochenende Frühstück bis 11 Uhr serviert wird, schliefen wir etwas länger, gingen erst gegen 10 hinunter ins Frühstücksrestaurant, welches bereits zu guten 80% mit arabischen Gästen gefüllt war.


Die Auswahl war zwar vielfältig, aber auch hier merkte man, dass wir auf dem ‚Dorf‘ sind. Kein gutes Brot, bei Käse und Wurstaufschnitt nur lokale Produkte. War dies noch erklärbar, verwunderte uns die Qualität der lokalen Frühstücksspezialitäten, vor allem der ‚Sirniki‘. Sirniki werden aus Quark, Zucker, etwas Mehl; Vanille und Eiern hergestellt, entweder in der Pfanne oder im Backofen zubereitet. Normalerweise sind diese in warmen Zustand im Inneren wunderbar cremig, mit Sauercreme und Marmelade oder süßer Kondensmilch ein Traum.

Mit den Sirniki im Bankhotel hätte man aber jemanden totschlagen können, steinhart, wahrscheinlich mit viel zu hohem Mehlanteil


Auch die Eggs Benedict waren eine Katastrophe: auf harten Toastbrotdreiecken serviert, die pochierten Eier zu lange gegart, die Sauce komplett flüssig.

So fiel das Frühstück eher mager aus, wir machten uns auf den Weg die Stadt zu erkunden.

Wieder ging es über den Opernplatz in die sehr, sehr touristische Altstadt, vorbei am ‚Renok‘, einen ringförmigen Platz (das Wort ‚Renok‘ oder ‚Rinok‘ ist vom deutschen Wort ‚Ring‘ abgeleitet), welcher das Rathaus mit seinem Turm umgibt.




Den Turm kann man besteigen, um von dort einen Panoramablick über die Altstadt zu haben – wir liefen aber weiter die Altstadt hinauf


vorbei an historischem Pulverturm


und Feuerwache,


und weiter auf den Burgberg (von der nur noch Mauerreste übrig sind). Auf der höchsten Erhebung des Hügels der Lubliner Gemeinschaft befindet sich einen Aussichtsplattform, welche den besten Ausblick über Lvov und Umgebung bietet


– natürlich auch sehr touristisch, mit vielen Souvenirverkäufern und den Klängen von Modern Talking.

Auf dem Hinunterweg schauten wir in eine katholische Kirche


und erreichten wieder den Opernplatz, an welchem zahlreiche Geschäfte schon draußen etwas in arabisch bewerben.


8 km Fußmarsch, den Berg hinaus und wieder hinunter, wir hatten uns ein Eis als Mittagessen verdient, bei der Hitze eine Wohltat.

Unweit des Hotels befand sich eine hochgelobte Eisdiele, in welcher das Produkt noch hergestellt und nicht nur aus Pulvern zusammengerührt wird. Ich verdrückte ein Kugel sehr erfrischendes Zitroneneis sowie eine mit Aperol-Geschmack,


bevor es wieder ins Hotel zurückging, wo wir uns etwas erholten.

Um 15:30 war es Zeit fürs Gym, zwar relativ geräumig, aber dennoch bis auf viele Cardio-Geräte nicht besonders gut ausgestattet


Da etwas Eis als Mittagessen nicht besonders sättigt, hatten wir schon relativ früh Hunger.

Unter allen Umständen wollten wir ein Restaurant in der Altstadt vermeiden, ebenso wie ukrainische Küche. Und was sollte in Lvov bei den vielen arabischen Touristen bestimmt in guter Qualität angeboten werden ? Genau, arabische Küche.

Das Hotel empfahl uns ‚Sultan Mangal‘, ein Laden bei dem jeder Sultan sicher die Flucht ergriffen hätte. Doch schon bei unserem frühen Eintreffen saßen nur Araber auf der sich bald füllenden ‚Terrasse‘.


Wir bestellten zwei Hauptgerichte und Lahmacun, alles ordentlicher Durchschnitt und mit zusammen knapp EUR 20 auch nicht teuer


Auf dem Rückweg zum Hotel zählten wir auf knapp einem Kilometer ganze 10 Geschäfte mit ‚Apple‘-Symbol, Verkauf und Service, eine Dichte, die uns schon die ganze Zeit auf unseren Streifzügen durch Lvov auffiel. Ich habe keine Ahnung wer das braucht, ob die Produkte bei uns so viel günstiger sind als in Polen oder Saudi-Arabien.

