EU Fluggastrechte / Annullierung

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Sebson

Neues Mitglied
11.01.2018
15
0
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Hallo, ich habe folgendes gebucht:


Hinflug:
MUC – FCO LH Ticket 1
FCO – MUC LH Ticket 2
MUC – SIN LH Ticket 2
Rückflug:
SIN – ZRH 14.01.19 LX1766 Ticket 2
ZRH – FCO 14.01.19 LX1726 Ticket 2
FCO – MUC 14.01.19 LH1843 Ticket 1

Auf dem Rückflug hatte der Flug nach Zürich Verspätung. Grund laut Durchsage: sehr hohes Verkehrsaufkommen in SIN. Da die Umsteigezeit nicht mehr ausgereicht hat, wurde ich direkt bei Ankunft in ZRH umgebucht.

Gebucht: LX1726 Abflug um 07:15 Uhr
Umbuchung: LX1736 Abflug um 12:30 Uhr

Da der Flug FCO – MUC ein andere Ticket war, konnte mich der Transfer Schalter nicht auf einen Flug nach MUC umbuchen. Die Beförderung sollte in FCO enden. Daraufhin habe ich einen neuen EW Flug über DUS nach MUC gebucht und mein Gepäck vom Transfer ebenfalls auf diesen Flug buchen lassen. Den Flug ZHR – FCO habe ich nicht angetreten.

Wenn ich nach FCO geflogen wäre, hätte ich mehr als fünf Stunden Verspätung gehabt. Besteht für mich nun der Anspruch für eine Entschädigung von LX für die mehr als fünf Stunden Verspätung in FCO? Oder hätte ich den Flug dann auch wirklich antreten müssen? Gibt es sonst etwas zu beachten?

kann mir hier jemand nen Tipp geben?
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
4.150
1.615
kann mir hier jemand nen Tipp geben?

Der Sachverhalt ist hoch problematisch, die EU FLuggastrechteverordnung selbst sieht keine Ausgleichszahlung in Fällen von Verspätungen vor, diese wurden erst durch EuGH Entscheidungen "durch die Hintertür" in Form der analogen Anwendung der bestehenden Vorschriften zu Annullierungen eingeführt.

Die Schweiz ist jedoch nicht an Urteile des EuGH gebunden daher werden Forderungen wegen Verspätungen abgelehnt.

Zwar könnte man hier FCO als Ziel den dortigen Gerichtsstand begründen dann muss aber das Verfahren nach italienischen Recht geführt werden.

Allerdings besteht der Anspruch den TIcketpreis für die Teilstrecke ZRH-FCO erstattet zu bekommen, da hier der Anspruch gemäß Art. 6 Abs. 1c iii i.V.m. Artikel 8 Abs. 1. a in der EU-VO 261/2004 selbst geregelt ist.

Da aber das sehr hohe Verkehrsaufkommen auch durch außergewöhnliche Umstände wie schlechtem Wetter ausgelöst worden sein könnte ist der Anspruch auf die Ausgleichszahlung selbst ohnehin fraglich.

Daher muss man sich immer des Risikos getrennter Tickets bewusst sein.
 

alinakl

Erfahrenes Mitglied
15.07.2016
4.150
1.615
Ok, danke für deine Einschätzung.

Gerne, einfach mal die Ausgleichzahlung bei LX anfragen, aber zu 99,9999% wird wohl eine Absage kommen.
Ansonsten vielleicht mal die Dienstleister abklappern 70% der Ausgleichszahlung ist besser als gar nichts, allerdings wird denen wohl der Fall auch zu komplex sein und daher abgelehnt werden.

Wenn italienisch Kenntnisse vorhanden sind könnte man noch deren Schlichtungsverfahren ausprobieren, das könnte eine spannede Sache werden.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
kann mir hier jemand nen Tipp geben?

Der Sachverhalt ist hoch problematisch, die EU FLuggastrechteverordnung selbst sieht keine Ausgleichszahlung in Fällen von Verspätungen vor, diese wurden erst durch EuGH Entscheidungen "durch die Hintertür" in Form der analogen Anwendung der bestehenden Vorschriften zu Annullierungen eingeführt.

Die Schweiz ist jedoch nicht an Urteile des EuGH gebunden daher werden Forderungen wegen Verspätungen abgelehnt.

