Rechtliche Regelung für eine Reisewarnung erforderlich?

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meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.129
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Nachdem hier schon in mehreren Threads darauf hingewiesen wurde, dass das Auswärtige Amt die weltweite Reisewarnung für Non-EU-Staaten bis 31. August verlängern will, möchte ich die Frage aufwerfen, ob eine rechtliche Regelung für die Voraussetzungen einer Reisewarnung erforderlich ist.

Die Reisewarnung ist bisher nirgendwo ausdrücklich geregelt, insbesondere nicht im Konsulargesetz. Auch wenn die Reisewarnung selbst keine unmittelbaren Folgen hat, da sie nur eine Empfehlung darstellt, hängen daran mittelbar sehr wohl weitergehende Auswirkungen. Gleichwohl handelt es sich dabei um einen faktisch der Kontrolle oder Nachprüfung entzogenen Bereich.

Damit ich nicht missverstanden werde: Ich möchte die rechtliche Frage zur Diskussion stellen; dies ist nicht als Bashing von Corona-Maßnahmen gemeint.
 
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unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
8.336
12.786
Trans Balkan Express
Die Frage habe ich mir witzigerweise auch heute gestellt. Laut BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 670/91 (Osho) braucht es keine gesetzliche Grundlage für behördliche Warnungen. Dies wäre der Ausgangspunkt für weitere Recherchen. Ich denke aber es hat mittlerweile eine Rechtsprechungsänderung gegeben. Man müsste mal die Rechtsprechung zu den ECHEC-Warnungen sichten.

Mein Bauchgefühl sagt aber, es braucht eine Rechtsgrundlage. Wir können ja in den nächsten Tagen mal weiter denken.
 
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unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
8.336
12.786
Trans Balkan Express
Wieder gefunden. Schoch NJW 2011, 2844 schreibt:

"Einvernehmen besteht darüber, dass es besonderer rechtlicher Regelungen nicht bedarf, wenn das
Informationshandeln keine Grundrechte beeinträchtigt (z. B. Reisewarnung, Wetterwarnung,
allgemeine Gesundheitsempfehlungen); dann genügt für die Tätigkeit der informierenden Stelle
eine Aufgabenzuweisungsnorm, da die Information der Öffentlichkeit als Teil oder jedenfalls als
Annex der Aufgabe(nwahrnehmung) qualifiziert werden kann".


Er verweist aber an anderer Stelle darauf, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, wenn Grundrechte beeinträchtigt sind. Der Fall von weltweiten Reisewarnungen dürfte daher nicht erfasst sein. Außerdem war Schoch wohl immer ein Mindermeiner. Die Wesentlicheitstheorie betrachte ich jedoch als sehr wichtig.

Stellt sich dei Frage der Überprüfbarkeit. Klagen müsste daher z.B. ein Reiseunternehmen bzw. müssten im nachhinein bei einer falschen Warnung Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden.

Als Priavtperson hindert mich die Warnung ja (theoretisch) nicht am Reisen, so lange das Zielland mich rein lässt, was derzeit fast nirgends der Fall ist.

Zumindest Amtshatungsklagen wegen fehlerhafter Warnungen messe ich daher derzeit wenig Erfolg bei (weiter Ermessensspielraum des AA). Ob das VG Berlin eine konkrete Reisewarnung in einem Eilverfahren kippen würde, wäre die große Preisfrage.
 

west-crushing

Erfahrenes Mitglied
03.08.2010
7.980
3.002
CGN
Ohne nähere Recherche habe ich im Kopf:

- Staatliches Informationshandeln: Keine Ermächtigungsgrundlage erforderlich dürfte immer noch Stand der Dinge sein. Inhalt der Information muss aber zum Aufgabenbereich der informierenden Stelle gehören; darf außerdem nicht falsch, unsachlich oder unverhältnismäßig sein. Meiner Erinnerung nach hat man in Leipzig noch 2015 rum auf dieser Grundlage die Zulässigkeit von Suchmeldungen für von den Nazis geraubte jüdische Kunst gelöst.
- In Karlsruhe hat man vor einiger Zeit (2018 ?) irgendeine lebensmittelrechtliche Ermächtigungsgrundlage für Informationen der Bevölkerung gekippt. Dort gab es aber eine Ermächtigungsgrundlage, in Karlsruhe hielt man sie aber aus irgendwelchen Gründen für unverhältnismäßig. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in einem Fall eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat, wird man nicht schließen können, dass eine solche in jedem Fall erforderlich ist.

