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Was lange währt, wird endlich gut. Eigentlich wollte ich den Bericht schon eher fertig haben, aber die liebe Zeit...
Aber jetzt ist er fertig, über 300 Bilder und ein paar Videos meiner fünfwöchigen Reise durch Südamerika sind eingefügt. Als kleine "Vorwarnung": wer den kompletten Bericht liest, wird dafür mindestens eine Stunde, eher Richtung zwei Stunden benötigen. Fußballspiele sind deutlich gekennzeichnet, wer kein Fußballfan ist, kann daher leicht drüber springen. Dennoch empfehle ich jedem, auch die Berichte der Spiele zu lesen. Zu viele kuriose und tolle Dinge sind dort passiert. Wem dieser Bericht so gut gefällt, dass er den in einer farbig gedruckten Broschüre noch einmal lesen möchte, schreibt mir bitte eine PN. Für 4 Euro inkl. Porto gehört das Heft Euch.
Doch jetzt wünsche ich Euch viel Spaß!
Vorgeschichte
Bereits seit über zehn Jahren war es ein Traum von mir, einmal nach Südamerika und dort insbesondere nach Argentinien zu reisen. Während in der Anfangszeit mein fast ausschließliches Interesse dem Fußball galt, haben sich in den letzten Jahren die Prioritäten etwas verschoben. Neben dem Fußball rückten Land und Leute auf die gleiche Ebene. Eine Reise dorthin hatte ich aber immer noch nicht geschafft. Im letzten Jahr rückte Argentinien deutlich stärker in mein Blickfeld. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen waren da die Berichte von der erstmaligen Reise anderer Magdeburger. Zum anderen steckte ich im Sommer und Herbst des letzten Jahres in den Vorbereitungen auf das Steuerberaterexamen. Wenn man sich vier Monate vom frühen Morgen bis zum späten Abend durch das deutsche Steuerrecht kämpfen muss, kann die Motivation schneller nach unten gehen, als einem lieb ist. Um die Prüfung zu bestehen, musste ich dem entgegen wirken. Und meine Motivationshilfe war die über meinem Schreibtisch hängende Weltkarte, auf der Fähnchen überall dort stecken, wo ich bereits war. Südamerika hatte entsprechend noch keine Fähnchen:
Also lobte ich mir die Südamerika-Reise für dieses Jahr als persönliche Belohnung für den Fall des Bestehens der Steuerberaterprüfung aus. Jedes Mal, wenn die Motivation sank, schaute ich fortan auf die Weltkarte, sagte mir: „Du willst nächstes Jahr Fähnchen für Südamerika anbringen und den Mist nicht noch einmal machen, also setz dich hin und lern weiter!“ Es hat meistens geholfen.
Ein weiterer Antreiber ergab sich während der Steuerberatervorbereitung nebenbei. Während ich viele Joggingrunden drehte, um etwas in Form zu bleiben, kam mir der Gedanke, dass ein zweiter Marathon ja doch nicht so verkehrt wäre. Den ersten Marathon hatte ich selbstverständlich in Magdeburg gelaufen, aber für den zweiten sollte es schon eine andere Strecke sein. Aber wo? Vielleicht in Südamerika? Ich googelte nach Marathons dort und der erste Treffer war der Buenos Aires Marathon, der zufällig auch genau in dem Reisezeitraum stattfinden sollte, den ich eh geplant hatte. Das sollte ein Zeichen sein!
Kurz vor Weihnachten kamen die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung und ich hatte sogar eine ganz brauchbare Note. Daher buchte ich mir Ende Dezember, ohne dass ich einen genehmigten Urlaubsantrag hatte und die mündliche Prüfung noch vor mir lag, als letzte Motivationshilfe zumindest schon einmal die Langstreckenflüge. Es sollten Prämienflüge über Miles & More werden und das Risiko einer Umbuchung bzw. Stornierung erschien mir bei einer Gebühr von 50 EUR als überschaubar. Auf das Bestehen wollte ich mir etwas gönnen, also buchte ich die Flüge nicht in der Economy Class und auch nicht in der Business Class, sondern in der First Class. Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass die First Class der Swiss besser sein soll als die der Lufthansa, also dachte ich mir, probiere ich am besten beides aus. Es wurde als Hinflug die Strecke Hannover-Frankfurt-Buenos Aires mit der Lufthansa und als Rückflug Sao Paulo-Zürich-Hannover mit Swiss gebucht.
