Ich hab mit Frankreich nichts am Hut...

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ca18055

Reguläres Mitglied
05.08.2017
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Ich hab mit Frankreich nichts am Hut...​

Vorgeschichte​

Im Oktober des Jahres vor der Seuche​

Wir sitzen gemütlich mit Käffchen und Apfelkuchen...
„Schatz! Schau doch mal bei Secret Escapes!“
„Wieso das denn?“
„Die haben ein 25hours günstig im Angebot!“

Hm. Ich mag die Hotels dieser Kette, und seitdem sie bei Accors Vielschläferprogramm integriert sind, noch viel mehr.
„Welches?“
„Paris, Schatz! Paris! Stell Dir vor!“

Das hatte ich befürchtet. Paris… ich habe, anders als die Holde, so überhaupt keine Beziehung zu Frankreich. Mich zieht es nicht nach Paris, wirklich nicht. Aber was tut man nicht alles, um der Holden gefällig zu sein. Ich mustere das Angebot bei Secret Escapes: Nicht schlecht, alles was Recht ist: vier Nächte in einem Zimmer der Large-Kategorie, Frühstück inkludiert, und das zu einem Preis, zu dem man sonst in Paris mit Glück eines der besser gelegenen IBISse gebucht bekommt. Deal!
„Willst Du buchen oder soll ich?“

Mach mal. Also macht die Holde und bucht für Ende März 2020. Wir haben jetzt ein halbes Jahr Zeit, uns zu freuen. Die Flüge buchen wir bei der Gelegenheit auch gleich mit: von RLG über MUC nach CDG und das ganze retour. Die zwei Rotationen, die es jetzt fast täglich von Rostock nach München gibt, sind wirklich perfekt. Okay, manchmal ist das Overlay in München etwas lang, aber die Zeit kann man ja maximierend in der Lounge abhängen.

Im Frühjahr des Jahres der Seuche​

Seit zwei Wochen schaffe ich im Homeoffice. Man gewöhnt sich dran, notgedrungen. Man gewöhnt sich auch an tägliche Telkos mit dem Chef, genannt Die Morgenlage.
„Bis morgen dann!“
„Nö. Ich lasse mich in den nächsten Tagen vertreten.“
„Wieso?“
„Ich bin in Paris, Chef!“

Ich kann die Panik in der Stimme des Chefs tatsächlich hören, als er nachfragt: Paris, das könne ich doch nicht ernst meinen - so, wie die neue Seuche dort wüte, das sei doch lebensgefährlich!
„Nö. Aber wir wären nach Paris geflogen, wenn nicht die Seuche… Und den Urlaub hab ich nunmal eingetragen.“

Wir hatten in den letzten Tagen versucht, das Zimmer über Secret Escapes zu stornieren, aber Secret Escapes wimmelte ab, als wir tatsächlich mal jemand an die Strippe bekamen: man möge das Hotel kontaktieren. Das Hotel wiederum stellte sich tot. Die Hansa hatte es geschafft, alle vier Segmente unserer Buchung zu streichen, irgendwann würden wir sicher die Kohle erstattet bekommen, da war ich sicher - aber dem könnte man nachgehen, wenn das Leben wieder einigermaßen funktionieren würde.

Im Frühsommer des Jahres der Seuche​

Das Leben funktioniert wieder einigermaßen. Langsam. Man macht sich locker. Die Hansa hat die Tickets tatsächlich ohne Murren und Zicken, nur halt erst Wochen später, erstattet, und das Hotel schickt uns unverhofft eine Mail: Man bedauere, dass wir nicht hätten anreisen können, und man würde sich freuen, uns zu einem späteren Zeitpunkt begrüßen zu können. Da freuen wir uns doch mal gleich mit.
„Zu Deinem Geburtstag, Schatz?“
„Hmm… im Dezember isses auch in Paris duster.“

Und es sind vielleicht nicht so viele Touristen in der Stadt. Gut, dann halt im Dezember nach Paris, warum auch nicht. Und ich hab es endlich hinter mir. Das Hotel bekommt eine Mail, und die Lufthansa eine Buchung. Dumm nur: die Rotation zwischen MUC und RLG hat den Weg zurück in den Flugplan noch nicht gefunden... und wir befürchten, dass die Buletten das mit BER tatsächlich hinbekommen und wir unser geliebtes TXL verlieren. Wir erinnern uns dunkel: vor neun Jahren hatten wir auch schon mal Tickets ab BER...

Im Winter des Jahres der Seuche​

Die Seuche hat Europas Politiker wieder voll im Griff, und diese wiederum halten ihre Völker mehr oder weniger effektiv in Einzelhaft. Die Hansa würfelt ihre Flugpläne lustig durcheinander, die automatischen Umbuchungen zaubern die eine oder andere Lachfalte ins Gesicht des Lesers. Die Tickets stellen wir erst einmal auf Standby, wir glauben an den kommenden Sommer und an To-Big-To-Fail in Sachen Lufthansa. Auch das Hotel meldet sich: Man bedauere, dass wir nicht anreisen dürften, aber aufgrund behördlicher Auflagen und so weiter und so fort müsse man leider zusperren… Man würde sich freuen, uns zu einem späteren Zeitpunkt begrüßen zu können. Da freuen wir uns doch mal gleich mit.

Ach ja: Wir mögen unsere Buchung doch bitte bis Ende des kommenden Jahres irgendwie abschlafen. Kriegen wir hin. Wir glauben an den kommenden Sommer.

Im Sommer des zweiten Seuchenjahres​

Wir haben das 25hours in Paris gebucht für Mitte August.
Wir haben die Tickets von der Hansa auf Mitte August umschreiben lassen.
Wir haben Tickets bei SNCF gekauft, für’n Appel und ’n Ei, von Paris nach Bordeaux mit dem Unerhörten TGV und mit dem popeligen InterCite von Bordeaux nach Marseille.
Wir schauen gebannt auf die Inzidenzen, die viel früher nach oben klettern als im letzten Jahr.
Wir schauen täglich bei SPON, ob LeGroDAF, der Letzte Grosse Deutsche Arbeiterführer, seine Truppen im Vergleich zu den Piloten der Hansa keineswegs auskömmlich bezahlter Lokvögel mal wieder in einen Streik hetzt - und buchen sicherheitshalber schon mal einen Parkplatz am BER statt eines Bahntickets dorthin. Sorry, liebes Klima. Und:
Wir schauen hier immer wieder im Flugstreichungen-Thread nach dem Rechten.