Am Abend wollten wir etwas hinter die Fassaden der wunderschön renovierten Altbauten der Innenstadt schauen, wir konnten uns einfach nicht vorstellen woher das ganze Geld kommen sollte ganze Straßenzüge zu sanieren. Und unsere Zweifel wurden schnell bestätigt: sobald man in die Durchgänge geht, wo die Hauseingänge liegen, sich in die Treppenhäuser begibt, stellt man fest, dass man dem Schwindel eines ‚Disney Lands‘ unterlegen ist. Denn sobald man die Treppenhäuser sieht, stellt man fest, dass zu einem recht großen Teil eben nur die Fassaden für die Touristen aufgehübscht wurden, in den Häusern selbst es aber katastrophal aussieht. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass es sich meist um Holztreppenhäuser handelt, welche in Kiev und Odessa (wie auch z.B. in Dresden) schon seit weit mehr als 100 Jahren lange wegen des Brandschutzes verboten sind.

Zurück im Hotel überlegten wir uns ob wir einen anderen Nachtclub ausprobieren sollten oder nicht – entschieden uns aber dagegen, holten uns ein Eis bei McD. Auch hier wieder die übliche Routine, Russisch wollte man nicht mit mir reden, Englisch konnte man nicht.

Ich möchte nicht verschweigen, dass wir uns schon heute nach der Möglichkeit einer Umbuchung unseres Weiterfluges erkundigen wollten, leider können wir unsere Fluggesellschaft aber erst am Montag früh erreichen. Lvov ist und bleibt eine Stadt, die mich nicht abholt, ist und bleibt kein Teil der Ukraine, die ich so sehr liebe. Dass aber auch Maryna, welche ohne Vorurteile nach Lvov reiste, diese Stadt völlig kalt lässt, die Menschen und ihr Nationalismus sie dermaßen nerven, hätte ich nicht gedacht.
 

crossfire

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15.04.2012
1.914
330
Da hat er geradezu nachgewirkt ,der Feldmarschall Reichsfürst Grigori Alexandrowitsch Potjiomkin und nicht nur weiland Katharina der Großen etwas vorgegaukelt…
Ansonsten wieder ein launiger Bericht in Zeiten der Pest. Äh, Grippe.
Hoffe, bald wieder mehr hören zu können. Gruß Torsten
 

unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
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Trans Balkan Express
Ich möchte nicht verschweigen, dass wir uns schon heute nach der Möglichkeit einer Umbuchung unseres Weiterfluges erkundigen wollten, leider können wir unsere Fluggesellschaft aber erst am Montag früh erreichen. Lvov ist und bleibt eine Stadt, die mich nicht abholt, ist und bleibt kein Teil der Ukraine, die ich so sehr liebe. Dass aber auch Maryna, welche ohne Vorurteile nach Lvov reiste, diese Stadt völlig kalt lässt, die Menschen und ihr Nationalismus sie dermaßen nerven, hätte ich nicht gedacht.

Also ich mochte Lvov, das mag aber auch an meinem Interesse an der k.u.k-Geschichte liegen. Ich bin ja auch bekennender Sarajevo-Fan.

Ich glaube ich hatte es bereits in einem früheren Thread geschrieben: Verstörend fand ich in Lvov, das bereits im Jahr 2009 dort "Werbebanner" für Petljura der Ukrainischen Volkspartei rumhingen. Das kann einem tatsächlich das Mittagessen verderben. Interessant fand ich den Lytschakiwski-Friedhof, auf dem man die Konfliktlinien der letzten 200 Jahre ganz gut sehen kann.
 
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HON/UA

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28.02.2011
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Odessa/ODS/UA
Sonntag, 15.08.2021

Gegen 10 war der Frühstücksraum gut gefüllt, das Buffet identisch zum Vortag, dafür die pochierten Eier noch mit flüssigem Eigelb. Diesmal wollte ich nicht wieder wie der Trottel vom Dienst dastehen, wies Maryna darauf hin mich bei der Konversation mit dem Presoal nicht zu unterstützen. Schon zu Beginn des Frühstücks machte ich klar, dass ich Ausländer bin, man mit mir bitte Russisch, Englisch oder Deutsch sprechen solle. Leider war dieses Unterfangen auch nur wieder anfänglich erfolgreich, denn nach 5 Minuten kehrte die Bedienung wieder vom Russischen ins Ukrainische zurück, ich saß wieder da wie ein Vollidiot, der nicht versteht was sie von mir will. Ich kann dieses Verhalten nicht verstehen… wenn ich in Thailand bin und im Hotel auf Englisch bestelle, dann antwortet die Bedienung ja auch nicht auf Thailändisch.