Nachdem ich auch die mündliche Prüfung bestanden hatte und mich Steuerberater nennen darf, hatte mein Chef bei meinem Urlaubsantrag über fünfeinhalb Wochen zunächst etwas komisch geschaut, dann aber nur unter der Frage, wo es denn hingehen soll, ohne Weiteres den Antrag genehmigt. In die Detailplanung der Reise stieg ich ab Anfang Juli ein. Sehr behilflich war mir dabei das Online Reisebüro von Reallatino Tours, einem Spezialist für Reisen nach Lateinamerika. Das Büro hatte unter anderem ein Paket zum Buenos Aires-Marathon im Angebot, bei dem die ganze Organisation vor Ort übernommen wird. Das nahm ich dankend an und stöberte auf der Internetseite nach weiteren Reisebausteinen, die mir aber von Fred, dem Inhaber des Reisebüros, nach diversen Telefonaten und E-Mails größtenteils abgesagt wurden. Er meinte, er möchte mir verschiedene Ausflüge nicht verkaufen (und verzichtete somit auf Umsatz!). Wenn ich in Hostels übernachte, da gibt es in den Orten jede Menge Veranstalter, die Ausflüge jeder Art anbieten. Wenn ich dort buche, wird es für mich günstiger. Daneben meinte er, wenn ich dann Leute kennenlerne und die mich fragen, ob ich an einem der nächsten Tage etwas mit ihnen unternehmen möchte und sage „geht nicht, ich habe da schon was gebucht“, wäre ich nicht so glücklich. Er sollte Recht behalten, doch dazu später mehr. So buchte ich dort die Inlandsflüge, eine kleine Kreuzfahrt und den Trip nach Iguazu und mein grober Plan für die viereinhalb Wochen sah wie folgt aus: Ankunft in Buenos Aires für ein Fußballwochenende, anschließend nach El Calafate und weiter nach Ushuaia. Von dort eine Kreuzfahrt um Kap Hoorn herum nach Punta Arenas in Chile, über Ushuaia zurück für zehn Tage nach Buenos Aires, um Fußball zu schauen und den Marathon zu laufen. Nach ein paar Tagen in Iguazu sollte der Abschluss ein Wochenende in Sao Paulo sein.
Und dann war es endlich so weit, alle benötigten Impfungen waren eingesackt, Klamotten insbesondere für die Trekking-Touren frisch gekauft und das Marathon-Training deutlich besser als beim ersten Mal absolviert. Die Reise konnte beginnen.
Mittwoch, 14.09.2011
Mit der S-Bahn fuhr ich in Hannover zum Flughafen und stellte mich am First Class-Schalter der Lufthansa an. Die Waage zeigte für meinen Koffer 27 kg an, was mir aber egal sein konnte, ich hatte 40 kg frei. Nur für die Inlandsflüge musste ich mir etwas überlegen. Nach dem problemlosen Check-In durfte ich die restliche Wartezeit in der Senator-Lounge verbringen, wo ich mich an diversen kleinen Speisen und Getränken bediente. Der Flug nach Frankfurt ging pünktlich und in der voll besetzten Business Class (eine First Class gibt es innereuropäisch nicht) wurde auf dem 35-minütigen Flug nach Frankfurt ein kleiner Salat serviert.
Nach der Landung in Frankfurt wurde uns eine Außenposition zugewiesen. Ich wollte gerade in den wartenden Bus steigen, um zum Terminal zu fahren, als ich einen Mitarbeiter mit einem Schild in der Hand sah, wo mein Name drauf stand. Na gut, also hin. Als ich mich vorgestellt hatte, durfte ich mit zwei weiteren Passagieren in der neben dem Mann stehenden Limousine Platz nehmen und wir wurden ohne auf den vollen Bus warten zu müssen direkt zum Terminal gefahren. Sehr fein!
