Von Pinguinen, Kiwis und Koalas - Neuseeland und noch ein bisschen mehr

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monty2006

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ambodenbleiberin

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24.04.2015
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Die Stofftiere, äh Kinder, sind teilweise schon ein wenig, wie soll ich sagen, abgenutzt!?

:eyeb: Entschuldige mal, siehst Du noch aus wie am Tag Deines ersten Geburtstages? (Bitte beäugen Sie jetzt Ihr Haupthaar! Obwohl, da gibts öfters Ähnlichkeiten...)
Das sind Lebens- und Reisespuren! (Hautalterung könnte man auch sagen. Sagt man aber nicht zu den Kinderchen.)
Abgenutzt...pffff.

;)
 

suedbaden

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28.03.2010
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München
Hier noch etwas Konstruktives, nämlich mein Schafabenteuer (allerdings in Utah):

33899775ow.jpg
 

monty2006

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17.11.2011
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Teil 7: Von phantastischen Tierwesen und wo sie zu finden sind

Bett, Bad, Brasserie. Es gibt Frühstück, keine Croissants. Auch keine Kiwifrüchte. Aber das ist vielleicht besser so; bei meinem letzten Aufenthalt in diesem Etablissement prangte auf den Früchten tatsächlich ein Aufkleber 'Product of Italy'. WTF! Nach dem Frühstück satteln wir Holden, der sich von den Strapazen der letzten Tage erholt hat. Banks Peninsula heißt das Ziel unseres heutigen Ausflugs. Google Maps sagt 81 Kilometer, ich sage, kann ja nicht so schlimm werden. Wir fahren auf dem Highway 75 nach Akaroa, als sich die Straße plötzlich verdunkelt und wir mitten in einen Schauer geraten. Instinktiv schalte ich den Scheibenwischer ein, aber auf der Scheibe wollen sich keine Tropfen bilden. Erst jetzt erkennen wir, dass wir gerade mitten durch einen riesigen Mückenschwarm hindurchfahren. 'Siehe, so will ich morgen Heuschrecken kommen lassen über dein Gebiet, dass sie das Land so bedecken, dass man von ihm nichts mehr sehen kann.' (zweites Buch Mose) Nach ein paar Minuten ist der Spuk wieder vorbei. Nur die kleinen Leichen am Kühlergrill sind stummer Zeuge dieser Nahbegegnung der dritten Art. Schließlich erreichen wir Hilltop Tavern; dort bekommt man einen schönen Blick über die Halbinsel vulkanischen Ursprungs.



Vom höchsten Punkt aus führen alle Wege bekanntlich nach unten und uns die Serpentinen damit abwärts zur Küste, vorbei an der Barrys und Duvauchelle Bay. An der Seafield Road verlassen wir kurz den Highway, um die Bucht mit ihren bunten Bootshäuschen auf Zelluloid festzuhalten. Nun, wohl eher auf MicroSD-Karte. Dank einer Gruppe von Fotografieexperten geht das ja recht Platz sparend; diskrete Kosinustransformation ist schon etwas Schönes. Aber das ist eher (Achtung: Dativus Possessivus) dem Monty seine Baustelle.



Weiter geht's zur French Bay nach Akaroa, einer historischen Siedlung, die von französischen Einwanderern gegründet wurde und insbesondere für ihre koloniale Architektur bekannt ist. Der Hauptstraße Rue Lavaud folgend gilt unser erster Stopp dem Banks Peninsula War Memorial, das an die im zweiten Burenkrieg und ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Halbinsel erinnert. Gleich daneben steht die Statue des französischen Künstlers Charles Meryon, der zwar als Maler dargestellt wird, in Wirklichkeit aber ein Radierer war. Die angrenzende Rue Balguerie führt uns daraufhin zur St. Peter's Church, einer anglikanischen Kirche im neugotischen Stil und weiteres Highlight des kleinen Dörfchens.









Ganz ohne Google Maps erreichen wir nach gut 800 Metern das Akaroa Pier. Von dort startet Black Cat Cruises unter anderem Ausflüge zu den in der Bucht lebenden Hector-Delfinen, mit die kleinsten Vertreter dieser Spezies. Hm, in Akaroa scheint alles irgendwie kleiner zu sein; muss wohl an der Seeluft liegen. Aber wegen der Delfine sind wir nicht hier. Wir wollen zu den Little Blue Penguins, den neuseeländischen Zwergpinguinen und kleinsten Artgenossen ihrer Familie. Bevor wir nun die Fahrt zur Flea Bay antreten, steht zunächst noch eine kleine Stärkung auf dem Programm. Das Frühstück liegt ja bereits eine Weile zurück und in der Luft hängt der Duft von gegrilltem Fisch. Ausgestattet mit einer Portion Zackenbarsch vom morgendlichen Fang setzen wir uns ans Ufer und fühlen uns dabei an Billy Massey und Chuck Jarvis erinnert: die Geier warten schon. Also die Seegeier, äh, Seemöwen.









Nächster Punkt auf der Liste: das Akaroa Lighthouse. Ursprünglich stand das Leuchtfeuer auf Akaroa Head an der Einfahrt zu Bucht, bevor es im Jahr 1977 nach Betriebseinstellung hierher verlegt wurde. Heute ist es eines der wenigen verbliebenen Exemplare hölzerner Leuchtfeuer in Neuseeland, das nur noch zu besonderen Anlässen auf die French Bay hinaus scheint. Hinter dem Leuchtturm befindet sich der Akaroa Yachtclub, dessen Landungsbrücke nicht nur für ein Gruppenfoto (wie immer ohne den kamerascheuen Monty) ein dankbares Motiv abgibt.







