Kein Anschluss ohne Nummer
Was sich alles hinter einer Flugnummer der Lufthansa verbirgt
Auf den ersten Blick ist es nur eine scheinbar wahllos und willkürlich vergebene Zahl, die hinter dem Kürzel LH für Flüge der Lufthansa steht. Doch was sich alles hinter einer Flugnummer verbirgt und wie kompliziert ihre Vergabe sein kann - kaum ein Laie und selbst nicht alle Profis würden es vermuten.
Einer, der es ganz genau weiß, ist Markus Günther. Der gelernte Dipl.-Kaufmann und Physiker ist quasi der „Herr der Flugnummern“ bei Lufthansa und zuständig für die Organisation der Flugnummern des Konzerns.
Eine knifflige Angelegenheit. Denn mehr als vier Stellen hinter dem so genannten Lettercode für die Airline sind nach Vorgabe der International Airline Transport Association, kurz IATA, bisher nicht erlaubt. Damit beschränkt sich die Anzahl der Flugnummern, die einer Fluggesellschaft zur Verfügung stehen, auf exakt 9999. Das klingt nach viel, kann jedoch für einen großen Aviationkonzern wie Lufthansa, in dem selbst Passagierzüge und -busse sowie LKWs der Cargo unter eigener Flugnummer fahren, knapp sein. Hinzu kommen so genannte Codeshareflüge, die in Kooperation mit anderen Fluggesellschaften durchgeführt werden, zusätzliche Flüge (z.B. für die Fußball-WM), Rundflüge mit der historischen JU 52, Nachtpostflüge. Sie alle brauchen ebenfalls eine eigene Flugnummer. Denn die drei- bis vierstellige Zahl transportiert jede Menge Inhalte. Sie ist Abrechnungscode, besagt, wohin der Flug geht, gilt als Identifikationsmittel für Passagiere, Mitarbeiter und Kommunikationstool für Fluglotsen. Und die Flugnummern gelten auch als Schlüssel für die Reservierungssysteme, bei der Gatebelegungsplanung und der Slotvergabe.
Nicht nur das eingeschränkte Kontingent an Flugnummern stellte den Lufthanseaten vor eine große Herausforderung. Zusätzlich musste er eine ganze Reihe von Faktoren bei der Zuordnung einer Flugnummer zu einem bestimmten Flug berücksichtigen.
Wenn (was früher die Regel war) die Flugnummern auch zur Kommunikation zwischen Cockpit und Fluglotsen dienen, dürfen sich beispielsweise aus Sicherheitsgründen niemals zwei Flugzeuge mit ähnlicher Flugnummer, wie LH 3985 und LH 3895, zur gleichen Zeit auf gleicher Frequenz befinden. Die Verwechslungsgefahr wäre zu groß.
„Früher wurden deshalb Flugnummern häufig geändert. Um das zu vermeiden, ist man im Funksprechverkehr heute weitestgehend dazu übergegangen, Flüge mit ähnlicher Flugnummer mit einer unverwechselbaren dreistelligen Kombination aus Zahlen und Buchstaben zu kennzeichnen. Das gilt zumindest innerhalb Deutschlands und Europas. Die Piloten des Fluges mit der offiziellen Nummer LH 3985 melden sich so beispielsweise bei den Fluglotsen mit dem Code DLH 5CP, gesprochen ‚Lufthansa five Charlie Papa‘“, erklärt Markus Günther.
Selbst auf Aspekte des Aberglaubens bei der Vergabe von Flugnummern wird hin und wieder Rücksicht genommen. So findet man in den Flugnummern für Asien häufig die dort als Glückszahl geltende 8. Und eine Zeit lang wurden 1300er Flugnummern aufgrund der verborgenen „Unglückszahl“ ausschließlich für die Codierung von Nachtpostflügen und nicht für Passagierflüge der Lufthansa verwendet. Aber das sieht man heute bei Lufthansa weniger emotional.
Markus Günther hat in Zusammenarbeit mit den einzelnen Abteilungen System in das vermeintliche Zahlenchaos gebracht. Und das ganz ohne Hilfe einer ausgeklügelten Software, sondern „per Hand auf einem Blatt Papier“.
