Hätte man schon vor ein paar Wochen gewusst, dass Kosovo-Heimkehrer häufig infiziert sind,
hätte man die Cluster sicher zielgerichtet aufspüren können.
Blöd nur, dass man solche Schlüsse immer nur im nachhinein ziehen kann - weil so wenig Glaskugeln verfügbar sind.
Auch wenn es Dir um einen kurzen Schenkelklopfer gehen sollte, erkläre ich es Dir gerne noch einmal sachlich.
Für die Entwicklung auf dem Balkan braucht man keine Glaskugel. Die Informationen sind vorhanden. Zunächst hat man es gewußt. Jeder, der sich mit der Gegend beschäftigt, weiß, dass die Infektionszahlen in Serbien, Kosovo und Montenegro hoch sind. Der Ausweis als Risikogebiet erfolgte langfristig. Jeder konnte sein Handeln danach ausrichten. Es besteht seit langem eine Reisewarnung. Niemand ist über die Zahlen dort überrascht. Auch wird vor diesem Hintergrund kaum jemand eine Reise in den Kosovo planen, wenn er nicht unbedingt hin muss.
Die Situation in Pristina ist auch nicht mit der in Madrid vergleichbar. Die Reisenden nach Pristina wohnen bei ihrer Familie und gehen ein erhöhtes Infektionsrisiko ein. Reisende nach Madrid werden in der Regel in Hotels wohnen und Infektionsschutzmaßnahmen treffen. Das Risiko, sich in Madrid anzustecken, ist geringer als das in Pristina.
Nun kann man flapsig sagen, das Virus interessiert sich nicht für das Grundgesetz. Dennoch ist es so, dass das Grundgesetz auch in Krisenzeiten gilt und kein Schönwetter-Prosatext ist. Ich habe ja auch bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Wesentlichen ganz gut klappt. Nun ist es, stark vereinfacht ausgedrückt so, dass in der deutschen Rechtsordnung Gesichtspunkte wie Vertrauensschutz und Rechtssicherheit eine Rolle spielen. Herleitung und dogmatische Details lassen wir mal außen vor. Das System funktionert nur dann, wenn man als Bürger staatliches Handeln abschätzen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Auch der teilweise Shut-Down im März war vorher absehbar, so dass man einige Vorkehrungen treffen konnte. Wenn es Änderungen über Nacht gibt, wird das Vertrauen der Bürger in das Verwaltungshandeln zerstört. Es gibt weniger Rückhalt für Corona-Schutzmaßnahmen. Deshalb sind Nacht- und Nebelaktionen kontraproduktiv. Die Situation ist auch nicht vergleichbar mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen, weil sich die Steigerung der Infektionszahlen ja nicht von heute auf morgen ankündigt, sondern es eine gewisse Entwicklung gibt, so dass man durchaus in Wochenfristen arbeiten kann.