Was nun folgt, ist der Teil des Ausflugs, der mir definitiv in Erinnerung bleiben wird. Die Flea Bay, so will es Google Maps wissen, liegt 12 Kilometer entfernt. 'Das ist ja nicht sehr weit' denke ich mir. Famous last words. Aber diese 12 Kilometer sollen mich eines Besseren belehren. Über die Lighthouse Road führt die Route zunächst wieder nach oben. Die Straße per se ist etwas breiter als ein Auto, aber soweit gut zu befahren. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem der Asphalt endet und die Offroad-Strecke beginnt. Was genau will mir das Schild '4WD only' sagen? Ich zähle Holdens Beine, es sind vier an der Zahl. Passt. Nun, wer genau hinsieht, erkennt, dass unser treuer Hengst aber nur auf zweien laufen kann. Egal, es wird schon gehen. Die Straße, besser, der Weg ist nun kaum noch breiter als unser Auto, auf der einen Seite geht es steil nach oben, auf der anderen Seite steil nach unten. Jetzt bloß keinen Gegenverkehr bitte. Nach ungefähr sieben Kilometern biegen auf wir die Flea Bay Road ein, von da an geht's auf den nächsten fünf Kilometern schlangenförmig über Stock und Stein wieder abwärts. Langsam nähern wir uns dem Ziel, bis ein Gatter den Weg versperrt. Wenden is not an option und in Gedanken sehe ich mich schon die ganze Strecke wieder rückwärts hochfahren und schwitze dabei kalt aus allen Poren. Das Gatter ist zwar mit einer Kette gesichert, aber es lässt sich öffnen. So bringen wir auch die letzten Meter hinter uns und erreichen eine Farm, die uns mit den Worten 'Private property' sowie 'Public access to beach and toilets only' begrüßt. Endlich geschafft, vor uns liegt die Flea Bay. In der Ferne zieht eine Robbe einsam ihre Kreise, während hier am Strand gähnende Leere vorherrscht. Wie jetzt, war die ganze Fahrt umsonst? Zu den grauen Haaren der letzten Stunde gesellen sich instantan noch ein paar neue.



Von den Pinguinen fehlt jede Spur, nur die weißen Markierungen auf den Felsen künden von deren Anwesenheit. Bekanntermaßen erledigen Pinguine ihr Geschäft ja mit Hochdruck, sodass sie sich nicht ins eigene Nest, äh, drieten (Anm. d. Redaktion: Hierzu gibt es sogar einen strömungsmechanisch interessanten Artikel 'Pressures produced when penguins pooh - calculations on avian defaecation', Springer, 2003). Gut, es sind Zwergpinguine, aber so klein sind sie nun auch wieder nicht. Oder doch? Aus den Augenwinkeln heraus nehme ich eine Bewegung war. Und tatsächlich, da sind sie, die kleinen Scheißer. Versteckt zwischen Felsspalten können wir die 35 bis 40 Zentimeter großen Vögel entdecken. Um die Tiere vor einem Herzinfarkt zu bewahren, bleiben wir besser auf Distanz und die Kinder ausnahmsweise im Rucksack. Auch wenn die vier natürlich gerne ein Pinguin-Selfie gehabt hätten.







Des Glückes teilhaftig kehren wir zu Holden zurück, als wir auf den Besitzer der Farm treffen. Mit dem gleichen breiten neuseeländischen Akzent wie tags zuvor Andrew (der Hubschrauberpilot) erzählt uns der ältere Herr von seiner mühseligen Aufgabe, die Pinguine in der Bucht zu schützen, auch wenn ihm der Staat für seine Kosten keinerlei finanziellen Beistand leistet. Schließlich zeigt er uns noch ein Pärchen, das sich am Haus eingenistet hat und dort gemeinsam die Eier ausbrütet. Irgendwie sind sie schon putzig, diese Zwergpinguine. Aufgrund des einsetzenden Nebels und Nieselregens lässt sich das Unvermeidbare nicht länger aufschieben und wir treten die Rückfahrt an. War der Weg vorher schon schlecht zu befahren, so macht es der inzwischen rutschige Untergrund nicht besser. Wieder kalter Schweiß und noch mehr graue Haare. Als wir die Abbiegung zur Lighthouse Road erreichen, ist die Flea Bay bereits im Nebel versunken und auf der anderen Seite schwinden langsam die Umrisse der Bucht von Akaroa dahin.







Die Welt hat uns wieder. Nach gut einer Stunde Fahrt sind die 12 Kilometer bezwungen. Noch einmal möchte ich die Strecke aber nicht fahren. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Wir erreichen das Akaroa Pier. Wo sich am Morgen noch Horden von Touristen die Nasen an den Schaufenstern platt gedrückt haben, wirkt es jetzt wie ausgestorben. Merke: Wenn bei Akaroa die rote Sonne im Meer versinkt, dann wird es Nacht über der Banks Peninsula. Der Ausflug zu den Pinguinen hat uns hungrig gemacht. Es gäbe einen Thailänder, aber das wäre nun wirklich zu monoton. Im 'The Trading Rooms' werden diverse Fischgerichte feilgeboten, sodass wir uns dort niederlassen und die Lämmer - zumindest heute - auf den Wiesen verbleiben dürfen. Als Hauptspeise gibt es einen gemischten Fischteller, als Nachspeise eine eigenwillige Kreation von Affogato, bevor wir die Heimreise nach Christchurch antreten.





Bar, Bad, Bett. Der nächste Morgen empfängt uns mit Regen. Gut, der war angesagt, zwingt uns aber trotzdem, die Tagespläne neu zu überdenken. Im Hotelrestaurant, beim Doppelbäumchen heißt das Garden Court Brasserie oder kurz GCB, empfiehlt man uns einen Ausflug nach Hanmer Springs zu den Thermalbädern. "You know, cold water from above, warm water from below." Also Badetag. Warum eigentlich nicht. Kurz aufs Handy geschaut und Google Maps sagt 133 Kilometer, ich sage, wenn's schee macht. Nach der gestrigen Fahrt zu den Zwergpinguinen muss Holden unser heutiger Ausflug wie ein Spaziergang vorkommen. Über die State Highways 1 und 7 geht es nördlich in das an den Ausläufern der Berge gelegene Örtchen im Hurunui Distrikt. Nach der Entdeckung heißer Quellen wurden dort im Jahr 1883 erste Bäder errichtet, die in ihrer modernen Variante ein beliebtes Ziel von Touristen darstellen. Und wer nicht baden möchte, der kann mit 90 km/h auf einem Jetboot über den angrenzenden Waiau River jagen. Aber dafür ist es heute ein wenig zu kalt, weswegen wir die warmen Quellen vorziehen.





Flugs die Jeans gegen eine Badebüx getauscht und schon kann der Spaß beginnen. Die einzelnen Pools haben unterschiedliche Temperaturen, nach Schwefel stinken sie alle. Die Regeln sind einfach: kein Silberschmuck und immer schön den Kopf über Wasser halten. Wir verbringen den ganzen Nachmittag damit, jeden Pool mindestens einmal auszuprobieren. Bei Wassertemperaturen bis zu 42 °C stört es auch nicht, wenn von oben kalter Regen danieder prasselt.







