Teil 4
Fortsetzung 4 / Neuanfang
Als Student hatte ich im Sommer 1973 in den Semesterferien in einer Spedition am Flughafen Hamburg in der Abfertigung von Luftfracht gearbeitet. Schnell weckten der Geruch des Kerosins und die Flughafen-Atmosphäre mein Interesse an Luftfahrt und am Fliegen. Am Flughafen zu arbeiten war aufregend. Mit einem geschenkten Ticket konnte ich sogar einen kurzen Wochenendtrip mit KLM nach Amsterdam machen, denn ich als aufregend und spannend erinnere, doch auf dem Beginn meiner Vielfliegerkarriere sollte ich bis zu der großen geschilderten Reise 1978 nach Kathmandu warten noch müssen.
Als dann 1979 mein Job in München begann sollte ich für die nächsten Jahrzehnte Flugzeuge benutzen wie andere Menschen die U Bahn. Fast ausschließlich flog ich mit Lufthansa, weil Flüge innerdeutsch oder „Europa im Nahbereich“ waren. Ich wäre auch gar nicht auf die Idee gekommen, nicht mit dem Kranich zu fliegen. Nur auf den Strecken nach Berlin, wo LH nicht fliegen durfte, saß ich in PanAm Clippern, wie diese Gesellschaft euphorisch ihre Flugzeuge nannte. Tatsächlich waren es fürchterlich abgewarzte 727, die auf den Transitstrecken hin- und herflogen. Später nutzte ich auch die gemeinsame Tochter von LH und AF mit dem schönen Namen Euroberlin. Sonst war ich meinem Freund Lufthansa treu. Die allermeisten Reisen ergaben sich aus dem Job. Später lebte ich wieder in Hamburg und hatte zeitweise meinen Arbeitsplatz in anderen Städten. Das Gehalt war so, dass ich es mir leisten konnte, mehr oder weniger zu pendeln.
Ich mochte es, unterwegs zu sein, und immer stärker wurden Flughäfen, Flugzeuge und das Gefühl „on the road zu sein“ wichtig in meinem Leben. „Wichtig“ ist eigentlich nicht wirklich das zutreffende Wort, ich war „gerne“ unterwegs. Eine Stunde am einem Flughafen herumzusitzen fand ich inspirierend, nicht lästig. Vielleicht lag es auch daran, dass ich nicht an ein Haus oder Kinder gebunden war. Besonders wichtig war mein Job nicht, aber ich hatte „zu koordinieren und zu leiten“ und da war es immer gut, „seine Leute“ und Projekte persönlich zu sehen. Willy Wichtig oder ein kapitalistischer Bonze war ich nicht. Es waren ja auch andere Zeiten. Zur Kommunikation gab es damals nur Briefe mit der Post, dazu das Telefon (außerhalb der Ortgespräche und ins Ausland ziemlich teuer) und im Notfall das Telegramm. Selbst das Telefax-Gerät, diese heute so altmodisch wirkenden Kisten mit Thermopapier, gab es in den ersten Jahren meiner Berufslaufbahn noch nicht.
Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger war das Fliegen längst dabei, sich zu einem Massenverkehrsmittel zu werden. Zugegebenermaßen war es schon lange nicht mehr so exklusiv wie in den 1950er und 1960er Jahren, doch es weckte immer noch Anerkennung wenn ich Sonnabendmittags aus München einflog, um nachmittags mit meinen Kumpeln auf einer Wiese im Stadtpark Fußball zu spielen.
