Betreuungsleistungen bei Annullierung/Verspätung

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alibi

Erfahrenes Mitglied
27.07.2013
296
239
HAM / GOT
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Ich bin heute über ein Urteil des AG Düsseldorf zu den Grenzen der Betreuungsleistungen unter EU261 gestolpert und musste verwundert feststellen, dass es hier im Forum noch nicht diskutiert wurde (oder ich bin zu doof die Suche zu bedienen). Dabei dürfte das hier hochrelevant sein.


Streitgegenstand waren Kosten für Hotelübernachtung und einen Restaurantbesuch i.H.v. insgesamt umgerechnet 243,09 €, darunter verschiedene Speisen für insgesamt umgerechnet 157,33 €, Bier und Wein für insgesamt umgerechnet 40,79 € sowie Champagnercocktails und Dessertwein für insgesamt umgerechnet 44,97 €

Ursache für die Annullierung war Wetter am Ausgangsflughafen, so dass der Umlauf nicht durchgeführt werden konnte.

Die Kläger haben nicht nur die 250 EUR Ausgleichszahlung zugesprochen bekommen, sondern auch alle anderen angefallenen Kosten, inklusive Champagner und Dessertwein.

Zitat:

Ferner sind auch die Kosten für die Champagnercocktails und den Dessertwein (44,97 €) erstattungsfähig. Es ist für das Amtsgericht Düsseldorf allgemein bekannt, dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört, sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein, so dass sich auch diese Kosten als angemessen erweisen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist insoweit insbesondere zu berücksichtigen, dass gerade im Champagnersegment auch deutlich hochpreisigere Produkte angeboten werden.
Amtsgericht Düsseldorf, 27 C 257/18

Damit dürften die Zeiten der 15 EUR Verpflegungsgutscheine wohl gezählt sein? :p
 
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alibi

Erfahrenes Mitglied
27.07.2013
296
239
HAM / GOT
Sorry, Ausgangsflughafen für den Umlauf. Flieger sollte DUS-ARN-GOT-DUS fliegen (soweit ich das rekonstruieren konnte) und ist in DUS nicht vom Boden gekommen.
 

janetm

Erfahrenes Mitglied
11.02.2012
4.082
1.404
DUS, HAJ, PAD
Interessant.

a) Die Beklagte, vermutlich EW, hat das Problem mit Nichtbeachtung gegen gerichtlich gesetzte Fristen verstoßen zu haben.
b) Berufung ist zulässig
 

Biohazard

Erfahrenes Mitglied
29.10.2016
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LEJ
Die Frage ist doch, warum es trotz Wetter (=höhere Gewalt) eine Ausgleichzahlung gibt.
 

alibi

Erfahrenes Mitglied
27.07.2013
296
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HAM / GOT
Laut Urteil hat EW nicht dargelegt dass alles Mögliche getan wurde um Annullierung zu verhindern (Ersatzflugzeug von anderem Flughafen, z.B.).

Ich finde den Champagner spannender :)
 
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alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
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Relevanz eines AG Urteils ist halt sehr überschaubar.

Diese Urteil ist nicht nur in seiner relevanz überschaubar, es ist absolut unbedeutend.

Im Grunde hat die Fluggesellschaft gar nicht im Verfahren teilgenommen, hier wurde die Frist zur Klageerwiderung versäumt und ein späteres Vorbringen wurde abgelehnt.
"Bei Zulassung des neuen Vorbringens würde es zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen."

Im Ergebnis haben wir hier eine zumindest nach außen zunächst berechtigte und substanziiert vorgetragene Klage und auf der anderen Seite absolut gar nichts was dieser entgegen tritt, das in diesem Fall das Gericht einfach alle gestellten Ansprüche gewährt und den Rest einfach der nächsten Berufungsinstanz überlässt ist daher nicht zu beanstanden.

Hier hat einfach die Beklagte durch ihr mehrfaches Fehlverhalten das Verfahren in den Sand gesetzt.
Die Frist zur Klageerwiderung zu versäumen ist einem Zivilverfahren extrem suboptimal aber auch völlig unverständlich, da es sich um keine Notfrist handelt und daher die Verlängerung beantragt werden kann was in diesem Fall nicht passiert ist.

Im Falle einer korrekten Verfahrensführung der Beklagten wären die 44,97 Euro mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt worden auch die anderen beiden Posten wären wahrscheinlich gekürzt worden, da es sich ja um "verschiedene Speisen" gehandelt hat.
Denn auch wenn die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen zu gewähren hat gilt der Grundsatz der Schadenminderungspflicht, wer Champagnercocktails haben möchte, muss dieses Privatvergnügen eben selbst bezahlen.

