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Im zu Ende gegangenen Winter stand eine weitere Etappe meiner 'Weltreise' auf dem Programm. Im vorvergangenen Winter führte mich die Reise von Hongkong bis nach Hanoi, und von dort aus sollte es weitergehen bis nach Ho Chi Minh City auf dem Fahrrad. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Es herrschen eisige, bisweilen gar frostige Temperaturen im Norden Vietnams; also habe ich die erste Hälfte als Flugreisender eine Art City-Hopping in Vietnam unternommen und habe mich anschließend im Sattel durch die Bergwelt im Westen des Landes bewegt.
Unsere Freunde Hopper und Fischköpfle haben vor Kurzem ebenfalls Reiseberichte zu Vietnam dem VFT zum Nacherleben gegeben. In dieser Folge mag der Meinige eine hoffentlich nicht ermüdende Ergänzung darstellen.
Ein großer Dank geht an Quyen und ihren Vater in Hanoi. Sie haben das Fahrrad ein Jahr auf ihrem Dachboden behütet und gepflegt, so daß meine Wenigkeit damit die Tour fortsetzen konnte.
Doch seht selbst:
Hanoi
Schon beim Anflug auf Hanoi ist es zu sehen: Der Himmel würde bewölkt sein und die Temperaturen werden sich wohl in moderaten Grenzen halten. So ist es denn auch. Mit dem Linienbus fahre ich ins Zentrum und laufe den Rest zur Unterkunft zu Fuß. Dabei erlebe ich Hanoi wie ich es vom vergangenen Jahr in Erinnerung habe: laut, geschäftig und die Hanoier wittern bei jedem Ausländer ein schnelles Geschäft.
Eigentlich möchte ich schon am Folgetag mit den Besichtigungen beginnen, es ist jedoch lausig kalt, und meine Wenigkeit nur mit leichter Kleidung ausgestattet. So mache ich zumindest halb neugierig, halb fröstelnd einen Spaziergang zum Hoan Kiem See und bestelle ein Ticket für das Wasser-Puppen-Theater.
Diese Show ist etwas Besonderes: Ähnlich Marionetten werden tanzende Figuren auf einer Wasserfläche bewegt. Jedoch werden die Puppen durch ein Gestänge von unten, d.h. unterhalb der Wasserfläche bewegt. Ein Kammerorchester mit traditionellen asiatischen Instrumenten spielt dazu ethnische Weisen; traditionell?, ganz hinten hat sich eine E-Gitarre versteckt. Gezeigt wird eine Show über das ländliche Leben mit den kulturellen Vorstellungen vietnamesischer Bauern. Einem Bauerntanz zu martialischen Trommelklängen folgt der spielerische Büffelkampf gefolgt von religiösen Handlungen und einer Hochzeit. Dem Höhepunkt strebt das Geschehen zu, als die örtlichen Honoratioren ihrem Lebenszweck nahe kommen, und sich ein großer, goldener Fisch in einen anmutigen Drachen verwandelt und ins Nirvana entschwebt.
Rund um den Ba Dinh Platz schlägt das Herz noch sozialistisch. In einer Mischung aus den Beispielen 'Roter Platz in Moskau' und 'Platz des Himmlischen Friedens in Peking' stehen rund um den gigantischen Platz das Ho-Chi-Minh-Mausoleum, die große Halle des Volkes und (etwas abseits) der ehemalige Präsidentenpalast. Uniformierte am Rand wachen über das sittsame Benehmen und die korrekte Kleidung der Passanten – und dennoch bleibt das Betreten der Öffentlichkeit verwehrt. Das Anstehen vor dem Mausoleum vermittelt einen Eindruck von der Rolle Ho Chi Minhs für die vietnamesische Gesellschaft: Reisegruppen, vermutlich sowohl Schulklassen als auch Abordnungen der Provinzen, besuchen ihren 'Onkel', auch wenn der schon seit über 40 Jahren tot ist. In einem grauen Marmorwürfel ruht der Staatsgründer, übrigens seinem letzten Willen zuwider, in einem gläsernen Sarg bewacht von vier Soldaten. Die Besucher schreiten zunächst die Stufen nach oben, laufen auf einem roten Plastikläufer und steigen dann in den Totenraum hinab. Das aschfahle Gesicht ruht auf einem Samtkissen, der schlanke Körper ist in ein einfaches Seidenkleid gewandet und die spärliche Beleuchtung fokussiert die sanften Gesichtszüge. Es wirkt wie in einem Wachsfigurenkabinett; eigentlich möchte man gar nicht wissen, wieviel Silikon zur Modellierung des Gesichts notwendig war.