Dann packen wir das Auto voll und düsen los…
 

schlepper

Erfahrenes Mitglied
31.08.2016
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FRA
War im Februar letzten Jahres für ein Konzert in eben diesem Hotel. Die Anreise per Flug ist ein Frevel, bei dieser Lage. ;)

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Das Hotel war aber Klasse, ebenso das israelische Restaurant.
 
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Reaktionen: MaBo und red_travels

ca18055

Reguläres Mitglied
05.08.2017
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Die Anreise per Flug ist ein Frevel, bei dieser Lage. ;)
Achwas. Streng genommen, sind wir ja mit der Bahn angereist: RER von CDG... :cool:

Samstag​

Wir düsen los, und wir kommen gut durch. Kaum Stau, nirgends. Auf der A115 fällt uns schmerzhaft auf, dass jeglicher Hinweis auf unser geliebtes TXL von den blauen Hinweistafeln an der Autobahn getilgt wurde. Gelöscht und vergessen? Vergesst es…

Mein allererster Flug nach der Maueröffnung ging nach… okay, das war eine TU134 von SXF nach VNO. Mann, was hab ich über das Fenster in der Flugzeugtoilette gestaunt.

Der zweite Flug nach der Maueröffnung ging nach… okay, das war wieder eine TU134 nach Ivanka Bratislava, und wieder von SXF. Das bewusste Fenster kannte ich da schon.

Aber der dritte Flug nach der Maueröffnung, ganz gewiss: Aeroloyd, von TXL nach KEF. Das Fluggerät hab ich verdrängt, wird wohl ein A320 gewesen sein…
„Schatz, pass doch auf!“

Mach ich doch. Weiß doch jeder, dass am Dreieck Charlottenburg besser gleich nach nach links schnippelt, wenn man halbwegs vorwärts kommen will. Unfallfrei erreichen wir unser Hotel im Süden Berlins.

Wir beziehen unser Zimmer, gehen erst auf der Freundschaftsinsel in Potsdorf spazieren und im Anschluss lecker italienisch essen. Eingecheckt haben wir schon daheim, samt allen Formularkrams, der uns im Namen der Seuche abverlangt wird. Auf unseren Bordkarten steht ADOK - passt. Unser Visum für den Flieger, unser Visum das Ausland.

Sonntag​

Der Wecker klingelt zeitig. Trotz ADOK sind wir unsicher, ob wir kurz vor knapp vor’s Terminal rollen können oder uns lieber einen großzügigen Zeitpuffer gönnen sollten. Wir entscheiden uns für den Zeitpuffer.
„Schatz, mir geht es nicht so gut. Ich brauche heute etwas länger.“

Hm. Uhrenvergleich - noch ist Zeit. Aber wenn die Holde körperliche Beschwerden anmeldet, ist das ernst zu nehmen. Die Holde ist hart im Nehmen. Unerfreuliche Geräusche aus dem Badezimmer.
„Ich lege mich kurz nochmal hin…“

Uhrenvergleich - noch ist Zeit, aber nicht mehr viel.
„Magst Du ein Stück Banane probieren?“

Die Holde mag nicht, würgt die Südfrucht vom Obstteller aber dennoch herunter. Dann beisst sie mutig in einen Plattpfirsich. Fehler. Hektik, dann wieder üble Geräusche aus dem Badezimmer. Mir wird klar: das wird nichts. Ich greife zum Telefon.
„Was machst Du?“

Was wohl? Auschecken, stornieren.
„Können wir nicht später fliegen? Mittwoch vielleicht?“

Wir könnten, klar. Nur bräuchte man dazu ein umbuchbares Ticket, aber das haben wir nicht. Der Sparfuchs bucht Saver… Aber Moment, da war doch was? Das Ticket ist ja derart alt, dass es kostenfrei umgebucht werden kann, der Seuche wegen!
„Du traust Dir das zu? Mittwoch?“

Die Holde nickt schwach: Mittwoch. Also los.

Lufthansa-Hotline: zwei Stunden Wartezeit. Nett, dass die das einem jetzt gleich am Anfang sagen. Irgendwie komme ich nicht damit klar, dass die Kapazitäten im Callcenter im Jahr 2 der Seuche immer noch nicht vernünftig nachgesteuert sind.

Okay… Wenn es die Hotline für das Fussvolk nicht tut, dann muss ich halt den Status bemühen, auch wenn es bloss der popelige FTL ist. Nur zweimal Klingeln… Eine knappe halbe Stunde später fühle ich mich gut beraten und betreut und hab zwei umgebuchte Tickets für den Mittwoch. Die beiden ersten Segmente finden jetzt in D statt, und für die Preisdifferenz buchen andere eine Woche Malle samt Flug, aber egal. Immer noch besser, als daheim abzuhängen und sich endlos über das Malheur zu ärgern.

Als die Holde wieder einigermaßen kann, ohne gleich wieder Anwandlungen zu bekommen, brechen wir auf. Auskurieren kann die Holde sich daheim.

Mittwoch​

Die Holde hat sich daheim auskuriert. Ich auch, denn ich hing daheim ähnlich über dem Sanitärporzellan wie die Holde zwei Tage zuvor in Potsdorf.

Wir haben das ADOK auch für die neuen Bordkarten.
Wir haben das Hotel in Bordeaux storniert.
Wir haben die Bahntickets von Paris nach Bordeaux ebenso storniert wie die Tickets von Bordeaux nach Marseille. Freundlicherweise Full Refund, der in Frankreich im Schienenpersonenfernverkehr neu eingeführten 3G-Regel wegen. Zwei neu gebuchte Tickets von Paris nach Marseille haben wir jetzt auch.
Und das 25hours in Paris?