Zwar könnte man hier FCO als Ziel den dortigen Gerichtsstand begründen dann muss aber das Verfahren nach italienischen Recht geführt werden.

Es gibt hier mE sogar noch ein Problem:

Hier liegt ja eine Konstellation vor, in der der Pax Abstand von der verspäteten Beförderung nimmt, weil er nicht mehr an sein (gebuchtes) Endziel FCO, sondern via DUS nach MUC gereist ist. Mit anderen Worten: Er ist an seinem eigentlichen Ziel tatsächlich nie verspätet angekommen. Es gibt Gerichte, die davon ausgehen, dass der Verzicht auf das letzte Leg die Ausübung seines Rechts auf Rücktritt vom Beförderungsvertrag (Art. 6 Abs. 1 lit. b iVm Art. 8 Abs. 1 lit. a FluggestrechteVO) darstellt, so dass das Recht entstehe, die Flugscheinkosten zuzurückfordern, aber nicht der Anspruch auf Ausgleichszahlung.

Zum Beispiel das LG Darmstadt (19.9.2012 - 7 S 81/12; 18.12.2013 - 7 S 120/13): Voraussetzung des Anspruch auf Ausgleichszahlung sei bei großen Verspätungen, dass der Pax an Bord gewesen ist und auch tatsächlich verspätet befördert wurde (in Bezugnahme den EuGH Sturgeon/Condor). Das ist zwar nicht die überwiegende Meinung und eine große Anzahl an Gerichten sieht das (wie ich finde: richtigerweise!) anders (z.B. LG Frankfurt v. 25.4.2013 - 2-24 S 213/12), aber im Auge sollte man sowas haben.
 

TDO

Erfahrenes Mitglied
25.02.2013
4.198
384
VIE
Wären im konkreten Fall nicht die Urteile in der Schweiz bzw. Italien relevant?
 

shigi76

Neues Mitglied
10.08.2019
5
0
Hallo, ich hatte bereits in einem anderen Thread geschrieben, wurde dann aber in diesen Thread verwiesen.
Folgende Situation haben wir am 08.08.2019 erlebt:

Wir sind am 08.08. von Madeira über Lissabon nach Hamburg geflogen.
- Geplant Madeira Lissabon war 06:00-7:35Uhr, tatsächlich 06:24-08:11Uhr, Flugnummer TP1690.
- Anschlussflieger Lissabon Hamburg geplant 08:20-12:35Uhr, tatsächlich 10:50-14:57Uhr, Flugnummer TP562.
Wir waren also in Lissabon rechtzeitig am Gate, da der Anschlußflug TP562 auch Verspätung hatte, ansonsten wäre es natürlich sehr eng geworden.
Nachdem wir 2 Stunden am Gate warteten und dann das Boarding für den Flug nach Hamburg begann, wurde uns der Zutritt verweigert und mitgeteilt, dass wir umgebucht wurden und wir alles weitere am TAP Schalter erfahren würden.
Dort erfuhren wir, dass wir umgebucht wurden auf den Flug nach Hamburg um 18:00-22:15Uhr, tatsächlich wurde es 19:46-23:46Uhr, Flugnummer TP566.

Zur Info: Ich hatte bereits einen Tag vorher online für die Flüge eingecheckt und die Sitzplatzreihen festgelegt.Kann die Fluggesellschaft derart vorgehen und habe ich ein Recht auf Entschädigung?

Danke für eurer Feedback,
André
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Wären im konkreten Fall nicht die Urteile in der Schweiz bzw. Italien relevant?

Doch, klar!

Es ging hier einzig darum, auf diesen Aspekt hinzuweisen, der ja einer der VO ist, nicht des nationalen Rechts. Und ohne zu wissen, wie italienische Gerichte sowas sehen, wird ihnen das Ganze auch nicht unbekannt sein oder es mag ihnen jedenfalls dieselbe Idee kommen. Oder anders: Auch in Rom könnte gedacht werden wie in Darmstadt (oder besser Frankfurt/M.).
 
Zuletzt bearbeitet:

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
45
54
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Kann die Fluggesellschaft derart vorgehen und habe ich ein Recht auf Entschädigung?



Nicht "oder", "und"!