Im benachbarten Museum werden einige Stationen des Lebens nachgezeichnet aus der Jugend in einem Dorf Zentralvietnams, aus der Zeit der sozialistischen Pioniertaten in Paris und Moskau und schließlich aus dem Widerstandskampf bis zur Staatsgründung. In einem anderen Flügel wird das Wirken der Partei nachgezeichnet: Den großen Beispielen Marx und Lenin entsprechend wird der Kampf für die Arbeiterklasse beschworen, und das Staatsschicksal in Fünfjahresplänen festgelegt – auch heute noch –, während das Volk längst zum Kapitalismus übergegangen ist.
Beim Besuch des Literaturtempels merke ich doch wieder, wie wenig ich eigentlich von asiatischer Kultur weiß. Der Tempel ist eine konfuzianische Akademie, die vor über 800 Jahren von der königlichen Dynastie gestiftet wurde und bis ins 20. Jahrhundert Studenten auf ihre Führungsrolle in Staat und Gesellschaft vorbereitet hat. Durch 5 Innenhöfe schreitet der neugierige Besucher bis er vor der großen Zeremonienhalle und dem Khai-Than-Tempel inne hält. Die Bedeutung der Höfe entspricht ihrem äußeren Erscheinungsbild: anfangs dezent gestaltet mit Pools und Pflanzen, mit den Absolventenstelen der letzten 300 Jahre oder den zweistöckigen Gebäuden für die 'Halle des großen Erfolges'. Dazu kommen illustre Namen wie das 'Tor mit dem Pavillon des Sternzeichens der Literatur' oder 'die Quelle des Himmlischen Lichts'.
Ein Bau besonderer Qualität ist das ehemalige Hoa Lo Gefängnis. Die Franzosen haben es eingerichtet zur Inhaftierung politischer und krimineller Häftlinge. Heute steht nur noch ein bescheidener Rest des Ostflügels, alle anderen Gebäudeteile mußten einem Bürohochhaus mit Hotel weichen. Die Ausstellung ist doch ganz schön einseitig: es werden die außerordentlich großen Leiden der vietnamesischen Widerstandskämpfer während der Haft gezeigt neben der generös-respektvollen Behandlung amerikanischer Kriegsgefangener nur zwanzig Jahre später.
Anhang anzeigen ViD88HanoiKolonialgef
Der Ursprung Hanois liegt rund um den Ho Tay (Westsee); zumindest deuten die vier Tempel der städtischen Schutzheiligen darauf hin. Jeder Tempel ist von einer hohen Mauer umgeben, die das Tosen der Stadt ausschließt. Fast fällt der Besucher in eine kontemplative Trance voll innerer Ruhe, mit Weihrauchdüften betäubt und durch das rhythmische Beten bzw. Singen der Gläubigen ergänzt. Die geschwungenen Dächer mit den Drachen- und Löwenfiguren an den Ecken geben dem Gebäudeensemble sowohl ein dekoratives Flair als auch den nötigen geistigen Schutz, um sich den Göttern ganz hinzugeben. Auf dem Altar türmen sich die Opfergaben, dahinter ruht die Bronzefigur gekleidet in seidene Tücher und davor sitzt eine Pilgergruppe auf einfachen Strohmatten und rezitiert buddhistische Texte zum Takt einer Trommel.