Mehr fällt mir erstmal nicht ein. Was hat denn deine Recherche der Frage ergeben meilenfreund?
 

meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.129
Schoch wirft da aber mit Reisewarnung und Wetterwarnung ganz verschiedene Dinge in einen Pott.

Von der falschen Wetterwarnung kann man auch betroffen sein: Haus und Hof verbrettert und zugenagelt, das Unwetter kam aber nicht. Dann gab es Materialkosten, eine Erstattungsfähigkeit - Rechtsgrundlage dahingestellt - würde daran scheitern, dass die Prognose zum Zeitpunkt ihrer Erstellung in einem fachlich vertretbaren Rahmen korrekt war.

Die Reisewarnung erfasst aber nicht nur ein örtlich und zeitlich punktuelles Geschehen, sondern ist auf einen ganzen Staat oder Teile davon und ein ungewisse Dauer ausgelegt.

Ich meine, es wurde hier in anderen Threads auch ausgeführt, dass manche Auslandsreisekrankenversicherungen bei einer Reisewarnung nicht leistungspflichtig sind. Was ist dann zum Beispiel mit dem Versicherungsnehmer, der erkrankt, nachdem nach seiner Ankunft im Staat X eine Reisewarnung für diesen Staat ausgesprochen wurde? Wenn die Versicherung das so auslegt, dass die Reisewarnung auch zur Leistungsfreiheit führt, nachdem der Versicherungsnehmer in X angekommen war, hat er ein Problem.

Ins Unreine gedacht: Auch wenn die Reisewarnung selbst nur Empfehlungscharakter hat, folgt die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage daraus, dass sie mittelbar auf bestehende Vertragsverhältnisse durchschlägt.

Nochmal zurück zu Schoch: Wenn er eine Aufgabenzuweisungsnorm als ausreichend ansehen lässt - wo ist diese für die Reisewarnung?
 
A

Anonym70281

Guest
Als Priavtperson hindert mich die Warnung ja (theoretisch) nicht am Reisen, so lange das Zielland mich rein lässt, was derzeit fast nirgends der Fall ist.

Hindern tut die Warnung einen nicht, es wälzt im Fall einer Individualreise nur jegliches finanzielles Risiko auf einen ab - soweit hatte ich das zuletzt verstanden.
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
770
Unter TABUM und in BNJ
Ins Unreine gedacht: Auch wenn die Reisewarnung selbst nur Empfehlungscharakter hat, folgt die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage daraus, dass sie mittelbar auf bestehende Vertragsverhältnisse durchschlägt.

Das wird in den nächsten Wochen in zigtausenden Fällen interessant, in denen Menschen eine Pauschalreise in Länder gebucht haben, für die weiter eine eingeschränkte oder uneingeschränkte Reisewarnung gelten wird (Türkei, Ägypten und Co, die anstehenden Sommerferien lassen grüßen).

Was ist, wenn der Veranstalter trotz eingeschränkter oder uneingeschränkter Reisewarnung sagt "Reise findet statt, Du darfst nicht kostenfrei stornieren sondern mußt zahlen - auch wenn Du nicht reisen willst"?
 

unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
8.336
12.786
Trans Balkan Express
Die Reisewarnung erfasst aber nicht nur ein örtlich und zeitlich punktuelles Geschehen, sondern ist auf einen ganzen Staat oder Teile davon und ein ungewisse Dauer ausgelegt....

Ich gehe mal daon aus, dass dieser Teil lediglich so hingeschrieben war. Der Aufsatz ist ja acht Jahre alt. Die falsch prognostizierten Wetterwarnungen waren damals noch nicht an der Tagesordnung. Und er hatte sicherlich lediglich Warnungen, "wie in Teilen des Jemens muss donnerstags mit Entführungen gerechnet werden" im Blick. Dass es eine Reisewarnung für 160 Länder geben würde, war nicht absehbar.

Ich sehe hier wie gesagt die Grundrechtsrelevanz für Reiseunternehmen aus Art. 12 GG.

Was das Versicherungsrecht betrifft, bin ich kein Experte.

Aber sauberer wäre es sicher, wenn man eine gesetzliche Regelung schafft. Ich bin sicher, dass diese Diskussion an Fahrt aufnehmen wird. Die neue Zeitschrift CoVuR muss ja gefüllt werden.
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
770
Unter TABUM und in BNJ

Das ist bekannt, Danke.