Klar kann sich eine Fluggesellschaft aus unterschiedlichen Gründen dafür entscheiden, dich nicht mitzunehmen. Aber das ist ein klarer Fall von Nichtbeförderung. Daher gibt's die Ausgleichszahlung ohne Wenn und Aber.
 

Shadowhunt3r

Erfahrenes Mitglied
20.03.2016
987
126
Ich hätte hier mal eine Frage die mich weder indirekt noch direkt betrifft, es geht hier rein ums Interesse:

Wie einige vielleicht mitbekommen haben, wurde in Vancouver ein Edelweiss A340 von einem Air Canada Dreamliner touchiert und ist bereits seit einigen Tagen ausser Betrieb, und wird es wohl auch noch für ein paar weitere Tage sein. Gemäss ersten Berichten stand der Flieger von Edelweiss auf einer falschen Stop-Markierung, weshalb das Heck dann zu weit hinaus ragte.

Wie verhält es sich denn in so einem Fall aus Sicht der Fluggastrechte? Mir ist bewusst, dass hier vom Spezialfall "Schweizer Airline" reden, und man sich garantiert auf "aussergewöhnliche Umstände" etc. berufen würde. In gewisser Weise stimme ich dem aussergewöhnlichen Umstand zu, andererseits wäre er durchaus vermeidbar gewesen, sollten die Berichte der falschen Parkposition korrekt sein.
Meines Wissens gilt doch die EU-Verordnung für Annullierungen auch in der Schweiz, nur die Verspätung ist so eine Sache, oder? Wenn also nun aufgrund dieses Schadens mein Flug nach San Diego ausgefallen wäre und man mich z.B. über FRA umgebucht hätte, wie sähe es hier mit den Ansprüchen aus? Meinetwegen können wir sogar davon ausgehen, dass das Ganze der LH passiert wäre.

Würde mich über Meinungen freuen, wie gesagt, aus reiner Neugier, nicht aus Profitabsicht:D
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
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Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Swiss / Edelweiss stellen sich in der Konstellation gerne auf den Standpunkt, dass die VO nicht anwendbar sei. Bislang in unseren Fällen, wenn ich das richtig sehe, ohne Erfolg. Aber durchaus mit dem Ergebnis erhöhter Schreibarbeit.

Außergewöhnliche Umstände sehe ich eher nicht als Problem. wobei nicht wirklich immer ganz einzusehen ist, warum die Beschädigung auf dem Vorfeld durch eine andere Maschine / Treppe etc. kein außergewöhnlicher Umstand sein soll, ein geplatzter Reifen durch rumliegende Teile aber schon.
 
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steroidpsycho

Erfahrenes Mitglied
03.12.2010
712
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Eine Frage an die Reiserechtsexperten:

Gebuchter Flug DME-VIE-LEJ (AUA), Flug DME-VIE startet verspätet (VIE-DME hatte schon Anflugverspätung), deshalb erfolgt Umbuchung auf VIE-FRA-LEJ (LH), Ankunft mehr als 3 Stunden verspätet, AUA zahlt klaglos 400 € Entschädigung.

VIE-FRA erfolgt planmäßig, FRA-LEJ (letzter Flug am Abend) wird gestrichen, Umbuchung auf den 1. Flug am nächsten Tag.

Ist es möglich, von LH für den gestrichenen Flug (natürlich bei Vorliegen nicht außergwöhnlicher Umstände) nochmals 250 € Entschädigung zu erhalten oder zählt dieses Segment mit zur gesamten Reise (was ich vermuten würde)?
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
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Berlin
Eine Frage an die Reiserechtsexperten:

Gebuchter Flug DME-VIE-LEJ (AUA), Flug DME-VIE startet verspätet (VIE-DME hatte schon Anflugverspätung), deshalb erfolgt Umbuchung auf VIE-FRA-LEJ (LH), Ankunft mehr als 3 Stunden verspätet, AUA zahlt klaglos 400 € Entschädigung.

VIE-FRA erfolgt planmäßig, FRA-LEJ (letzter Flug am Abend) wird gestrichen, Umbuchung auf den 1. Flug am nächsten Tag.