Egal, draußen schönstes Wetter, ich wollte mir die Laune nicht verderben lassen. So machten wir uns auf den Weg weitere Höhepunkte der architektonischen wunderschönen und vielfältigen Stadt zu erkunden.

Auf unserem Weg zur Zitadelle entfernten wir uns weiter von der sehr touristischen Altstadt, die Straßen und Wege sowie Fassaden waren weniger aufgehübscht, wir fühlten uns wieder etwas mehr ‚zuhause‘.

Vorbei am vor dem Hotel befindlichen Ivan-Franko-Park mit dessen Denkmal,


an einer Bibliothek,


hinauf die teilweise nicht mehr existenten Stufen


zur auf dem Hügel befindlichen Zitadelle, welche heute ein 5*-Hotel mit Restaurant beherbergt.


Von hier bestellten wir ein BOLT-Taxi zum berühmten Lytschakowskaja-Friedhof (Lützenhofer-Friedhof), dem Hauptfriedhof der Lvover Prominenz, 1787 zur K.u.K.-Zeit angelegt, welcher von allen christlichen Konfessionen benutzt wurde.


Für ukrainische Verhältnisse ist dieser Friedhof exzellent in Schuss, wofür man aber auch einen Eintritt von knapp EUR 2 bezahlen muss – für das Betreten eines Friedhofs !


Bei der aktuellen Hitze waren die schattenspendenen Bäume eine Wohltat, Maryna entschloss sich dem Vortrag eines Tourguides zu lauschen – ich verstand mal wieder nur Bahnhof. Nur zur Erläuterung, auch in Kiev wird nun vereinzelt Ukrainisch gesprochen, aber dort verstehe ich wenigstens den Zusammenhang. Den lokalen Lvover Akzent verstehe ich aber nicht.

Ich kenne Maryna nun schon fast ein Jahr und erkenne an ihrem Gesicht, wenn ihr fast die Hutschnur platzt – und das war der Fall als sie sich der Gruppe abwand, sich mir schnellen Schrittes näherte und mir ziemlich aufgebracht erzählte was der Guide gerade von sich gegeben hatte: Lvov hätte das Recht sich von der Ukraine abzuspalten, da es eigentlich ein eigenes Land (Galizien) sei, dass sie mit anderen dafür kämpfe.

Nein, ich wollte mich heute nicht aufregen, diesen multikulturelle Friedhof genießen,


wo einträchtig Grabstätten von Ukrainern, Sowjetbürgern, Polen und auch Deutschen friedlich nebeneinander liegen.


Auch spiegelt dieser Friedhof die kriegerische Vergangenheit sowie die Zerrissenheit der Region wieder:

So findet man einen neu angelegten Bereich, welcher die Helden im Krieg gegen Russland seit 2014 ehrt,


wie auch einen Teil, welcher die polnischen Soldaten


und deren amerikanischen Helfer (meist mit polnischen Namen)


im Polnisch-Sowjetischen Krieg (1919-1921) ehrt, in welchem Polen versuchte den Grenzverlauf von 1772, als die Einverleibung der Westukraine (Galiziens), wieder herzustellen.

Ich versuche hier kurz uns vereinfacht die Geschichte Lvovs darzustellen:

1256 errichtete der Rus-Fürst Daniel Romanovich von Galizien eine Burg für seinen Sohn ‚Lew‘ (Löwe), woher der spätere Stadtname Lwow oder Lvov rührte.
1340 - 1349 Lvov ist Teil des Großfürstentums Litauen
1349 - 1772 Lvov ist Teil Polens
1772 - 1918 Lvov ist Teil Österreich-Ungarns
01.11.1918 – 21.11.1918 Lvov ist Teil der Westukrainische Volksrepublik
1918 – 1939 Lvov ist Teil Polens
1945 – 1991 Lvov ist Teil der Ukrainischen SSR.
Die polnischen Bewohner (über 50% der ehemaligen Stadtbevölkerung) wurden nach Polen zwangsumgesiedelt, die in Polen lebenden Ukrainer meist in die Regio Lvov und ersetzten die vertriebenen Polen sowie die deportierten und ermordeten Juden (welche ca. 32% der Stadtbevölkerung ausgemacht hatten).


Quelle: Wikipedia

Als stolze Ukrainerin, welche ihr Land liebt, war Marynas Laune komplett am Boden, wir liefen wieder durch den eigentlichen Teil des Friedhofs, bogen von den renovierten Hauptwegen in den mehr ursprünglichen Teil ab, genossen Ruhe und historische Grabmäler, welche oft mit alten Fotos der Bestatteten versehen waren.