Baden macht hungrig. Leider hat in Hanmer Springs kein Restaurant geöffnet, sodass wir mit knurrenden Mägen nach Christchurch zurückkehren. In gewohnter Manier besuchen wir heute mal keinen Inder, sondern einen Perser. Bei mir wird's Kebab mit Reis, ein Mix aus Hühnchen und Lamm. Natürlich darf auch der Besuch im Starbucks nicht fehlen, denn ohne ausreichend Kaffee ist später an Schlaf gar nicht zu denken. Verdammte Sucht.



Zurück im Hotel besuchen wir wie jeden Abend noch kurz die Bar, um unseren Vorrat an Vouchern abzubauen. Cocktail des Abends ist immer noch Espresso Martini und im TV läuft wie immer Rugby. Die geneigte Leserin mag womöglich an Punxsutawney denken, aber in dieser Geschichte geht es um Pinguine und nicht um Murmeltiere. Basta. Und wieder geht ein schöner Tag zu Ende. Gute Nacht.
 
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ambodenbleiberin

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Hach, schön zu sehen und zu lesen. :) Wirkt alles so sonntagsruhig und entspannt. Auch beim Lesen erholsam, dass es nach dem kaltschweißtreibenden Ausflug ein warmes Schwefelbad gab.

Aber sag mal, ich erinnere mich an einige nette Cafés in NZ mit gutem Kaffee, allerdings auch das erste McCafé, das ich je gesehen habe. Gibt's keine mehr oder warum immer Starbucks?
 
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Aber sag mal, ich erinnere mich an einige nette Cafés in NZ mit gutem Kaffee, allerdings auch das erste McCafé, das ich je gesehen habe. Gibt's keine mehr oder warum immer Starbucks?

Doch, die gibt es und einige haben wir auch besucht. Aber SBux ist halt so ein Spleen von dem Monty und der Knutschi. ;)

Cappuccino mit Karotten-Orangen-Küchlein (Black & White Coffee Cartel, Christchurch)

 
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ambodenbleiberin

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Doch, die gibt es und einige haben wir auch besucht. Aber SBux ist halt so ein Spleen von dem Monty und der Knutschi. ;)

Cappuccino mit Karotten-Orangen-Küchlein (Black & White Coffee Cartel, Christchurch)
Echt? Das hätte ich nicht gedacht. Weil Du doch sonst immer Wert auf guten Kaffee legst. Oder zumindest schätzt. Gabs denn was Besonderes bzw. Landestypisches, das es woanders nicht gibt?
Ach ja, der allgegenwärtige carrot cake. Sieht hübsch aus! (y)
(Ein wildes Wortdurcheinander ob des Dativus und des Possums letztens und auch des Milz-Exorzisten verschweige ich jetzt. Könnte ich bewegte Bilder malen, so wie in der Zeitung bei Harry Potter...;))
 

monty2006

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monty2006

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Teil 8-1: Christchurch oder Together We Are Stronger

Heute ist unser vorletzter Tag in Neuseeland, auf dem Programm steht Christchurch. Wie immer folgt das morgendliche Ritual Bett, Bad, Brasserie - ja, ja, never change a running system. Die freundlichen Damen vom GCB legen uns eine Fahrt mit der Straßenbahn ans Herz, da würde man die schönsten Flecken der Stadt am besten kennen lernen. Nach dem gestrigen Regentag zeigt uns Klärchen heute zwar nicht ihr schönstes Lächeln, aber zumindest ist es trocken und somit das ideale Wetter für einen Spaziergang durch die Stadt am Fluss Avon - obgleich uns unser erster Tagesordnungspunkt nach drinnen verschlägt, nämlich ins International Antarctic Centre. Selbiges ist zudem Basis des amerikanischen Antarktis-Forschungsprogramms und damit direkt neben dem Flughafen von Christchurch gelegen. Insofern wenig verwunderlich, dass auf der anderen Straßenseite die NSF (nein, das sind nicht die, die man bei einem Telefongespräch im Hintergrund atmen hört, das ist die NSA) ebenfalls ihr Lager aufgeschlagen hat.



Vor den Türen des Antarctic Centre warten schwedische Hägglunds, kettenbetriebene Amphibienfahrzeuge, auf ihren Einsatz. Ursprünglich fürs Militär entwickelt, sind sie heute fester Bestandteil auf Antarktisexpeditionen, da sie mit dem rauen, schwierigen Gelände gut zurechtkommen. Hinter der Halle, auf einem extra dafür angelegten Hindernisparcours, können sich Besucher selbst ein Bild davon machen und an Bord eines Hägglund ordentlich durchschütteln lassen. Mit Erwerb der Tickets bekommen wir auch unsere 'Riding Time' zugewiesen, leider dauert der Spaß nur 10 Minuten.




Drinnen empfängt uns dann ein antarktischer Sturm. In einer eigens dafür konstruierten Kammer vermag der gemeine Besucher nachzuempfinden, welche Gefahren und unwirtlichen Bedingungen in der Antarktis tagtäglich auf die Forscher lauern. Ausgestattet mit dicken Anoraks betreten wir den weltweit ersten Indoor Polar Room, der auf angenehme -5 °C abgekühlt wurde. Die Werbung spricht von einem Vergnügen für jedes Alter. Über die Lautsprecher wird uns ein Sturm prophezeit, wir mögen doch bitte einen Schutzraum aufsuchen. Wenn es denn einen gäbe. Langsam schwindet das Licht und die unterhalb der Decke installierten Ventilatoren beginnen zu arbeiten. Dann bläst uns kalter Wind mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h ins Gesicht. Die Kinder wollen lieber im warmen Rucksack bleiben und Monty, unsere Frostbeule, ist gar nicht erst mitgekommen. Nach ein paar Minuten ist der Sturm vorüber gezogen und wir dürfen die Kammer wieder verlassen. Ich überlege, Polarforscher wäre nichts für mich. Mit Hägglunds durchs Gelände jagen, gerne, aber Kälte ist so gar nicht mein Fall.