Ist es möglich, von LH für den gestrichenen Flug (natürlich bei Vorliegen nicht außergwöhnlicher Umstände) nochmals 250 € Entschädigung zu erhalten oder zählt dieses Segment mit zur gesamten Reise (was ich vermuten würde)?

Im LH Konzern stellt man sich in der Tat auf den Standpunkt, dass in dieser Konstellation nur eine Zahlung fällig wird.

Richtig ist das nicht. Denn auch im Falle der - wie hier - Umbuchung bleibt die Verordnung auch auf den Ersatzflug anwendbar. Also steht einem Passagier ein (weiterer) Anspruch auf eine Ausgleichsleistung zu, wenn auch der dem Fluggast angebotene und bestätigte Alternativflug annulliert wird (BGH v. 10.10.2017 - X ZR 73/16; HG Wien v. 19.12.2017 - 1 R 45/17i).

Kurzum:
Wenn keine haftungsausschließenden "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen, ist die Ausgleichszahlung zweimal fällig.
 
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shigi76

Neues Mitglied
10.08.2019
5
0
Und sie können sich auch nicht damit rausreden zu sagen, dass wir den Anschlussflieger unter den Umständen, dass dieser pünktlich gestartet wäre, wohl nicht mehr erreicht hätten?

Nicht "oder", "und"!


Klar kann sich eine Fluggesellschaft aus unterschiedlichen Gründen dafür entscheiden, dich nicht mitzunehmen. Aber das ist ein klarer Fall von Nichtbeförderung. Daher gibt's die Ausgleichszahlung ohne Wenn und Aber.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
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Berlin
Und sie können sich auch nicht damit rausreden zu sagen, dass wir den Anschlussflieger unter den Umständen, dass dieser pünktlich gestartet wäre, wohl nicht mehr erreicht hätten?

In my humble opinion: Nein. Der Anspruch besteht. User Umsteiger hat das mE richtig gesagt.

Im Grunde liegt der Fall der Nichtbeförderung schon vor, wenn der Pax ohne seinen Wunsch vom Luftfahrtunternehmen auf einen anderen Flug umgebucht wird. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verordnung wird man die Umbuchung als Nichtbeförderung anzusehen müssen, da sonst ein Luftfahrtunternehmen die Rechtsfolgen der Verordnung durch Verlegung auf spätere oder fremde Flugkapazitäten umgehen könnte (vgl. BGH 17.3.2015 – X ZR 34/14; OLG Hamburg 6.11.2007 – 6 U 94/07 LG Düsseldorf 27.4.2007 – 22 S 435/06).

Übrigens: Die Frage, ob die Umbuchung auf einen anderen Flug als Verweigerung der Beförderung iSv Art. 4 Abs. 3 VO gilt, ist zZt Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH (Rs. C-191/19 - N.W./Air Nostrum) auf Betreiben des LG Frankfurt/M. (2-24 S 139/18).

Ich würde aber meinen, dass wenn der ursprüngliche Flug weiter durchgeführt wird und ein Pax gegen seinen Willen umgebucht wird, dann liegt auch ein Fall der Nichtbeförderung iSv Art. 4 Abs. 3 VO vor (anders, wenn der Flugplan gänzlich aufgegeben wird, weil dann eine Annullierung, Art. 2 lit. l VO vorliegt, für welche die Rechtsfolge des Art. 5 VO gilt). Dann ist im Ergebnis eine Airline wegen Nichtbeförderung zu einer Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO verpflichtet. Das ist auch nicht anders, weil der Pax der Umbuchung nicht ausdrücklich widersprochen hat, sondern diese nur hinnimmt
 
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umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
45
54
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
Den Fall, wie er sich hier vermutlich darstellt, hat der EuGH ja sogar schon entschieden.

Seinerzeit hat (in meine Iberia) argumentiert, wg. d. verspäteten Eintreffens angenommen zu haben, der Fluggast würde seinen Anschluss verpassen. Ergebnis war die Umbuchung. Normale Praxis - und in den Augen d. EuGH halt eine Nichtbeförderung.
 