Auch gehört zu meinem Rückblick, dass der Luftverkehr im vergangenen Jahrhundert sehr (!) viel angenehmer war als heute. Zum Einchecken gab es immer ausreichend offene Schalter, ohne die heutigen, so kundenverachtend wirkenden langen Schlangen in Viehgattern. Die so zweifelhaften körperlichen Durchsuchungen und Schikanen waren noch nicht eingeführt. Selbst wenn man nur wenige Minuten vor Abflug ankam, hatte man eine gute Chance seinen Flug noch zu bekommen. Im Flugzeug konnte man bequem sitzen, ohne die gegenwärtigen menschenunwürdigen Sitzabstandsverdichtungen. In der Regel blieb meist auch der Platz neben einem leer. Abgesehen von den ganz kurzen 30 Minuten-Legs wie Stuttgart-Frankfurt wurde ein Tablett mit einem richtigen Essen serviert, das in der Regel einer Mahlzeit entsprach, nicht die heutigen Müllsäcke, aus denen ein süßer oder saurer Snack hervorgekramt wird. Mir hat es meist geschmeckt, vor allem nach dem ich entdeckt hatte, dass ich für viele meiner Strecken „vegetarisch“ als Special Meal bestellen konnte.
Ich genoß es, viel unterwegs zu sein. Auch die Stewardessen interessierten mich. Sie galten zwar nicht mehr als die Schönheiten des Landes, die in der Super Constellation oder Convair auf einen Ehemann warteten, weil es für das Gymnasium oder den Beruf der Krankenschwester nicht reichte, sondern freundliche Mädels wie diejenigen, die ich an anderen Orten kennenlernte. Manchmal haben sie mich interessiert und es kam sogar zu einigen Dates wie man heute sagen würde. Vielleicht auch, weil einige sehr nette Ladies dabei waren, die sich mit dem Geist der großen weiten Welt gut eingerichtet hatten.
Auf einem meiner Rückflüge von MUC nach HAM musste ich nebelbedingt lange warten, da KAT 3 noch nicht erfunden war. So kaufte mir am Kiosk in Riem ein Buch mit dem Titel „Honkong“ von Rudolf Braunburg, einem Lufthansa Jumbokapitän. Tatsächlich flog er die DC 10, doch damals wurden umgangssprachlich alle großen Maschinen als „Jumbo“ bezeichnet. „Hongkong“ war eine seiner vielen Erzählungen aus dem Milieu der Luftfahrt, die ich alle interessiert gelesen habe. Später hat Braunburg das Magazin der Zivilluftfahrt Aero gegründet. Als ich seine Bücher entdeckte, brach mein Interesse an der Luftfahrt endgültig aus.
Anfangs waren Tickets immer flexibel und konnten leicht umgeschrieben werden. Der heutige unsagbare Beschiss aus Steuern, Gebühren und anderer Abzocke war noch nicht eingeführt. Mehrfach habe ich meine Tickets von MUC nach HAM auf MUC-DUS-HAM umgeschrieben, weil auf dem ersten Leg immer eine DC 10 flog, und ich noch einmal in dem Riesenvogel sitzen wollte. Auch auf das Routing HAM-FRA-MUC habe ich einmal umgebucht, um die letzte 707 kennenzulernen, die morgens immer den 7 Uhr Flug nach Frankfurt durchführte.
Manchmal habe ich mir auch kleine Wochenendtrips aus der inkludierten Extra Mileage oder den Tricksereien mit den schon erwähnten „Imaginary fare construction points“ zusammengebastelt. Warum sollte ich von Paris nach Hamburg fliegen, wenn ich ohne oder mit nur geringen Extrakosten auch über London, Brüssel oder Amsterdam fliegen konnte. Und sei es nur um einen Kaffee zu trinken, den Menschen nachzugucken und ein wenig das dortige Lebensgefühl aufzusaugen.
Bevor ich die LeserInnen nun irritiere und mich morgen die Gutmenschen-Polizei mit einem Hausbesuch beehrt und ich gar in ein Umerziehungslager nach Bautzen oder Guantanamo zugeführt werde, möchte ich schnell darauf hinweisen, dass dies ein „historischer“ Tripreport ist. Sprache und Inhalt entsprechen dem vergangenen Jahrhundert und werden nur aus schriftstellerischen Gründen verwendet.