Auf direktem Weg durch die Passkontrolle machte ich mich auf in die First Class Lounge im Terminal B. Am Empfang wurde ich freundlich begrüßt und mir wurden die Möglichkeiten vorgestellt, wie ich meine drei Stunden Wartezeit (ich hatte extra einen etwas früheren Flug Hannover-Frankfurt gewählt, um die Zeit in der Lounge auch voll ausnutzen zu können) am besten überbrücken kann. Es gab jede Menge Computerarbeitsplätze, zwei große Fernseher, bequemste Sessel und Couches mit Blick auf das Rollfeld,
Duschen, eine fantastische Bar
und ein eigenes Restaurant. Ich machte es mir zunächst in einem Sessel bequem und keine Minute später stand die nette Bedienung neben mir und fragte, welches Getränk sie mir bringen dürfe. Das würde ein schöner Abend werden! Das Buffet bot mehrere warme und kalte Speisen, so dass ich mich satt essen konnte. Pünktlich zu Spielbeginn der Champions League-Partien wurden die Fernseher auf Fußball umgestellt und nach einem Whisky zur Verdauung gönnte ich mir zum Abschluss einen überdimensionierten Caipirinha, den ich aber nicht ganz austrank, da er sehr stark gemixt war und ich nicht schon sturzbesoffen im Flugzeug ankommen wollte.
Das Boarding ging sehr schnell, vorbei an der langen Economy-Schlange direkt ins Oberdeck der Boeing 747. Hier erwartete mich die alte First Class der Lufthansa (einige Maschinen sind bereits mit einer noch luxuriöseren Variante ausgestattet, aber ich will ja nicht meckern). Der Steward fragte mich, welchen meiner beiden Sitze ich für das „normale“ Fliegen benutzen und auf welchem ich schlafen möchte. Ich entschied für den Sitz am Gang und das flache Bett am Fenster, das daraufhin für mich vorbereitet wurde. Mit einem Glas Champagner vor dem Start hoben wir Richtung Südamerika ab. Die Menü-Karte wurde verteilt und ich dachte mir, oh Gott. Das kann ich unmöglich auch noch alles essen, durch das viele Essen zuvor war ich immer noch satt. Zum Glück bekam ich von meinem Nachbarn auf der anderen Seite des Gangs (der wurde vom Kapitän mit den Worten „Ach Herr xyz, auch mal wieder bei mir an Bord?“ begrüßt) mit, dass es auch eine kleine gemischte Platte für den kleinen Hunger gibt, die gar nicht auf der Speisekarte steht. Die nahm ich auch, es war gerade so das, was noch in mich rein passte.
Zur Verdauung bot mir der Steward verschiedene Hochprozentige an. Eigentlich wollte ich gar keinen mehr nehmen, da ich schon leicht betüdelt war, aber der nette Herr überredete mich zu einem wirklich gut schmeckenden Grappa aus seiner italienischen Heimat. So konnte ich es mir im zur Verfügung gestellten Pyjama auf meinem Bett bequem machen und ins Reiche der Träume entschlummern. Nach mehr als sieben Stunden Schlaf wartete das Frühstück auf mich, der Steward hatte vor dem Schlafen extra noch gefragt, ob ich zum Frühstück geweckt werden möchte, und der frisch gepresste Orangensaft schmeckte mit dem frisch gemachten Omelette sehr gut. Nebenbei schaute ich den Film „The Spirit of Marathon“, einem sehr gelungenem Dokumentarfilm über den Chicago Marathon aus dem Jahr 2005. Hier wurden mehrere Teilnehmer, sowohl Spitzenathleten als auch Freizeitläufer, über ein Jahr in ihrer Vorbereitung durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Zusammen mit dem Lufthansa-Magazin, das als aktuelles Titelthema „Patagonien“ hatte, sah ich das als ein weiteres Zeichen an, dass dieser Urlaub ein unvergesslicher werden sollte. Die Landung in Buenos Aires erfolgte pünktlich und für uns acht Passagiere der First Class, die anderen sieben würde ich als Vollzahler zum „kleinen“ Preis von 12.000 EUR für Hin- und Rückflug einschätzen, mussten die anderen Passagiere warten, bis wir von Bord waren.
Mit dem ersten Stempel der Reise im Pass, etwas getauschtem Geld und einer frisch gekauften Olé (täglich erscheinende Fußballzeitung in Argentinien mit allen wichtigen Informationen zu Anstoßzeiten, Stadien etc.) ging ich zum Schalter von Manuel Tienda Leon, einem privaten Transferunternehmen für den Transport in die Stadt. Per Bus fuhren wir bis zum zentralen Terminal der Gesellschaft und dort wurden alle Gäste per Auto zu ihren Unterkünften gebracht.