Wir verließen den Friedhof, nahmen ein Taxi zurück zum Opernplatz, liefen durch die am Sonntag mit polnischen Touristen verstopfte Altstadt


zum ‚Armenischen Viertel‘, von welchem allerdings außer der armenischen Kirche und ein paar Treppenstufen nicht viel übriggeblieben ist.


Der Italienische Hinterhof, zu welchem wir im Anschluss liefen, wurde zum ‚Museum‘ erklärt, um Eintritt nehmen zu können.

Die Schlange war lang, wir verzichteten dankend auf diesen Nepp, nach über 8 Kilometern Fußmarsch und sengender Hitze liefen wir zurück zum Hotel.

Gegen 15 Uhr bekamen wir Hunger, ‚Altstadt‘ und ‚ukrainische Küche‘ kamen nicht in Frage, ich fand ein Vietnamesisches Restaurant mit guten Bewertungen unweit des Hotels.

Das ‚Saigon Café‘ war gut besucht, die Inneneinrichtung ‚einfach‘, der Service freundlich, die Karte authentisch, die Preise günstig.

Meine Pho war geschmacklich die Beste, die ich in der Ukraine bisher hatte, Marynas Nudelgericht etwas versalzen.


Dafür gab es den typischen Kaffee mit Eigelb, welchen Maryna probierte und für lecker befand. Wir zahlten die Rechnung i.H. v. EUR 11, liefen die 180 Meter zurück zum Hotel.

Hier wurden wir Zeugen einer lautstarken Diskussion an der Rezeption, wo sich ebenfalls russischsprachige Kiever über die Arroganz des Hotelpersonals beschwerten, sie dazu zu zwingen Ukrainisch zu sprechen. Gut zu wissen, dass nicht nur uns dies stört.

Nachdem wir uns ausgiebig ausgeruht hatten, wieder Hunger aufkam, entschieden wir uns eine Restaurantbuchung vorzunehmen, wählten nach reiflicher Abwägung das Restaurant ‚Tante Sophie‘, welches französische Küche mit Spezialität ‚Schnecken‘ anbot.

Unsere Reservierung wurde bestätigt, wir machten uns auf den Weg über den Opernplatz quer durch die sehr volle Altstadt.


Bei Ankunft wurden wir unterrichtet, dass es in der Küche einen Defekt gab, wir uns auf die Terrasse setzen könnten, um etwas zu trinken – die Küche würde den Rest des Abends kalt bleiben.

Wir haben in Lvov wirklich einen Lauf !

Da wir mittlerweile richtig Hunger hatten, entschlossen wir uns in der Touristenfalle Altstadt zu bleiben, wählten ein mexikanisches Restaurant mit sehr guten Rezessionen.

Zum Glück hatten wir kein Problem einen freien Tisch zu ergattern, sehr ungewöhnlich für ein Lokal in den Tripadvisor Top-10.

Wir bestellten ein paar Gerichte, welche zügig auf den Tisch kamen, würzten mit scharfer Sauce nach, waren nicht enttäuscht vom Gebotenen – viel hatten wir eh nicht erwartet.


Nach weniger als einer Stunde waren wir auf dem Rückweg ins Hotel, machten an einem Supermarkt Stopp, um Zigaretten, Coke Zero und Toffifee zu kaufen, bevor wir im Hotel unsere Klamotten in die Koffer warfen, für den Fall dass wir am Folgetag um 9 unsere Flugtickets umbuchen können.
 

Tesla

Aktives Mitglied
13.12.2016
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AKL
Danke, dass du uns an eurem Ausflug teilhaben lässt.

Schon witzig, wie viel die eigene Perspektive ausmacht. Alle mir bekannten Reiseberichte über Lemberg loben die Stadt, bei euch ist es eher andersherum. Das die Westukraine etwas anders tickt, hatte ich anderswo schon gelesen - das man nun aber als russischsprachiger Ansässiger solche Schwierigkeiten hat: Krass.

Den Marketing-Fokus auf Arabern finde ich etwas kurios...auf der anderen Seite ergibt es in Corona-Zeiten aber vielleicht Sinn, denn die geben gerne viel Geld aus und können relativ problemlos in ihre Heimatländer zurückreisen, anders als bspw. Chinesen zurzeit. Könnte mir vorstellen, dass das ein Grund ist.
 