Selbstverständlich weiß ich, dass ich eine Frau Professor mit „ProfessorX“ anzureden habe, dass der Angriff mit Zivilflugzeugen am 11.9. 2001 Nichts mit einer unterdrückenden Religion zu tun hatte (ein wirklich widerliches Gerücht), Frauen freiwillig ihre Burka anziehen und Claude Juncker nun seine segensreiche Arbeit zur Steuerfreiheit amerikanischer Konzerne an der Spitze der EU fortsetzen kann. Auch Negerküsse habe ich schon lange nicht gegessen. Aus meiner Bibel habe ich die Weihnachtsgeschichte herausgerissen, weil sie politisch nicht ganz korrekt ist. Das musste ich einfach sagen. Jetzt kann ich unbelastet weiter von meiner jahrelangen Freundschaft mit der Lufthansa erzählen, denn mein Kopf ist voller Erinnerungen aus unserer gemeinsamen Zeit. Wer viel fliegt, kann viel erleben.
Meine wohl gefährlichste Situation unterwegs sollte ich schon 1979 erleben. Auf einem meiner Abendflüge von MUC nach HAM war die 727 gerade aus Riem herausgeklettert und wohl gut 20 Minuten unterwegs, als der Pilot (er war wirklich männlich, Pilotinnen sollten bei der LH erst Jahre später eingeführt werden), dass er ein Triebwerk abgeschaltet habe und wir umgehend in Frankfurt landen würden. Worte wie Notlandung oder Emergency vermied er. Das Triebwerk sei überhitzt gewesen. Nach dem Aussteigen, als wir an den Treppen auf den Bustransfer warten mussten, sahen wir deutliche Rauch- und Schmauchspuren. Es muss ganz schön gekokelt haben, aber der eingebaute Feuerlöscher hatte offenbar funktioniert. Einige Paxe waren ziemlich aufgeregt und riefen nach Alkohol. It’s a Man’s world. Ich fand es eher interessant, Angst erinnere ich nicht. Eine Ersatzmaschine brachte uns dann weiter nach Hamburg. Den Avherald gab es damals noch nicht, sonst hätte ich nachlesen können, was ich genau erlebt habe.
Einmal erlebte ich in HAM ein heftiges Durchstarten, wohl 50 Meter über der Langenhorner Chaussee, da wo Helmut Schmidt wohnt, weil die Maschine vor uns nicht schnell genug abgerollt war. Nichts passiert, aber es war fast ein richtiger „touch and go“.
Ein anderes Mal war ich an einem sonnigen Herbsttag unterwegs nach London. Als wir genau über Amsterdam passierten, bekam ein Pax einen Herzinfarkt. Alle Passagiere wurden in den hinteren Flugzeugbereich geschickt und unsere Maschine bekam Priority. Wie vom Lineal gezogen rauschten wir in knapp 20 Minuten durch den Luftraum auf der Ideallinie nach LHR, während man sonst ab Amsterdam meistens noch eine Stunde unterwegs ist und durch Südost-England kurvt. Hat leider nichts genützt, der Pax ist noch an Bord verstorben. RIP.
Heftige Turbulenzen gab es natürlich häufiger, doch einmal waren sie so stark, dass sich eine Stewardess und ein Reisender den Arm bzw. die Schulter gebrochen hatten. Seitdem bin ich höllisch vorsichtig geworden und schnalle mich grundsätzlich an, schon lange bevor es zur Regel wurde.