Absehbar (weil gestern Abend schon durchgesickert) ist aber, dass es für gewisse Länder oder sogar Teile dieser Länder Ausnahmen geben wird. Diese werden auf Basis der Fallzahlen und Krankenhauskapazitäten und -qualitäten festgelegt, also Daten, die schwer verifizierbar sind und bei denen "auf dem Papier" und "in der Realität" durchaus Unterschiede ausweisen.

Beispiel: Rotes Meer Ägypten. Auf dem Papier gibt es da schon heute Ärzte in den großen Hotels, auch Krankenhäuser gibt es. Zudem hat Ägypten ja ein (räusper) ganz tolles Zertifizierungssystem für die Corona-Hygiene in den Hotels. Wer schon öfter dort war, weiß, daß dies alles stimmen mag. Cairo Airport hat auch Durchleuchtungsanlagen für das Handgepäck, viele kennen aber die Realität (die sich verbessert haben mag - ich rede von der Zeit noch vor 2-3 Jahren).

Und da wird sich das Lobbywesen richtig austoben, damit Länder oder einzelne Gebiete freigegeben werden, die man objektiv vielleicht besser noch zu lassen sollte, die aber für die deutsche und lokale Tourismusbranche wichtig sind. Und der gebuchte Urlauber hat dann den Zonk gezogen - er muss zahlen, er muss reisen (oder eben kostenpflichtig stornieren).
 
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west-crushing

Erfahrenes Mitglied
03.08.2010
7.980
3.002
CGN
Nochmal zurück zu Schoch: Wenn er eine Aufgabenzuweisungsnorm als ausreichend ansehen lässt - wo ist diese für die Reisewarnung?

Aufgabenzuweisungsnorm ist ungleich Zuständigkeitsnorm. Hier: GOBReg i. V. m. der Bestimmung der Bundeskanzlerin im Organisationsverteilungsplan, dass der Bundesminister des Auswärtigen für Auswärtiges ( ;) ) zuständig ist.

Ich sehe hier wie gesagt die Grundrechtsrelevanz für Reiseunternehmen aus Art. 12 GG.

Das würde ich tendenziell auch so einschätzen oder um es mal anders herum zu formulieren: Das ist sicher eine mit guten Gründen vertretbare Auffassung, ein Maßstab, den ich im Verfassungsrecht anlege, um überhaupt bereit zu sein, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben. Man müsste hier wahrscheinlich aber erstmal bei den Verwaltungsgerichten anfangen.

Sowohl aus Leipzig als auch (IIRC) aus Karlsruhe tönt es ja auch, die staatliche Information dürfe in ihren Wirkungen und Zielen nicht einem Grundrechtseingriff gleichkommen. Das kann man hier durchaus bejahen. Tendenziell würde ich einem Reiseveranstalter bessere Chancen zubilligen als einem Reisewilligen.
 
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hollaho

Erfahrenes Mitglied
22.10.2016
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An der rechstheoretischen Diskussion kann ich mich nicht beteiligen, aber daß Reisewarnungen in vielen Ländern - nicht nur Deutschland - immer auch ein Politikum sind und somit nur relativ lose der Gefährdungslage folgen, daß sollte sich langsam herumgesprochen haben. Für komplett bare Münze darf man die nie nehmen.

Davon unbenommen stimmt es natürlich, daß es sekundäre Rechtsfolgen hat. Was von den Regierungen vermutlich sehr erwünscht ist als Steuerungseffekt.
 

Chaosmax

Erfahrenes Mitglied
22.04.2009
2.258
107
Ins Unreine gedacht: Auch wenn die Reisewarnung selbst nur Empfehlungscharakter hat, folgt die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage daraus, dass sie mittelbar auf bestehende Vertragsverhältnisse durchschlägt.

Ich habe keine Ahnung von der Materie, aber ist es tatsächlich so, dass eine Reisewarnung, aufgrund von Gesetzen, in bestehende Vertragsverhältnisse eingreift? Ist es nicht eher so, dass dies durch AGBs bzw. durch Rechtssprechung passiert. Ich sehe da keine Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage.
 

alohasteffi

Erfahrenes Mitglied
28.07.2010
1.123
125
München
Wie sieht das jetzt aus mit Versicherung bei Krankheit, wenn ich jetzt trotz Reisewarnung Urlaub in einem dieser Länder mache? Viele Krankenversicherungen schließen einen Versicherungsschutz bei vorliegender Reisewarnung aus..
 

alohasteffi

Erfahrenes Mitglied
28.07.2010
1.123
125
München
Denke da muss man ganz genau das Kleingedruckte lesen. Generell habe ich kein Problem jetzt im Sommer in ein Land zu reisen, wo noch eine Warnung besteht, aber das mit der fehlenden Versicherung ist natürlich ein Bummer..
 

unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
8.336
12.786
Trans Balkan Express
Hindern tut die Warnung einen nicht, es wälzt im Fall einer Individualreise nur jegliches finanzielles Risiko auf einen ab - soweit hatte ich das zuletzt verstanden.