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HON/UA

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28.02.2011
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Schon witzig, wie viel die eigene Perspektive ausmacht. Alle mir bekannten Reiseberichte über Lemberg loben die Stadt, bei euch ist es eher andersherum. Das die Westukraine etwas anders tickt, hatte ich anderswo schon gelesen - das man nun aber als russischsprachiger Ansässiger solche Schwierigkeiten hat: Krass.
Ich denke wenn man als Ausländer nach Lvov kommt, vor allem aus EU, welcher man sich hier mehr zugehörig fühlt als dem Rest der Ukraine, hat man keine Probleme und fühlt sich willkommen. Auch fällt einem dann sicher nicht so sehr auf was sich hinter den neu gestrichenen Fassaden verbirgt, denn man schaut nicht so verwundert und skeptisch nach wie wir.

Lvov ist eine architektonisch eindrucksvolle Stadt, welche von der Vielfalt der Kulturen und Ethnien herrührt, welche der Stadt ihre Stempel aufgedrückt haben. Nur ist diese ethnische Vielfalt leider einem seltsamen Nationalismus zum Opfer gefallen, ebenfalls etwas was einem ausländischen Touristen nicht so auffallen wird wie uns. Maryna hat hier das Gefühl aus Ukrainerin 2. Klasse behandelt zu werden. Sicher, sie könnte mit den Einheimischen auf Ukrainisch sprechen, nur tut sie dies aus Respekt vor mir nicht, da ich dann nicht verstehe worüber sie redet. Und die Reaktionen sind teilweise durchaus aggressiv, auch wenn ich erkläre, dass ich Ausländer bin.

Es ist einfach ein unangenehmes Gefühl für uns in Lvov zu sein.
 

HON/UA

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28.02.2011
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Montag & Dienstag, 16. und 17.08.2021

Unser Entschluss stand fest: wir wollten am heutigen Tag zurück nach Kiev, egal wie.

Um 9 waren wir bereits beim Frühstück, ich rief Motorsich, die Airline für den am Dienstag geplanten Flug von Lvov nach Kiev, an, fragte nach den Kosten der Umbuchung.

Da der Flug fast komplett ausgebucht war, wollte man für die Umbuchung US$ 208 – pro Person. Da ein Flugticket mit Windrose für US$ 74/Person zu kaufen war, entschloss ich mich neue Tickets online zu erwerben, war schnell erledigt war. Beim Online-Check-In stellte ich zu meiner Verwunderung fest, dass statt der üblichen ATR-72 ein Airbus A321 zum Einsatz kommen sollte.

Eigentlich wollten wir noch schnell in ein nahegelegenes Museum, hatten aber übersehen, dass die staatlichen Museen montags geschlossen sind.

Also packten wir in aller Ruhe, begaben uns ins Gym und überbrückten unsere Zeit mit einem doppelten Trainingsprogramm.

Im Anschluss schnell zu Chin-Chin, einer ukraineweiten Kette,


welche asiatisches Essen anbietet, wo wir uns ein Mittagessen gönnten.


Um 15:45 war es dann Zeit das Hotel zu verlassen, die Rezeptionist war verwundert ob unserer frühen Abreise, fragte ob es uns nicht gefallen hätte. Nachdem Maryna das Gesagte übersetzt hatte, antwortete ich auf Englisch ‚we’re flying back to Ukraine !‘ – und draußen waren wir.

Ein Taxi brachte uns vorbei am wunderschönen stalinistisch-klassizistischen alten Terminal zum neuen, charakterlosen Glas-Terminal, wo wir nach Kontrolle der Tickets und Ausweise eingelassen wurden.

Am Check-In war zum Glück wenig los, wir gaben unser Gepäck auf, erhielten zusätzlich zum Elektronischen BP


auch noch gedruckte Boardingpässe.

Durch die Sicherheitskontrolle im 2. Stock (nach Deutscher Zählung 1. Stock) nahmen wir im Wartebereich Platz, warteten auf den Boardingaufruf.


Währenddessen informierten wir uns via ‚Helsi‘-App, um welche Uhrzeit unsere Zweitimpfung Moderna am 18. September stattfinden sollte. Zu unserem Entsetzen mussten wir lesen, dass vor dem 25. kein Moderna Impfstoff erhältlich sein wird.

Damit war unser Aufenthalt in Kiev auch eher sinnbefreit, ich rief die Airline an und buchte unseren Rückflug von Kiev nach Odessa auf den Folgetag um.

Pünktlich ging es über die Fluggastbrücke direkt ins Flugzeug,


gut gebucht, auch hier wieder über die Hälfte aus arabischen Ländern, doch trotzdem blieb unser Mittelplatz frei, so dass wir nicht wie die Sardinen in der Dose sitzen mussten.