Ich checkte im Hostel Inn Tango-City in San Telmo für zehn Euro pro Nacht ein, wo mich an der Rezeption die freundliche Bulgarin Tanya empfing, die mir einen ersten umfassenden Überblick über die Umgebung des Hostels und die Stadt an sich gab. Das gebuchte Acht-Mann-Zimmer hatte ich zunächst für mich allein, auch eine freudige Überraschung. Auf einer kleinen Erkundungstour durch die Nachbarschaft tauschte ich ein paar Peso (Umrechnungskurs ca. 1 EUR = 5,8 Peso), um für das erste Fußballspiel der Tour gerüstet zu sein.
Copa Argentina am 15.09.2011
Club Almagro-Midland 0:0, 5:4 n.E.
Estadio Tres de Febrero, Zuschauer: 1.200 (Gäste: 51)
Tanya hat mir den besten Weg zum Stadion rausgesucht. Dafür fuhr ich für 1,10 Peso mit der Subte, der ältesten U-Bahn Südamerikas, auf der Linie A bis zur Endstation und von dort mit dem Taxi zum Estadio Tres de Febrero. Der Taxifahrer, vermutlich der einzige unter den 40.000 Taxifahrern in Buenos Aires, der englisch konnte, fragte mich, was ich um alles in der Welt bei diesem Spiel möchte. Denn es war Donnerstag, Spielbeginn 15 Uhr, und es war ein Pokalspiel zwischen einem Dritt- und einem Viertligisten. Meine völlig plausible Antwort: weil es zu diesem Zeitpunkt kein anderes Fußballspiel in Buenos Aires gibt! Er verstand es trotzdem nicht so richtig, gab mir noch zwei Tipps mit auf dem Weg, wo ich nach dem Spiel wieder ein Taxi nehmen sollte und ich solle Umsicht walten lassen, da es nicht die sicherste Gegend sei. An der Kasse holte ich mir für das Spiel der zweiten Zwischenrunde des erst im Jahr 2010 eingeführten argentinischen Pokalwettbewerbs eine Karte für die Haupttribüne (Platea) und betrat mein erstes argentinisches Fußballstadion. Das Stadion bietet Platz für 19.500 Zuschauer, ist in den Vereinsfarben blau-weiß-schwarz gehalten und verfügt aber nur auf der Haupttribüne über Sitzplätze.
Im Gästeblock, der sich über eine Hintertortribüne und mehr als die Hälfte der Gegengerade erstreckte, verstreuten sich 51 Anhänger von Midland. Die Heimseite verfügt über eine kleine, aber feine Fanszene.
Nach dem Einmarsch der Hauptgruppe (Barra) waren ca. 100 Fans (Hinchas) im Fanblock aktiv. Das ganze fast das ganze Spiel über und mit schönen Melodien, die ich in den nächsten Wochen noch aus deutlich mehr Kehlen hören sollte. Als die Mannschaften und die Unparteiischen das Spielfeld betraten, wunderte ich mich über einen kleinen Behälter, den der Schiedsrichter am Gürtel trug. Die Erklärung des Ganzen ließ nicht lange auf sich warten. Es handelt sich um eine Spraydose für Schaum. Bei bestimmten Freistößen markiert der Schiri damit auf dem Spielfeld, wo der Ball zu liegen hat und wo sich die Mauer aufzustellen hat. Interessante, aber effektive Methode, die bei allen Spielen in Argentinien zum Einsatz kommt. Über das sportliche hüllen wir mal lieber den Mantel des Schweigens, bei schönstem Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad vergaben beide Teams gleich dutzendweise gute Chancen. Dabei war das unterklassige Gästeteam sogar leicht überlegen. Folgerichtig endete die Partie 0:0 und ich freute mich schon auf die Verlängerung. Denkste! Es ging sofort ins Elfmeterschießen, welches vor dem Gästeblock stattfand. Nun versammelten sich auch die Gästeanhänger geschlossen hinter dem Tor, um hoffentlich die Überraschung mitzuerleben. Es sah zunächst ganz gut aus, der Gästekeeper hielt den ersten Schuss. Allerdings verschossen die Gäste im weiteren Verlauf zwei Elfer, so dass doch der Drittligist in die nächste Runde einzog. Direkt nach dem Spiel fuhr ich per Taxi und U-Bahn zurück ins Hostel und gönnte mir am Abend mein erstes Bife de lomo, ein Rinderfilet der allerersten Güte. Auf ein weiteres Pokalspiel am Abend, Temperley-Yupanqui, verzichtete ich, um früh schlafen zu gehen, da ich trotz des guten Flugs etwas müde war.