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shigi76

Neues Mitglied
10.08.2019
5
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Danke umsteiger!
Dann scheint die Sache ja eindeutig zu sein.
Bleibt nur noch die Frage, wie kompliziert/unkompliziert der Fall "über die Bühne geht" und wie schnell ich den Ausgleich der Nichtbeförderung bekomme.
Ich habe am 09.08.,einen Tag nach der Reise, bereits auf der TAP-Seite eine Beschwerde eingereicht und eine Bestätigungsmail erhalten.
Unter der angegebenen Vorgangsnummer finde ich allerdings bis heute nichts, das wundert mich:eyeb:

Danke,
André
 
Zuletzt bearbeitet:

petergrubercom

Erfahrenes Mitglied
31.05.2010
540
1
Darf sich eine Fluglinie "Dumm stellen"?

VIE-MXP W6 2847 am 12.08., ursprünglicher Abflug 19:30, zu diesem Zeitpunkt wurde Verspätung auf 21:50 angekündigt, danach Verspätung schrittweise erhöht, um 21:30 schließlich bekannt gegeben, dass der Flug auf 0:45 verspätet ist. Flug fand lt. meinen Informationen auch genau um 0:45 statt.

Für mich bedeutet das:
- zuerst Anspruch auf Unterstützungsleistung (weil um 19:30 mehr als 2h Verspätung zu erwarten waren)
- bei Ankündigung der Verspätung auf 0:45 Recht auf Rücktritt+Rückzahlung (mehr als 5h Verspätung)
- zusätzlich Recht auf 250 Euro, wenn keine "außergewöhnlichen Umstände" vorliegen.

Frage: Darf sich eine Fluglinie "dumm stellen", im konkreten Fall also nur sagen dass der Flug "wegen außergewöhnlicher Umstände außerhalb unserer Kontrolle verspätet war" sowie ein langes Schreiben, welches
offensichtlich ein Musterbrief ist, übersenden? Konkret wurde von der Fluglinie kein genauer (und damit überprüf- sowie beurteilbarer) Grund für die Verspätung genannt.

Nun ist mir klar, dass Werte wie "Anstand" gerichtlich nicht einklagbar sind und dass Firmen oft damit spielen, dass Kunden das Prozessrisiko zu hoch ist oder die Leute einfach zermürbt werden und aufgeben. Hier gibt es eine Grauzone, die wohl zu akzeptieren ist.

Über den konkreten Fall hinaus ist geht meine Frage an die Juristen in die Richtung, ob es auch ohne Gerichtsverfahren so etwas wie eine Mitwirkungspflicht der Fluglinie in der Form einer fallspezifischen (und nicht generischen) Antwort auf eine (berechtigte oder mindestens glaubwürdige) Forderung gibt und ob man es als (strafbares) rechtsmissbräuchliches Verhalten sehen kann, wenn eine Firma eine offensichtlich korrekte Forderungen mit dem Argument "klag mich doch" ablehnt. (So wie es durchaus als rechtsmissbräuchlich gesehen wird, wenn man jemanden grundlos klagt.)
 

kingair9

Megaposter
18.03.2009
22.381
764
Unter TABUM und in BNJ
Frage: Darf sich eine Fluglinie "dumm stellen", im konkreten Fall also nur sagen dass der Flug "wegen außergewöhnlicher Umstände außerhalb unserer Kontrolle verspätet war" sowie ein langes Schreiben, welches
offensichtlich ein Musterbrief ist, übersenden? Konkret wurde von der Fluglinie kein genauer (und damit überprüf- sowie beurteilbarer) Grund für die Verspätung genannt.

Klar darf die Airline das. Erst vor Gericht muss sie mit den Gründen rausrücken, wenn sie einen Schuldspruch verhindern will.
 

Berlin_Lawyer

Erfahrenes Mitglied
10.10.2017
810
98
Berlin
Frage: Darf sich eine Fluglinie "dumm stellen", im konkreten Fall also nur sagen dass der Flug "wegen außergewöhnlicher Umstände außerhalb unserer Kontrolle verspätet war" sowie ein langes Schreiben, welches
offensichtlich ein Musterbrief ist, übersenden? Konkret wurde von der Fluglinie kein genauer (und damit überprüf- sowie beurteilbarer) Grund für die Verspätung genannt.