Dass der Airbus vormals von Air France betrieben wurde, war deutlich zu erkennen.


Während mit einer ATR 90 Minuten Flugzeit geplant sind, landeten wir mit dem Airbus bereits nach 50 Minuten am Flughafen Borispol, fuhren mit dem Bus zum Terminal, nahmen unser Gepäck entgegen, fuhren hinein nach Kiev zu unserer Wohnung am Botanischen Garten.

Mein Fahrer hatte den Kühlschrank mit den überlebensnotwenigen Dingen (Coke Zero, Wasser und Milch) gefüllt, das Auto stand vor der Türe. So fuhren wir zum Abendessen zu unseres Stammkoreaners, aßen Bibimbap bei herrlichen Temperaturen auf der Terrasse. Er war eine Wohltat wieder zurück im eher liberalen Teil der Ukraine zu sein, auch Maryna fand ihr Lachen wieder zurück.

Der Dienstag wurde etwas zäh, denn wir hatten nichts zu tun, einen Rückflug erst um 19:50.

Nach einem späten Frühstück bei ‚Lubimima Djadja‘


besorgten wir Lebensmittel, welche wir in Odessa nicht bekommen, kauften Schuhe und Kleidung für Maryna, ich ließ mir die Fingernägel maniküren.

Irgendwann war der Abend gekommen, mein Fahrer brachte uns zum Kiev Zhuliany Flughafen, wo wir am familiären Terminal D, dem Inlandsterminal, eincheckten.




Direkt beim Betreten des Terminal wurde der Unterschied zum internationalen Flughafen deutlich: niemand kontrollierte die Zugangsberechtigung, Masken trugen noch maximal 50%.

Durch die Sicherheitskontrolle in den Wartebereich, wo die Passagiere für die beiden Inlandsflüge warteten. Auch hier waren die Absperrungen an jedem 2. Sitz mittlerweile entfernt, dass nur noch die Hälfte eine Maske trug wunderte mich auch nicht mehr.

Um 19:20 stand der Bus vor der Türe,


brachte uns zur AN-24, welche neben der AN-140 für den anderen Inlandsflug geparkt war. Zu gerne würde ich einen letzten Flug mit der einzigen YAK-40 von Motorsich erwischen.

Die Metalltreppe hinauf zum Flugzeug, Kopf enziehen, um nicht an der Oberkante der Türöffnung anzuschlagen und – ein Wunder – von der Flugbegleiterin die Hände desinfizieren lassen.

Wir nahmen im hinteren Teil der Kabine Platz,


denn hier sind die Sitzreihen weiter voneinander entfernt, man kann es sich in den dicken Sesseln bequem machen, atmet den Geruch der verflossenen UDSSR, schaut auf Kunstlederbespannung an der Decke, Gardienen und Bullaugenfenster.


Ja, man könnte von Kiev nach Odessa günstiger und schneller fliegen, wäre aber dann mit einer Boeing unterwegs, müsste hinaus zum Borispol Airport fahren.

Und schon begann das Spektakel, die Motoren wurden angelassen – ein Höllenlärm während man vorbei am Flugzeugmuseum zur Startbahn rollt.

Komischerweise werden die Motoren beim Start unter Volllast wesentlich leiser, die Steigrate ist so gering, dass man noch für eine recht lange Zeit den Panoramablick über Kiev und dessen Ausläufer genießen kann.

Den Rest des Fluges verbrachte ich, wie üblich, im Reich der Träume, bis wir am ODS-Flughafen sehr sanft aufsetzten.

Von der üblichen Außenposition mit dem Bus zum Terminal, das Gepäck vom Band genommen und per UBER nach Hause, wo wir schwanzwedelnd von unserem Mädchen empfangen wurden.

Selten waren wir so froh, dass eine Reise endete, wir wieder zuhause waren, der normale Alltag beginnen konnte. Zudem steht uns ein langes Wochenende von Freitag bis Montag bevor, denn wir feiern den 30. Unabhängigkeitstag – und da wir ein Wochenende ausgeruht hatten, sind wir nun bereit für die anstehenden Parties.


Etwas Lokalkolorit möchte ich nicht vorenthalten: da unser Kühlschrank leer war, fuhren wir zum ‚neuen Markt‘, um uns mit Obst und Gemüse einzudecken. Für mich ist diese Atmosphäre immer wieder toll, viel schöner als in einem Supermarkt.