Am Sonntagmorgen hatte ich dort angerufen: wir würden gern am Mittwoch anreisen statt am Sonntag - ob das denn ginge? Das könne man mir nicht sagen, und schon gar nicht sofort - aber man würde uns zurückrufen. Okay… merci vielmals.

Natürlich glaube ich nicht daran, dass mich irgendjemand irgendwann zurückruft, doch ich liege falsch: Tatsächlich klingelte am Sonnntagnachmittag mein Telefon. Man hätte unseren Wunsch geprüft und würde ihm auch gern entsprechen, aber leider sei die Buchung über Secret Escapes erfolgt. Keine Änderung durch das Hotel, unmöglich, ausgeschlossen, auf absolut ganz gar keinen Fall. Aber wenn vielleicht Secret Escapes…? Okay, merci vielmals.

Natürlich glaube ich nicht daran, dass sich Secret Escapes für diesen Fall interessiert - aber den Anruf ist es mir dann doch wert. Nachdem ich mich durch ein gefühlt 37stufiges Menu gehangelt habe, bekomme ich einen echten Menschen, eine echte deutsche Muttersprachlerin an die Strippe. Die lässt sich den Fall schildern, erfragt gefühlt 37 verschiedene Buchungsdaten und bescheidet mir, man würde den Fall prüfen. Peng - und schon ist die Leitung tot. Okay, merci vielmals.

Natürlich glaube ich nicht daran, dass ich, dass wir von Secret Escapes in unserer Angelegenheit jemals irgendeine Antwort bekommen, doch ich liege falsch. Am Montag trudelt eine E-Mail von Secret Escapes ein. Man habe den Fall geprüft, das Hotel kontaktiert, und dort würde man sich freuen, uns am Mittwoch begrüssen zu dürfen. Eine Buchungsbestätigung würde uns vom Hotel übermittelt - tatsächlich war die veränderte Buchungsbestätigung fast zeitgleich mit der Mail von Secret Escapes bei uns aufgeschlagen.

Merci vielmals! Mit diesem Entgegenkommen auf Kulanz hatten wir nicht gerechnet - tatsächlich hatte ich den entsprechenden Betrag schon in den Wind geschrieben und vorsorglich das Motel One an der Porte Doree gebucht. Stornierbar, normal.

Am Mittwoch packen wir das Auto ein zweites Mal voll und düsen los…
 

nicolai_bayreuth

Aktives Mitglied
14.06.2020
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NUE/LWO
Werde hier aufmerksam mitlesen und hoffe natürlich, dass ihr beide dann fit für die Reise seid und alles mit weniger Nebengeräuschen klappt, obwohl es natürlich auch bisher schon interessant zu lesen ist.
Kommt mir alles sehr bekannt vor. Meine +1 wollte auch die ganze Zeit nach Paris, ich lieber irgendwohin, wo es interessant ist. Dann habe ich ihr (bzw. uns) zum Geburtstag einen Kurztrip geschenkt. Das war Ende Februar 2019 - in die Freude mischte sich damals schon der Zweifel, ob bekannte Seuche sich nicht ausbreiten könnte. Meine Antwort damals: so schlimm wird es nicht und nach Ostern ist es sicher vorbei. Resultat ist bekannt. AF und Accorhotel-Voucher liegen noch im Postfach und warten darauf genutzt zu werden - hoffe auf Ideen für jemanden, der mit Frankreich auch nichts am Hut hat. :)
 

ca18055

Reguläres Mitglied
05.08.2017
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Musste als gebürtiger Rostocker doch überlegen was RLG ist ;-)
Naja. Hoffentlich ist wenigstens den Strategen der Hansa RLG nicht entfallen in den letzten anderthalb Jahren. Auch künftig sollten Rotationen RLG <> MUC oder RLG <> FRA politisch korrekt sein. Versuch mal, die genannten Strecken in vier Stunden mit der Bahn zurückzulegen... So viele Deutschlandtakte kann der Scheuer Andi gar nicht erfinden, wie es dazu bräuchte. Mal ganz abgesehen davon, dass mbMn alle Deutschlandtakte dieser Welt das Schicksal ihrer entfernten Verwandten namens Bundesverkehrswegeplan teilen werden: Pathologisch unterfinanzierte Luftschlösser zur Erheiterung der staunenden Fachöffentlichkeit.

Aber zurück zum Thema...


Mittwoch II​

Wir düsen los, und wir kommen gut durch. Kaum Stau, nirgends. Naja, fast. Auf der A115 fällt uns ein weiteres Mal schmerzhaft auf, dass jeglicher Hinweis auf unser geliebtes TXL von den blauen Hinweistafeln an der Autobahn getilgt wurde. Gelöscht und vergessen? Vergesst es…

Den Boliden parkieren wir im Parkhaus P3, der Fussweg zum Terminal selbst ist von dort nicht lang - allerdings nicht ganz so entspannt, wie er es sein könnte: Fahrstuhl defekt. Naja, dit is Berlin. Auch wenn der Flughafen außerhalb der Berliner Gemarkung liegt.

Am Check-In gähnende Leere, wir sind unsere Koffer ruckizucki los… auf Wiedersehen in Paris!
„Das Sworn Statement haben Sie ausgefüllt und dabei?“
„Das bitte… ach dieses eidesstattliche Dingsbums? Ja, haben wir.“

Sorgfältigst ausgefüllt und unterschrieben und völlig überflüssig. Spoiler: Keine Sau wird sich jemals für diesen Wisch interessieren.

Bemerkenswert die Priorisierung der geschätzten Kunden an der Sicherheitskontrolle. Der geschätzte Kunde mit Priorität stellt sich an einer gesonderten Schlange an - um am Ende derselben mit dem Pax ohne Status und/oder mit Sitzplatz hinter dem Vorhang zusammenzutreffen - und zwar vor der Siko. Naja, dit is Berlin. Wer hat sich diesen Ulk ausgedacht?

Der Rest ist Tagesgeschäft. Unaufgeregte, sämtlich sehr gut gebuchte Flüge, professioneller Service, Drei-Sterne-Verpflegung bei der Fünf-Sterne-Airline. Tagesgeschäft eben. Fliegendes Personal, das vermutlich jede Schote schon einmal erlebt hat. Beispiel gefällig?