Im übrigen dürfte im Gegenzug genau klar sein dass die ausgegeben Voucher im Wert viel zu niedrig sind, allerdings habe ich es bisher noch nie erlebt, dass die Fluggesellschaften sich ernsthaft dagegen wehren wenn die Kosten im Rahmen geblieben sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

Airsicknessbag

Megaposter
11.01.2010
22.009
16.288
Im Falle einer korrekten Verfahrensführung der Beklagten wären die 44,97 Euro mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt worden auch die anderen beiden Posten wären wahrscheinlich gekürzt worden, da es sich ja um "verschiedene Speisen" gehandelt hat.

Nein, die 250 Euro haetten sie sich sparen koennen, wenn sie die aussergewoehnlichen Umstaende, also insbesondere die Einstellung der Abfertigung in DUS, haetten nachweisen koennen. Die Betreuungsleistungen schuldeten sie - dem Grunde nach - unabhaengig davon.

Denn auch wenn die Fluggesellschaft Betreuungsleistungen zu gewähren hat gilt der Grundsatz der Schadenminderungspflicht, wer Champagnercocktails haben möchte, muss dieses Privatvergnügen eben selbst bezahlen.

Anderer Ansicht die Schampus-Kammer, die ein, nun ja, sehr Duesseldorfer Verstaendnis von den Komponenten eines "gelungenen Essens" hat :resp:
 
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Anonyma

Erfahrenes Mitglied
16.05.2011
16.575
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BRU
Diese Urteil ist nicht nur in seiner relevanz überschaubar, es ist absolut unbedeutend.

Im Grunde hat die Fluggesellschaft gar nicht im Verfahren teilgenommen, hier wurde die Frist zur Klageerwiderung versäumt und ein späteres Vorbringen wurde abgelehnt.
"Bei Zulassung des neuen Vorbringens würde es zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen."

Im Ergebnis haben wir hier eine zumindest nach außen zunächst berechtigte und substanziiert vorgetragene Klage und auf der anderen Seite absolut gar nichts was dieser entgegen tritt, das in diesem Fall das Gericht einfach alle gestellten Ansprüche gewährt und den Rest einfach der nächsten Berufungsinstanz überlässt ist daher nicht zu beanstanden.

Hier hat einfach die Beklagte durch ihr mehrfaches Fehlverhalten das Verfahren in den Sand gesetzt.

Wahrscheinlich haben die bei EW mittlerweile so viele Klagen, von denen 99% berechtigt sind (und auch EW genau weiß, dass sie eh zahlen müssen), dass sie sich gar nicht mehr die Mühe machen zu lesen, worum es im Einzelfall geht. Und dann kommen solche Sachen raus.
 

TXL3000

Erfahrenes Mitglied
18.06.2016
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TXL
Hat nix mit Champus zu tun, aber habe bei EW auch schon unterschiedliches erlebt: 150 Euro für eigens gebuchte Hotelnacht unproblematisch anerkannt, beim nächsten Mal (dasselbe Hotel, derselbe Ort, dieselbe Rate) nur 120 Euro (anstatt 150) erhalten mit der Begründung, man zahle nie mehr als 120 Euro und ich möge Verständnis haben. Dieses Verständnis hatte ich nicht und auf dem Klageweg folgte die Differenz (plus Ausgleichszahlung, die eigentlich Anlass des Verfahrens) war. So ähnlich: Einmal zahlten Sie mir anstandslos 35 Euro für Room Dining (kein Alkohol!); bei einem anderen Mal gab es 20 Euro pauschaliert, ebenfalls mit der lapidaren Begründung, das sei halt so. Aber Düsseldorf sei Dank, räume ich beim nächsten Mal als erstes die Minibar aus...
 

TXL3000

Erfahrenes Mitglied
18.06.2016
1.676
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Wahrscheinlich haben die bei EW mittlerweile so viele Klagen, von denen 99% berechtigt sind (und auch EW genau weiß, dass sie eh zahlen müssen), dass sie sich gar nicht mehr die Mühe machen zu lesen, worum es im Einzelfall geht. Und dann kommen solche Sachen raus.

Wenn es nur an EW liegt, schön und gut.

Aber mir erscheint es so, als hätten deren Anwälte (aus Dortmund) auch nicht alles im Griff. Meine jüngste Erfahrung:

Klage erhoben und zugestellt, keine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft, dann Versäumnisurteil, am letzten Tag der Einspruchsfrist legt Kanzlei Einspruch ein und beantragt Verlängerung der Frist zur Einreichung der Begründung, die dann aber trotzdem nie erfolgt und zum Termin zur mündlichen Verhandlung erscheinen die Profis letztlich auch nicht. Rechtskraft. Nur Kosten verursacht, sonst nix.
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
5.384
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Anderer Ansicht die Schampus-Kammer, die ein, nun ja, sehr Duesseldorfer Verstaendnis von den Komponenten eines "gelungenen Essens" hat :resp:

Aber ob bleibt die Entscheidung auch so wenn man der Schampus-Kammer eine Begründung abverlangt die erklärt warum gerade Schampus zu den notwendigen Betreuungsleistung gehören soll und kein Privatvergnügen? Auch wie es sich dann mit dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht verhält müssen sie dann schon etwas näher erklären.

