Über zwei Dinge sind wir uns hoffentlich einig: Erstens, wenn der Flug frühzeitig gestrichen wird, gibt's kein Geld. Zweitens, wenn der Flug stattfindet, der Fluggast rechtzeitig zum Check-in erscheint und die Kiste überbucht ist, dann gibt es Geld.
Was nun, wenn frühzeitig wegen Überbuchung umgebucht wird? Daran hat der Verordnungsgeber natürlich nicht gedacht (er hat ja auch sonst an nahezu nichts gedacht). Aber es ist typisch für Pauschalreisen, dass die Fluggesellschaft oder der Veranstalter früher als im Linienverkehr wissen, dass die Kiste zu voll wird. Das liegt am unterschiedlichen Stornierungsverhalten von Touristen und Geschäftsreisenden.
Wenn kurzfristig annulliert wird, dann weil sich der Flug nicht wirtschaftlich rechnet oder ein technischer oder organisatorischer Umstand das nötig macht. Das betrifft dann alle auf diesem Flug gebuchten Gäste und dafür muss dann die Fluglinie eine Entschädigung zahlen. Niemand aber wirft einen Fluggast raus, wenn der Flug stattfinden soll und genug Platz da ist. Wo dies dennoch frühzeitig geschieht, wartet man bloß nicht bis zum Abflugtag, um dem Fluggast zu sagen: "Alle anderen ja, du leider nicht!" Das aber ist genau die unfreiwillige Nichtbeförderung.
Ich weiß ja, worauf du hinaus willst, und ich stimme dir zu. Aber die Erfahrung zeigt, dass das eine akademische Diskussion ist. Denn DASS der Grund für die Umbuchung eine "Überbuchung" ist, wird der Fluggast in der Regel ja nicht erfahren. Er kann sich das womöglich denken, nur hilft ihm das vor Gericht herzlich wenig.
Auch erkenne ich kein schützenswertes Interesse, denn für den Fluggast kommt es auf ein- und dasselbe raus: Ob nun der gesamte Flug ausfällt oder aber nur "sein Flug", macht für ihn keinen Unterschied.
Halte deine Lösung aber für durchaus vertretbar. Sie hat zudem den Charme, dass Richtern die EuGH-Rechtsprechung der "individuellen Annullierung" nur schwer zu vermitteln ist. Gebe zu, dass ich das im Einzelfall für den Mandanten auch so durchsetze. Klassiker ist dabei nicht die Überbuchung, sondern die Nichtbeförderung wegen angeblich verspäteten Erscheinens am Gate. Hier reiben sich VO und Praxis der Fluggesellschaften, da die VO bekanntlich ein "zu spätes Erscheinen am Gate" nicht kennt, sondern lediglich das verspätete Erscheinen zur Abfertigung. Hingegen die Fluggesellschaften bekanntlich eine Boarding-Zeit vorgeben. Erscheint also ein Pax rechtzeitig zur Abfertigung, findet aber gleichwohl das Gate schon geschlossen vor, wenn er am Gate erscheint, entstehen regelmäßig Nichtbeförderung-Ansprüche, sofern die Beförderung objektiv noch möglich wäre. In dieser Konstellation wird den Betroffenen gerne ultimativ erklärt, dass ihr Ticket in vorgegebener Reihenenfolge abgeflogen werden müsse und mithin nicht nur der verpasste Hin-, sonder auch der Rückflug verfallen sei.
In dieser Konstellation findet also gerade keine Umbuchung etc. statt. Der Fluggast ist weiter im Besitz seiner Buchungsbestätigung. Ihm wird lediglich - vorgelagert - gesagt: Ohne dich! Das schreit dann auch für den Flug, der erst später als in 14 Tagen erfolgt, nach einer Kompensation. Aber auch hier ist durchaus denkbar, den Fall unter Annullierungsgesichtspunkten zu betrachten und dem Fluggast daher für den Rückflug die Kompensation zu verweigern. Da setze ich dann darauf, dass das Gericht noch nie etwas davon gehört hat, dass ein Flug rechtlich auch dann "gestrichen" sein kann, wenn er tatsächlich (womöglich sogar pünktlich) durchgeführt wird.