Ein Pax eilt nach vorn.
„Ich muss noch mal raus… ich hab meinen Rucksack in der Raucherlounge vergessen!“
„Das meinen Sie jetzt nicht ernst?“
„Doch! Bitte! Da sind meine ganzen Sachen drin!“
„Okay… aber Tempo bitte!“
Die Türen bleiben auf, die Fluggastbrücke dran. Der Pax stürzt davon. Kurzes Zwiegespräch in der Kabine.
„Willst Du jetzt echt auf den Typen warten?“
„Ist Dir lieber, dass wir das Gepäck ausladen?“
Hätte ich schon erwähnt, dass ich über den professionellen Service der Kabine erfreut war?

Hatte ich schon erwähnt, dass die Prio-Tags am Gepäck ihren Sinn tatsächlich mal erfüllt haben und unsere Koffer zu den ersten auf dem Band gehörten?

Hatte ich schon erwähnt, dass wir uns gewundert haben, in Paris nicht im Terminal 1 angekommen zu sein?

Égal, ça m’est égal. Wir sind in Paris.

Der Weg zum RER ist schnell gefunden, der Bahnsteig präsentiert sich ähnlich abgeranzt wie die Station der U2 am Zoo beispielsweise - Berlin ist offenbar überall. Die Tickets sind schnell gekauft. Dann wird es schwierig. Ein Zug rollt ein, mit „Depot“ beschriftet.

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Die wenigen Paxe auf dem Peron ignorieren diesen Zug, also ignorieren wir mit. Der Zug, den wir nehmen wollen, ist ohnehin für das andere Gleis annonciert. Eine Durchsage, von der wir kein einziges Wort verstehen. Der mit „Depot“ beschriftete Zug wird von den ortskundigen Paxen nunmehr nicht mehr ignoriert, statt dessen steigt man ein. Die Leute werden wissen, was sie tun, denken wir uns, und tun es ihnen gleich.

Wir sitzen. Und nun? Ein weiterer Zug rollt ein, überhaupt nicht beschriftet. Niemand interessiert sich für diesen Zug, also tun wir ebenfalls desinteressiert. Aus dem Augenwinkel aber… Ein Ruck, unser Zug setzt sich in Bewegung. Nun ist es sowieso zu spät, noch auszusteigen.
„Schatz? Dort oben…“

Ah. Okay. Eine analoge Anzeige mit Lämpchen zeigt Fahrweg und bediente Stationen des Kurses. Nächster Halt Gare du Nord - da haben wir sogar einen der wenigen Durchläufer erwischt. Chapeaux!

Mittwoch III​

Das Hotel ist schnell gefunden, der Checkin fix erledigt. Auf Englisch! in Frankreich!!! Unser Zimmer im fünften Geschoss ist liebevoll (und vor allem bunt) dekoriert...

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... hinreichend groß ...

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... und wir haben einen kleinen Balkon hinaus zum Boulevard de Denain.

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Nett.

Von unten dringt Bahnhofsgegendlärm hinauf. Die Fenster dämmen gut, aber nicht perfekt, gegen elf Uhr abends lässt der Krach allerdings schlagartig nach. Wir tippen auf Sperrstunde. Égal, ça m’est égal. Wir sind müde genug und schlafen problemlos ein und durch.
 

ca18055

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Donnerstag I​

Frühstück im Neni im ersten Geschoss. Wir suchen uns einen hübschen Tisch am Fenster mit Blick auf den Platz vor dem Gare du Nord. Filterkaffee gibt es aus Thermoskannen, Espresso wird mit Siebträger auf Wunsch zubereitet. Filterkaffee, wenn wir frischen Espresso bekommen können? Gibt's Fragen?

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Das Buffett ist besser und umfangreicher als wir es in Frankreich erwartet haben. Die Auswahl ist nicht groß, aber ausreichend, und die Produkte sind - soweit wir das beurteilen können - von guter Qualität. Gut gestärkt und vor allem mit vernünftigem Koffeinpegel machen wir uns daran, das touristische Programm abzuarbeiten.

Basilica de Sacre Coeur & Montmartre​

Wir marschieren in Richtung Montmartre. Die Gegend um den Gare du Nord herum ist auch bei Tageslicht nicht die beste, das ändert sich aber schlagartig, sobald wir zwei, drei Blocks zurückgelegt haben. Das Wetter zeigt sich bewölkt und recht kühl, aber trocken. Schneller als gedacht haben wir unser erstes Etappenziel erreicht.

Ich staune über den Auftrieb an Menschen, der hier trotz der Seuche herrscht und mag mir gar nicht vorstellen, wie es denn hier ohne Seuche wäre, quasi im Normalbetrieb.

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Man kann auch in die Kathedrale hinein, nachdem man eine Sicherheitsschleuse passiert hat. Zwei Silverbirds, denen man unschwer die deutsche Herkunft ansieht, hantieren nervös mit Papieren, die ebenso unschwer als Impfnachweis zu identifizieren sind. Mädels, lasst das… die Dinger will hier kein Mensch sehen!

In der Kathedrale selbst wird gerade eine Messe gelesen. Wir sind nicht katholisch, sondern waren mal marxistisch-leninistisch, aber respektieren dennoch uns fremde Kultgebräuche. Man muss nicht lärmend herumwandern, auch von einer Bank in den hinteren Reihen aus kann man die Kirche betrachten und bewundern - und das hat die Kirche auch zweifelsfrei verdient. Prädikat Sehenswert.

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Kyrie Eleison… das haben wir doch tatsächlich verstanden?

Im Anschluss lustwandeln wir noch ein bisschen auf dem Hügel namens Montmartre herum. Hübsch - aber den Hype, der um dieses Viertel veranstaltet wird, kann ich nicht nachvollziehen, allen netten An- und Ausblicken zum Trotz.

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Montmartre ist Touristenfalle par excellence, genau wie Warnemünde, aber wenn’s den Gästen gefällt, why not? Ich gebe zu, bei den lecker anzusehenden Macarons wären auch wir fast schwach geworden…

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Aber eben nur fast.