Doch jetzt wünsche ich Euch viel Spaß!

Vorgeschichte
Bereits seit über zehn Jahren war es ein Traum von mir, einmal nach Südamerika und dort insbesondere nach Argentinien zu reisen. Während in der Anfangszeit mein fast ausschließliches Interesse dem Fußball galt, haben sich in den letzten Jahren die Prioritäten etwas verschoben. Neben dem Fußball rückten Land und Leute auf die gleiche Ebene. Eine Reise dorthin hatte ich aber immer noch nicht geschafft. Im letzten Jahr rückte Argentinien deutlich stärker in mein Blickfeld. Das hatte verschiedene Gründe. Zum einen waren da die Berichte von der erstmaligen Reise anderer Magdeburger. Zum anderen steckte ich im Sommer und Herbst des letzten Jahres in den Vorbereitungen auf das Steuerberaterexamen. Wenn man sich vier Monate vom frühen Morgen bis zum späten Abend durch das deutsche Steuerrecht kämpfen muss, kann die Motivation schneller nach unten gehen, als einem lieb ist. Um die Prüfung zu bestehen, musste ich dem entgegen wirken. Und meine Motivationshilfe war die über meinem Schreibtisch hängende Weltkarte, auf der Fähnchen überall dort stecken, wo ich bereits war. Südamerika hatte entsprechend noch keine Fähnchen:

Also lobte ich mir die Südamerika-Reise für dieses Jahr als persönliche Belohnung für den Fall des Bestehens der Steuerberaterprüfung aus. Jedes Mal, wenn die Motivation sank, schaute ich fortan auf die Weltkarte, sagte mir: „Du willst nächstes Jahr Fähnchen für Südamerika anbringen und den Mist nicht noch einmal machen, also setz dich hin und lern weiter!“ Es hat meistens geholfen.
Ein weiterer Antreiber ergab sich während der Steuerberatervorbereitung nebenbei. Während ich viele Joggingrunden drehte, um etwas in Form zu bleiben, kam mir der Gedanke, dass ein zweiter Marathon ja doch nicht so verkehrt wäre. Den ersten Marathon hatte ich selbstverständlich in Magdeburg gelaufen, aber für den zweiten sollte es schon eine andere Strecke sein. Aber wo? Vielleicht in Südamerika? Ich googelte nach Marathons dort und der erste Treffer war der Buenos Aires Marathon, der zufällig auch genau in dem Reisezeitraum stattfinden sollte, den ich eh geplant hatte. Das sollte ein Zeichen sein!
Kurz vor Weihnachten kamen die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung und ich hatte sogar eine ganz brauchbare Note. Daher buchte ich mir Ende Dezember, ohne dass ich einen genehmigten Urlaubsantrag hatte und die mündliche Prüfung noch vor mir lag, als letzte Motivationshilfe zumindest schon einmal die Langstreckenflüge. Es sollten Prämienflüge über Miles & More werden und das Risiko einer Umbuchung bzw. Stornierung erschien mir bei einer Gebühr von 50 EUR als überschaubar. Auf das Bestehen wollte ich mir etwas gönnen, also buchte ich die Flüge nicht in der Economy Class und auch nicht in der Business Class, sondern in der First Class. Im Vorfeld hatte ich gelesen, dass die First Class der Swiss besser sein soll als die der Lufthansa, also dachte ich mir, probiere ich am besten beides aus. Es wurde als Hinflug die Strecke Hannover-Frankfurt-Buenos Aires mit der Lufthansa und als Rückflug Sao Paulo-Zürich-Hannover mit Swiss gebucht.