Es geht hier um die grundrechtsdogmatische Frage, welches hoheitliche Handeln eine gesetzliche Regelung verlangt. Dies ist in der Regel aber nicht immer dann der Fall, wenn ein Eingriff in Grundrechte erfolgt. Dein Grundrecht auf Handlungsfreiheit ist nicht oder nur gering von einer Reisewarnung berührt. Denn ein Ausreiseverbot gibt es ja nicht. Ausreisen darfst Du immer, es sei denn Du bist Fußball-Hooligan, islamistischer Gefährder oder Du möchtest auf dem nächsten G7 Gipfel durch Plünderungen im Reiseland begehen.

D.h. es fehlt für Dich, anders als beim Reiseunternehmen bei einer bloßen Reisewarnung an einem Grundrechtseingriff.

Anders ist es bei einem Reiseunternehmen für das zumindest ein faktischer Eingriff in das Recht auf den eingerichteten und ausgübten Gewerbebetrieb vorliegt. Dieses wird argumentieren, wo ist das "Reisewarnungsgesetz"? Die fehlende oder falsche Rechtsgrundlage ist in derart gelagerten Rechtsstreiten das naheliegendste Argument für den Anwalt, der das Reiseunternehmen gegen das AA vertritt.

Das finanzielle Risiko für Privatpersonen zieht imho nicht. Es herrscht der Grundsatz der Vertragsfreiheit, d.h. Du darfst alle nicht sittenwidrigen Verträge abschließen, die Du möchtest, ohne dass der Gesetzgeber eingreift (aktuelle Ausnahmen: Diskrimnierungsverbote und Mietpreisbremse vorbehaltlich der Billigung durch Karlsruhe). Du konntest auch bis Februar 2020 ohne Auslandskrankenversicherung nach Thailand reisen. Dein Heimatland schreibt Dir solche Verträge nicht vor. Dass bestimmte Länder mittlerweile Krankenversicherungen als Einreisevoraussetzung verlangen, interessiert die deutsche Staatsgewalt nicht. Wenn Du abgesichert sein möchtest, musst Du halt die entsprechenden Versicherungen abschließen, um beim Beispiel Jemen zu bleiben, ggf. eine Lösegeldversicherung. Auch würde ich bei Reisen in Hochrisikogebiete mit eingeschränktem konsularischen Schutz rechnen.
 

unseen_shores

Erfahrenes Mitglied
30.10.2015
8.336
12.786
Trans Balkan Express
Mitterweile liegen auch die Entscheidungsgründe vor.

Die Frage der Ermächtigungsgrundlage für informatorisches Handeln wird nicht diskutiert. Für die hier diskutierte Frage ist folgender Ausschnitt interessant:

"Zwar müssen sich auch mittelbar-faktische Wirkungen staatlicher Äußerungen an den Grundrechten messen lassen (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279, zitiert nach juris Rn. 70). Die Berufsausübungsfreiheit schützt jedoch grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 – 1 BvR 905/00 – BVerfGE 110, 274, zitiert nach juris Rn. 44). Demgemäß ist nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Grundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger, etwa als Marktteilnehmer, schafft, eine eingriffsgleiche Maßnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63, zitiert nach juris Rn. 50, 54). Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 Abs. 1 GG besteht allerdings dann, wenn staatliche Maßnahmen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren Wirkun-gen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 – BVerfGE 105, 252, zitiert nach juris Rn. 62). Die amtliche Information der Öffentlichkeit kann in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent jedenfalls dann gleichkommen, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielt, indem sie die Grundlagen der Entscheidungen am Markt zweckgerichtet beeinflusst und so die Markt- und Wettbewerbssituation zum wirtschaftlichen Nachteil der betroffenen Unternehmen verändert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40, ...)."