Auch auf dem Montmartre verfolgen uns Wolken von Urinduft, die bereits am gestrigen Abend in der Umgebung des Hotels - wir hatten kurz nach unserer Ankunft im Hotel noch einen kleinen Rundgang gemacht - unangenehm aufgefallen waren. Am Montmartre (oder auf dem Montmartre?) scheint es zudem ein Rattenproblem zu geben. Allüberall wird auf Hinweisschildern darum gebeten, dass man doch bitte keine Essensreste wegwerfen möge.

Machen wir nicht. Wir genießen noch einmal die Aussicht vom Montmartre auf den sich schier endlos weit in die Landschaft erstreckenden Moloch Paris...

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... und setzen unseren Spaziergang fort. Ohne allzutief Luft zu holen.

Pigalle & Place de Clichy​

Auf dem Boulevard de Clichy spazieren wir nach Westen und erreichen sozusagen zwangsläufig Pigalle. Die älteren unter uns erinnern sich: Die Mausefalle von Paris… Am Pigalle das berühmt-berüchtigte Moulin Rouge.

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Ich bin enttäuscht. Ich bin enttäuscht. Ich bin enttäuscht. Was für ein großer Name, was für ein schäbiger Schuppen! Überhaupt ist die ganze Gegend ein bisschen schmuddelig: Sexshops, Pfandleihen, Bars, Hotels. Stundenhotels. Moment… Stundenhotels?

Ich erinnere mich dunkel, dass Prostitution in Frankreich wohl nicht verboten, aber kurioserweise dennoch strafbewehrt ist. Wovon leben dann die vielen Butzen und Buden rund um Pigalle? In all den Butzen und Buden wird es doch nicht beim Händchenhalten bleiben, wenn das Rotlicht erst funzelt… Rätsel über Rätsel.

Wir wandern weiter, biegen irgendwann nach Südwesten auf den Boulevard des Batignolles ab. Auf der Höhe der Place de Clichy stehen tatsächlich Bordsteinschwalben auf dem Mittelstreifen des Boulevards. Auf dem Mittelstreifen, man beachte: in Berlin bieten die Mädels ihre Dienste am Straßenrand an, nicht auf dem Mittelstreifen…

Vor Jahren: Messezeit in Berlin. Unmöglich, zu akzeptablen Konditionen ein Zimmer in halbwegs zentraler Lage zu bekommen. Mit einer Ausnahme: B&B Potsdamer Platz. Potsdamer Platz, das kann so schlecht nicht sein, dachte sich das Landei, das wird schon passen.
"Babsi, buchen Sie mir doch bitte dieses Zimmer!"
Mir wurde ein Zimmer im Hochparterre zur Potsdamer Straße zugeteilt, mit Blick auf den Berliner Straßenstrich. Die Mädels standen am Straßenrand - nicht auf dem Mittelstreifen. Abends, nicht am hohen Mittag.
Wiederum Jahre später wurde mir bei einem Lehrgang von einem der Mitbelehrten Hintergrundwissen zugetragen, als ich die Story „Landei nächtigt am Straßenstrich“ zum Besten gab. Ja, ich hätte das schon korrekt beobachtet, und in der Dönerbude auf der anderen Straßenseite würden die Zuhälter hocken und die Arbeit der Mädels überwachen.

Hier an der Place de Clichy ist kein Dönerladen in Sicht. Echte Angebote, zur hohen Mittagszeit? Lockvögel der Sittenpolizei? Rätsel über Rätsel.

Die Gegend wird besser, je weiter wir nach Südwesten vorankommen. Wir passieren den Parc de Monceau, eine große, belebte, gepflegte und hübsch eingezäunte Anlage und halten uns immer westlich auf dem Straßenzug, der nunmehr den Namen Boulevard de Courcelles trägt. Kurz bevor wir uns wieder nach Süden wenden, spazieren wir durch ein offenbar von der russischen Gemeinde bevorzugtes Viertel mit passenden Geschäften, Restaurants und...

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... der Cathedrale Saint Alexandre Nevsky. Mit Zwiebelturm, normal.
 
Zuletzt bearbeitet:

ca18055

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Donnerstag II​

Arc de Triomphe & Champs Elysées​

Über die Avenue de Wagram - die Älteren unter uns erinnern sich: eine Schlacht der Franzosen unter Napoleon gegen die Österreicher im Fünften Koalitionskrieg - erreichen wir den Arc de Triomphe. Die Namen vieler der auf die Place Charles de Gaulle mit dem Triumphbogen zulaufenden Straßen möchte man den rotrotgrüngefärbten Bilderstürmern in den Hals stopfen, die in Kreuzberg deutsche Geschichte auf Straßenschildern einfach ausradieren wollen: Wagram! Friedland! Grande Armee!

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Der Triumphbogen selbst rüstet sich für die Umhüllung a la Christo. Besichtigen kann man ihn dennoch, wir verzichten. Einmal quer unter der Place Charles de Gaulle hindurch, um einen Blick auf La Defense zu erhaschen - der Hochhauskomplex an der Peripherie verschwindet und verschwimmt allerdings im Dunst. Schade.

Wir waren mal marxistisch-leninistisch und sind deutsch, also setzen wir unsere schmucken FFP2-Masken als Erkennungszeichen auf und mischen uns in den Trubel auf den Champs Elysees, lassen uns treiben. Wir erwägen, vor einem der zahllosen Restaurants und Bistros Platz nehmen und einen Kaffee oder Espresso und vielleicht eine süsse Schweinerei zu uns zu nehmen, verwerfen den Gedanken aber wieder. Ist man in Bewegung, hält man den kühlen Augustmittag gut aus. In der kühlen Luft aber irgendwo untätig zu sitzen, dürfte eine eher chillige Veranstaltung werden.

