Airlines sind nicht verpflichtet das Gepaeck nach Hause zu liefern, sondern nur bis zum Flughafen. Es hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten als Standard erwiesen, dieses auch an die Wohnort zu liefern.
So, ich versuche es noch ein letztes Mal im Guten, auch wenn ich schon Feierabend habe. Ich bin über diese Sätze von TAZO gestolpert, weil beide Aussagen schlichtweg falsch sind.
1.
Die erste Aussage ist falsch, weil sie das entscheidende Zeitmoment nicht nennt und dadurch eine Fluggesellschaft von einer für den Gepäcktransport elementaren Haftung freistellen will: Eine airline ist nicht verpflichtet, Aufgabegepäck
irgendwann bis zum Zielflughafen des Passagiers zu transportieren (TAZOs fehlerhafte Aussage), sondern dergestalt, dass der Passagier bei seiner Ankunft am Zielflughafen sein Gepäck entgegennehmen kann (korrekte Darstellung der Beförderungspflicht für Aufgabegepäck). Das steht so ausdrücklich nie in den Verträgen (=Ticket oder ABB), ist aber ausnahmslos gelebte Praxis und damit - der Jurist sagt - "konkludenter" Vertragsinhalt. Liefert eine Fluggesellschaft Aufgabegepäck nicht zeitgleich mit der Paxankunft aus, verstösst sie gegen eine vertragliche Pflicht. Pflichtverletzungen ziehen in aller Regel Schadenersatzansprüche nach sich.
2.
Die zweite Aussage ist falsch, weil sie das gesetzlich geregelte Pflichtenprogramm des Schädigers in eine Goodwillaktion der airline umdeuten will.
Art. 19 Satz 1 des Montrealer Übereinkommens lautet:
"Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht."
Muss ich mir aufgrund Gepäckverspätung Schlüpper, Socken, Shirt und Zahnbürste nebst -pasta zulegen, so ist dies ein mir entstandener Schaden, der adäquat-kausal auf die Gepäckverspätung zurückzuführen ist und nach Art. 19 S. 1 MÜ von der airline zu ersetzen ist. Dabei regelt Art. 19 S. 1 MÜ nur das Grundsätzliche "
dass ein durch Gepäckverspätung verursachter Schaden zu ersetzen ist." Zu der Frage, "
wie ein durch Gepäckverspätung verursachter Schaden zu ersetzen ist", äussert sich diese völkerrechtliche Norm überhaupt nicht.
Muss sie auch nicht, denn das ist durchweg nationalrechtlich geregelt, bei uns in
§ 249 Abs. 1 BGB. Der Paragraf ist, wie alle dt. Gesetze, abstrakt-generalisierend gehalten. Natürlich steht da nicht ausdrücklich drin, dass Airlines verpflichtet sind, im Gepäckverspätungsfall dieses an den Bestimmungsort des Reisenden zu liefern. Allerdings sagt die Vorschrift aus, dass zwei Vermögenslagen zu vergleichen sind, nämlich einmal mit und einmal ohne die Pflichtverletzung des Schädigers. Die Ersatzpflicht des Schädigers ist dabei gerichtet auf "die Herstellung des Zustandes, der ohne Pflichtverletzung bestehen würde."
Das bedeutet: Wäre mein Gepäck wie vertraglich vereinbart angekommen, hätte ich kein Geld ausgeben müssen, um mir eine Unterhose pp. zu kaufen. Ohne die Pflichtverletzung hätte ich dieses Geld noch, aufgrund der Pflichtverleztung habe ich es nicht mehr. Die Fluggesellschaft muss also den Zustand herstellen, der ohne die durch sie verursachte Pflichtverletzung bestehen würde (=ich hätte mehr Knete). Bei dieser Saldierung hat aussen vor zu bleiben der Gegenwert für das ausgegebene Geld, nämlich die gekaufte Unterhose. Ganz einfach, weil ich mir ohne die Gepäckverspätung nie im Leben den sechsundfünfzigsten Schlüpper in Doppelripp weiss zugelegt hätte. Das hat z.B. LH nicht beachtet und sich dadurch in den USA entweder eine dicke Geldbusse oder die Androhung einer dicken Geldbusse eingehandelt; rcs hat mal davon berichtet.
Zweite Variante: Wäre mein Gepäck rechtzeitig auf dem Gepäckband an mich ausgeliefert worden, hätte ich es mitgenommen und jetzt bei mir (zu Hause, in meinem Flughafenhotel, in meinem Ferienhotel 130 km vom Zielflughafen entfernt). Da mein Gepäck aber nicht rechtzeitig ankam, hat die Airline die Pflicht, den Zustand herzustellen, der ohne ihre Pflichtverletzung bestehen würde, nämlich dass ich mein Gepäck jetzt bei mir hätte. Wichtig ist hierbei, dass die Fluggesellschaft "den Zustand herzustellen hat, der ohne Pflichtverletzung bestehen würde", nicht der Passagier: der Pax darf also nach dem Gesetz grundsätzlich dasitzen, sich die E*er schaukeln und der airline sagen: mach mal. Dieses "mach mal" bedeutet übersetzt grundsätzlich: liefere mir mein Gepäck an meinen Bestimmungsort (Haus, Hotel o.ä.) aus - es sei denn, darin liegt ein Verstoss des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht aus
§ 254 Abs. 2 BGB. Das jetzt aber noch breitzutreten, dazu habe ich keine Lust mehr.
Dies ist also der gesetzliche Grund, weshalb eine Airline verspätetes Gepäck an den Bestimmungsort des Fluggastes
ausliefern muss.
Ehrlich gesagt finde ich, dass ich mir für diese ausgiebige Stunde an rechtlicher Sonderpädagogik ein dickes bussi von unserem renitenten TAZO verdient habe.