In der Sache selbst stellt das Gericht auf fehlende Kausalität zwischen Reisewarnung und Buchungsverhalten ab. Es könnten auch andere Gesichtspunkte hinzukommen, wie die Pandemieentwicklung und die veränderte wirtschaftliche Situaion für potentielle Reisenden. - VG Berlin, Beschl. v. 10.07.2020, VG 34 L 225/20.
 
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un_lustig

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14.02.2011
2.047
438
VIE
Was mich eher interessert ist die Rechtsgrundlage welche es dem Land erlaubt mich unter Quarantäne zu setzen auch wenn sie mir nicht nachgewiesen haben, dass ich poaitiv bin? Und warum sie die Kosten für einen Test auf mich abwelzen können?!
 

Dirkster

Erfahrenes Mitglied
09.12.2017
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LBC/HAM
Was mich eher interessert ist die Rechtsgrundlage welche es dem Land erlaubt mich unter Quarantäne zu setzen auch wenn sie mir nicht nachgewiesen haben, dass ich poaitiv bin? Und warum sie die Kosten für einen Test auf mich abwelzen können?!

Als juristischer Laie würde ich meinen: Die Rechtsgrundlage in Deutschland ist §30 Abs. 1 IfSG, wonach eine Absonderung u.a. auch für Ansteckungsverdächtige angeordnet werden kann. Ansteckungsverdächtiger ist nach §2 Abs. 7 IfSG "eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein". Jetzt könnte man noch natürlich diskutieren, ob allein der Aufenthalt in einem Risikogebiet einen automatisch zu so einer Person macht.
 
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N

no_way_codeshares

Guest
Mir ist klar, dass in Deutschland weder der buchende Passagier, noch das beauftragte Touristikunternehmen eigene Entscheidungen treffen können ohne Gesetzesvorgaben.
Im Ausland - auch im EU-Ausland - geht das, aber natürlich akzeptiere ich, dass jeder 101% Klarheit benötigt, bevor er sich in der Lage zu einer Festsetzung sieht.

Die Bundesregierung trägt dem Rechnung durch die Umstufung von einer "Reiseempfehlung" zu einer "Reisewarnung".
Aber womöglich benötigt hier jeder Involvierte dennoch nochmals eine klare Aufsplittung, wer die Kosten für eine Quarantäne, für den Test, für den Rückflug trägt, für Hotelverlängerungen vor Ort?

Selbst dort, wo keine Persilscheine vorab ausgestellt werden können muss den Reisenden klar sein: bei Reisewarnung gibt es eventuell keinen Carrier mehr, der Rückflüge durchführt.
Eigentlich klar in einem VFT, aber auch hier gibt es ja nun unerwartet viele Orientierungslose und gleichzeitig Teilnehmer, die der Ansicht sind eine Reisewarnung für ein betroffenes Gebiet sei ungerechtfertigt und daher zu ignorieren.
 
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un_lustig

Erfahrenes Mitglied
14.02.2011
2.047
438
VIE
Eine Reisewarnung ist nun mal kein Reiseverbot!

Dirkster...darauf will ich hinaus! Es fehlt die Verhältnismäßigkeit bei reinem aufenthalt und ohne nachgewiesenes fahrlässiges Handeln! Man ist ja auch nicht ansteckend nur wenn man auf der "falschen" seite einer imaginären Linie war!
 
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Dirkster

Erfahrenes Mitglied
09.12.2017
524
1.025
LBC/HAM
Da bin ich auch ganz bei Dir. Aber was die Verhältnismäßigkeit betrifft, werden sich wohl die Gerichte damit beschäftigen müssen.
 

meilenfreund

Erfahrenes Mitglied
10.03.2009
7.005
6.129
Es handelt sich hier um Gefahrenabwehrrecht. Bei dem hier relevanten Sachverhalt spielt nachgewiesenes schuldhaftes Verhalten keine Rolle. Bezweckt wird die Bekämpfung der Gefahr, aber gerade keine Sanktionierung individuellen Verhaltens. Diese liegt ggf. erst in der Ahndung eines Regelverstoßes.

Die 50/100.000-Grenze dient bereits der Wahrung der Verhältnismäßigkeit.

Wie das bei einem niedrigeren Wert ausschaut, kann man sich hier am Beispiel von Estland mit einer 15/100.000-Grenze anschauen: https://vm.ee/en/information-countries-and-quarantine-requirements-passengers. Wenn man das auf D-A-CH überträgt, ginge hier nicht mehr viel.
 
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