Wir passieren die kleine Schwester von Galeries Lafayette…

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… und wechseln dann die Straßenseite. Dort befindet sich der Flagshipstore von PSG. Für einen guten, alten Kollegen will ich einen Pin besorgen. Vor dem Geschäft allerdings irrer Auftrieb und eine abstrus lange Warteschlange: PSG welcomes Messi! Keine Ahnung, ob der frisch vor akut drohender Verarmung aus Barcelona geflüchtete Multimillionär hier vielleicht gerade eine Autogrammstunde gibt.
„Wenn Du Dich wirklich anstellen willst, Schatz…“
„Naja…“
„Dann schau ich drüben mal bei Lafayette rein.“
„Öhm… Wohin wollen wir jetzt? Tuilerien?“

Ja, genau dahin wollen wir jetzt. Unbedingt. Sorry, Herr Kollege. Beim nächsten Mal.

Wir wenden uns auf den Champs Elysees wieder nach Osten, passieren das Große Palais und das Kleine Palais. Man lasse sich vom Begriff „Kleines Palais“ nicht täuschen…

Im Petit Palais präsentiert die Stadt Paris ihr Museum der Schönen Künste, der Eintritt ist frei, aber man würde sicher mindestens einen halben Tag drinnen verdallern, und den haben wir nicht. Beim nächsten Mal. An der Pforte erspähen wir zum allerersten Mal während unserer Stippvisitite, dass der Pass Sanitaire kontrolliert wird.

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Wir spazieren bei der Gelegenheit kurz hinunter zur Seine und werfen schon einmal einen Blick zum Invalidendom auf dem anderen Flussufer. Später, sprich: morgen.

Tuilerien & Louvre​

Die Place de la Concorde ist zu passieren, eine gesichts- und seelenlose Pflasterwüste, bevor wir schließlich den Tuileriengarten betreten. Dieser präsentiert sich uns als eine gepflegte, hübsche barocke Gartenanlage mit Brunnen, breiten, gekiesten Wegen, dressierten Bäumen und gepflegten Rasenflächen.

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Rund um die vielen Brunnen laden unzählige Liegestühle zum Verweilen ein - und die Einladung wird trotz des immer noch recht kühlen Tages vom Publikum gern angenommen. Auch von uns, besser gesagt: von der Holden, denn mich erwischt just im Tuileriengarten ein Anruf. Diese Nummer haben nur wenige Leute, also könnte der Anruf wichtig sein, ich nehme das Gespräch also an. Naja… eine halbe Stunde unnütz verbrannte Urlaubszeit. Aber was tut man nicht alles für seine Gesellschafter…

Zum eigentlichen Schloss, den Tuilerien, hin passiert man den kleinen, aber älteren Bruder des monumentalen Arc de Triomphe auf der Place Charles de Gaulle. Die Quadriga auf dem hiesigen Triumphbogen erinnert mich an die auf dem Brandenburger Tor…

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Hatten die Franzosen nicht zu Napoleons Zeiten die Berliner Quadriga einkassiert? Ist das hier eine Nachbildung? Ich bin neugierig und mache mich schnell sachkundig: nein, diese Quadriga hat mit der vom Brandenburger Tor nichts zu tun - aber eine Raubkunstnachbildung ist es dennoch. Ich lerne, dass nicht nur Deutschland sich für Raubkunst schämen sollte.

Die eigentliche Schlossanlage muss riesig gewesen sein - absolute Monarchen konnten Ressourcen halt nach eigenem Gusto dislozieren. Wir bewegen uns quasi nur innerhalb der Reste des Tuilerienschlosses, große Teile sind bereits in grauer Vorzeit abgebrannt - mir steht quasi der Mund offen.

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Besonders gespannt bin ich jetzt auf die sagenumwobene Glaspyramide des Neuen Louvre - wie würde sich diese moderne, geometrische Form in die barocke Schlossanlage einfügen?

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Mir steht wiederum der Mund offen, im übertragenen Sinne natürlich. Perfekt. Absolut perfekt. Der Springbrunnen ist zwar nicht in Betrieb, warum auch immer, aber ein Foto lohnt dennoch, auch ohne Spiegelung. Denke ich.

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Ähnlich wie Montmartre ist auch der Louvre gut besucht - auch wenn die Wartezonen für deutlich größere Besucherzahlen ausgelegt sind. Wir haben keine Tickets reserviert und schauen mal unverbindlich, wie weit sich die Schlange der Besucher ohne vorgebuchtes Ticket erstreckt.

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Anderthalb Stunden Wartezeit… na, da gehen wir doch lieber noch ein bisschen spazieren. Und außerdem ist unser Koffeinpegel mittlerweile gefährlich niedrig…

Gastronomische Erfahrungen​

Wir entscheiden uns für eine sich frisch und hip gebende Boulangerie namens Bo&Mie. Unsere Entscheidung treffen wir nicht etwa, weil der Laden frisch und hip auf uns wirkt, sondern schlicht und ergreifend, weil wir von der Straße aus im Obergeschoss freie Plätze erspähen - jezze awwer nüscht wie rinn da! Tatsächlich heben wir den Altersdurchschnitt der Gäste signifikant an. Égal, ça m’est égal - Hauptsache, es gibt Kaffee.

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Doch, Kaffee gibt’s.

Mit einigermaßen normalisiertem Koffeinspiegel machen wir uns auf den Rückweg. Zuerst durch lebhafte Seitenstraßen des Boulevard de Sebastopol - auch dieser Straßenname ein Fall für deutsche Straßenschilderstürmer. Der Verweis auf Sewastopol gilt nämlich nicht etwa der Verteidigung von Stadt und Festung durch die Rote Armee im Zweiten Weltkrieg, was bei RotRotGrün vielleicht noch als politisch korrekt durchgehen würde, sondern vielmehr der Belagerung und Eroberung selbiger Stadt und Festung durch unter anderem die Franzosen im Krimkrieg. Jaja, die Älteren unter uns erinnern sich...