Weitere Exponate führen uns Robert F. Scotts Terra Nova-Expedition vor Augen. Viele sind ihm seitdem nachgefolgt, einige gescheitert, andere waren schon vor ihm da. Außerdem informiert ausreichend Bild- und Filmmaterial junge und alte Besucher über aktuelle Expeditionen und den Zustand und die einmalige Bedeutung der Antarktis für den Planeten Erde. Natürlich dürfen auch die Zwergpinguine nicht fehlen, wenngleich es sich bei den hiesigen Insassen um lauter Invaliden handelt, die in freier Natur nicht lebensfähig wären. Am Ende gab's sogar noch eine Gedächtnisstütze, um Arktis und Antarktis besser unterscheiden zu können: Arktis ist Eis mit viel Land außen herum, Antarktis ist Land mit viel Eis außen herum. Na ja, ob das jetzt wirklich hilft. Auf jeden Fall ist das International Antarctic Centre ein lohnenswerter Ausflug, den man bei einem Besuch in Christchurch nicht missen sollte.





Wir fahren auf die andere Seite der Stadt in die Peterborough Street. Inzwischen ist es Nachmittag und KuK-Zeit - wer jetzt Romy Schneider und die Deutschmeister vor dem geistigen Auge hat, der sei entwarnt, es geht lediglich um Kaffee und Kuchen. Im Black & White Coffee Cartel wird kurz der Sucht gefrönt (das Bild ist ja weiter vorne schon zu sehen), bevor wir an der Ecke Victoria Street auf das Gebäude unserer Wahl treffen. Nach dem verheerenden Erdbeben vom 22. Februar 2011 haben lokale und internationale Künstler in ganz Christchurch faszinierende Wandbilder und Kunstinstallation erschaffen, um zwischen den noch immer vorhandenen Ruinen und stillgelegten Wohnblöcken ein wenig Hoffnung aufkeimen zu lassen.



Nächstes Ziel: Ecke Cashel und Madras Street. Dort erinnern 185 leere Stühle an die Opfer des Erdbebens vom Jahr 2011. Der leere Stuhl als Zeichen des Verlusts wurde schon öfter im Rahmen von öffentlichen Denkmälern thematisiert und lässt einen auch hier mit Stühlen unterschiedlicher Form und Größe unweigerlich den Schmerz der Tragödie erfassen. Das Denkmal lädt ein, sich in einen beliebigen Stuhl zu setzen und innezuhalten, aber allein dazu fehlt mir die Kraft. Noch an vielen Stellen werden wir mit den Folgen des Erbebens konfrontiert werden - in Christchurch ein omnipräsentes Thema.



Zu Fuß geht es weiter bis zur Ecke Manchester und Lichfield Street. Auch hier finden sich wieder Vertreter der Street Art Szene. Ein paar Meter entfernt liegt die High Street, wo der gut drei Kilometer lange Rundkurs der Museumsstraßenbahn beginnt. Die Fahrt kostet 25 NZD und bietet an 17 ausgewählten Punkten die Möglichkeit zum Hop-On Hop-Off. Susan, Fahrerin und Kondukteurin in einer Person, begrüßt uns an Bord und schon setzt sich das historische Gefährt mit Rumpeln und Quietschen in Bewegung. Währenddessen erzählt Susan, Fremdenführerin ist sie ja auch noch, mit neuseeländischer Eloquenz zu jedem Gebäude eine kleine Geschichte. Nur merken kann ich mir das alles nicht.









Die Fahrt verläuft über den Cathedral Square bis zum Fluss Avon, vorbei am botanischen Garten und Victoria Square, durch die New Regent Street und wieder zurück zum Ausgangspunkt. Nach einer kompletten Runde verabschieden wir uns von Bahn und Susan am Cathedral Square. Mitten auf dem Platz steht die Ruine der Kathedrale von Christchurch, einer anglikanischen Kirche und ehemaliger Sitz des Bischofs von Christchurch. Seit ihrer Fertigstellung wurde die Kirche mehrmals von Erdbeben heimgesucht und dabei immer wieder zerstört, beim letzten Erdbeben im Jahr 2011 jedoch so stark, dass bereits mit ihrem Abriss begonnen wurde. Erst nach heftigen Protesten wurde dieser gestoppt und im Jahr 2017 schließlich der Wiederaufbau beschlossen.







Rund um den Cathedral Square sind weitere bunte Wandbilder und Installationen verstreut. Der 'Transitional Reading Room Parklet' mit seinen überdimensional großen grünen Stühlen ist Kunst zum Anfassen - oder wie in diesem Fall zum Probesitzen. Er ist wortwörtlich ein grüner Platz, an dem Passanten ausruhen und in einem guten Buch schmökern sollen; dazu noch eine Tasse heißer Tee und schnell vermag die potenzielle Leserin die hektische Großstadt um sich herum zu vergessen.









Gleich daneben in der Gloucester Street befindet sich das Isaac Theatre Royal, ein aus dem Jahr 1908 stammendes Theater im Edwardian-Stil, zugleich das einzige funktionstüchtige in ganz Neuseeland. Wir biegen ab in die New Regent Street, eine Ladenstraße aus den 1930er Jahren, die nur für Fußgänger und Straßenbahn geöffnet ist. Mit vielen kleinen Läden im spanischen Kolonialstil galt die New Regent Street zur damaligen Zeit als äußerst fortschrittlich und wird heute gerne als Vorläufer moderner Shopping Malls gesehen. Leider fiel auch sie diversen Erdbeben zum Opfer und die Renovierungsarbeiten dauern noch an.







Von der New Regent Street geht's weiter zu Cathedral Junction, einem Einkaufszentrum in Arkadenbauweise und zugleich einziger Haltestelle der Museumsstraßenbahn innerhalb eines Gebäudes. Wer möchte, kann hier in schrulligen Boutiquen einkaufen, sich in einem der Restaurants stärken oder Ausflüge zu den schönsten Orten der Stadt buchen. Anschließend machen wir uns auf den Rückweg in die Cashel Street, wo Holden schon sehnsüchtig auf uns wartet. Unterwegs bieten sich noch ein paar gute Gelegenheiten, fotographische Aufnahmen von eindrucksvollen Wandbildern zu sammeln.







In der Cashel Street kommen wir an der 'Papp-Kathedrale' vorbei, einer teilweise aus Kartonage gebauten provisorische Kirche, die die Christchurch Cathedral während der Renovierungsarbeiten ersetzt und wegen ihres sonderbaren Aussehens vor allem Touristen anlockt. Wir besteigen Holden, kommen aber nur bis zur Manchester Street, als uns ein Restaurant anlacht. Natürlich ein Inder. Aber nicht irgendeiner. Das Indian Sumner macht mit einem lebensgroßen Foto von Prinz William auf sich aufmerksam, der das Restaurant anlässlich des 2011er Erdbebens besucht hat. Und natürlich findet sich auf der Karte sogleich Prinz Williams Lieblingsgericht: Chicken Tikka Masala. Es ist bereits spät und das K aus KuK liegt inzwischen weit zurück. Hunger! Als Vorspeise bestellen wir Samosa und Garnelen, als Hauptspeise zwei unterschiedliche Lammcurrys und als Nachspeise ein Mangotörtchen mit Karamellsauce; war alles sehr ordentlich und wir anschließend gut satt.