Rund um den Ho Tay und etwas abseits der Ausfallstraßen stehen eine Vielzahl internationaler Luxushotel und großzügiger Villen. Diese Gegend hat sich zur besten Adresse gemausert, d.h. hier wohnen überwiegend Ausländer und sozialistische Kader.
Unsere Freunde Hopper und Fischköpfle haben vor Kurzem ebenfalls Reiseberichte zu Vietnam dem VFT zum Nacherleben gegeben. In dieser Folge mag der Meinige eine hoffentlich nicht ermüdende Ergänzung darstellen.
Ein großer Dank geht an Quyen und ihren Vater in Hanoi. Sie haben das Fahrrad ein Jahr auf ihrem Dachboden behütet und gepflegt, so daß meine Wenigkeit damit die Tour fortsetzen konnte.
Doch seht selbst:
Hanoi
Schon beim Anflug auf Hanoi ist es zu sehen: Der Himmel würde bewölkt sein und die Temperaturen werden sich wohl in moderaten Grenzen halten. So ist es denn auch. Mit dem Linienbus fahre ich ins Zentrum und laufe den Rest zur Unterkunft zu Fuß. Dabei erlebe ich Hanoi wie ich es vom vergangenen Jahr in Erinnerung habe: laut, geschäftig und die Hanoier wittern bei jedem Ausländer ein schnelles Geschäft.
Eigentlich möchte ich schon am Folgetag mit den Besichtigungen beginnen, es ist jedoch lausig kalt, und meine Wenigkeit nur mit leichter Kleidung ausgestattet. So mache ich zumindest halb neugierig, halb fröstelnd einen Spaziergang zum Hoan Kiem See und bestelle ein Ticket für das Wasser-Puppen-Theater.
Diese Show ist etwas Besonderes: Ähnlich Marionetten werden tanzende Figuren auf einer Wasserfläche bewegt. Jedoch werden die Puppen durch ein Gestänge von unten, d.h. unterhalb der Wasserfläche bewegt. Ein Kammerorchester mit traditionellen asiatischen Instrumenten spielt dazu ethnische Weisen; traditionell?, ganz hinten hat sich eine E-Gitarre versteckt. Gezeigt wird eine Show über das ländliche Leben mit den kulturellen Vorstellungen vietnamesischer Bauern. Einem Bauerntanz zu martialischen Trommelklängen folgt der spielerische Büffelkampf gefolgt von religiösen Handlungen und einer Hochzeit. Dem Höhepunkt strebt das Geschehen zu, als die örtlichen Honoratioren ihrem Lebenszweck nahe kommen, und sich ein großer, goldener Fisch in einen anmutigen Drachen verwandelt und ins Nirvana entschwebt.
Rund um den Ba Dinh Platz schlägt das Herz noch sozialistisch. In einer Mischung aus den Beispielen 'Roter Platz in Moskau' und 'Platz des Himmlischen Friedens in Peking' stehen rund um den gigantischen Platz das Ho-Chi-Minh-Mausoleum, die große Halle des Volkes und (etwas abseits) der ehemalige Präsidentenpalast. Uniformierte am Rand wachen über das sittsame Benehmen und die korrekte Kleidung der Passanten – und dennoch bleibt das Betreten der Öffentlichkeit verwehrt. Das Anstehen vor dem Mausoleum vermittelt einen Eindruck von der Rolle Ho Chi Minhs für die vietnamesische Gesellschaft: Reisegruppen, vermutlich sowohl Schulklassen als auch Abordnungen der Provinzen, besuchen ihren 'Onkel', auch wenn der schon seit über 40 Jahren tot ist. In einem grauen Marmorwürfel ruht der Staatsgründer, übrigens seinem letzten Willen zuwider, in einem gläsernen Sarg bewacht von vier Soldaten. Die Besucher schreiten zunächst die Stufen nach oben, laufen auf einem roten Plastikläufer und steigen dann in den Totenraum hinab. Das aschfahle Gesicht ruht auf einem Samtkissen, der schlanke Körper ist in ein einfaches Seidenkleid gewandet und die spärliche Beleuchtung fokussiert die sanften Gesichtszüge. Es wirkt wie in einem Wachsfigurenkabinett; eigentlich möchte man gar nicht wissen, wieviel Silikon zur Modellierung des Gesichts notwendig war.