Überall Restaurants, viele kleine Geschäfte, man fühlt sich wohl und sicher. Das Bild wandelt sich allmählich, je weiter wir nach Norden kommen, und es kippt, als wir uns irgendwann auf den Boulevard de Sebastopol selbst begeben. Wenn fünf Prozent der sich dort bewegenden Menschen weißer Hautfarbe sind so wie wir, dann sind das viele. Sehr viele. Entsprechend fallen wir auf, entsprechend fühlen wir uns unwohl, obschon heller Tag herrscht. Die Gegend wird übler, als der Straßenname zu Boulevard de Strasbourg wechselt und je näher wir dem Gare de l’Est kommen, und sie wird auf den gut tausend Metern hin zum Gare du Nord nur wenig besser. Wir erreichen den Bahnhof, „unseren“ Bahnhof, besichtigen die Filiale von Five Guys dortselbst und schütteln den Kopf über die dort aufgerufenen Preise. Zurück ins Hotel.

Wir recherchieren: an der Place de l’Opera gibt es auch einen Five Guys. Die Preise sind identisch mit denen, die im Bahnhof aufgerufen werden - aber die Bewertungen der Gäste durch die Bank besser als die für den Ableger der Kette im Bahnhof. Also nochmal los, über die Rue La Fayette nach Südwesten.

Der Spaziergang macht Laune im abendlichen Sonnenschein, die Sonne hat es sich nämlich tatsächlich noch überlegt. Zwei Blocks nach Südwesten, und die Gegend ist wieder gutbürgerlich - erstaunlich. Die tiefstehende Sonne erfreut uns mit netten Schattenwürfen.

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Letztlich bringen wir das Projekt Five Guys Paris doch nicht zu Ende: wir landen bei einem McD. Unsere Bestellung platzieren wir am Automaten, der Sprachbarriere wegen und weil das offenbar alle so machen. Wir hangeln uns durch die Menüs…
„Ey, ist das geil? Die bringen uns das an den Platz. Da können wir uns draußen einen Tisch schnappen.“

Gute Idee von der Holden. Einmal Tap auf „Oui.“

Höhö, Verarsche. Leider heute kein Am-Platz-Service. Vermutlich ebenso wie gestern schon und morgen wieder. Einmal Tap auf „Non.“
„Bezahlen… am besten mit Kreditkarte, oder?“

Einmal Tap auf „Mastercard.“ Kreditkarte rein. Nichts passiert. Nichts passiert. Nichts passiert. Dann passiert doch etwas. Der Automat teilt uns mit: Kreditkarten werden nicht akzeptiert.
„Und was soll das jetzt?“

Keine Ahnung. Hab ich das Ding programmiert?
„Schatz, versuch doch einfach die EC-Kar…“

Abbruch. Da haben wir wohl zu lange überlegt. Gehe zurück auf Los, gebe keine Bestellung auf.

Wir hangeln uns ein zweites Mal durch die Menüs, verzichten von uns auf Am-Platz-Service und zahlen von uns aus mit EC-Karte. Wir zeigen uns als formbare, geduldige und demütige Kunden - anders wären wir ja auch nie zu einem Status bei der Hansa gekommen. Dann bekommen wir unseren Beleg mit der Bestellnummer. Dann. Ähem… wann bitte genau?

Glücklicherweise hat sich die Holde die Bestellnummer gemerkt, die kurz auf dem Bildschirm zu sehen war: C62. Ein Beleg kommt nämlich nicht, solange wir auch warten. Die Bedienung am Tresen hat zum Glück ein Einsehen und händigt uns das Tablett mit der Nummer C62 auch ohne Beleg aus. Aber erst, nachdem sie unseren Pass Sanitaire abfotografiert hat.

Ich wusste nicht, dass es in Frankreich ein McDonalds-Abitur gibt. Wir jedenfalls haben bestanden - ganz sicher aber nicht mit Bestnote.

Auf dem Rückweg ins Hotel besorgen wir uns in einem Carrefour noch ein Feierabendbier und sind dann auch schnell bettreif. Wenn das Handy nicht schwindelt, sind wir heute gut 22 Kilometer über das Pariser Pflaster getappt. Morgen, da treten wir kürzer. Morgen, da fahren wir Metro.

Gute Nacht!
 

BembelHead

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16.11.2017
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Das Bild wandelt sich allmählich, je weiter wir nach Norden kommen, und es kippt, als wir uns irgendwann auf den Boulevard de Sebastopol selbst begeben. Wenn fünf Prozent der sich dort bewegenden Menschen weißer Hautfarbe sind so wie wir, dann sind das viele. Sehr viele. Entsprechend fallen wir auf, entsprechend fühlen wir uns unwohl, obschon heller Tag herrscht. Die Gegend wird übler, als der Straßenname zu Boulevard de Strasbourg wechselt und je näher wir dem Gare de l’Est kommen, und sie wird auf den gut tausend Metern hin zum Gare du Nord nur wenig besser.

Vielleicht wärt Ihr besser zu Hause geblieben wo es nur Menschen mit weißer Hautfarbe gibt? .. So wie Ihr .. :mad:
 
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ca18055

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05.08.2017
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Vielleicht wärt Ihr besser zu Hause geblieben wo es nur Menschen mit weißer Hautfarbe gibt? .. So wie Ihr .. :mad:
@BembelHead und Unterzeichner: Merci vielmals für diesen gleichermaßen diffamierenden wie nutzlosen Beitrag. Typen wie Du (wahlweise: Ihr) tragen ihren Teil dazu bei, dass die Diskussions- und Streitkultur in diesem Land im Allerwertesten ist. Setzen, Sechs!

Weiter im Text.

Freitag I​

Frühstück im Neni im ersten Geschoss. Wir suchen uns einen hübschen Tisch am Fenster mit Blick auf den Platz vor dem Gare du Nord. Filterkaffee gibt es aus Thermoskannen, Espresso wird mit Siebträger auf Wunsch zubereitet. Filterkaffee, wenn wir frischen Espresso bekommen können?

Huch, das steht so doch 1:1 schon beim Donnerstag?

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Anzumerken: Heute für mich Croissant statt Pain au chocolate für mich. Klar die bessere Wahl.

Tour d’Eiffel​

Die Fahrkartenautomaten im Gare du Nord sind dicht umlagert, doch wir sind Fuchs und finden einen, um den sich sonst niemand bemüht. Wir haben schwäbisch gerechnet: mit sechs Tickets sollten wir hinkommen - ein Zehnerpack lohnt nicht und die Tageskarte, die man hier fast mit dem Vierfachen des Einzelfahrscheines berechnet, sowieso nicht.