Bevor es nun ins Doppelbäumchen geht, machen wir noch einen kurzen Abstecher zur Bridge of Remembrance, einem Kriegsdenkmal, das den neuseeländischen Gefallenen des ersten Weltkriegs gewidmet ist. Selbiges steht unweit des Canterbury Earthquake National Memorial, aber das heben wir uns für den nächsten Tag auf. Stattdessen grüßen wir das Murmeltier in der hoteleigenen Bar und - wer hätte es geahnt - verfolgen Rugby im Fernsehen. Der Tag geht zu Ende und vor uns liegt die letzte Nacht in Aotearoa. Ich denke an die vielen Eindrücke, die wir heute erlebt haben, vor allem an das schwere Erdbeben und seine Folgen. Es ist Matthias Claudius, der mir plötzlich in den Sinn kommt: So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder; kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott mit Strafen, und laß uns ruhig schlafen! Und unsern kranken Nachbar auch!

 
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bluesman

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15.11.2013
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Sehr schöner Bericht! Erinnerungen an's Hilton Lake Taupo (2018),Arrowtown, Christchurch, Auckland, an's Hilton Queenstown (2014, war im April 2018 leider von AMWAY-Chinesen blockiert ... :-/ ).
 
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monty2006

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17.11.2011
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Teil 8-2: Christchurch oder Together We Are Stronger

Punkt nullsiebenhundertdreißig. Die infernalische Maschine erfüllt den Raum mit gellendem Lärm. Heute ist Abreisetag. Bett, Bad, Brasserie. Wir verabschieden uns von den GCB Damen, die uns in den letzten Tagen immer wieder mit schönen Ausflugtipps versorgt haben. Nach dem Frühstück folgt das leidige Kofferpacken. Komisch, vor zwei Wochen gab es noch keine Platzprobleme und nun müssen etliche Sachen aus dem Koffer in den Rucksack. Kinder, Bauch einziehen! So eine Handtasche, wie Hermine Granger sie in den Harry Potter-Büchern besitzt, wäre jetzt eine feine Sache. Wir satteln Holden und verlassen das Doppelbäumchen. Da unser Flug nach Sydney erst um 16:05 Uhr abgeht, verbleibt etwas Zeit, noch ein paar neue Ecken von Christchurch kennenzulernen. Wir fahren auf die andere Seite des Hagley Parks und halten an der Park Terrace, die parallel zum Fluss Avon am botanischen Garten verläuft. Hier findet sich die Installation 'Solidarity Grid' des deutschen Künstlers Mischa Kuball, eine Ansammlung von Straßenlaternen aus der ganzen Welt. Hat im Jahr 2013 noch alles mit einer einzelnen Laterne aus Düsseldorf begonnen, so kann das Projekt inzwischen mit einer stattlichen Anzahl von Laternen aufwarten.



Ein paar Meter weiter stellen wir Holden erneut in der Peterborough Street ab, auch weil hier freies Parken möglich ist. An der Ecke zur Montreal Street steht das Peterborough Centre, eine im neugotischen Stil gehaltene Schule, die der Lehrerausbildung diente. Das Erdbeben von 2011 hat auch vor diesem Gebäude nicht Halt gemacht und Schäden in Höhe von etwa 7 Millionen Euro verursacht. Unweit vom Peterborough Centre befindet sich der Victoria Clock Tower. Stand er ursprünglich noch an der Kreuzung Manchester und Lichfield Street, so wurde er als Hindernis und Gefahr für das steigende Verkehrsaufkommen identifiziert und im Jahr 1930 von seiner ursprünglichen Position hierher verlegt. As easy as that. Ich überlege gerade, wie so ein Prozess wohl bei uns ablaufen würde, wenn beispielsweise die Propyläen am Münchner Königsplatz verlegt werden sollten.





Weiter geht es auf der Montreal Street Richtung Süden über den Cranmer Square. Nächster Anlaufpunkt ist die öffentliche Kunstgalerie Te Puna o Waiwhetu, die vom Stadtrat finanziert wird. Das Gebäude fällt schon von weitem durch seine eigenwillige Glasfassade auf und wurde so konstruiert, dass es Erdbeben - zumindest in der Theorie - stand hält. Auf dem Vorplatz begrüßt 'Chapman's Homer' die Besucher, eines dieser Exponate zum Anfassen. Da wird selbst Jerry Lee Lewis mit seinem hämmernden Klavier neidisch: You shake my nerves and you rattle my brain, too much love drives a man insane, you broke my will, oh what a thrill, goodness gracious great balls of fire.







Es folgt das Christchurch City Council, die Kommunalverwaltung, bestehend aus 16 gewählten Stadträten aus ebenso vielen Stadtteilen, denen die Bürgermeisterin vorsitzt. Von dort geht es auf dem Worcester Boulevard Richtung botanischer Garten. Wir kommen zunächst an der ehemaligen Knabenschule 'Boys' High' vorbei, die im Jahr 1881 erbaut wurde. Heute beherbergt das neugotische Gebäude unter anderem das Zentrum für Kunst, Handwerk und Unterhaltung 'The Arts Centre' mit seinen unzähligen kleinen Läden, die Liebhabern von Tinte und Körperschmuck über Bücher und Juwelen bis hin zu Eis und Fudge für jeden etwas bieten dürften. Im Innenhof des Gebäudes mit seinen Bogengängen und Kunstexponaten finden zurzeit Bauarbeiten statt, die das Bauwerk gegen zukünftige Erdbeben sicher machen sollen.











Am Ende der Straße wartet das Canterbury Museum, Heimat zahlreicher renommierter Ausstellungen, aber auch von Zeitzeugnissen regionaler Konflikte zwischen den europäischen Einwanderern und Ureinwohnern Aotearoas. In der Hereford Street begegnen wir erneut ein paar faszinierenden Wandbildern, die sich auf den gegenüberliegenden Häusern widerspiegeln. Dabei handelt es sich um die alten Chemiegebäude der 'Boys' High School', in denen seit dem Jahr 2017 zwei Institute der UC, der University of Canterbury, untergebracht sind - Altphilologie und Musik. Monty, unser kamerascheuer Informatiker, würde lieber das Jack Erskine Building der UC auf der anderen Seite der Stadt besuchen; etwas fürs nächste Mal.