Grundsätzlich sind die Lufthansa Flugnummern, wie bei anderen Airlines, in so genannten Flugnummernschlüsseln organisiert. Das bedeutet, dass ein bestimmter Zahlenbereich einem speziellen Kontingent von ähnlichen Flügen zugeordnet ist. So ist zum Beispiel der Bereich von 400 bis 799 für interkontinentale Flüge der Lufthansa reserviert. Darunter gibt es weitere Unterteilungen. Alle 400er Nummern sind bei Lufthansa Nordamerikaflügen zugeordnet, so zum Beispiel die schon „legendäre“ LH 400, eine Flugnummer mit Historie, für den Flug von Frankfurt nach New York oder LH 416 für die Strecke von Frankfurt nach Washington.
Flugnummern von 8000 bis 8699 hingegen verraten, dass es sich um einen Cargoflug handelt, darunter im Zahlenbereich von 8674 bis 8699 die Nachtpostflüge und von 8800 bis 8819 die Rundflüge mit der legendären „Tante JU“. Liegt eine Flugnummer im Zahlenbereich zwischen 7000 und 7999, weiß der Profi auf den ersten Blick, dass es sich um Fracht-LKWs oder der Lufthansa Cargo handelt. Eine Besonderheit sind Flüge mit den Flugnummern 5000 bis 5009. Sie sind dem Produkt „Lufthansa Privatjet“ vorbehalten. Während der Flug mit dem Code LH 572 immer von Frankfurt nach Johannesburg geht, so fliegt LH 5000 oder 5004 dorthin, wohin der VIP-Kunde den Privatjet bestellt
Die Zahlenbereiche von 1 bis 399 und 800 bis 1399 sind innerdeutschen Lufthansa Flügen zugeordnet. Bei Verbindungen innerhalb Deutschlands hat Markus Günther die Flugnummern in der Regel nach der Abflugzeit - von morgens bis abends - geordnet. Aber auch hier wird die Regel durch Ausnahmen bestätigt.
LH 001 ist die niedrigste bei Lufthansa vergebene Flugnummer. Sie bezeichnet den ersten Flug des Tages um 6 Uhr von Hamburg nach Frankfurt, LH 003 steht für den zeitlich nächsten usw. Umgekehrt verbirgt sich hinter LH 002 die erste Verbindung von Frankfurt an die Alster.
Die höchste Lufthansa Flugnummer ist übrigens die LH 9995 für Werkstatt- und Trainingsflüge von Lufthansa Partner Augsburg Airways. Die höchste vergebene Nummer für Passagierflüge LH 9975 für Codeshareflüge der Lufthansa mit Cimber Airlines.
Und noch ein Zahlengeheimnis: Eine Flugnummer, der ein Buchstabe hinten anhängt, wie z.B., LH 404 A, wird nur kurzzeitig und in besonderen Ausnahmefällen vergeben. So zum Beispiel, wenn eine Passagiermaschine nach bereits erfolgtem Start aufgrund der plötzlichen Erkrankung eines Fluggastes wieder an den Abflughafen zurückkehren muss und erneut vom Ausgangsort abhebt.
In allen Flugnummernschlüsseln gibt es außerdem „Reservezahlen“ für den Fall, dass ein weiterer Flug auf einer bereits bestehenden Strecke oder eine neue Destination zusätzlich in den Flugplan aufgenommen wird. So sind die Flugnummern heute immer „oder fast immer“, gibt der „Herr der Flugnummern“ der Lufthansa zu, stabil. Änderungen sind dank dieses Systems heute selten nötig.
Einen Sonderfall gibt es beim so genannten Codesharing, also Flüge, die Lufthansa in Kooperation mit einer oder mehreren Fluggesellschaften operiert. Sie können trotz Lufthansa Flugnummer von dem jeweiligen Codeshare-Partner durchgeführt werden. Sie haben dann neben der Nummer der operierenden Airline als weitere Flugnummern die der Codesharepartner. Ein Beispiel aus dem Sommerflugplan 2006 der Lufthansa: Passagiere, die den Flug mit der Nummer LH1776 oder SA (für South African Airways) 263 gebucht haben, fliegen mit ein und demselben Flug, operiert von South African Airways, von Frankfurt nach Kapstadt.
„Um auf Nummer Sicher zu gehen, welche Airline den Flug durchführt, sollte der Gast im Reisebüro nachfragen oder in den Lufthansa Flugplan schauen. Dort findet er hinter dem Flug den Lettercode für die operierende Airline“, empfiehlt Markus Günther.
(Lufthansa AG / 20.10.2006)