Aber sollte ich mal wieder in AMS oder CDG hängen bleiben werde ich nicht in die Lounge gehen sondern mit das teuerste Restaurant suchen und die Rechnung AF/KLM schicken.

Im übrigen sichert einem die EU VO nur etwas zu Essen zu das muss nicht gelungen sein.


Übrigens genau deswegen funktionieren Mahnverfahren gegen EW besonders gut, von denen die ich indirekt durchgeführt habe kam nur zwei mal ein Widerspruch aber erst als schon über eine Woche der VB zugestellt war.
Einmal war der Widerspruch selbst zu spät um als Einspruch gewertet zu werden.
 

umsteiger

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22.01.2012
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www.kanzlei-woicke.de
Übrigens genau deswegen funktionieren Mahnverfahren gegen EW besonders gut, von denen die ich indirekt durchgeführt habe kam nur zwei mal ein Widerspruch aber erst als schon über eine Woche der VB zugestellt war.
Einmal war der Widerspruch selbst zu spät um als Einspruch gewertet zu werden.


Schätze mal, dass das ein vorübergehendes Phänomen ist. Die scheinen ja seit geraumer Zeit komplett überlastet zu sein. Was man mit denen z.B. auch vor Gericht seit bestimmt einem Jahr erlebt, kannte ich so vorher nur von IB und Co.
 

Airsicknessbag

Megaposter
11.01.2010
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16.288
eine Schampus-Abteilung (AG, nicht LG!), um die Bedeutung der Sache nicht zu überhöhen.


Ich bin halt kein Zivilrechtler - in meinem beruflichen Umfeld gibt's schon in den jeweiligen Eingangsinstanzen nur Kammern ;) "Schampusabteilung" klingt so ein bisschen nach KaDeWe - "*dingdong* - Herr P. bitte in die Schampusabteilung, 63 bitte 14 *dingdong*".

An meinem Ausbildungs-OLG gab es mal einen Fleischwurstsenat :LOL:
 
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18.06.2016
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Ich bin halt kein Zivilrechtler - in meinem beruflichen Umfeld gibt's schon in den jeweiligen Eingangsinstanzen nur Kammern ;) "Schampusabteilung" klingt so ein bisschen nach KaDeWe - "*dingdong* - Herr P. bitte in die Schampusabteilung, 63 bitte 14 *dingdong*".

An meinem Ausbildungs-OLG gab es mal einen Fleischwurstsenat :LOL:

Kein Problem. Schampus...ähh...Schwamm drüber!
 

OneMoreTime

Erfahrenes Mitglied
23.04.2019
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Da es sich um ein Versäumnisurteil handelt wird dem Antrag des Klägers zu 100% entsprochen, ist doch vollkommen normal. Wenn der Kläger noch weitere 500€ für Unterwäschen und 50€ für Kondome eingeklagt hätte, er hätte sie ebenfalls zugesprochen bekommen.

Die Frage ist ob sich die Airline mit dem Urteil zufrieden gibt, und alles bezahlt, oder ob man in Berufung geht und sich einen großen Teil der Kosten spart. Jeder normale Mensch würde in Berufung gehen.
 
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Airsicknessbag

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11.01.2010
22.009
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Da es sich um ein Versäumnisurteil handelt wird dem Antrag des Klägers zu 100% entsprochen, ist doch vollkommen normal. Wenn der Kläger noch weitere 500€ für Unterwäschen und 50€ für Kondome eingeklagt hätte, er hätte sie ebenfalls zugesprochen bekommen.

Nein, das waere unschluessig gewesen. Das Gericht hat schon geprueft, ob der Schampus Teil der Betreuungsleistungen sein kann (Rechtsfrage). Und bejaht. Es hat wegen der Saeumnis nur nicht geprueft, ob die Schampus- (und sonstigen) Kosten tatsaechlich angefallen sind.

Die Frage ist ob sich die Airline mit dem Urteil zufrieden gibt, und alles bezahlt, oder ob man in Berufung geht und sich einen großen Teil der Kosten spart. Jeder normale Mensch würde in Berufung gehen.

Dazu hatte ich im allgemeinen Thread schon etwas geschrieben:

Das einzige, bei dem ich Gefahr in der zweiten Instanz sehe, ist der Schampus. 44,97 EUR. Sie muessen aber eine Beschwer von mindestens 600,01 EUR geltend machen, koennen also gerade einmal zu knapp 7,5 % obsiegen. Da lohnen sich die 44,97 EUR nicht, die sie sich fuer den Schampus sparen koennen.
 
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