Wir laufen auf der Cambridge Terrace und überqueren am 'Punting on the Avon' selbigen Fluss. Bootsbegeisterte - hallo Mr. Groover ;-) - können sich hier im Stechkahn von einem Gondoliere in traditioneller Edwardischer Garderobe über den friedvollen Avon schippern lassen und dabei wie König Edward VII. selbst fühlen. Auf der anderen Seite des Avon befinden wir uns nun auf der Oxford Terrace und laufen Richtung Canterbury Earthquake National Memorial. Unterwegs noch schnell ein Wandbild eingesammelt und schon stehen wir vor der riesigen Gedenkwand aus weißem Marmor, die der slowenischen Architekt Grega Vezjak entworfen hat. Ein ergreifender Moment. Hier wird den 185 Opfern ein Name gegeben, ebenso wie den Ersthelfern und allen anderen, die bei der Rettungsaktion beteiligt waren. Together we are stronger.









Unser letzter Anlaufpunkt ist noch einmal die Bridge of Remembrance, die stromabwärts auf das Canterbury Earthquake National Memorial folgt. Beide Denkmäler erinnern an Opfer, die einen als Folge des Erdbebens, die anderen fürs Vaterland – zumindest will es die Inschrift 'Quid non pro patria' auf dem Mittelbogen der Brücke so zu verstehen geben. Wir überqueren abermals den Avon und sind nun wieder auf der nördlichen Seite des Flusses. Es geht zurück zur Peterborough Street, wo Holden bereits auf seinen letzten Ritt zum Flughafen wartet.



Abschied liegt in der Luft. Google Maps sagt 9,1 Kilometer, ich sage, Holden hat Durst. Noch schnell den Tank befüllt, bevor wir den roten Hengst wieder an seinen Besitzer übergeben; Holden hat uns in den letzten Tagen gute Dienste erwiesen und zusammen haben wir über 2000 Kilometer zurückgelegt. Das verbindet. Die Kinder verdrücken sich ein Tränchen. Es geht zum Check-in, gefolgt von einem unspektakulären Flug in der Reiseklasse für Sparsamkeit. Wir verlassen Neuseeland und rufen der Südinsel aus der Luft 'E noho ra' hinterher, aber die Antwort 'Haere ra' verweht im Wind.

Nach gut vier Stunden Flug landet die Air New Zealand-Maschine auf dem Kingsford Smith International Airport. Australien heißt uns willkommen. Wie meinte man in Neuseeland noch, das wird ein Kulturschock. Na ja, Kiwis, Aussies, ihr fahrt alle auf der falschen Seite der Straße. Mit Bus und Bahn geht es zur St. James Station, von da ist es nur noch ein kurzer Fußweg ins Hilton. Man erwartet uns. Seit langem mal wieder ein Hilton mit Executive Lounge, Barvoucher gibt es dementsprechend keine. Soll das heißen, es gibt auch kein Rugby im Fernsehen? Nicht, dass wir die Regeln inzwischen kennen würden. Wir stellen die Koffer aufs Zimmer und statten der Lounge einen kurzen Besuch ab. Es ist voll. Sehr voll. Ein Gast, mit dem wir ins Gespräch kommen und der seit 7 Monaten (!) hier im Hotel wohnt, legt uns Bondi Beach ans Herz, sonst wäre man nicht in Australien gewesen. Hobbiton lässt grüßen. Wir beschließen, noch eine Runde durchs nächtliche Sydney zu drehen, eigentlich folgen wir nur dem Ruf des Koffeins. Gegenüber vom Hotel in der George Street steht das Queen Victoria Building, ein neoromantisches Bauwerk, das ursprünglich als Marktplatz konzipiert wurde und in dem heute etliche Geschäfte, Cafés und Restaurants untergebracht sind.



Gegenüber dem Queen Victoria Building befindet sich die Sydney Town Hall, ebenfalls im viktorianischen Stil errichtet. In der Haupthalle ist eine der größten Orgeln der Welt aufgestellt, die in London gebaut und per Schiff hierher verfrachtet wurde. Mit ihren über 8000 Pfeifen sicherlich sehens- und vor allem hörenswert, aber wir werden durch eine kleine Nixe abgelenkt, die uns schon von weitem zuzwinkert. Also gut, Kaffee vor Kultur. Wieder hat die Sucht gewonnen und bei einer Tasse Heißgetränk sichten wir die Fotos von heute morgen. Ja, schön war es bei den Kiwis.





Zurück im Hotel werden noch kurz Pläne für den morgigen Tag geschmiedet. Nein, Bondi Beach müssen wir auf den nächsten Besuch prokrastinieren. Dafür werden wir den Koalas unsere Aufmerksamkeit schenken. Die Kinder freut's. Müde vom Tag fallen wir ins Bett. Meine Gedanken kreisen um die letzten beiden Wochen. Wie es wohl Holden ergeht...
 

bluesman

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15.11.2013
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TXL
Mit der Orgel habt ihr ECHT was verpaßt.
Sie war bei ihrer Einweihung vielleicht die größte Orgel der Welt, aber mittlerweile liegt sie auf Platz 24.
Wie auch immer, auf jeden Fall eines der ganz "großen" Instrumente der Welt. Ganz hervorragender Klang, spitzenmäßige Handwerksqualität.
Angeblich wurde das Holz für die Orgel in Australien geschlagen und dann für die Herstellung der Orgel nach England verschifft.
Alle Bälge sind - nicht wie seinerzeit in Europa üblich aus Schaf- oder Rindsleder - alle aus Känguruleder. Echt zäh das Zeug.
Die größten Schallbecher der 64' langen Posaune sind am oberen Ende fast 1 x 1 Meter, bei einer Materialstärke von mindestens 5 Zentimetern.
Und weil sie mit über 12 Meter länge nicht reingepaßt hätten, wurden sie im unteren Bereich wie eine Blechtrompete einmal "aufgewickelt. Wohlgemerkt bei konisch rechteckigem Querschnitt und 5 cm Wandstärke!
Über die Orgel könnte ich stundenlang schwärmen ...
 