Nachdem ich auch die mündliche Prüfung bestanden hatte und mich Steuerberater nennen darf, hatte mein Chef bei meinem Urlaubsantrag über fünfeinhalb Wochen zunächst etwas komisch geschaut, dann aber nur unter der Frage, wo es denn hingehen soll, ohne Weiteres den Antrag genehmigt. In die Detailplanung der Reise stieg ich ab Anfang Juli ein. Sehr behilflich war mir dabei das Online Reisebüro von Reallatino Tours, einem Spezialist für Reisen nach Lateinamerika. Das Büro hatte unter anderem ein Paket zum Buenos Aires-Marathon im Angebot, bei dem die ganze Organisation vor Ort übernommen wird. Das nahm ich dankend an und stöberte auf der Internetseite nach weiteren Reisebausteinen, die mir aber von Fred, dem Inhaber des Reisebüros, nach diversen Telefonaten und E-Mails größtenteils abgesagt wurden. Er meinte, er möchte mir verschiedene Ausflüge nicht verkaufen (und verzichtete somit auf Umsatz!). Wenn ich in Hostels übernachte, da gibt es in den Orten jede Menge Veranstalter, die Ausflüge jeder Art anbieten. Wenn ich dort buche, wird es für mich günstiger. Daneben meinte er, wenn ich dann Leute kennenlerne und die mich fragen, ob ich an einem der nächsten Tage etwas mit ihnen unternehmen möchte und sage „geht nicht, ich habe da schon was gebucht“, wäre ich nicht so glücklich. Er sollte Recht behalten, doch dazu später mehr. So buchte ich dort die Inlandsflüge, eine kleine Kreuzfahrt und den Trip nach Iguazu und mein grober Plan für die viereinhalb Wochen sah wie folgt aus: Ankunft in Buenos Aires für ein Fußballwochenende, anschließend nach El Calafate und weiter nach Ushuaia. Von dort eine Kreuzfahrt um Kap Hoorn herum nach Punta Arenas in Chile, über Ushuaia zurück für zehn Tage nach Buenos Aires, um Fußball zu schauen und den Marathon zu laufen. Nach ein paar Tagen in Iguazu sollte der Abschluss ein Wochenende in Sao Paulo sein.
Und dann war es endlich so weit, alle benötigten Impfungen waren eingesackt, Klamotten insbesondere für die Trekking-Touren frisch gekauft und das Marathon-Training deutlich besser als beim ersten Mal absolviert. Die Reise konnte beginnen.
Mittwoch, 14.09.2011
Mit der S-Bahn fuhr ich in Hannover zum Flughafen und stellte mich am First Class-Schalter der Lufthansa an. Die Waage zeigte für meinen Koffer 27 kg an, was mir aber egal sein konnte, ich hatte 40 kg frei. Nur für die Inlandsflüge musste ich mir etwas überlegen. Nach dem problemlosen Check-In durfte ich die restliche Wartezeit in der Senator-Lounge verbringen, wo ich mich an diversen kleinen Speisen und Getränken bediente. Der Flug nach Frankfurt ging pünktlich und in der voll besetzten Business Class (eine First Class gibt es innereuropäisch nicht) wurde auf dem 35-minütigen Flug nach Frankfurt ein kleiner Salat serviert.
Nach der Landung in Frankfurt wurde uns eine Außenposition zugewiesen. Ich wollte gerade in den wartenden Bus steigen, um zum Terminal zu fahren, als ich einen Mitarbeiter mit einem Schild in der Hand sah, wo mein Name drauf stand. Na gut, also hin. Als ich mich vorgestellt hatte, durfte ich mit zwei weiteren Passagieren in der neben dem Mann stehenden Limousine Platz nehmen und wir wurden ohne auf den vollen Bus warten zu müssen direkt zum Terminal gefahren. Sehr fein!
Auf direktem Weg durch die Passkontrolle machte ich mich auf in die First Class Lounge im Terminal B. Am Empfang wurde ich freundlich begrüßt und mir wurden die Möglichkeiten vorgestellt, wie ich meine drei Stunden Wartezeit (ich hatte extra einen etwas früheren Flug Hannover-Frankfurt gewählt, um die Zeit in der Lounge auch voll ausnutzen zu können) am besten überbrücken kann. Es gab jede Menge Computerarbeitsplätze, zwei große Fernseher, bequemste Sessel und Couches mit Blick auf das Rollfeld,

Duschen, eine fantastische Bar

und ein eigenes Restaurant. Ich machte es mir zunächst in einem Sessel bequem und keine Minute später stand die nette Bedienung neben mir und fragte, welches Getränk sie mir bringen dürfe. Das würde ein schöner Abend werden! Das Buffet bot mehrere warme und kalte Speisen, so dass ich mich satt essen konnte. Pünktlich zu Spielbeginn der Champions League-Partien wurden die Fernseher auf Fußball umgestellt und nach einem Whisky zur Verdauung gönnte ich mir zum Abschluss einen überdimensionierten Caipirinha, den ich aber nicht ganz austrank, da er sehr stark gemixt war und ich nicht schon sturzbesoffen im Flugzeug ankommen wollte.