Ein anderes Mal, es muss Anfang dieses Jahrhunderts gewesen sein, war ich an einem trüben Winterabend unterwegs von HAM über MUC nach BEG um Freunde zu besuchen und Medikamente hinzubringen. Es war kurz nach Ende der Balkan-Kriege. Wir hatten gerade den Steigflug verlassen, als uns der Pilot mitteilte, wir würden umgehend aus „operationellen Gründen“ in Berlin-Tegel landen. Dort stände es eine Ersatzmaschine. Mehr Erklärungen hörten wir nicht. Nicht einmal meine Insider bei Lufthansa kannten diesen Ausdruck „operationelle Gründe“. Möglicherweise war ein Gepäckstück an Bord, das da nicht hingehörte. Da in München der letzte Anschluss nach BEG nicht mehr zu erreichen war und habe ich die Reise in Berlin abgebrochen werden musste. Ohne Probleme gab mir LH einen Übernachtungsgutschein, die Bahnrückfahrt nach Hamburg und das Geld für mein Ticket zurück.
In den achtziger Jahren hatte sich mein Wissen über Flugtickets schnell ausgeweitet. Ein Forschungsprojekt, in das ich neben meinem Hauptjob involviert war, führte mich mehrmals in die Stadtverwaltung Londons. Dazu habe ich häufiger auch an Workshops in England teilgenommen und bin mit meiner damaligen Freundin oft in London gewesen. Wir liebten das englische Lebensgefühl und haben uns gerne dort aufgehalten, zum Shopping von Büchern, Schallplatten und Jeans sowie für Theater und Kultur. Zwar war und ist Hamburg eine großartige Stadt, aber mit der Größe, der Geschichte und dem Lebensgefühl in London konnte sie nicht mithalten. Schnell hatte ich herausgefunden, dass man in einigen Reisebüros Hamburgs Tickets für Dan Air, einer britische Charterfluggesellschaft, die zwischen Hamburg und Gatwick flog als auch für die Lufthansa nach Heathrow kaufen konnte. Solche Tickets hießen damals Graumarkttickets. Sie waren nicht umbuchbar und man erhielt vom Reisebüro zu jedem Ticket einen fiktiven Voucher für eine Hotelübernachtung. Man sollte ihn vorzeigen, falls man kontrolliert werden würde. Allerdings wurde ich nie kontrolliert. Auch konnte man in Hamburg Tickets zu einem sogenannten Reederei-Tarif kaufen, die eigentlich nur für Mitarbeiter von Schifffahrtsgesellschaften gedacht waren.
Schnell lernte ich auch, dass Flugtickets in unterschiedlichen Ländern höchst unterschiedliche Preise haben. London - Hamburg kostete in England zeitweise nur 50% dessen, was ich in Deutschland dafür zahlen sollte. Besonders ab Athen und Lissabon lohne es sich, dort Tickets zu erwerben und heftige Umwege einzubauen. In das Ticket Athen-Hamburg-Athen habe ich mehrfach den Abstecher von Hamburg nach Dublin und zurück eingebaut, die kostenfrei waren, wen man bei der Lufthansa jemand fand, der wohlwollend am Ticket herumrechnete. Dazu bin ich immer in Zeiten, wo nichts los war zum Flughafen gefahren und zu einem Schalter gegangen, an dem das Lufthansa Mädel ein gutes Karma ausstrahlte, also freundlich und entspannt wirkte. Mit einigen charmanten Bemerkungen habe ich mein Gegenüber eigentlich immer anstiften können, ein wenig zu rechnen. So bin ich unter anderem zu meinen zwei schönen Wochenendausflügen nach Dublin gekommen und konnte alle Länder Europas kennenlernen. Ob man ein Ticket in der Reihenfolge der Coupons abflog, wurde damals nicht kontrolliert, zumindest ist es mir nie passiert. Es waren ja Papiertickets und man konnte die Coupons, die man verwenden wollte, auch herausreißen und beim Check-In abgeben.
Besonders ab Athen und Lissabon habe ich häufiger auch Tickets der ersten Klasse erworben. Auf Inland- und Europastrecken hatte die Lufthansa bis in die Neunziger Jahre nur zwei Klassen. Vorne gab es die First, meist zwei Reihen mit vier fetten First sitzen. Hinter einer Trennwand saßen dann die anderen, egal wie viel sie für das Ticket gezahlt hatten. In der First Class gab es auf allen Strecken ein warmes Essen, sogar morgens um sieben von Hamburg nach Frankfurt.