 

flyglobal

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25.12.2009
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Danke Christian für den ausführlichen Bericht über eine Gegend von der ich nur gehört habe. Auch für den historischen Hintergrund der Zugehörigkeiten zu Ländern. Das hätte ich sonst gefragt, Für euch war es nicht die no.1 Reise, für uns aber ein Erlebnis mit vielen Hintergrunddetails - wie immer bei dir!

Interessant auch die ukrainischen 'Kulturen'- ich zähle die Russlandfreundlichen aber doch stolzen Ukrainer und die Russlandfeindlichen nur Ukraine orientierten westlichen Ukrainer. Im Osten dann wohl die eher die primär russlandorientierten.

Stichwort Bodyguard: wirst du einen neuen engagieren? Die Auswahl scheint echt schwierig zu sein. Was macht man da? Eher älterer Ex Soldat mit gutem soliden Familienbackground (von dir begutachtet) und ca. 2-3 fachem Gehalt als in der Armee + Dienstauto? Background Check?

Danke nochmal wie immer für den Bericht.
 
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Axwell D

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14.06.2019
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CGN
Erst einmal vielen Dank für deinen Bericht, dieser hat mir wieder neue Eindrücke geben können :) Ich bin selbst in einem Monat in Odessa und Kiev und bin echt gespannt.

So fuhren wir zum Abendessen zu unseres Stammkoreaners, aßen Bibimbap bei herrlichen Temperaturen auf der Terrasse.

Darf man den Namen erfahren? Ich bin selbst noch auf der Suche nach guten Möglichkeiten in Kiev essen zu gehen.

Nach einem späten Frühstück bei ‚Lubimima Djadja‘

Das sieht super lecker aus. Leider findet man bei der Suche nach dem Namen bei Google nur deinen Beitrag im VFT. Ich nehme an der Name ist falsche geschrieben?

Screenshot 2021-08-22 124507.png
 

FloLH

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11.07.2015
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DNK und HAM
Sehr interessant der Bericht.
Ich lebe nun schon einige Jahre in der Ukraine und hatte nie diese Sprach "Probleme".
Weder hatte man in Lvov Probleme mit meinem Russisch, noch mit meinem Ukrainisch in Dnipro oder Saporischschja.
 

Karl Langflug

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22.05.2016
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Schöner Bericht. Ich kam in Lvov problemlos mit Englisch durch, praktisch alle jungen Leute sprachen es. Dann trafen wir in Lvov noch eine Frau aus Simferopol, die in der Bar lauthals allen erzählte, wie schön es jetzt auf der Krim sei, seit die Russen das Kommando haben... dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die Transkarpaten wenig nett dreinblicken.

Es ist eine echte Bereicherung, dass man in einem Land so viele andersartige Regionen und Kulturen entdecken kann. Das macht dieses tolle Land doch zu einer echten Brücke zwischen West und Ost.

(Man soll in der CH mal versuchen, mit Schweizerdeutsch in Genf ein Bier zu bestellen ... )
 
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A. B.

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25.09.2018
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Schöner Bericht. Ich kam in Lvov problemlos mit Englisch durch, praktisch alle jungen Leute sprachen es. Dann trafen wir in Lvov noch eine Frau aus Simferopol, die in der Bar lauthals allen erzählte, wie schön es jetzt auf der Krim sei, seit die Russen das Kommando haben... dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die Transkarpaten wenig nett dreinblicken.

Es ist eine echte Bereicherung, dass man in einem Land so viele andersartige Regionen und Kulturen entdecken kann. Das macht dieses tolle Land doch zu einer echten Brücke zwischen West und Ost.

(Man soll in der CH mal versuchen, mit Schweizerdeutsch in Genf ein Bier zu bestellen ... )
Die Transkarpaten (waren wohl auf Besuch in Lvov) waren wahrscheinlich neidisch weil sie selbst auch lieber wieder bei Ungarn wären.
 

coxwain

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15.07.2016
141
49
LEJ
Was zwischenzeitlich geschah

...
Auf welche Reaktionen ich bei Freunden und Bekannten stieß verwunderte mich, hier scheinen alle an Fake-News zu glauben. Der beste Spruch war aber der, ob ich keine US$ 300 hätte, um mir ein gefaktes Impfzertifikat zu kaufen. Da war ich dann doch sprachlos !
...
Das finde ich dann doch recht teuer. Mir sind hierzulande Preise zw. 50-80€ zu Ohren gekommen und dafür gibt es nicht nur das digitale Impfzertifikat, sondern auch die Stempel im Impfausweis.

Vielen Dank für deinen Reisebericht. Bin wie immer gerne mit dabei gewesen.
 