Wir suchen die Linie 4, die uns zunächst bis Strasbourg-St. Denis bringt. Dort steigen wir in die Linie 9 um, mit der wir dann bis Trocadero fahren.

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Die Rushhour ist vorbei, wir finden problemlos Platz. Die Züge ähnlich den Kleinprofillinien der Berliner U-Bahn recht eng, die Stationen sowieso. Barrierefreiheit ist ein Wort, das die französische Sprache offenbar nicht kennt - wie sich Personen mit reduzierter Mobilität, sprich: PRM, in diesem Nahverkehrssystem selbstbestimmt (oder eigentlich: überhaupt) bewegen sollen, ist mir ein Rätsel. Dies ins Ohr aller im Auftrag der deutschen Sozialkartelle tätigen Anspruchsformulierer - PRM’s leben in Deutschland auf einer Insel der relativen Glückseligkeit und wissen es kein bisschen zu schätzen.

Ein ganzer Pulk von Fahrgästen verlässt Trocadero den Zug: Zugang zum Eiffelturm. Kurioserweise muss man sich jedenfalls an dem Ausgang, den wir benutzen, nicht auschecken...

Am Trocadero wird gebaut, und so ist der Blick auf den Eiffelturm zunächst verstellt. Hundertschaften von Dunkelhäutigen verticken Mini-Eiffeltürme. Imposant ist der Eiffelturm schon aus der Ferne...

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... und aus der Nähe sowieso.

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Zu den Eiffelturmvertickern in dunkel gesellen sich in der Nähe des Turmes Hütchenspieler in hell: „Wo ist der Kugel, wo ist die Ball?“ Ich hatte immer gedacht, diese Masche wäre ausgestorben, aber da lag ich wohl falsch. Mindesteinsatz 50 Euro, das nennt man wohl Inflation - Salvatore kam nach meiner Erinnerung seinerzeit bei RTL noch mit 50 Deutschmark aus.

Wir stellen uns an einer kurzen Schlange an - Seuchenkontrolle. Zum zweiten Mal in diesem Urlaub machen wir Gebrauch von unserem CoVid-Pass. Wir stellen uns ein zweites Mal an: Sicherheitscheck, flüchtig und händisch, doch dennoch nachhaltig: Ein Vater einer sechsköpfigen Familie hat eine nicht geöffnete Dose Kronenbourg dabei und mochte sie auch nicht abgeben - der ganze Trupp wird zurückgeschickt.

Nach der zweiten Kontrolle können wir uns auf dem Gelände unter den vier mächtigen Pfeilern des Turmes frei bewegen. Wir rätseln, welche Schlange, welches Boxoffice nun das richtige für uns ist: es gibt ein grünes, ein gelbes und ein blaues. Es ist das blaue: Treppensteigen bis zur zweiten Plattform. Den Lift zur dritten Plattform klemmen wir uns - man sieht auch von weiter oben vermutlich nur Häusermeer, und Fernsicht gibt es heute auch nicht.

Ein drittes Mal Schlangestehen für Tickets, und ein viertes Mal anstellen für eine zweite Sicherheitskontrolle mit Metalldetektor und Gepäckdurchleuchtung. Dann haben wir alle Hürden überwunden, die zwischen uns und vielen hundert Stufen liegen.

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In gut elf Minuten sind wir die wenigen hundert Stufen hinaufgestiefelt. Geht sicher auch in der Hälfte der Zeit, aber man ist ja nicht allein auf der Treppe, Auch auf der zweiten Plattform ist man nicht allein, es ist gut Betrieb. Wir trösten uns: in einem normalen Jahr hätten wir unten vermutlich eine Stunde angestanden und hier oben wäre die fünffache Menge an Menschen unterwegs gewesen. Schöne Ausblicke in alle Richtungen - ich mochte diesen hier am meisten:

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Nachdem wir uns satt gesehen haben, machen wir uns an den Abstieg. Dieses Mal ohne laufende Stoppuhr. Aus der Ferne erlauben wir uns noch einmal einen Blick auf den beeindruckenden Koloss aus Stahl.

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Vorwärts. Allons!

Hotel des Invalides​

Wir wenden uns Richtung Richtung Südosten, Richtung Invalidendom. Unser Weg führt uns an der Ecole Militaire vorbei. In einem der Gebäude dieser Militärschule wurden früher Offiziere zu Pferde ausgebildet, wie eine Inschrift verrät. Heutzutage wären die Truppen politisch korrekt wohl eher mit akkubetriebenen Leihfahrrädern unterwegs...

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Der Invalidendom ist schnell erreicht. Ein flüchtiger Blick in unsere Rucksäcke, und wir dürfen passieren. Der Eintritt in den Invalidendom kostet, damit hatten wir gerechnet, aber dass man den Eintritt nur als Paket mit dem Eintritt in das Militärmuseum bekommt, gefällt uns nicht - was interessiert uns ein französisches Militärmuseum? Wir verzichten und schauen uns stattdessen die großzügigen Gebäudefluchten von außen an.

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Das Hotel des Invalides verlassen wir auf der der Seine zugewandten Seite und wenden uns in Richtung Jardin du Luxembourg. Im Anschluss schlendern wir die Rue de Varenne entlang und passieren dabei das Hotel Matignon, den Sitz des Ministerpräsidenten. Zwei Beamte bewachen den Eingang, der Passant soll lediglich die Straßenseite wechseln. Erinnerungen werden wach an prächtigste Sultanspaläste im Orient, auf die man lediglich aus der Ferne einen Blick werfen durfte, und wir freuen uns, in Europa leben zu dürfen. Kurze Pause an der Place Saint-Sulpice...

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... die sowohl von einer deutschen Busreisegruppe (links), als auch von einem Influencer-Instagramer-Pärchen (rechts) unsicher gemacht wird. Ja, ich weiß, dass ich Euch im Bild gestanden habe. Ja, es hat mir Spass gemacht. Nein, Du hast keine schönen Beine.