monty2006

Erfahrenes Mitglied
17.11.2011
2.081
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Ich sehe schon, beim nächsten Besuch müssen wir hier deutlich mehr Zeit einplanen. Hoffentlich wird die Orgel dann auch gespielt.
 

monty2006

Erfahrenes Mitglied
17.11.2011
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Teil 9: Von Brücken und anderen Bauwerken oder auf den Spuren der Koalas

Die Nacht geht zu Ende und wir werden von Klärchen geweckt, die sich früh morgens vor unserem Fenster postiert hat. Mag Thomas Jefferson in fünfzig Jahren auch nicht einmal von der Sonne im Bett erwischt worden sein, so sagt uns Klärchen heute unmissverständlich nur eines: Aufstehen! Auf Bett folgt Bad, auf Bad folgt Frühstück. Im Restaurant treffen wir den dauerschlafenden Gast aus der Lounge wieder, der uns nochmals Bondi Beach nahe legt. Im Augenblick beschäftigt mich dagegen eher die Frage, ob es hier Croissants gibt. Die Küche bietet Eier vom emeritierten Papst, aber die mag ich nicht. Gestärkt und mit ausreichend Koffein versorgt machen wir uns auf den Weg. An der Ecke Pitt und Market Street weist uns eine lebende Werbetafel auf den Sale bei UGG hin. 70 Prozent würde es geben. Eine Straßenecke weiter sind es schon 80 Prozent. Bevor wir jetzt noch 90, 100 oder gar 120 Prozent entdecken und uns (rein theoretisch) zum Kauf entschließen würden, erreichen wir den Hyde Park. In dessen Zentrum befindet sich der Archibald Fountain, der einige Figuren der römischen und griechischen Mythologie wie etwa Theseus und den Minotaurus in sich vereint. Vom Brunnen aus in östlicher Richtung erkennt man die römisch-katholische St. Mary Kathedrale, Sitz des Erzbischofs von Sydney. In westlicher Richtung ist der Sydney Tower mit seinen 309 Metern lichter Höhe - und damit zweithöchster Fernsehturm der südlichen Hemisphäre - kaum zu übersehen.





Weiter geht es über die Macquarie Street Richtung Norden, erklärtes Ziel ist das Opernhaus. Wir kommen an der ehemaligen Münzprägeanstalt und zugleich dem ältesten Gebäude Sydneys vorbei, das von 1816 bis 1854 als Rumhospital bekannt wurde. Finanziert mit 45.000 Gallonen Rum bot das Gebäude Platz für 200 Patienten, bevor es in den Jahren 1855 bis 1926 als erste königliche Überseeprägeanstalt eröffnet wurde; 1.200 Tonnen koloniales Gold fanden hier ihren Weg in 150 Millionen Sovereigns. Nach einer weiteren Nutzung im Dienste verschiedener Regierungsabteilungen und Gerichte ist 'The Mint' heute Hauptverwaltung des Sydney Living Museums und beherbergt darüber hinaus die Caroline Simpson Library & Research Collection. Und natürlich auch ein Café.





Nächste Station ist der königliche botanische Garten, der sich fast nahtlos anschließt. Mit seinen über 30 Hektar Fläche bietet er ausreichend Platz für eine unglaubliche Pflanzenvielfalt, die von der faszinierenden australischen Flora bis hin zu seltenen Arten aus der ganzen Welt reicht. Vorbei an Kunstwerken und Statuen diverser Bildhauer wie Achille Simonetti (Governor Philip Brunnen) und Henri Alfred Marie Jacquemart (Jäger mit Hund) erreichen wir schließlich den Circular Quay und sind wieder zurück im bunten und vor allem lauten Treiben der Menge.













Am Circular Quay, Knotenpunkt der urbanen Infrastruktur, treffen Bus, Bahn und Fähre aufeinander und expedieren Fahrgäste in aller Herren Länder; gut, vielleicht nicht ganz so weit, aber zumindest in die größere Umgebung Sydneys. Wir lösen ebenfalls einen Fahrschein (inklusive Eintritt und Seilbahnfahrt) zum Taronga Zoo. Bis dahin verbleibt noch ausreichend Zeit, um die üblichen touristischen Aktivitäten mitzunehmen. Gegenüber dem Kai verbindet die Sydney Harbour Bridge, eines der Wahrzeichen der Stadt, mit einer Spannweite von 503 Metern Süd- und Nordufer und stellt somit einen der Hauptverkehrswege dar. Auf einer Breite von 50 Metern sind neben zwei Bahngleisen, einem Fahrrad- und Fußgängerweg ebenfalls acht Fahrspuren untergebracht, sodass keine Gefahr besteht, auch hier auf japanische Ingenieurskunst à la Nippon Clip-on angewiesen zu sein. Wer möchte, kann den Brückenbogen besteigen und aus einer Höhe von gut 134 Metern auf die australische Metropole herabblicken.







Wir sind am Ziel. Vor uns liegt das berühmte Gebäude mit seiner markanten Optik; obgleich es ja eher um Akustik geht. Beim Sydney Opera House dürfte es sich wohl um das bekannteste Wahrzeichen der Stadt handeln, gibt es doch eher selten Filme und Reportagen, in denen die Oper nicht mindestens als kurzer Einspieler zu sehen ist. Basierend auf Entwürfen des dänischen Architekten Jørn Utzon wurde das Gebäude im Jahr 1973 von Königin Lillibeth der zweiten feierlich eröffnet. Das Dach verzieren über eine Million schwedischer Keramikfliesen, aber auf mich wirkt es ein wenig wie Herr Tur Tur, der Scheinriese aus Michael Endes Roman Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer - je näher man herankommt, umso mehr verliert es von seinem Glanz und wirkt am Ende beinahe unspektakulär. Trotzdem wollen die Kinder ein Selfie, denn ohne war man ja bekanntermaßen nicht da.









Wir laufen zurück zum Circular Quay und besteigen die Fähre zum Zoo. Die kurze Fahrt führt vorbei an der Oper - so also muss sich dieser epochale Moment anfühlen, wenn man an Bord des Traumschiffs zur Musik von James Last aus dem Hafen von Sydney ausläuft - und am Fort Denison, einer ehemaligen Strafanstalt und Verteidigungsanlage nordöstlich des botanischen Gartens. Wir erreichen die andere Seite und per Sky Safari geht es den Hügel hinauf zum Eingang des Taronga Zoos. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zu den Koalas. Im Rucksack kehrt Unruhe ein, die Kinder wollen endlich zu diesen süßen silbergrauen Fellknäueln mit ihren dunklen Knopfaugen und Nasen.