Das ist in der Tat wohl zulässig. Wenn ich meinen Gärtner nicht bezahle, dann wird er in der Regel auch keinen Anspruch darauf haben, dass ich ihm mitteile, weshalb das der Fall ist. Mit anderen Worten: Ich muss ihm nicht sagen, ob ich nicht zahle, weil ich denke, dass er gar nicht zur Arbeit erschienen ist und sich den Lohn somit nicht verdient hat, oder weil ich kein Geld habe, oder einfach keine Zeit zur Überweisung finde. Im Verhältnis Airline/Pax gilt im Grunde nichts anderes.

Der Vollständigkeit halber:

Es gibt auch (deutsche) Amtsgerichte, die für den Fall, dass die Airline den "außergewöhnlichen Umstand", auf den sie sich beruft, nicht konkret benennt, einen auf Treu und Glauben gestützten Auskunftsanspruch zuerkennt (so: AG Rüsselsheim - 3 C 3644/14). Zu dieser Frage wurde auch veröffentlicht und irgendwie standen sich da zwei Lager gegenüber: die einen, die einen Auskunftsanspruch annehmen und die, die einen solchen ablehnen.


Über den konkreten Fall hinaus ist geht meine Frage an die Juristen in die Richtung, ob es auch ohne Gerichtsverfahren so etwas wie eine Mitwirkungspflicht der Fluglinie in der Form einer fallspezifischen (und nicht generischen) Antwort auf eine (berechtigte oder mindestens glaubwürdige) Forderung gibt und ob man es als (strafbares) rechtsmissbräuchliches Verhalten sehen kann, wenn eine Firma eine offensichtlich korrekte Forderungen mit dem Argument "klag mich doch" ablehnt. (So wie es durchaus als rechtsmissbräuchlich gesehen wird, wenn man jemanden grundlos klagt.)

1. Eine Mitwirkungspflicht gibt es im Grunde nicht, aber im deutschen Prozessrecht trägt eine beklagte Airline die sog. "Darlegungs- und Beweislast" für das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände". Wenn sie sich also exculpieren will, dann muss sie hierzu - glaubhaft - vortragen, ggf. unter Beweisantritt. Wenn das nicht gelingt, dann wird sie - kingair9 hat es gesagt - bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen verurteilt.

2. In Deutschland ist das Ganze ärgerlich, aber nicht strafbar. In Österreich? Dazu kann jedenfalls ich nichts sagen.
 
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planesandstuff

Erfahrenes Mitglied
08.01.2018
1.107
54
HAM
Wenn wir beim fiktiven Beispiel SFO - CGN bleiben, dann müsste LH die Option erhalten um z.B. das Routing in SFO-FRA-CGN ändern zu können was dann nur zu 90 Minuten Verspätung führen würde.
Man könnte noch argumentieren dass es kein Problem sei wenn es sich um LH Ticket mit UA Codeshares ist aber was wenn es ein UA Ticket mit LH Codeshares ist?

Man sollte das ganze nicht ausufern lassen, dass man grundsätzlich die gesammte Strecke zu grunde legt finde ich folgerichtig weil es für den Reisenden keinen Unterschied macht ob jetzt der Zubringer- oder Abbringerflug verspätet ist.
Zwar hat im Fall des Verspäteten Abbringerflugs die Fluggesellschaft keine Kontrolle über den vorherigen Verlauf aber es liegt ja immer noch in ihrem Einflussbereich die Verspätung gar nicht entstehen zu lassen oder zu verringern.

Gerne möchte ich aus dem fiktiven Beispiel ein reales machen, bei dem ich davon ausging dass meinerseits kein Entschädigungsanspruch besteht:

LH Ticket
ATL IAD LH7443/UA236 op by UA
IAD ZRH LH9311/UA52 op by UA
ZRH HAM LH5781/LX1052 op by LX

Umsteigezeit in ZRH waren ca. 50 Minuten, aufgrund einer Verspätung der UA52 habe ich meinen Anschluss nicht erreicht. Wetter als Grund dafür ist meiner Erinnerung nach auszuschließen.

Kann es einen Anspruch auf Kompensation geben?
 

offtherecord

Erfahrenes Mitglied
13.11.2009
1.433
311
LH Ticket
ATL IAD LH7443/UA236 op by UA
IAD ZRH LH9311/UA52 op by UA
ZRH HAM LH5781/LX1052 op by LX

Umsteigezeit in ZRH waren ca. 50 Minuten, aufgrund einer Verspätung der UA52 habe ich meinen Anschluss nicht erreicht. Wetter als Grund dafür ist meiner Erinnerung nach auszuschließen.