Das Boarding ging sehr schnell, vorbei an der langen Economy-Schlange direkt ins Oberdeck der Boeing 747. Hier erwartete mich die alte First Class der Lufthansa (einige Maschinen sind bereits mit einer noch luxuriöseren Variante ausgestattet, aber ich will ja nicht meckern). Der Steward fragte mich, welchen meiner beiden Sitze ich für das „normale“ Fliegen benutzen und auf welchem ich schlafen möchte. Ich entschied für den Sitz am Gang und das flache Bett am Fenster, das daraufhin für mich vorbereitet wurde. Mit einem Glas Champagner vor dem Start hoben wir Richtung Südamerika ab. Die Menü-Karte wurde verteilt und ich dachte mir, oh Gott. Das kann ich unmöglich auch noch alles essen, durch das viele Essen zuvor war ich immer noch satt. Zum Glück bekam ich von meinem Nachbarn auf der anderen Seite des Gangs (der wurde vom Kapitän mit den Worten „Ach Herr xyz, auch mal wieder bei mir an Bord?“ begrüßt) mit, dass es auch eine kleine gemischte Platte für den kleinen Hunger gibt, die gar nicht auf der Speisekarte steht. Die nahm ich auch, es war gerade so das, was noch in mich rein passte.

Zur Verdauung bot mir der Steward verschiedene Hochprozentige an. Eigentlich wollte ich gar keinen mehr nehmen, da ich schon leicht betüdelt war, aber der nette Herr überredete mich zu einem wirklich gut schmeckenden Grappa aus seiner italienischen Heimat. So konnte ich es mir im zur Verfügung gestellten Pyjama auf meinem Bett bequem machen und ins Reiche der Träume entschlummern. Nach mehr als sieben Stunden Schlaf wartete das Frühstück auf mich, der Steward hatte vor dem Schlafen extra noch gefragt, ob ich zum Frühstück geweckt werden möchte, und der frisch gepresste Orangensaft schmeckte mit dem frisch gemachten Omelette sehr gut. Nebenbei schaute ich den Film „The Spirit of Marathon“, einem sehr gelungenem Dokumentarfilm über den Chicago Marathon aus dem Jahr 2005. Hier wurden mehrere Teilnehmer, sowohl Spitzenathleten als auch Freizeitläufer, über ein Jahr in ihrer Vorbereitung durch alle Höhen und Tiefen begleitet. Zusammen mit dem Lufthansa-Magazin, das als aktuelles Titelthema „Patagonien“ hatte, sah ich das als ein weiteres Zeichen an, dass dieser Urlaub ein unvergesslicher werden sollte. Die Landung in Buenos Aires erfolgte pünktlich und für uns acht Passagiere der First Class, die anderen sieben würde ich als Vollzahler zum „kleinen“ Preis von 12.000 EUR für Hin- und Rückflug einschätzen, mussten die anderen Passagiere warten, bis wir von Bord waren.
Mit dem ersten Stempel der Reise im Pass, etwas getauschtem Geld und einer frisch gekauften Olé (täglich erscheinende Fußballzeitung in Argentinien mit allen wichtigen Informationen zu Anstoßzeiten, Stadien etc.) ging ich zum Schalter von Manuel Tienda Leon, einem privaten Transferunternehmen für den Transport in die Stadt. Per Bus fuhren wir bis zum zentralen Terminal der Gesellschaft und dort wurden alle Gäste per Auto zu ihren Unterkünften gebracht.
Ich checkte im Hostel Inn Tango-City in San Telmo für zehn Euro pro Nacht ein, wo mich an der Rezeption die freundliche Bulgarin Tanya empfing, die mir einen ersten umfassenden Überblick über die Umgebung des Hostels und die Stadt an sich gab. Das gebuchte Acht-Mann-Zimmer hatte ich zunächst für mich allein, auch eine freudige Überraschung. Auf einer kleinen Erkundungstour durch die Nachbarschaft tauschte ich ein paar Peso (Umrechnungskurs ca. 1 EUR = 5,8 Peso), um für das erste Fußballspiel der Tour gerüstet zu sein.