Laut Übersichtskarte sind die Koalas gleich rechts neben dem Eingang. Das Gehege ist als Rotunde angelegt und kann mittels einer sich nach oben schraubenden Spirale einmal komplett umrundet werden, sodass man die niedlichen Baumbewohner auch in den Wipfeln gut zu sehen bekommt. Bekannterweise ernähren sich Koalas fast ausschließlich von den harten Blättern des Eukalyptusbaumes, wenngleich ein guter, aber auch giftiger Lieferant von Nährstoffen und Wasser. Um Energie zu sparen, verbringen die nachtaktiven Tiere deshalb den Großteil des Tages mit Schlafen - ja, das würde Monty, unserer Frostbeule und Schlafmütze, auch gefallen. Insofern braucht es schon ein wenig Glück, einen Koala außerhalb seiner Schlafenszeit beobachten zu können. Uns war das Glück natürlich hold und so durften wir wenigstens einen Koala bei seinen Kletterübungen begleiten, während der Rest der Bande weiterhin Augenpflege betrieb. Die kleinen Kerlchen wurden übrigens von den Aborigines auf den Namen Koala getauft, was so viel wie 'ohne zu trinken' bedeutet, da Koalas ihren Wasserbedarf vornehmlich mit Eukalyptusblättern decken.






Von den friedlichen Koalas geht es weiter zu den weniger friedlichen Komodowaranen. Auch hier ist uns das Glück hold, denn es ist Fütterungszeit; ob das wirklich Glück ist, liegt im Auge des Betrachters. "Einmal im Monat", so erklärt es der Tierpfleger, "bekommt die Drachenechse etwas Ordentliches zu fressen". Und wie wir gleich sehen werden, ist das nicht weniger als ein ganzes Schwein. Knisternde Spannung liegt in der Luft. Dann beginnt die gut zwei Meter lange Echse, vor den Augen der anwesenden Grundschulklasse einzelne Stücke aus dem leblosen Körper herauszureißen. Mahlzeit! Wir beobachten das Schauspiel eine Weile, bevor wir uns in die angrenzende Welt der Reptilien flüchten. Immer wieder interessant, welche Mannigfaltigkeit an Formen und Farben uns Mutter Natur in der Tierwelt aufzeigt. Nach etwa 20 Minuten kehren wir zur Drachenechse zurück, die immer noch genüsslich an ihrem Festmahl kaut. Die Kinder verstecken sich tief unten im Rucksack...













Wir folgen dem 'Australischen Rundgang', der uns zum Koala Encounter führt. Dort soll es die Möglichkeit zu Fotos mit den kleinen Kerlchen geben. Allerdings errichtet der Zoo nebenan gerade ein neues Gebäude, sodass die Begegnung leider ausfallen muss. Aufgrund des Baulärms werden die Koalas in ihrem natürlichen Schlafrhythmus gestört, sodass man ihnen nicht noch weiteren Stress zumuten möchte. Verständlich. Stattdessen begegnen wir nun Kängurus und deren kleineren Vertretern, den Wallabys. Was fehlt, ist der obligatorische Besuch des Elefantengeheges. Die friedfertigen Dickhäuter liegen uns nicht erst seit Reisen nach Indien, Nepal und Südafrika ganz besonders am Herzen. Zum Abschluss noch ein kurzer Abstecher zu den Pinguinen, die uns heute aber eher den Rücken kehren. Zumindest findet sich dort eine sehr plastische Darstellung der weltweit siebzehn Pinguinarten, die allesamt nur auf der südlichen Hemisphäre anzutreffen sind. Und ganz vorne, ja, da stehen sie, die kleinen blauen Zwergpinguine. Wehmütig denke ich an Akaroa.











Wir verabschieden uns vom Zoo und nehmen die Fähre nach Sydney. Wieder dauert die Überfahrt knapp 20 Minuten und wieder kommt Traumschiff-Feeling auf, als wir am Opernhaus vorbei in den Hafen einlaufen. Wo bleibt nur die Melodie von James Last? Vor uns liegt die Sydney Harbour Bridge, die im Licht der untergehenden Sonne erstrahlt. Hat Klärchen uns heute Morgen noch aus dem Bett geholt, so kündigt sie nun den letzten Teil des Tages an und erinnert uns ans Abendessen. Nun, Inder hatten wir jetzt oft genug, sodass die Wahl auf einen Japaner fällt - genau genommen auf einen rennenden Japaner. Wir bestellen kalten Fischaufschnitt und ein wenig Tempura. Alles schmeckt prima; bei Genki wurden wir bisher nie enttäuscht.







Nach dem Essen muss noch eine wichtige Entscheidung getroffen werden: Starbucks oder Lounge. Der Koffeinpegel ist im Keller, der Alkoholpegel aber auch. Bei einem regelmäßigen Konsum von 14 Alkoholeinheiten (hallo, das ist gerade mal eine Flasche Wein) pro Woche, wird einem bereits zu hoher Alkoholkonsum nachgesagt. Egal, wir entscheiden uns für die Happy Hour und marschieren ins Hotel. Langsam findet der Tag sein Ende und wir nach zwei Gläsern Wein ohne Probleme von der Bar ins Bad ins Bett. Müde fallen mir die Äuglein zu und ich folge - wie die Koalas - meinem Schlafrhythmus. Nur, dass dieser deutlich kürzer ausfällt.
 

bluesman

Erfahrenes Mitglied
15.11.2013
2.631
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TXL
Ich sehe schon, beim nächsten Besuch müssen wir hier deutlich mehr Zeit einplanen. Hoffentlich wird die Orgel dann auch gespielt.

Müßte man gut planen können. Ich glaub da werden regelmäßig Konzerte gegeben.
https://www.sydneyorgan.com/STH2013.html

Die Geschichte der großen Orgel im Opernhaus ist auch nicht uninteressant, wenngleich die Orgel klanglig bei weitem nicht mit der Hill-Orgel der Town Hall mithalten kann.
 
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Travel_Lurch

Erfahrenes Mitglied
15.09.2009
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759
Die Oper ist von innen noch interessanter. Ich empfehle Führung. Ist billiger als Oper oder Operette und man sieht mehr ;-)
Und gibt es auch in der Variante mit F&B.
 
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