Im benachbarten Museum werden einige Stationen des Lebens nachgezeichnet aus der Jugend in einem Dorf Zentralvietnams, aus der Zeit der sozialistischen Pioniertaten in Paris und Moskau und schließlich aus dem Widerstandskampf bis zur Staatsgründung. In einem anderen Flügel wird das Wirken der Partei nachgezeichnet: Den großen Beispielen Marx und Lenin entsprechend wird der Kampf für die Arbeiterklasse beschworen, und das Staatsschicksal in Fünfjahresplänen festgelegt – auch heute noch –, während das Volk längst zum Kapitalismus übergegangen ist.
Beim Besuch des Literaturtempels merke ich doch wieder, wie wenig ich eigentlich von asiatischer Kultur weiß. Der Tempel ist eine konfuzianische Akademie, die vor über 800 Jahren von der königlichen Dynastie gestiftet wurde und bis ins 20. Jahrhundert Studenten auf ihre Führungsrolle in Staat und Gesellschaft vorbereitet hat. Durch 5 Innenhöfe schreitet der neugierige Besucher bis er vor der großen Zeremonienhalle und dem Khai-Than-Tempel inne hält. Die Bedeutung der Höfe entspricht ihrem äußeren Erscheinungsbild: anfangs dezent gestaltet mit Pools und Pflanzen, mit den Absolventenstelen der letzten 300 Jahre oder den zweistöckigen Gebäuden für die 'Halle des großen Erfolges'. Dazu kommen illustre Namen wie das 'Tor mit dem Pavillon des Sternzeichens der Literatur' oder 'die Quelle des Himmlischen Lichts'.
Ein Bau besonderer Qualität ist das ehemalige Hoa Lo Gefängnis. Die Franzosen haben es eingerichtet zur Inhaftierung politischer und krimineller Häftlinge. Heute steht nur noch ein bescheidener Rest des Ostflügels, alle anderen Gebäudeteile mußten einem Bürohochhaus mit Hotel weichen. Die Ausstellung ist doch ganz schön einseitig: es werden die außerordentlich großen Leiden der vietnamesischen Widerstandskämpfer während der Haft gezeigt neben der generös-respektvollen Behandlung amerikanischer Kriegsgefangener nur zwanzig Jahre später.
Anhang anzeigen ViD88HanoiKolonialgef
Der Ursprung Hanois liegt rund um den Ho Tay (Westsee); zumindest deuten die vier Tempel der städtischen Schutzheiligen darauf hin. Jeder Tempel ist von einer hohen Mauer umgeben, die das Tosen der Stadt ausschließt. Fast fällt der Besucher in eine kontemplative Trance voll innerer Ruhe, mit Weihrauchdüften betäubt und durch das rhythmische Beten bzw. Singen der Gläubigen ergänzt. Die geschwungenen Dächer mit den Drachen- und Löwenfiguren an den Ecken geben dem Gebäudeensemble sowohl ein dekoratives Flair als auch den nötigen geistigen Schutz, um sich den Göttern ganz hinzugeben. Auf dem Altar türmen sich die Opfergaben, dahinter ruht die Bronzefigur gekleidet in seidene Tücher und davor sitzt eine Pilgergruppe auf einfachen Strohmatten und rezitiert buddhistische Texte zum Takt einer Trommel.
Rund um den Ho Tay und etwas abseits der Ausfallstraßen stehen eine Vielzahl internationaler Luxushotel und großzügiger Villen. Diese Gegend hat sich zur besten Adresse gemausert, d.h. hier wohnen überwiegend Ausländer und sozialistische Kader.
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