AlexanderM

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22.12.2016
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Hallo Christian.

Stehen aktuell keine berichtenswerten Reisen an? COVID-19 weiterhin bestimmend in Ukraine?

Grüße

Alex
 
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HON/UA

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28.02.2011
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Odessa/ODS/UA
Darf man den Namen erfahren? Ich bin selbst noch auf der Suche nach guten Möglichkeiten in Kiev essen zu gehen.
Han Gang

So findet man es auch in Google Maps. Bitte keine großen Erwartungen (besser gar keine)n an Ex- und Interieur, aber für uns das authentischste asiatische Essen in Kiev und der Ukraine, so ganz ohne Bling-Bling.
 

HON/UA

Erfahrenes Mitglied
28.02.2011
3.825
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Odessa/ODS/UA
Stehen aktuell keine berichtenswerten Reisen an? COVID-19 weiterhin bestimmend in Ukraine?
Wir waren Ende September in Südfrankreich, haben einen Michelin-Run absolviert, 12 Tage, 12 Sterne - und ein paar meiner Lieblingsrestaurants dazu. Nizza, St. Tropez, Provence (Maussane-les-Alpilles), Narbonne, Carcassonne, Albi, Marcoles, St. Emilion, La Roche.

Die letzten 10 Tage im Oktober Barcelona, Valencia (wegen Paella), Toledo und Madrid. Auch hier ging es um Kultur (Museen, Architektur und Essen) - deshalb kein Reisebericht, jeden Tag ein bis zwei Michelin-Restaurants wären fototechnisch für die meisten zu langweilig gewesen, obwohl Landschaft, vor allem die Windmühlen von Don Quijote extrem schön waren.


In der zweiten Novemberhälfte geht es dann mit meiner Verlobten nach Mexiko, vielleicht dann wieder einen Bericht.

COVID ist bei uns noch ziemlich 'angesagt', bei einer Impfquote von unter 20%. Doch, doch, wir haben genug Impfstoff, doch der durchschnittliche Ukrainer denkt man stirbt an der Impfung, nicht an COVID. Jetzt haben wir seit Montag Lockdown, also für Ungeimpfte - deshalb waren am Wochenende die Clubs auch nochmal so richtig brechend voll. Und wir wurden diesmal im Gym und Restaurant wirklich nach dem Zertifikat gefragt. Bin gespannt wie es kommenden Freitag im Club wird.
 

munich1978

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16.04.2009
2.265
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MUC
Wir waren Ende September in Südfrankreich, haben einen Michelin-Run absolviert, 12 Tage, 12 Sterne - und ein paar meiner Lieblingsrestaurants dazu. Nizza, St. Tropez, Provence (Maussane-les-Alpilles), Narbonne, Carcassonne, Albi, Marcoles, St. Emilion, La Roche.

Die letzten 10 Tage im Oktober Barcelona, Valencia (wegen Paella), Toledo und Madrid. Auch hier ging es um Kultur (Museen, Architektur und Essen) - deshalb kein Reisebericht, jeden Tag ein bis zwei Michelin-Restaurants wären fototechnisch für die meisten zu langweilig gewesen, obwohl Landschaft, vor allem die Windmühlen von Don Quijote extrem schön waren.


In der zweiten Novemberhälfte geht es dann mit meiner Verlobten nach Mexiko, vielleicht dann wieder einen Bericht.

COVID ist bei uns noch ziemlich 'angesagt', bei einer Impfquote von unter 20%. Doch, doch, wir haben genug Impfstoff, doch der durchschnittliche Ukrainer denkt man stirbt an der Impfung, nicht an COVID. Jetzt haben wir seit Montag Lockdown, also für Ungeimpfte - deshalb waren am Wochenende die Clubs auch nochmal so richtig brechend voll. Und wir wurden diesmal im Gym und Restaurant wirklich nach dem Zertifikat gefragt. Bin gespannt wie es kommenden Freitag im Club wird.
Glückwünsche zur Verlobung
 

Axwell D

Erfahrenes Mitglied
14.06.2019
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CGN
... jeden Tag ein bis zwei Michelin-Restaurants wären fototechnisch für die meisten zu langweilig gewesen...

Dem schließe ich mich nicht an. Ich bin selbst sehr an sowas interessiert und lasse mich gerade auch dadurch selbst inspirieren. Ich habe meinen Reisebericht leider immer noch nicht fertig, aber wurde dort auch für die Bilder vom Essen und den Drinks gelobt. Wir könnten doch mal einen Michelin Thread starten und dort Restaurants vorstellen 😁