Klischees werden ja gerne pauschal als böse gebrandmarkt, dabei kommen sie in der Regel nicht aus dem luftleeren Raum, sondern trafen oder treffen auf einen hinreichend großen Teil der mit einem Klischee belegten Gruppe durchaus zu. Hinreichend groß, damit sich das Klischee überhaupt ausbilden und halten konnte.
Natürlich spielt hier auch selektive Wahrnehmung eine Rolle, und man darf Klischees auch nicht mit Pauschalurteilen verwechseln, das sind sie nämlich nicht. Es handelt sich schlicht und einfach um Raster und Kästchen, in die man Personen, Merkmale, Verhaltensweisen usw. schnell und einfach einordnen kann, weil sie als "typisch" betrachtet werden, manche sind schmeichelhaft, manche nicht, viele gehören auch ins Reich der "urban legend": Schwarze haben große Penisse, Juden sind reich und gierig, Weiße spielen nicht gut Basketball, Polen klauen, Schotten sind geizig, Franzosen können kein Englisch etc. – alles Klischees, die irgendwo ihren Ursprung hatten (und zum damaligen Zeitpunkt vermutlich sogar überwiegend stimmten) und immer wieder aufgegriffen werden, leider auch unabhängig davon, dass sich der Lauf der Dinge gedreht hat und vieles, was irgendwann irgendwo vielleicht tatsächlich "typisch" war, längst nicht mehr gilt, schon gar nicht universell und global.
Aber der Mensch ist nun einmal von der Anlage her kein globales Wesen, sondern eher regional und stammesmäßig orientiert. Deshalb fällt man gerne in etablierte Muster zurück, weil es einfacher ist und unerwünschte Komplexität vermeidet. Zu einem Klischee gehört aber auch immer jemand, der es bedient. Sonst würde es ja dem Beobachter gar nicht erst auffallen. Bunt gekleidete "Zigeuner", die nach dem Scheibenputzen in den dicken Daimler steigen, bedienen damit ja selbst ein ganz bestimmtes Klischee – nicht der Beobachter tut das, sondern die Beobachteten! Insofern darf man die Verantwortung für das Bedienen solcher Klischees durchaus auch beiden Gruppen zuschreiben, es gehören immer zwei dazu. Ich finde das Erkennen und Benennen von Klischees jedenfalls nicht tragisch, es ist vielmehr typisch. Typisch menschlich.