Copa Argentina am 15.09.2011
Club Almagro-Midland 0:0, 5:4 n.E.
Estadio Tres de Febrero, Zuschauer: 1.200 (Gäste: 51)
Tanya hat mir den besten Weg zum Stadion rausgesucht. Dafür fuhr ich für 1,10 Peso mit der Subte, der ältesten U-Bahn Südamerikas, auf der Linie A bis zur Endstation und von dort mit dem Taxi zum Estadio Tres de Febrero. Der Taxifahrer, vermutlich der einzige unter den 40.000 Taxifahrern in Buenos Aires, der englisch konnte, fragte mich, was ich um alles in der Welt bei diesem Spiel möchte. Denn es war Donnerstag, Spielbeginn 15 Uhr, und es war ein Pokalspiel zwischen einem Dritt- und einem Viertligisten. Meine völlig plausible Antwort: weil es zu diesem Zeitpunkt kein anderes Fußballspiel in Buenos Aires gibt! Er verstand es trotzdem nicht so richtig, gab mir noch zwei Tipps mit auf dem Weg, wo ich nach dem Spiel wieder ein Taxi nehmen sollte und ich solle Umsicht walten lassen, da es nicht die sicherste Gegend sei. An der Kasse holte ich mir für das Spiel der zweiten Zwischenrunde des erst im Jahr 2010 eingeführten argentinischen Pokalwettbewerbs eine Karte für die Haupttribüne (Platea) und betrat mein erstes argentinisches Fußballstadion. Das Stadion bietet Platz für 19.500 Zuschauer, ist in den Vereinsfarben blau-weiß-schwarz gehalten und verfügt aber nur auf der Haupttribüne über Sitzplätze.



Im Gästeblock, der sich über eine Hintertortribüne und mehr als die Hälfte der Gegengerade erstreckte, verstreuten sich 51 Anhänger von Midland. Die Heimseite verfügt über eine kleine, aber feine Fanszene.

Nach dem Einmarsch der Hauptgruppe (Barra) waren ca. 100 Fans (Hinchas) im Fanblock aktiv. Das ganze fast das ganze Spiel über und mit schönen Melodien, die ich in den nächsten Wochen noch aus deutlich mehr Kehlen hören sollte. Als die Mannschaften und die Unparteiischen das Spielfeld betraten, wunderte ich mich über einen kleinen Behälter, den der Schiedsrichter am Gürtel trug. Die Erklärung des Ganzen ließ nicht lange auf sich warten. Es handelt sich um eine Spraydose für Schaum. Bei bestimmten Freistößen markiert der Schiri damit auf dem Spielfeld, wo der Ball zu liegen hat und wo sich die Mauer aufzustellen hat. Interessante, aber effektive Methode, die bei allen Spielen in Argentinien zum Einsatz kommt. Über das sportliche hüllen wir mal lieber den Mantel des Schweigens, bei schönstem Sonnenschein und Temperaturen um die 20 Grad vergaben beide Teams gleich dutzendweise gute Chancen. Dabei war das unterklassige Gästeteam sogar leicht überlegen. Folgerichtig endete die Partie 0:0 und ich freute mich schon auf die Verlängerung. Denkste! Es ging sofort ins Elfmeterschießen, welches vor dem Gästeblock stattfand. Nun versammelten sich auch die Gästeanhänger geschlossen hinter dem Tor, um hoffentlich die Überraschung mitzuerleben. Es sah zunächst ganz gut aus, der Gästekeeper hielt den ersten Schuss. Allerdings verschossen die Gäste im weiteren Verlauf zwei Elfer, so dass doch der Drittligist in die nächste Runde einzog. Direkt nach dem Spiel fuhr ich per Taxi und U-Bahn zurück ins Hostel und gönnte mir am Abend mein erstes Bife de lomo, ein Rinderfilet der allerersten Güte. Auf ein weiteres Pokalspiel am Abend, Temperley-Yupanqui, verzichtete ich, um früh schlafen zu gehen, da ich trotz des guten Flugs etwas müde war.