Meiner Erfahrung nach wird das Szenario ca. so abgelaufen sein:
Der eigentlich geplante Commander meldet sich recht spät vor dem Dienst unfit to fly (krank), dem Crewing geht der Ars...h auf Grundeis, weil sie keinen Standby-Kapitän am Airport haben (bzw. die dortigen schon aufgebraucht wurden.) Wie im Video vom Ersatz-Kapitän selbst erklärt, wurde ein Kapitän aus dem Home-Stand-By aktiviert, der nach Aktivierung innerhalb von 90 Minuten Show-Up-Time hat und dann noch mal ca. 60 Minuten braucht, sobald er am Airport ist, bis der Flieger abheben kann.
Offenbar haben die Gate-Agents das in ihrer Ansage so erklärt, infolge dessen hat sich der Passagier (selber Kapitän bei easyJet) beim OCC/Crewing gemeldet und angeboten, den Flieger Richtung Süden zu pilotieren.
Erstens ist es in solchen Situationen nicht unüblich, dass sich der Rest der Crew schon mal an Bord begibt und den Flieger soweit wie es geht vorbereitet, damit alles ganz schnell geht, sobald der Chef da ist. (Ich hatte schon Fälle, wo der ganze Flieger schon fertig geboardet da saß und ich nur noch den Kapitän, der von einem anderen Flughafen eingeflogen wurde, zum Flieger fahren musste.)
Zweitens ist es überhaupt kein Problem, das Briefing und die Flugvorbereitung an Bord zu machen. Wir reden auf einer Kurzstrecke von einem Briefing-Package von ca. 60 Seiten, von denen aber maximal 10-15 Seiten relevant sind. Der Rest ist, gelinde gesagt, Papiermüll. Der Ersatz-Kapitän hätte sich dieses Briefing-Package sogar jederzeit von seinem Smartphone aus anschauen können, denn als Cockpit-Crew bekommt man natürlich die Login-Daten zur Briefing-Website. (easyJet nutzt hier LIDO.)
Relativ oft briefen sich Crews erst im Flieger (was glaubt ihr, wie Lufthansa es an Außenstationen macht oder Airlines an Flughäfen, wo sie nur als einmaliger Charter hinfliegen?) und Briefings sind auch nicht immer so steif und umfangreich, wie es gerne in Reportagen dargestellt wird.
Ich habe es schon erlebt, dass wir auf Ferry-Flügen (also leere Überstell-Flüge von einem Flieger) innerhalb von 20 Minuten nach Eintreffen der Crew am Airport den Flieger gepusht haben. Auf Ferries verzichten übrigens fast alle Crews auf ihre Uniform und fliegen lieber im Casual Look. Ist natürlich auch klar, für die leere Luft in der Kabine müssen sie keine Fritten auf der Schulter tragen.