Gut erinnere ich mich an die Flüge mit der für eine Europastrecke riesigen A 300 von Athen nach Frankfurt. Hier bekamen die Paxe in der First Class als Vorspeise immer Kaviar, der aus einem großen silbernen Eimer vom Wagen serviert wurde. Dann kam das eigentliche Essen. Diese A 300 Flüge fand ich großartig, allein schon in so einem Riesenvogel unterwegs zu sein war erhebend.
Das Wissen um Tickets mag in meiner Kurzdarstellung sehr nach Maximierung klingen, aber ich sage schon einmal vorab und zwischendurch, dass ich in meinem bisherigen Lebens viel Geld als treuer Kunde in die Lufthansakasse gespült habe, auch zu Zeiten, als ich viele Reisen günstiger mit anderen Gesellschaften hätte machen können. Insofern habe ich kein schlechtes Gewissen für die kleinen Tricks und vielen späteren Vergünstigen als FTL und Senator.
Einige Reisen sind mir ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Wenige Tage vor Heiligabend 1989 musste ich zu meinem wohl kürzesten Besuch nach London. Ich arbeitete damals in einer Fernsehproduktion. Am Vormittag erfuhren wir, dass ein dringend benötigtes Ersatzteil für den Textgenerator der Schnittanlage noch nicht unterwegs war, sondern noch beim Hersteller in der Nähe Londons herumlag. Da kostspielige Produktionsverzögerungen drohten und es so aussah, als ob der Lieferant wenig Lust hatte, das Teil noch vor Weihnachten zu verschicken, tobte einer der Inhaber in mein Zimmer und forderte mich auf, umgehen „den Scheiß aus England“ zu holen. Minuten später war ich unterwegs nach Fuhlsbüttel zum Flughafen. In London nahm ich eines der schwarzen Taxis und fuhr die gut 80 km zum Hersteller. Unser Teil lag in der Ecke und die Mitarbeiter dort hatten angefangen sich zu besaufen, wegen Feierabend oder Weihnachten oder beidem. Wahrscheinlich hätten wir das Teil wirklich erst im neuen Jahr erhalten. Mit dem Taxi ging es zurück nach Heathrow. Für den Fahrer war meine Fahrt wohl die Hälfte seines Xmas-Umsatzes.
Der Karton war ziemlich groß, etwa 120 x 40 x 40, aber nicht schwer. Von einer wohlwollenden Lufthansa-Lady bekam ich die Zusage, dass ich nebst Karton mitgenommen werde, wenn ich ein First Ticket kaufen würde. Gesagt getan. Dann ging ich in die Senator Lounge, in die ich mit meinem Föörst Ticket durfte. Sie war zu jener Zeit ein kleiner verschwiegener Raum, mit vielleicht 20 fetten Ledersitzen und einem Kühlschrank voller Champagnerflaschen. An das Happy happy erinnere ich mich nicht mehr genau, wahrscheinlich ein Tablett mit Lachsbrötchen. Als ich gerade mit der Betankung anfing, wurde mitgeteilt, dass unser Flug 2 Stunden Verspätung hatte. Das konnte ja eine lustige Nacht werden, auch wegen des Nachtflugverbots in Hamburg.