Kann es einen Anspruch auf Kompensation geben?


Mein Ansatz: Nein, weil ausführende Airline nicht europäisch.
 

umsteiger

Erfahrenes Mitglied
22.01.2012
3.454
45
54
Berlin
www.kanzlei-woicke.de
@Berlin-Lawyer:


Hab' mir zu der Frage, die dich so heftig umtreibt, nochmal Gedanken gemacht. So sehr ich's auch versuche - mit deiner Lösung werde ich nicht warm.

Was haben wir?

Allen voran ein Urteil d. EuGH, das du jetzt mehrfach zitiert hast. Nämlich C-559/16.

Darin - auch im Tenor - findet sich jener Teil-Satz, auf den man sich natürlich stürzen bzw. stützen kann: " die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel"

Mindestens ein Wort - auch - im Tenor sollte allerdings stutzig machen, nämlich: "nur".

Deiner Auslegung geht es ja um eine ERWEITERUNG der zu berücksichtigenden Entfernung. Was jedoch der EuGH getan hat, war die Entfernung zu BEGRENZEN. Daher das Wort "nur".

Zum Verständnis: Dort ging es um den klassischen Fall der Anschlussbeförderung, also A-B-C, wobei die Verspätung auf dem ersten Segment auftrat, also auf A-B.

Vorlagenfrage war sinngemäß, ob nun die Entfernung aus A + B + C zu ermitteln sei (in dem Fall über 1500 km) oder schlicht jene v. A nach C.

Das Ergebnis: Die Entfernung A-C. "Nur" diese Entfernung.

Der für mich entscheidende Punkt ist, dass sich in der Urteilsbegründung nicht der geringste Hinweis darauf befindet, dass der Gerichtshof überhaupt nur an die Möglichkeit gedacht hat, dass sich die Störung auf einem späteren Segment ereignet.

Sprich: Ob auch der "erste Abflugort" heranzuziehen ist , falls die Annullierung/Verspätung etc. erst auf B-C, C-D oder wann auch immer auftritt, wurde schlicht nicht geprüft. Und kann meines Erachtens daher auch nicht schon deswegen als entschieden gelten, weil der Gerichtshof später anrufende Gerichte danach gefragt hat, ob das Urteil die später aufgeworfene Frage beantworte. Wäre natürlich wünschenswert gewesen, eines der Gerichte hätte dies vermeint.

Was nun das Berufungsurteil d. LG Frankfurt am Main anbelangt, fallen zwei Dinge auf:

1. Es hält die entscheidende Rechtsfrage selbst nicht für abschließend geklärt, andernfalls es die Revision nicht zugelassen hätte.
2. Es hat sich um eine Auseinandersetzung gedrückt, indem es aus dem entscheidenden Satz d. EuGH-Urteils das Wörtchen "nur" einfach mal hat verschwinden lassen, ohne darauf irgendwie einzugehen. Das ist mindestens unsauber.

Was GEGEN deine These spricht: Der Wortlaut der VO. Dazu hatte ich früher schon was geschrieben.

Was DAFÜR spricht: Die jüngere Rechtsprechung d. EuGH, der wiederholt betont hat, dass es sich bei Beförderungen, die aus mehreren Segmenten bestehen, um EINEN Flug handelt. U.a. mit dieser Begründung soll es auch möglich sein, selbst eine Nicht-EU-Airline, auf deren Flug ohne EU-Bezug die Störung erst auftritt, auf Ausgleichszahlungen in Anspruch zu nehmen. Bzw. jenes EU-Unternehmen, bei dem der Flug gebucht wurde.

Allerdings ändert die Würdigung v. etwa A-B-C als ein Flug natürlich nichts daran, dass die VO Regeln enthält, auf deren Grundlage die relevante Flugstrecke Flugstrecke zu ermitteln ist. Und da sind wir dann wieder am Anfang.

Zusammenfassend halte ich deine Wertung inzwischen für vertretbar. Für wünschenswert i.S. betroffener Fluggäste sowieso. Aber mein Ergebnis wär's nicht.
 
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