In der Lounge lernte ich Tucumba und Uwe kennen. Auch sie saßen herum und wollten nach Hamburg. Tumcumba war ein freundliches Mädchen, so alt wie ich, die ihr Geld als Kunst-Beraterin verdiente und im vornehmen Rotherbaum wohnte. Der seltsame Name war ihr Spitzname, den sie bekommen hatte, als sie sich zwei Jahre in Schwarzafrika aufhielt. Uwe war ein Geschäftsmann mit seltsamen Einstellungen und Manieren, aber nicht unsympathisch. Er war so alt wie Bob Dylan, also zehn Jahre älter als ich. Um die Zeit totzuschlagen redeten wir viel und betranken wir uns. Später haben wir uns einige Male zu dritt getroffen und jeder hat einmal für die anderen gekocht. Der Kontakt zu Tucumba ist dann irgendwann abgerissen, auch weil Uwe ein Auge auf sie geworfen hatte. Uwe dagegen sollte bis zu seinem Tod im Jahr 2006 zu einem meiner allerengsten Freunde werden.
Dann kam endlich das verspätete Aeroplan nach Hamburg. Tucumba, Uwe und ich bevölkerten die Erste Klasse, auf einem leeren Sitz war mein Riesenkarton festgeschnallt. Gegen halb zwei nachts landeten wir in HAM. Offenbar hatte Lufthansa eine der seltenen Ausnahmegenehmigungen für eine Landung in der verbotenen Zeit erhalten. Ich war so betrunken, dass ich den Karton auf einen Gepäckwagen legte, meinen Mantel darüber ausbreitete und freundlich grüßend am müden Zöllner vorbei zum Taxi ging.
Durch meine Freundschaft mit Uwe erhielt ich Zugang zu Information über die „Welt der Lufthansa“ und zu den mit einem Status verbundenen Vorteilen. Er hatte eine Senator-Karte und war ein HON, was in Ende der 1980er wohl identisch war (anders als heute). Da ich die Tickets meiner vielen Reisen mit LH im wahrsten Sinne des Wortes in aller Welt zusammengekauft gekauft hatte, auch für die vielen beruflichen Flüge, schickte ich einen großen Schuhkarton Tickets und Boardingpass-Schnippseln an das Lufthansa Stadtbüro in die Dammtorstraße. Kurze Zeit später war ich stolzer Besitzer einer FTL Karte.
Auf einer meiner Reisen, es war ein privater Trip nach Lulea (mit dem schönen Routing Köln-Berlin-Stockholm-Lulea- Göteborg- Düsseldorf) lieh mir Uwe seine Senator-Karte und auf den LH Legs konnte ich die Annehmlichkeiten des Upgradings auf Lufthansa Strecken selbst ausprobieren. Damals war ein upgrade in die First selbstverständlich.
Es war eine schöne Reise: im Sommer 1992, verstrickt in Geld und Karriere, verbissen in die Sanierung eines maroden Unternehmens, bin ich mit meinem Schulfreund Bernd für drei Tage in Richtung Polarkreis geflogen, in die nordschwedische Stadt Luleå. Dort spielte Bob Dylan zur Mittsommernacht auf dem Volksfest Sjöslaget. Es blieb hell, die meisten Menschen waren mehr oder weniger betrunken. Eine schöne Sommernacht, es war warm, die Stimmung freundlich und entspannt. Nach dem achten Song, passenderweise Love Minus Zero / No Limit, stand ein Mädchen vor mir. Blond und lächelnd. Sie sagte, meine Brille sei witzig und küsste mich lange. Ich war der Reiz des Fremden. Sie lebte in Umeå und stammte aus Gällivare oder umgekehrt. Ihren Namen habe ich vergessen, mit Schweden war ich versöhnt. Auf dem Rückweg flogen wir dann mit Lynjeflug (oder so ähnlich) bei einem Zwischenstopp in Sundsvall nach Göteborg zu einem 2. Konzert. Dienstag morgen saß ich wieder am Schreibtisch und drehte das Hamsterrad.
Wenige Wochen später bekam ich meine eigene Senator-Karte, die ich bis 2011 behalten sollte. 1992 führt Lufthansa auch das Miles & More Programm ein und begann mit dem Aufbau der Star Alliance. Mir kam das zu Gute, denn ich war damals nicht viel, sondern extrem viel mit der Lufthansa unterwegs.
danke fürs Interesse - Fortsetzung folgt